OneStone
HCA Röhrenamps
So liebe Leute,
Eine kleine Geschichte:
es begab sich, dass ein Freund mir einen Fender Bassman brachte, der nach neuen Endröhren verlangte (Kathodenmaterial fliegt in den Röhren rum, Gettermaterial stellenweise milchig...).
Ich habe also Röhren bestellt und diese nach Erhalt in den Bassman eingebaut. Diese Röhren zeigten sich aber leistungsmäßig überschaubar (70 W aus vier 6L6GC bei 480 V Betriebsspannung???); ihre thermische und optische Performance dagegen war erleuchtend in den wunderbarsten Rot-und Orangetönen.
Gut, ich hatte dummerweise versehentlich 6L6GA gekauft, die russische 6P3S sind (Sovtek). Diese sind nur für 250 V zugelassen und befördern sich logischerweise bei 500 V Leerlaufspannung im Bassman ins thermische Nirwana. Und sie können nur 20 W Anodenverlustleistung (6L6GC: 30 W). Also was tun? Es gibt jetzt Leute, die würden die Röhren auf Basis des Fernabsatzgesetzes zurückschicken und sagen "hab falsch gekauft, schickt mir die richtigen". Da ich allerdings die Teile ja schon überlastet habe und ich der Meinung bin, dass die Firma BTB nicht für meine Fehler geradestehen sollte, behalte ich die Röhren natürlich.
Nun hab ich keinen Verstärker, wo die Röhren reinpassen, da alle meine Verstärker mit 400-500 V Betriebsspannung arbeiten (gut, manche bis 800 V...). Und rumliegen lassen? Nein.
Zusammengefasst: Habe Röhren, habe Schrott, brauche Verstärker.
Und um vielleicht ein paar Bastler zu animieren, nicht den 1000. Fender Clone zu bauen, sondern mal ihr eigenes Hirn anzustrengen und die bekannten ausgetretenen Pfade zu verlassen, starte ich nun eben dieses Thema. Das Ganze hier soll ein begleitender Thread sein, in dem ich ein paar Tricks und Kniffe zeige, wie man aus vorhandenem Schrott neue funktionierende Geräte bauen kann. Und das ohne teure Werkzeuge und ohne riesige Planung. Einfach loslegen mit dem, was man hat.
Soweit es geht werde ich mich auch auf Werkzeuge beschränken, die keine spezielle Werkstatt erfordern, also vor allem Handwerkzeuge, Akkuschrauber usw.
Der Plan:
Das klingt jetzt wahrscheinlich absurd, aber: Es gibt keinen konkreten Bedarf, sondern nur: Aus Schrott mach Verstärker.
Die Basis:
Die teuersten Teile an einem Röhrenverstärker sind die Röhren und die mechanischen und magnetischen Komponenten. Die Endröhren habe ich schon und die ECC83 oder ähnliches Kleinzeug fliegt in einer Röhrenbastelwerkstatt sowieso rum.
Ich habe hier einen 25 W Verstärker, der original 6x EL84 in Gegentakt Klasse A eingebaut hatte. Damit sind ein Chassis und die Trafos schonmal vorhanden. Das Gerät ist mir vor > 10 Jahren zugeflogen und steht seitdem in der Ecke, da ich es nicht einsehe, sechs aufeinander selektierte EL84 zu kaufen und die in der Kiste zu verheizen. Zu heiß, zu teuer. Daher zerlege ich das Ding und nehme es als Basis für dieses Projekt.
Der Netztrafo hat ca. folgende Daten (aus dem Kopf...)
primär
110-120-130-220-240 V
sekundär
6.3V/2.3A
6.3V/2.3A
6.3V/0.3A
230V/0.5A(?)
und irgendeine -Ug-Wicklung
Hier muss man nachdenken "reicht das?".
Heizung:
4x 6P3S: 4 x 0.9A = 3.6 A Heizstrom bei 6.3 V. Passt. Rest 1 A auf den beiden "dicken" 6.3 V Wicklungen. Eventuell kann man die parallelschalten (einseitig zusammenschalten, Differenzspannung zwischen den beiden Wicklungen messen...), dann hätte ich eine Wicklung mit 6.3 V / 4.6A.
3x ECC83: 3x 0.3A = 0.9 A. Abgezogen vom Rest von 1 A bleiben 100 mA übrig. Und es ist noch die 300 mA Wicklung übrig.
PASST.
Anodenspannung: War für EL84 gewickelt, also kommen da wohl so 300 V DC raus. PASST.
Über den Ausgangsübertrager weiß ich eigentlich nichts, außer dass:
- er für 6x EL84 in A Gegentakt gewickelt ist
- er zwei Sekundärwicklungen hat. Eine dicke für den Lautsprecher und eine dünne für eine Gegenkopplung
- er massiv verschachtelt gewickelt ist (ich habe glaube ich 6 Sekundärwicklungsteile gezählt. Wem das nichts sagt, google bitte Übertrager Verschachtlung)
- Ich meine mich zu erinnern, dass die Lautsprecherwicklung für 4 Ohm gewickelt ist.
Hier muss man überlegen: "passt das"?.
Anodenseitig: Naja, die EL84 hat typischerweise so 8 kOhm Raa, also bei 3 Paaren dann 2.7 kOhm. Die 6L6GA ist für Gegentakt mit Raa = 9kOhm @ 360 V Ub angegeben, die 6L6 gibt zudem noch Raa=5kOhm @ 270 V Ub, also passt das schon ca.
Ausgangsseitig: Ich finde schon eine passende Box.
Das Chassis hat natürlich schon einige Löcher:
Auf dem Bild habe ich die drei hinteren Fassungslöcher bereits auf 28 mm für Oktalfassungen aufgebohrt und zwei weitere 28 mm Löcher davor eingefügt.
Die 6x EL84 standen im Original-Verstärker 3 hinten, 3 vorne. Ganz rechts vorne sind weitere Bohrungen für Vorstufen (hier war eine ECC81 eingebaut, ein Loch war leer). Ganz links befinden sich Bohrungen für Elkos mit Schraubbefestigung.
Gegenüber meinen anderen Verstärkern, die die Eingangsbuchse immer links haben und das Netzteil rechts, erfordert dieses Chassis eine umgekehrte Montage, d.h. wie bei Marshall Eingang rechts und Ausgang/Netzteil links.
Der Klang / Signalfluss / Bedienelemente
Aufgrund des massiv verschachtelten AÜ ist eine gute Hochtonwiedergabe zu erwarten. Es bietet sich also an, das Gerät in Richtung "sparkly clean" zu entwickeln und dann einen runden, warmen Zerrsound dazuzubauen. Also ein Zweikanaler. Vielleicht. Auf jeden Fall mal 2x Gain und 2x Volume, gemeinsamer 3 band-EQ, ein Präsenzpoti und weil noch Platz ist, noch ein Poti, von dem ich momentan noch keine Ahnung habe, was es eigentlich tun soll. Alles in professioneller CAD - Technik (Cardboard Aided Design).
Von links nach rechts:
Power, Standby, Kontrollleuchte, ???, Volume2, Volume1, Presence, Treble, Middle, Bass, Gain2, Gain 1, Input
Unten noch zwei Kippschalter für irgendwas (beim EQ) und Kanalumschaltung (unter der Eingangsbuchse)
Ich bohre lieber jetzt mehr Löcher als nachher im fertigen Verstärker rumzubohren.
Chassisbearbeitung
Zuerst klebe ich bei solchen Chassis, die bereits Löcher haben, ein Stück Aluminiumblech auf. Dazu müssen das Blech und die zu beklebende Chassisseite natürlich fettfrei, plan und aufgerauht sein. Da ich mein Epoxidharz nicht finden konnte, habe ich hier Sekundenkleber genommen. Die Aluminiumplatte wird nachher ohnehin von den Knöpfen gehalten und muss daher nicht bombenfest halten. Bei Ausschnitten wie der Netzbuchse (hinten rechts im Bild) ist es vorteilhaft, das innere Blech vorher großräumig freizuräumen - dann geht die Bohrerei nachher besser.
Es ist auch sinnvoll, wenn man sich vorher Gedanken um die Knopfanordnung macht, damit man die Löcher nicht "halb übereinander" bohrt.
Dann wird die Frontplatte:
Pappschablone auf Aluplatte auf Frontplatte, schauen obs passt. Dann Aluplatte festkleben, Pappschablone durchkörnen, anschließend auf der Aluplatte schauen, dass alle Löcher auch WIRKLICH sind, wo sie hingehören und bohren.
Dann sieht das Gerät nach ein paar Stunden Bohren, feilen, fluchen und schrauben so aus:
Die Siebdrossel links bot sich aufgrund des Aufbaus in altehrwürdiger Technik an. Ich benutze normalerweise keine Siebdrosseln sondern geregelte Netzteile, aber bei einem Verstärker nach Opas Kochbuch alter Schule geht das nicht.
Die ganzen Löcher im Chassis sind jetzt mit Bauteilen bestückt und ich kann jetzt mal über eine Schaltung nachdenken. Und Schraubelkos suchen, die nicht kaputt sind. Und die Messingbuchsen in den Knöpfen auf 6.4 mm aufbohren...
Ich freue mich schon auf eure Kommentare
Viele Grüße
Stephan
Eine kleine Geschichte:
es begab sich, dass ein Freund mir einen Fender Bassman brachte, der nach neuen Endröhren verlangte (Kathodenmaterial fliegt in den Röhren rum, Gettermaterial stellenweise milchig...).
Ich habe also Röhren bestellt und diese nach Erhalt in den Bassman eingebaut. Diese Röhren zeigten sich aber leistungsmäßig überschaubar (70 W aus vier 6L6GC bei 480 V Betriebsspannung???); ihre thermische und optische Performance dagegen war erleuchtend in den wunderbarsten Rot-und Orangetönen.
Gut, ich hatte dummerweise versehentlich 6L6GA gekauft, die russische 6P3S sind (Sovtek). Diese sind nur für 250 V zugelassen und befördern sich logischerweise bei 500 V Leerlaufspannung im Bassman ins thermische Nirwana. Und sie können nur 20 W Anodenverlustleistung (6L6GC: 30 W). Also was tun? Es gibt jetzt Leute, die würden die Röhren auf Basis des Fernabsatzgesetzes zurückschicken und sagen "hab falsch gekauft, schickt mir die richtigen". Da ich allerdings die Teile ja schon überlastet habe und ich der Meinung bin, dass die Firma BTB nicht für meine Fehler geradestehen sollte, behalte ich die Röhren natürlich.
Nun hab ich keinen Verstärker, wo die Röhren reinpassen, da alle meine Verstärker mit 400-500 V Betriebsspannung arbeiten (gut, manche bis 800 V...). Und rumliegen lassen? Nein.
Zusammengefasst: Habe Röhren, habe Schrott, brauche Verstärker.
Und um vielleicht ein paar Bastler zu animieren, nicht den 1000. Fender Clone zu bauen, sondern mal ihr eigenes Hirn anzustrengen und die bekannten ausgetretenen Pfade zu verlassen, starte ich nun eben dieses Thema. Das Ganze hier soll ein begleitender Thread sein, in dem ich ein paar Tricks und Kniffe zeige, wie man aus vorhandenem Schrott neue funktionierende Geräte bauen kann. Und das ohne teure Werkzeuge und ohne riesige Planung. Einfach loslegen mit dem, was man hat.
Soweit es geht werde ich mich auch auf Werkzeuge beschränken, die keine spezielle Werkstatt erfordern, also vor allem Handwerkzeuge, Akkuschrauber usw.
Der Plan:
Das klingt jetzt wahrscheinlich absurd, aber: Es gibt keinen konkreten Bedarf, sondern nur: Aus Schrott mach Verstärker.
Die Basis:
Die teuersten Teile an einem Röhrenverstärker sind die Röhren und die mechanischen und magnetischen Komponenten. Die Endröhren habe ich schon und die ECC83 oder ähnliches Kleinzeug fliegt in einer Röhrenbastelwerkstatt sowieso rum.
Ich habe hier einen 25 W Verstärker, der original 6x EL84 in Gegentakt Klasse A eingebaut hatte. Damit sind ein Chassis und die Trafos schonmal vorhanden. Das Gerät ist mir vor > 10 Jahren zugeflogen und steht seitdem in der Ecke, da ich es nicht einsehe, sechs aufeinander selektierte EL84 zu kaufen und die in der Kiste zu verheizen. Zu heiß, zu teuer. Daher zerlege ich das Ding und nehme es als Basis für dieses Projekt.
Der Netztrafo hat ca. folgende Daten (aus dem Kopf...)
primär
110-120-130-220-240 V
sekundär
6.3V/2.3A
6.3V/2.3A
6.3V/0.3A
230V/0.5A(?)
und irgendeine -Ug-Wicklung
Hier muss man nachdenken "reicht das?".
Heizung:
4x 6P3S: 4 x 0.9A = 3.6 A Heizstrom bei 6.3 V. Passt. Rest 1 A auf den beiden "dicken" 6.3 V Wicklungen. Eventuell kann man die parallelschalten (einseitig zusammenschalten, Differenzspannung zwischen den beiden Wicklungen messen...), dann hätte ich eine Wicklung mit 6.3 V / 4.6A.
3x ECC83: 3x 0.3A = 0.9 A. Abgezogen vom Rest von 1 A bleiben 100 mA übrig. Und es ist noch die 300 mA Wicklung übrig.
PASST.
Anodenspannung: War für EL84 gewickelt, also kommen da wohl so 300 V DC raus. PASST.
Über den Ausgangsübertrager weiß ich eigentlich nichts, außer dass:
- er für 6x EL84 in A Gegentakt gewickelt ist
- er zwei Sekundärwicklungen hat. Eine dicke für den Lautsprecher und eine dünne für eine Gegenkopplung
- er massiv verschachtelt gewickelt ist (ich habe glaube ich 6 Sekundärwicklungsteile gezählt. Wem das nichts sagt, google bitte Übertrager Verschachtlung)
- Ich meine mich zu erinnern, dass die Lautsprecherwicklung für 4 Ohm gewickelt ist.
Hier muss man überlegen: "passt das"?.
Anodenseitig: Naja, die EL84 hat typischerweise so 8 kOhm Raa, also bei 3 Paaren dann 2.7 kOhm. Die 6L6GA ist für Gegentakt mit Raa = 9kOhm @ 360 V Ub angegeben, die 6L6 gibt zudem noch Raa=5kOhm @ 270 V Ub, also passt das schon ca.
Ausgangsseitig: Ich finde schon eine passende Box.
Das Chassis hat natürlich schon einige Löcher:
Auf dem Bild habe ich die drei hinteren Fassungslöcher bereits auf 28 mm für Oktalfassungen aufgebohrt und zwei weitere 28 mm Löcher davor eingefügt.
Die 6x EL84 standen im Original-Verstärker 3 hinten, 3 vorne. Ganz rechts vorne sind weitere Bohrungen für Vorstufen (hier war eine ECC81 eingebaut, ein Loch war leer). Ganz links befinden sich Bohrungen für Elkos mit Schraubbefestigung.
Gegenüber meinen anderen Verstärkern, die die Eingangsbuchse immer links haben und das Netzteil rechts, erfordert dieses Chassis eine umgekehrte Montage, d.h. wie bei Marshall Eingang rechts und Ausgang/Netzteil links.
Der Klang / Signalfluss / Bedienelemente
Aufgrund des massiv verschachtelten AÜ ist eine gute Hochtonwiedergabe zu erwarten. Es bietet sich also an, das Gerät in Richtung "sparkly clean" zu entwickeln und dann einen runden, warmen Zerrsound dazuzubauen. Also ein Zweikanaler. Vielleicht. Auf jeden Fall mal 2x Gain und 2x Volume, gemeinsamer 3 band-EQ, ein Präsenzpoti und weil noch Platz ist, noch ein Poti, von dem ich momentan noch keine Ahnung habe, was es eigentlich tun soll. Alles in professioneller CAD - Technik (Cardboard Aided Design).
Von links nach rechts:
Power, Standby, Kontrollleuchte, ???, Volume2, Volume1, Presence, Treble, Middle, Bass, Gain2, Gain 1, Input
Unten noch zwei Kippschalter für irgendwas (beim EQ) und Kanalumschaltung (unter der Eingangsbuchse)
Ich bohre lieber jetzt mehr Löcher als nachher im fertigen Verstärker rumzubohren.
Chassisbearbeitung
Zuerst klebe ich bei solchen Chassis, die bereits Löcher haben, ein Stück Aluminiumblech auf. Dazu müssen das Blech und die zu beklebende Chassisseite natürlich fettfrei, plan und aufgerauht sein. Da ich mein Epoxidharz nicht finden konnte, habe ich hier Sekundenkleber genommen. Die Aluminiumplatte wird nachher ohnehin von den Knöpfen gehalten und muss daher nicht bombenfest halten. Bei Ausschnitten wie der Netzbuchse (hinten rechts im Bild) ist es vorteilhaft, das innere Blech vorher großräumig freizuräumen - dann geht die Bohrerei nachher besser.
Es ist auch sinnvoll, wenn man sich vorher Gedanken um die Knopfanordnung macht, damit man die Löcher nicht "halb übereinander" bohrt.
Dann wird die Frontplatte:
Pappschablone auf Aluplatte auf Frontplatte, schauen obs passt. Dann Aluplatte festkleben, Pappschablone durchkörnen, anschließend auf der Aluplatte schauen, dass alle Löcher auch WIRKLICH sind, wo sie hingehören und bohren.
Dann sieht das Gerät nach ein paar Stunden Bohren, feilen, fluchen und schrauben so aus:
Die Siebdrossel links bot sich aufgrund des Aufbaus in altehrwürdiger Technik an. Ich benutze normalerweise keine Siebdrosseln sondern geregelte Netzteile, aber bei einem Verstärker nach Opas Kochbuch alter Schule geht das nicht.
Die ganzen Löcher im Chassis sind jetzt mit Bauteilen bestückt und ich kann jetzt mal über eine Schaltung nachdenken. Und Schraubelkos suchen, die nicht kaputt sind. Und die Messingbuchsen in den Knöpfen auf 6.4 mm aufbohren...
Ich freue mich schon auf eure Kommentare
Viele Grüße
Stephan
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