Exkursion - Carillon St Joseph Bonn-Beuel

Lisa2
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Es ist schon eine geraume Zeit her, dass ich Informationen über Glocken und Carillons gesammelt habe. Damals fand ich heraus, dass in Bonn-Beuel, für mich also in nächster Nähe, ein Carillon mit sage und schreibe 62 Glocken im Turm der Pfarrkirche St. Joseph hängt. 62 Glocken, das ist gemäß Wikipedia-Liste das viertgrößte Glockenspiel in Deutschland. Und damit zählt es in ganz Europa zu den Top Ten! Wow! So etwas Besonderes sollte man sich eigentlich mal angucken!

Als ich @Old Boy davon erzählte, fand er die Idee sofort prima. Vergangenen Freitag war es dann so weit und wir zogen gemeinsam los, um eine spannende Exkursion zu erleben. ...




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Inhaltsverzeichnis

1. Wie es zum Besuch des Carillons kam #4

2. Internetrecherchen
Der Klang des Geläutes #2
3. Standort des Carillons
Karte mit Bus- und Bahnlinien #2
Nachbarn
Ausblick auf die Umgebung

4. Empfang mit Mini-Konzert #5

5. Stufen der Erinnerung #6 #7

6. Das alte mechanische Uhrwerk #8

7. Treppe zur großen Glockenstube #10


8. Die große/untere Glockenstube

- Erste Läute-Ebene #11

Anmerkungen zur Statik #12 #13 #17

Anmerkungen und Videos zum Thema Läuteglocken
- Wie Läuteglocken mit Joch und Schwungrad schwingen. #14
- Klöppel und Klang #14
- Großklöppel in der Schmiede #14
- Antriebsmotor #15
- Glocken-Joche aus Metall, Vollholz oder Leimholzbohlen? #16
- Ein neuer Glockenstuhl entsteht #18
- Pro und Contra - Glockenstuhl aus Holz oder Stahl? #18
- Zur Empore / Zweite Läute-Ebene #19
- Schallluken #20 #21 #22

- dritte Läute-Ebene #25
9. Glockentöne #3
- ein kleiner Exkurs zum Thema mit ausgesuchten Links zu Informationen z.B. über Partialtöne, Glocken Stimmen u.a.m.
10. Strippen und Zahnräder #38
Wir sehen uns in der Etage über der großen Glockenstube um und betrachten Details der Carillon-Traktur und des alten Uhrgetriebes.






Es geht noch weiter ... :)

::::::::::::::::::::::::

Wenn ich zu den technischen Themen Ergänzungen finde, arbeite ich diese nachträglich in bestehende Postings ein.
Dann bleibt der Thread übersichtlicher.
 
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Internetrecherche
Der Klang des Geläutes

In Videoportalen findet man zahlreiche Aufzeichnungen verschiedener Geläute, auch das von St. Joseph in Bonn-Beuel. Ich finde den Klang beeindruckend! :great:

Das Video lässt sich nur in YT betrachten.



Im Begleittext des Videos ist zu lesen:

Tonfolge: c'-es'-f'-g'-as'-b'-c''
Glocken 1, 2, 4, 6, 7: Schilling, Heidelberg (1961)
Glocken 3 und 5: Mabilon, Saarburg (1960)

Die sieben Läuteglocken sind in ein insgesamt 62-stimmiges Glockenspiel integriert (Schillling 1962), das zu den größten Europas gehört.

Der Stadtteil Beuel umfasst alle Ortsteile Bonns, die rechts des Rheins liegen. In Beuel-Mitte erhebt sich der Ziegelbau der katholischen Pfarrkirche St. Josef mit dem 70 Meter hohen Turm. Die Kirche wurde in zwei Bauabschnitten, beginnend im Jahr 1880, im neugotischen Stil errichtet und war 1903 vollendet. Bekannt ist St. Josef wegen seiner großen Orgel, aber auch wegen eines der größten Glockenspiele Europas, welches sich im Turmhelm befindet, im Jahr 1962 von Friedrich Wilhelm Schilling gegossen wurde und das sich aus den sieben Läuteglocken und den 55 starr aufgehängten Glockenspiel-Glocken zusammensetzt.


