Hi,
ich weiß ja nicht, wer hier selber eine Studio mit Ebenholzgriffbrett hat, aber für mich macht es einen beträchtlichen Unterschied.
Man darf nicht vergessen, dass das Griffbrett auf dem einen Ende der Saite das ist, was die Korpusdecke am anderen ist, nämlich das Holzteil, auf dem der Aufhängungspunkt der schwingenden Saite unmittelbar montiert ist. Wenn eine Saite zwischen zwei Punkten schwingt, sind die physikalischen Eigenschaften der Bereiche, auf denen sie jeweils befestigt sind, logischerweise gleich bedeutsam - ob Bridge oder Bund. Insofern ist das Griffbrett mindestens so entscheidend für die Schwingungsformung wie das Material der Halsbasis, vielleicht sogar wichtiger.
Kleiner Exkurs: Wers immer noch nicht glauben mag, stelle das Gedankenexperiment an, dass das Griffbrett aus einem noch viel weicheren Material bestünde. Man kann nicht ernsthaft davon ausgehen, dass der Ton eines in Gummi gelagerten Bundes der gleiche wäre. Natürlich sind sich Palisander und Ebenholz wesentlich ähnlicher, aber es ist eben nur ein
gradueller und kein
prinzipieller Unterschied zum Gummi. Und Palisander ist halt nunmal weicher als Ebenholz und hat eine deutlich andere Struktur mit groberen Poren - ein gewisser klanghlicher Unterschied erscheint da nur logisch.
In der Praxis hat sich das für mich aber auch immer wieder bestätigt. Meine Studio wird nie so klingen wie die (mittlerweile sehr zahlreichen) LP Studios mit Palisandergriffbrett, die ich angespielt habe. Durch alle Jahrgänge zieht sich neben den individuellen Nuancen eine klare Grundausrichtung. Mit Rosewood wirds mittiger, runder und holziger, mit Ebenholzgriffbrett strammer und mit einer gewissen Klarheit und Härte im Ton. Die Bässe gehen tiefer runter, die Höhen weiter rauf, das hat so eine gewisse "HiFi-Note". Das ist was, das sich auch nicht durch andere PUs ganz angleichen lässt.
Es hat schon seinen Grund, dass man bei Bluesern und Classic Rock-Spezis meist eine Standard sieht, während viele bekannte LP Custom-Player in härteren Stilen zu Hause sind (John Sykes, Randy Rhoads, James Hetfield). Ich würde sogar sagen, dass meine Ebenholz-Studio einer Custom ähnlicher klingt als einer Rosewood-Studio. Das hat sich jedenfalls auch im direkten Vergleich bestätigt, als ich mal bei Aufnahmen die (übrigens traumhaft schöne) Custom eines Bekannten spielen konnte.
Zum Sound habe ich schon einiges gesagt; was den Wert betrifft, ist eine eindeutige Aussage mMn nur schwer zu treffen. Mein Eindruck ist schon, dass die Ebenholz-Studios höher gehandelt werden, einfach, weil sie sehr viel seltener sind und Ebenholz einfach im Einkauf teurer und bisher fast nur auf Spitzenmodellen der Hersteller zu finden war.
Es hat sich allerdings ein bisschen was getan. Die Verwendung von Palisander ist durch die Einbeziehung in CITES sehr viel aufwendiger geworden. So wie ich das sehe, sind die Dokumentationspflichten inzwischen strenger als bei Ebenholz. Von daher ist zuletzt ein gewisser Trend zu beobachten, dass in der Mittelklasse zuweilen Ebenholz auf Instrumenten verwendet wird, die früher ein Rosewood-Griffbrett gehabt hätten. Bei günstigeren Gitarren wird jenes wiederum durch Pau Ferro und andere freier handelbare Holzsorten ersetzt.
Andererseits gibt es speziell bei Gibson die Besonderheit, dass die schon seit einiger Zeit kaum noch Ebenholz verwenden. Stattdessen wird selbst die Custom mit einem Griffbrett aus Richlite versehen, einem industriellen Holzverbundwerkstoff. In sofern ist es nicht abwegig zu vermuten, dass unter den Gibsons die Ausführungen mit echtem Ebenholz zunehmend gesuchter und dann auch teurer werden. Das kann aber schnell wechseln, wenn der Schutzstatus von Palisander weiter erhöht werden sollte und es dann weitgehend von Alternativen ersetzt wird. Dann werden wieder die Gebrauchtkurse bei Studios mit Rosewood-Griffbrett anziehen, denn (Achtung Gitarristen-Logik
was man so nicht mehr kaufen kann, muss ja viel besser gewesen sein.
Gruß, bagotrix