Gibt es so etwas aus der Zeit, was der Normalpianist nicht kennt oder erkennt, das dann doch noch einen - wie auch immer gearteten - Wert hat, oder gibt es das nicht?
Natürlich gibt es solche historisch wertvollen Instrumente und die sollten auch keinesfalls auf der Müllkippe landen. Die gehören dann besser ins Museum, wo man dann auch viele solcher alten Schätzchen bewundern kann. Dennoch ist die Zahl der Museumsinstrumente, auf denen man noch vernünftig spielen kann und die eine (dann üblicherweise sehr aufwändige) Überholung rechtfertigen nicht so groß. Viele der ausgestellten Instrumente sind gar nicht bzw. nicht vollständig spielbar und selbst solche, die vollständig spielbar und in entsprechend ordentlichem Zustand sind, klingen oft nicht wirklich mehr schön. Manch altes Hammerklavier ist heute einfach mehr "Hammer" als "Klavier", wenn man kritisch hin hört.
Oder der Steinway von anno Toback, den mein Klavierbauer für einen Kollegen mal von Grund auf komplett neu aufgebaut hat. Der hat nun einen tiptop Steinway, der im Grunde technisch wie neu ist, aber günstiger als ein neuer war.
Ein 100 Jahre alter Steinway-Flügel hatte allerdings schon einen sehr hohen technischen Standard, wie überhaupt die Flügelmechaniken viel früher ausgereift waren als die Klaviermechaniken, die ja sozusagen "um die Ecke" herum arbeiten müssen und hinsichtlich des Spielgefühls, des Anschlags- und des Dämpfungspunktes schwieriger in den Griff zu bekommen waren.
Wenn also ein solcher Flügel vom Rahmen, Resonanzboden und vom ganzen Korpus her gut erhalten ist, lohnt sich eine umfassende Reparatur durchaus. Dabei muss man sich aber den Aufwand klar machen: Wenn das Instrument die Stimmung nicht mehr hält, die Saiten unsauber klingen, die Mechanik klapprig und der Lack nicht mehr schön ist, kommen da sehr viele Stunden Arbeit und nicht ganz billiges Material zusammen.
Um die Stimmhaltigkeit wieder herzustellen, werden alle Wirbel ausgetauscht durch welche, die einen minimal größeren Durchmesser haben und in den Löchern wieder gut halten. Das bedingt, dass alle Saiten ebenfalls neu aufgezogen werden, denn man kann die alten Saitenenden nicht mehr auf die neuen Wirbel aufziehen, die brechen ab.
Eine ausgeleierte Klaviatur aufzuarbeiten, komplett neu befilzen, neue Hämmer montieren, alles zu justieren und schließlich zu intonieren, das ist sehr aufwändig und gehört in die Hände eines wirklich guten Klavierbauers, der dann auch wiederum nicht billig ist.
Der Aufwand ist dabei nicht geringer, wenn es sich um ein altes Oberdämpferklavier handelt, eher noch mehr wegen der schwieriger zu regulierenden veralteten Mechanik.
Wenn dann aber schon vorher klar ist, dass so ein Klavier klanglich in keiner Weise selbst mit einem preiswerten modernen Klavier wird mithalten können (anders als beim Steinway!), dann verbietet sich so eine Generalüberholung von selbst. Für diese vielen Tausend Euro, die so eine umfassende Reparatur kostet (kosten muss) bekommt man schon ein besseres (!) neues Klavier.
Im konkreten Fall halte ich es nach wie vor für die beste Lösung, selber Hand anzulegen und die wenigen hängenden Tasten irgendwie wieder gangbar zu machen. Wenn das dazu nötige grundlegende Know-How und handwerkliche Geschick aber nicht vorhanden ist (ist wahrscheinlich so), dann könnte man allenfalls versuchen, einen barmherzigen und kompromissbereiten Klavierbauer zu finden, der für kleines Geld (!) bereit ist, die Tasten einzustellen.
Das Stimmen würde ich auf alle Fälle selber machen, denn wenn es die Stimmung nicht mehr halten kann, was ich vermute, dann würde das Stimmen sehr teuer werden, wenn der Stimmer alle paar Monate kommen muss..
Als Stimmhilfe reicht jede kostenlose Stimm-App, Feinheiten sind bei dem Instrument nicht mehr zu erwarten. Außerdem würde ich vorsichtig sein und statt 440 Hz (Standard für a1) nur 438 oder sogar 435 Hz vorgeben (kann man in den Apps einstellen). Es könnte sein, dass sonst die Spannung auf dem Rahmen zu groß wird und sich das Instrument verzieht.
Noch etwas: unbedingt prüfen, ob der Metallgussrahmen noch vollständig in Ordnung ist und keinerlei (!) Risse hat. Wenn das der Fall wäre, wäre es in der Tat nur noch Schrott und reif für die Kellerbar.