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[Workshop] DIY-Geigen-Mikrofon zum Anklemmen
Vorgeschichte
Eine gute und wohlklingende Abnahme einer Geige auf einer Livebühne in einer Band gehört für jeden Tontechniker zu den besonderen Herausforderungen. Im Übergangsbereich zwischen "dumpf, nichtssagend" hin zu "schrill, in den Ohren sägend" gibt es nur einen schmalen Bereich in dem die Geige schön und wohlklingend empfunden und auch bei größeren Lautstärken als angenehm wahrgenommen wird.
Diesen schmalen Bereich mit unterschiedlichen Abnahmekonzepten zu erreichen und zu finden ist schon eine ganze Weile ein Teil meiner Leidenschaft als Tontechniker und Geiger!
Darum experimentiere ich gerne und teste neue Abnahmemöglichkeiten zur Verstärkung der akustischen Geige.
Als ich neulich herausfand, dass der Sender meines Line 6 Relay G30 nicht nur Instrumenten-Pickups, sondern auch Mikrofone übertragen kann (klick), kamen mir wieder zwei vorhandene Mikrofone ins Gedächtnis, die ich schon mindestens 17 Jahre besitze, aber nur sehr selten genutzt habe.
Ich hatte sie damals glaube ich im Restpostenbereich bei Conrad Elektronik in der Stuttgarter Filiale gefunden. Sie sind nichts besonderes, klingen aber ganz gut und haben 6 Meter lange Anschlußkabel mit 3,5mm-Monoklinke und einen Metallbügel zur Befestigung.
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Eines davon habe ich vom Kabel her auf ca. 1,5 Meter gekürzt und mit passend angeschlossenen 6,3mm-Stereoklinke für den Betrieb mit dem Line 6 Relay G30-Sender vorbereitet (klick):
(Bilder zur Vollansicht anklicken)
Somit kann es jetzt als Instrumentenmikro für Geige, Blasinstrumente, Krawattenmikro und viele andere Anwendungen verwendet werden.
Das andere hatte erstmal keine geplante Verwendung und blieb darum vorerst unverändert.
Das änderte sich aber ganz schnell als ein Musikerkollege fragte, ob ich eventuell für eine christliche Jugendfreizeit eine Möglichkeit für eine Geigenabnahme habe und verleihen könne.
Ich benötigte in der Zeit meine Funksysteme selbst und er wollte es möglichst unkompliziert, also wäre ein Anklemmmikro mit langem, nicht zu schwerem und dünnem Kabel ideal.
Sofort kam mir mein ungenutztes Mikro in den Sinn. Es brauchte eben nur den passenden Halter und den passenden Adapter auf XLR.
Den Halter würde ich bauen und den img StageLine EMA-40 Phantomspeiseadapter hatte ich auch schon seit ca. 2006. Er hatte seit 4 Jahren keinen Einsatz mehr und war sozusagen "übrig".
Ich mußte also nur einige ungenutzte Dinge zu einem sinnvollen System kombinieren
Also habe ich den Stecker des Mikrofons durch den nicht mehr genutzten Mini-XLR-Stecker meines Headsets ersetzt. Dadurch konnte ich es in den Speiseadapter einstecken und es kann damit ganz normal per XLR an das Mischpult angeschlossen werden. Dabei kann es wahlweise über 48V vom Pult, oder über die 1,5V-Batterie des Speiseadapter gespeist werden.
Ich testete das Mikro und es funktionierte einwandfrei und nahezu rauschfrei.
Jetzt kam also die Frage der Montage an der Geige und die passende Abnahmeposition.
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Mikrofon-Abnahmeposition an der Geige
Eine Geige klingt am Besten wenn man sie aus einiger Entfernung per Mikrofon abnimmt, das ist gut für Aufnahmen machbar, für eine Live-Abnahme aber leider so nicht möglich.
Da muß man nah an den Korpus und die passende Position an der Geige finden.
Laut meiner Recherche gibt es zwei Abnahmepositionen, die man immer wieder sieht:
- An den Saiten montiert Richtung Steg
- Am Korpus montiert Richtung linkes F-Loch (ähnlich dem linken Ohr des Geigers).