Hier ist der Standort auf einer OSM-Karte markiert.

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http://www.openstreetmap.org/#map=18/50.73686/7.11777&layers=T


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Was bei uns für einige (leider) als "nervendes Gebimmel" bezeichnet wird, ist woanders eine Kunstform.

In Flandern und in den Niederlanden gibt es wahre Meister, die die fast vergessene Kunst des Carillon-Spielens noch beherrschen.



Aber es muss nicht immer Klassik sein - modern geht auch. ;)

 
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Wie es überhaupt zu dem Besuch des Carillons kam.

In einer PN hatten ich mit @Lisa2 die Telefonnummern ausgetauscht, weil am Telefon doch so manches musikalische Problem einfacher zu erklären ist, als über die Tastatur des Laptops ... und Fragen hatte ich viele ... zu diversen Instrumenten, die Lisa2 in diesem Forum vorstellt oder auf ihrer privaten Internetpräsenz zu finden sind.
Das erste Telefonat war deshalb auch entsprechend lang und meine neugierige Frage:
"Gibt es eigentlich ein Instrument, welches du nicht kennst oder gespielt hast?"
wurde postwendend beantwortet mit:
"Ja, ein Carillon, das kenne ich noch nicht aus der Nähe. Das würde ich gar zu gerne mal sehen ... und vielleicht sogar spielen!"

Carillon???

Mhhh, dachte ich, den Begriff hatte ich doch erst wenige Tage zuvor, während eines Besuchs in Middelburg (NL) gehört. Ob das so ein "Glockenspiel" ist, wie es in den Niederlanden häufiger anzutreffen ist?
Sekunden später die Bestätigung bzw. genauere Definition per WIKIPEDIA.

Ein Carillon (/kaʁi'jɔ̃/) ist ein spielbares, großes Glockenspiel, das sich typischerweise in einem Turm oder einem eigens errichteten Bauwerk befindet. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Carillon
Ja, liebe Liesa2 , das würde mich auch interessieren, gibt es die denn in unserer Nähe überhaupt so etwas, oder müßen wir dafür eine weitere Reise unternehmen?
Schnell stellte sich heraus, daß in Lisa2s "Nachbarschaft" in der Pfarrkirche Sankt Joseph, Bonn-Beuel ein Carillon zu finden ist und dazu noch ein sehr respektabeles! Das Internet spuckte auch gleich eine E-Mail aus, vom zuständigen Carilloneur ... nur wenig später war die Mail unterwegs mit der höflichen Frage, ob man vielleicht das Objekt einmal "in Betrieb" ansehen und anhören könne.

Auf eine Antwort hatte ich zwar gehofft, aber die Kürze der Reaktionszeit und die Länge der Antwortmail zeigte mir, daß mit Herrn Andreas Strauß ein Mann für das Carillon in Bonn-Beuel zuständig ist, der sein Instrument liebt und gerne bereit ist, sein Begeisterung auf Andere zu übertragen. Der Besuchstermin war entsprechend schnell abgemacht.

Klar haben wir uns an den heimischen PCs dann eingelesen, Lisa2 übte spontan auf ihrem Klavier einige Stücke in Carillon-Manier, immer in der Hoffnung, beim ausgemachten Besuchstermin vielleicht sogar selber eine Melodie spielen zu dürfen.

Nun ist das mit dem Spielen aber garnicht so einfach, denn die Mehrzahl der Anwohner empfinden so ein "Glockenspiel" eher als ruhestörenden Lärm und Glocken habe eine immense Reichweite ... und so gibt es Regeln bezüglich der Zeit, wann und wie lange (kurz) "gespielt" werden darf. Dazu ein Krankenhaus in unmittelbarer Nachbarschaft sowie ein Tonstudio ...

Von daher war der Starttermin unseres Besuchs auch exakt festgelegt, Punkt 11:00 Uhr nach dem Glockenschlag wollte Herr Strauss uns mit einem kurzen Melodie, gespielt auf "seinem" Carillon begrüßen und uns anschließend an der Kirchentür empfang nehmen, um den "Aufstieg" zu starten (Bekleidung, wie bei einer Mittelgebirge-Wanderung, hatte er in seiner Mail geschrieben... :gruebel: ) .

Unsere Spannung war groß und so hatten wir bereits eine Viertelstunde vor dem abgemachten Zeitpunkt auf dem Marktplatz vor der Kirche unseren Parkplatz eingenommen, Kameras, Video und Tonaufzeichnungen waren parat und wir warteten... auf den 11:00 Uhr Glockenschlag.


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Dass wir einen Parkplatz erwischen konnten, war großes Glück. Denn just in dem Moment, als wir schon überlegten, ob wir in den Nachbarstraßen unser Glück versuchen sollten, setzte ein PKW zurück und machte einen Platz frei. So kamen wir zu einem perfekten Logenplatz unter dem Turm.

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Donnnnnnng! - Donnnnnnng! - Donnnnnnng!​

Da fehlte noch einer. Das war erst der Dreiviertelstundenschlag. :)

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Sicherheitshalber machte ich schon mal die Videokamera parat. Schließlich sollte mir vom 11-Uhr-Spiel keine Sekunde entgehen!
Langsam rückte der lange Minutenzeiger der 12 entgegen. Um uns herum das Gebrumm der Autos und Lastwagen. Kurz vor Elf dann ein leises "Ping! Ping! Ping!" Die ersten zart verwehten Töne einer Melodie schwebten aus den Schallluken des Helms herab. Dann gesellten sich weitere, kräftiger klingende Glocken hinzu.

Nach einer Minute wieder Stille. Naja, zumindest im Turm. Der Verkehr brummte weiter. Gebannt lauschte ich in die Höhe. Es dauerte etwa eine Minute, dann startete die Turmuhr den Viertelstundenschlag.

Donnnnnnng! - Donnnnnnng! - Donnnnnnng! - Donnnnnnng!​

Dem folgten dann die elf Schläge der tieferen Stundenglocke. Als der letzte Stundenschlag verklungen war, wieder eine kurze Pause und dann begann ein Musikstück, bei dem anders als beim Vorspiel deutlich tiefere Glocken mitsangen. Nach zwei Minuten wieder Stille. Kommt noch was? .... *horch....* ..... Leider nein. Das war's. Mehr war nicht drin. Von wegen ruhestörender Lärm und so. Schade! Ich höre Glockenspiele so gerne. Aber eben nicht jeder. Zum Trübsal blasen gab es dennoch nicht den geringsten Grund. Uns erwartete ja noch die Expedition in selten zu sehende Gefilde. :)

Damit Ihr eine ungefähre Vorstellung davon bekommt, wo uns diese Expedition hin führt, habe ich mal einige Stationen auf dem Kirchturmfoto markiert.

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Aber erst einmal zur anderen Seite des Kirchturms wandern. Und dann geht es unten los ...


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@Old Boy 's Kommentar, als sich die Türe zur Wendeltreppe öffnete:

"Gut, dass der Herr ein Auge auf uns hat!" :)



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Das allein reichte auf den engen Stufen allerdings nicht. Da mussten wir schon selbst die Augen auf halten, um nicht zu fallen. Wenn man so eine schmale Stufenspindel nicht gewöhnt ist, muss man mit Bedacht und langsam aufwärts steigen. Mir wäre jedenfalls ansonsten schwindelig geworden. :rolleyes:

Im Treppenhaus staunte ich nicht schlecht. So etwas hatte ich ja noch nie gesehen. Zumindest nicht in einer Turmtreppe. :) Die Wand war über und über mit Konzertplakaten tapeziert.

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Aufgehängt wurden sie von Hans Peter Reiners, dem ehemaligen Organisten von St. Joseph, der Vor-Vorgänger des heutigen Organisten. Sie zeigen eine bis in die 70ger Jahre zurückreichende Dokumentation kirchenmusikalischer Aktivitäten, die ansonsten wohl schon längst vergessen wären.

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Die Tür zur Orgelbühne. Da schauten wir nicht hinein, obwohl ich es ja liebe, Orgeln aller Art zu bestaunen. Und diese hier wäre garantiert ein Erlebnis. Aber heute war das Carillon dran!

Oberhalb der Orgelbühnentüre hing nur noch ein schlaffes Tau als Handlauf an der Wand. Das war nun etwas wackelig zum Festhalten, aber völlig ok und stabil. