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Halsbruch - Eine Möwe mit gebrochenem Hals soll wieder klingen
Vorgeschichte
Mit gebrochenem Hals und durchhängenden Saiten trug er sie mir behutsam entgegen und fragte ob ich noch eine Chance sehe die Möwe ein zweites Mal zu reparieren.
Ja, tatsächlich zum zweiten Mal!
Vor etwa drei Jahren hatte er mich zum ersten Mal gefragt, ob man einen Halsbruch bei einer Akustikgitarre wieder reparieren könne.
Ich sagte damals ich müsste es mir anschauen und begutachtete den klaren, direkten Bruch der Kopfplatte zwischen Sattel und den Mechaniken der beiden E-Saiten bei seiner Seagul.
Damals war der Bruch nahezu glatt und passte sehr gut zusammen, da das Deckfurnier der Kopfplatte nicht komplett durchgebrochen, sondern nur angebrochen war und die Bruchstelle war lang genug für eine stabile Leimverbindung.
Ich leimte sie damals mit passenden Unterlagen und einigen Schraubzwingen mit Weißleim und erhielt einen fast unsichtbaren Bruch und eine stabile Reparatur die wunderbar funktionierte -
- Solange, bis eben wieder die kleinen Racker beim Spielen an den Gitarrenständer im Wohnzimmer kamen, die Gitarre dabei umrissen und sie unsanft auf den Boden knallte.
Ein zweites Mal am Boden
Als er sie mir so entgegentrug sah ich sehr schnell, dass der Bruch diesmal heftiger und endgültiger war. Auch das Deckfurnier war diesmal komplett durch und schon manche Faserspitze abgebrochen und komprimiert.
Es tut einem im Herz weh wenn man so eine Möwe mit Halsbruch ohne Stützkorsett entgegennimmt und begutachtet.
Doch auch diesmal war es wieder so, dass ich der Reparatur trotzdem gute Chancen auf Erfolg gab und meinem Mitmusiker gut zusprach und sagte, dass auch eine zweite Reparatur erfolgreich verlaufen könne.
Der Halsbruch
Zuhause schaute ich mir den Bruch dann nochmal genauer an:
Es gab zwar einzelne abgebrochene Puzzlestücke, aber fast alle Teile schienen dabei zu sein.
Die Bruchstelle verlief teilweise im alten Bruchverlauf des ersten Bruches, hatte aber auch neue Bahnen eingeschlagen wo die Leimung besser wie das Holz selber hielt.
Neue Erkenntnis und neuer Leim
Kurze Zeit nach meiner erfolgreichen ersten Reparatur mit Weißleim stolperte ich über eine richtig gute Doku einer professionellen Halsbruchreparatur an Les Paul-Modellen von @smartin.
Durch diese Doku habe ich viel dazu gelernt und bin echt dankbar, dass ein Profi seine Methode so freizügig und ausführlich mit der Comunity hier im Board teilt!
Er beschreibt darin auch klar die Vor- und Nachteile verschiedener Leime und rät deutlich davon ab Weißleim zu nehmen, da er zur vollen Festigkeit hohen Druck und keine Spalten benötigt (was beides bei einer Halsreparatur schwierig und nicht immer gegeben ist) und weil er dauerelastisch bleibt und nach seiner Erfahrung nach 8-10 jahren der Belastung durch den Saitenzug nachgeben kann.
Als ich das damals gelesen hatte, dachte ich sofort an meine Reparatur der Seagul mit Weißleim und rechnete trotz der erfolgreichen und dichten Verleimung eigentlich damit, dass die Dauerelastizität irgendwann dazu führt, dass mir mein Musikerkollege sagt, dass die Klebung nicht gehalten hat.
Nun ja manchmal kommt es anders als man denkt und in diesem Fall sorgte die Energie der "lieben Kleinen" dafür, dass ich die Möwe viel schneller wieder "gebrochen" zu Gesicht bekam.
Ich sagte mir natürlich: Ok, dann mach es diesmal gleich mit dem richtigen Leim, dann hält es (hoffentlich) für die Ewigkeit - zumindest hat es die Möglichkeit dazu solange kein erneuter Unfall für ein kürzeres Leben sorgt.
Wie dem auch sei, ich suchte die Reparaturanleitung und las nochmal nach was @smartin als Leim empfielt:
Er nimmt dazu einen speziellen Zwei-Komponenten-Epoxy, der sehr teuer und wohl nur in größeren Gebinden zu bekommen ist.
Da fand ich den Tipp von @coparni dann wiederum gut:
Ich empfehle euch im Baumarkt UHU endfest 300 Plus zu kaufen. Ist ein Epoxydharzkleber der genau das gleiche kann wie normales Epoxy. Der ist auch schon etwas zäher und man muss nicht mit Füllstoffen oder Thixotropiermitteln rum machen. Weiterer Vorteil ist, dass der ein variables Mischungsverhältnigs hat. Man kann Härte oder Flexibilität einstellen.
Auch wenn er laut @smartin nicht unbedingt das idealste ist:
Ok, große Mengen brauche ich sowieso nicht für diese kleine Bruchstelle. Trotzdem war ich iritiert, da ich irgendwo auch mal die Empfehlung des UHU plus endfest 300 von @smartin gelesen hatteEmpfehle ich Anfängern nicht unbedingt. In größeren Mengen zusammengemischt härtet der Kleber sehr schnell aus und ist nicht so gut Spritzbar wie andere Mittel.
Ok, wozu gibt es die Suchfunktion im Board
...und da fand ich dann auch die Empfehlung die ich gesucht hatte:
Und der Vollständigkeit halber sei auch noch dieser gute Thread von ihm erwähnt: Klebstoffe im InstrumentenbauIch nehme zum Beispiel diesen hier gerne: http://www.conrad.de/ce/de/product/886598/236390-Epoxydharz-200-g-und-Haerter-L-80-g-1-Set?ref=list oder den angesprochenen UHU Endfest.
Ich beschloss jedenfalls bei dieser Reparatur statt meinem Weißleim meinen UHU plus endfest 300 zu verwenden.
Vorbereitung
Als erstes entspannte ich die Saiten und fädelte sie aus den Mechaniken aus.
Dann schraubte ich die Halsspannschraubenabdeckung und die Mechaniken von der Kopfplatte und kontrollierte die gut sich die beiden Teile zusammenstecken lassen, wie viele Späne lose sind und angeklebt werden müssen und wie viel fehlt und durch UHU plus endfest 300 aufgefüllt werden müssen.
Dann bereitete ich alles für die Leimung vor:
Ich legte alle Dinge bereit, die ich dafür brauchen würde:
Gitarre, abgebrochene Kopfplatte, diverse Späne, Gitarrenständer, UHU plus endfest 300, Zwingen, Zulagen, farbloser Tesa, Küchenpapier zum Abwischen, Handschuhe, Nervennahrung
Ich kontrollierte nochmal ob ich etwas vergessen hatte, schaute zur Sicherheit noch mal auf das Mischungsverhältnis des UHU plus endfest 300, betete und dann ging es los:
Die Verleimung
- Zwei gleich lange und gleich dicke Bahnen Binder (Epoxy) und Härter auf einen sauberen Karton geben und mit dem kleinen Spatel lange, sorgfälltig und vollständig miteinander verrühren. (Universelles Mischungsverhältnis 100:80, siehe Datenblatt)
- Den Kleber auf die Stellen, auf die die abgelösten Späne aufgeklebt werden mit dem Spatel auftragen und dünn und gleichmäßig verstreichen.
-Abgelöste Späne in Position bringen.
- Den Kleber dünn und gleichmäßig auf die komplette Bruchfläche der Kopfplatte (incl. Späne) verteilen
- Kontrollieren ob überall genügend Kleber aufgetragen ist
- Die Kopfplatte auf den Hals so aufschieben dass alle Späne und die zwei Teile sauber ineinander einfädeln ohne dass etwas verdrückt wird
- Von Hand anpressen
- Austretenden Leim sauber abwischen
- beide Teile unter Druck zusammenpressen und mit möglichst stabilem und breiten farblosen Tesafilm umwickeln.
Dabei darauf achten, dass die Kopflatte in den Hals der Gitarre sauber eingedrückt wird.
(der Tesafilm dient dazu die Teile miteinander so zu umwickeln, dass der Kleber nur schwer und nicht zu weit aus den Ritzen austreten kann und der Reinigungsaufwand anschließen um ein vielfaches geringer ist. Er ist sozusagen eine Trennschicht)
- die passenden/angepassten Zulagen zwischen Gitarre und Zwingen aufbringen (ev. mit Tesa fixieren), die Zwingen gerade ansetzen und fest zudrehen.
Dabei immer wieder darauf achten, dass die Kopflatte in den Hals der Gitarre sauber eingedrückt wird.
- Gitarre zum Aushärten der Klebung in den Bodenständer stellen.
- Ich ließ den Kleber bei ca. 23°C Raumtemperatur aushärten und entschied mich gegen eine zusätzliche Wärmezufuhr per Heißluftfön, da der Tesafilm und meine Plexiglas-Zulage mit der Wärme ungünstig reagiert hätten. Laut Datenblatt wäre die Klebung mit zusätzlicher Temperatur beim Aushärten fester.
- Ich ließ die Klebung 5 oder 6 Tage zur Aushärtung gespannt. Das ist zwar übertrieben und wahrscheinlich würden die 24 Stunden reichen, ich konnte aber aus Zeitmangel sowieso nicht früher weiterarbeiten.
Kontrolle der Klebung
Nach dieser Zeit entspannte und entfernte ich alle Zwingen, die Zulagen und den Tesafilm.
Der Kleber war unter dem Tesafilm sauber in jeder Ritze vorhanden und hatte sie gefüllt. Es war aber insgesammt gut dosiert, da sich keine "Leimreserevoire" irgendwo angesammelt hatten.
Die Kopfplatte war aber trotz mehrmaligem gezielten Nachdrücken der Kopfplatte in den Hals (Druck in Hals-Achse Richtung Korpus) ganz leicht außeinander. Der Spalt war also nicht komplett dicht, sondern die Kopfplatte war etwa fünf Zehntel gleichmäßig außeinandergedriftet.
Das wäre beim Weißleim wohl eher nicht passiert, beim UHU plus endfest 300 wäre eine lange Zwinge die die Kopfplatte Richtung Gitarre drückt wohl sinvoll gewesen.
Auf der anderen Seite kann der UHU plus endfest 300 ja genau das besser wie Weißleim: Spalten füllen.
Insgesamt war ich mit der Leimung trotzdem sehr zufrieden.
Sie ist sehr stabil
Nacharbeit
Ich kratzte mit einer Messerklinge die feinen Kleberkanten und leichten Überstände von der Klebestelle weg, blieb dabei aber an der Oberfläche, da ich nicht vor hatte den Hals und die Kopfplatte neu zu lackieren.
Von mir aus darf man so eine Reperatur als leichte Narbe durchaus später noch sehen, da sie ja zum "Gitarrenleben" wie jede andere Macke auch in diesem Falle dazugehört.
Die feinen Kanten, an denen ich durch den Lack durchgekratzt hatte, färbte ich mit einem passenden braunen Faserstift etwas dunkler.
Das Ergebnis
So ist die Verklebung geworden:
Komplettierung
Ich montierte also wieder die Mechaniken und die Kopfplatten-Spannstab-Abdeckung, den Steg und zog die Saiten wieder auf.
Ich stimmte die Gitarre und sie klang echt gut!
Fazit
Der UHU plus endfest 300 hat gute Dienste getan und eine stabile Verbindung geschaffen.
Die Verklebungsungenauigkeit ist noch im Rahmen, ich würde das nächste Mal aber eine zusätzliche lange Zwinge anbringen.
->Mission erfüllt: Die Möwe mit gebrochenem Hals ist erfolgreich repariert und kann wieder aus vollem Körper erklingen! Hallelujah!!! Danke Jesus!
- Eigenschaft