Bei meiner Geige war die Position am Steg mit meinem vorhandenen Mikro nicht so gut geeignet, insofern fiel eine Montage an den Saiten zwischen Saitenhalter und Steg schonmal weg, obwohl sie mir von der "Einfachheit der Montage" her echt gut gefallen hätte.
Hier sind zwei Beispielbilder für so eine Montage:
Wahrscheinlich hat mein Mikrofon eine zu starke Richtcharakteristik für diese Position, die eher für Kugelcharakteristik gedacht zu sein scheint.
Wenn ich es allerdings auf den Korpus in der Nähe des linken F-Loches und auch teilweise auf dieses ausrichtete, war das Ergebnis durchaus brauchbar und dem originalen Geigenklang am Ohr ziemlich ähnlich.
...und wie bekomme ich das Mikrofon mit einem Halter jetzt in diese Position?
Ich wusste nun also die passende Abnahmestelle. Nun brauchte ich nur noch einen passenden Halter für diese Position.
Mir kam natürlich sofort die in einem der letzten Projekte übriggebliebene Kinnhalter-Schraube in den Sinn und ich holte sie aus der Schublade um sie mir genau anzuschauen:
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Diese Befestigung hat sich bei Geigen für Kinnhalter und auch Anschlußbuchsen (Carpenter Jack) bereits sehr lange bewährt.
Also suchte ich ein leichtes, stabiles Stück Sperrholz, welches ich als Adapter passend zurechtsägen konnte um den Clip des originalen Mikrofonhalters darauf zu befestigen.
Ich wurde schnell wieder fündig und nahm ein Stück des Lattenrostes der schon in einige der letzten Projekte eingeflossen war.
Ich sägte ihn im richtigen Winkel auf die passende Länge, bohrte die nötigen Löcher, schnitt zwei passende Gewinde und montierte die Kinnhalter-Schraube:
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Zum Schutz der Geige und Druckverteilung bei der Klemmung klebte ich noch einen farblosen 7x1mm-Gummistreifen auf den Halter unten und auf das Holz des Adapters oben. Da würde natürlich auch der traditionelle Korkstreifen gut funktionieren.
Dann ölte ich das Holz ganz leicht, fixierte den Halter mit einem Stück Spiegelklebeband und band ihn mit einem starken Bindfaden fest (ein kleiner Kabelbinder hätte genauso funktioniert, war aber nicht greifbar):
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Nun klemmte ich den Halter vorsichtig an die gewünschte Zargenposition meiner Geige, clipste das Mikrofon ein und sicherte das Kabel mit einem Kabelbinder als Zugsicherung:
Natürlich war ich nun auf den Klang des Mikrofons gespannt und schloß es mit dem Speiseadapter an den Eingang meines Akustikgitarrenverstärkers an (siehe Review):
Der Klang war durchaus gut verwendbar und ich konnte sogar ziemlich aufdrehen bevor es zur Rückkopplung kam. Ein Sprechtest in Richtung Mikrofon zeigte auch, dass der Winkel so gewählt war, dass der höhenempfindliche Bereich der Richtcharakteristik nicht über die Geige hinaus ging und somit auch nicht von einem Monitor leicht anzuregen wäre. Das Kabel war gut zuggesichert und hing in etwa vor der linken Schulter nach unten.
Also alles in allem durchaus praxistauglich!
...und natürlich kann ich auf den Halter auch das oben erwähnte umgebaute erste Mikro aufclipsen und mit dem Line6 Relay G30-Sender per Funk übertragen.
Der Klang des Mikrofons im Vergleich zum Steg-Tonabnehmer
Da ich natürlich beim Spielen immer zusätzlich den Originalklang der Geige höre, machte ich nun eine parallele Vergleichsaufnahme mit meinem Stegtonabnehmer (siehe Review):
https://soundcloud.com/geigit/akustik-geige-kk-bigshot-diy-mikrofon
Als erstes kommt das Piezo-Signal vom Abnehmer unter dem Steg, als zweites das Signal des DIY-Mikrofons und als drittes beide als Stereo-Signal zusammen: Der Piezo links, das Mikro rechts.
Wie man hört ist der Klang der beiden Systeme total unterschiedlich und kann auch gut für eine Aufnahme parallel verarbeitet werden. Aufgenommen wurde direkt in beide Eingänge meiner Cakewalk UA-25 EX. Die Aufnahme ist roh und unbearbeitet.
Auf jeden Fall ist der Pegel des Mikros gut und man hat einen großen Rauschabstand. Die Bogenstrichrichtung und auch der Strichwechsel ist beim Mikro nicht so deutlich wie beim Piezo, da die Übertragung ja nicht über Körperschall, sondern über die Luft übertragen wird. Somit ist das Mikrofon näher am tatsächlichen Geigenklang und kann mit etwas sinnvollem Equalizer-Einsatz durchaus livetauglich eingestellt werden.
Hier kommt es natürlich auf den tatsächlichen Klang der Geige und das verwendete Mikrofon an.
In meinem Fall finde ich den Mikrofonklang jedenfalls erstaunlich gut!
Der Praxistest
Das Mikrofon war eine Woche auf der Freizeit im Einsatz und mein Musikerkollege, sowie die Geigerin waren sehr zufrieden mit der Praxistauglichkeit des Mikrofons. ihnen gefiel der Klang der Geige!
Da sie mit In-Ear-Monitoring spielten konnten sie keine Aussage zur Rückkopplungsfestigkeit sagen.
Transport im Geigenkoffer
Nachdem ich das DIY-Mikro wieder zurückbekommen hatte kontrollierte ich, ob die Geige eventuell mit montiertem Mikrofon in den Geigenkasten passt:
Das Mikro passt gut in den Kasten, da mein Koffer oberhalb des Mikrofons relativ viel Platz hat und die Position so günstig liegt, dass es den zweiten Bogen im Kofferdeckel nicht berührt und daneben sitzt. Man kann es aber auch ausclipsen und angebunden daneben legen. Somit kann es "auf Tour" an der Geige bleiben und man spart Zeit!:
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Lackierung
Nach dem Praxistest hat sich herausgestellt, dass sich die Befestigung mit Spiegelklebeband und Bindfaden schon leicht gelöst hatte. Und auch die (leichte) Ölung war schon komplett eingezogen. Außerdem war mir das Mikrofon mit dem hellen Holz zu auffällig. Deshalb beschloss ich den Halter nochmals zu demontieren, das Holz zu schleifen, es schwarz zu spritzen und den Mikrofonclip dann mit einem schwarzen Kabelbinder zu befestigen.
Gesagt, getan: Ich entfernte Bindfaden und Spiegelklebeband, schliff das Holz bis kein Öl mehr auf der Oberfläche die Lackierung beeinträchtigen konnte, verbreiterte die Bohrung für einen Standard Kabelbinder, klebte es mit Kreppband auf ein Restfurnier und spritzte es schwarz.
Nach zwei Tagen Trockenzeit schliff ich nochmals mit feinem Schleifpapier den Lack an und sprühte eine weitere schwarze Lackschicht auf. Nach weiteren zwei Tagen Trockenzeit montierte ich den Mikrofonclip mit dem Kabelbinder und einer 1mm Gummiunterlage, schraubte die Ecken der Kinhalter-Schraube ins Holz, ergänzte sie mit den restlichen Teilen, und clipste das Mikrofon in den Clip. Da jedes zusätzliche Gewicht an einer Geige beim Spielen ermüdet, wollte ich natürlich wissen wie schwer die einzelnen Teile sind:
Gewichte
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Der Halter ist leicht und das Mikrofon wiegt auch mit Kabel nicht wirklich viel.
Für mich sind die Varianten mit Sender an der Schulterstütze oder am Gürtel ebenfalls interessant und kommen sicherlich ab und zu zum Einsatz wenn ich statt meiner E-Geige die Akustische spiele.
Montage nach Lackierung
Zu guter Letzt montierte ich den lackierten Halter an die Geige und sicherte das Kabel mit einem weiteren schwarzen Kabelbinder:
(Bilder zur Vollansicht anklicken)
Ich weiß nicht welche Farbvariante euch besser gefällt, mir gefällt die schwarze Version besser, da sie sich unauffälliger und einheitlicher in das Gesamtbild der Geige integriert und weniger auffällt.
Fazit
Nach der Ertüchtigung und neuen Farbgebung gefällt mir das Mikrofon erstaunlich gut und es war insgesamt sehr günstig! Das Ergebnis kann sich nun sehen und vorallem hören lassen!
Ich bin Gott sehr dankbar für die Inspiration und guten Ideen!
Vor- und Nachteile
Die Vorteile gegenüber manchem professionellem System (klick, klick) für diese Mikrofonposition sind:
- Fixe Mikrofonposition. Wenn der Klang eingestellt ist, ändert er sich nicht mehr und hat auch bei korrekter erneuter Montage die gleiche Position.
- Unterbringung im Koffer auch ohne Demontage möglich. Der Halter kann also die komplette Tour angeschraubt bleiben. Ob man das Mikrofon demontiert und das Kabel jedes Mal mit einem neuen Kabelbinder sichert bleibt jedem selbst überlassen. Bei mir passt das aufgewickelte Kabel mit in den Geigenkoffer und würde somit "auf Tour" dran bleiben.
- Die Größe (und wahrscheinlich auch das Gewicht) sind geringer.
- Der günstige Preis
Nachteile:
- das System ist nicht käuflich zu erwerben
- Die Montage dauert länger als bei einem Clipsystem und man muß beim Anziehen der Kinnhalter-Schrauben vorsichtig sein und den Schlüssel nicht zu weit durchstecken, damit man keine Kratzer in der Zarge verursacht.
...zur Nachahmung empfohlen!
Vielleicht konnte ich den einen oder anderen hiermit inspirieren und zum Experimentieren motivieren?
Vielleicht habt ihr ja auch ein geeignetes Mikrofon (z.B. ein PC-Mikro oder Headset, Krawatten- oder Lavalier-Mikro) und euch fehlt nur der passende Halter?
Dann ran ans Werk! Es lohnt sich und man braucht nicht viel dazu!
Meine verwendeten Dinge zum Bau des Halters waren:
- Kleines Stück Sperrholz, ca 50x30x10mm
- Kinnhalter-Schraube
- Säge
- Feile
- Schleifklotz mit Schleifpapier
- 2x selbstklebende Gummistreifen ca. 50x7x1mm
- Bohrersatz
- Gewindeschneider (nicht unbedingt nötig)
- Bindfaden / Kabelbinder
- Öl / Schwarzer Lack
Wer von euch nun "G.A.S." entwickelt hat und sagt: Das will ich auch! könnte folgende Geräte testen und einen passenden Halter aus Holz herstellen:
Variante "Funk":
Kinnhalter-Schraube
Line 6 G30 Funkanlage
Line 6 Lavaliermikrofon für G30-Sender
oder
Line 6 XD-V35L Lavalier System
oder
...
Variante "Kabel":
Kinnhalter-Schraube
AKG C417 PP - Lavaliermikrofon mit XLR-Anschluß
oder
Shure SM11 - Dynamisches Lavaliermikrofon
oder
Shure MX185 - Kondensator Lavaliermikrofon
oder
Monacor ECM-300L
Monacor EMA-300P
oder
...
...und zuletzt:
Hier noch eine gute Seite die ich bei der Recherche für diesen Workshop gefunden habe nachdem ich mein Mikrofon bereits montiert und den Bericht hier geschrieben hatte: Die Referenz. Er bestätigt meine Erfahrungen und Überlegungen in vielen Bereichen und zeigt eine ähnliche, etwas schwerere und viel teurere, aber leichter montierbare Lösung aus dem Profibereich von Schoeps mit dem CCM4 und dem Adapter VA1 (Violine)
das "Allerletzte"
...eine meiner Katzen wollte beim Bildermachen unbedingt mit auf's Bild:
(Bild zur Vollansicht anklicken)
...wer noch mehr von mir lesen möchte, darf gerne durch meine Reviews und Workshops stöbern.
Vielen Dank für Euer Interesse! Seid gesegnet!
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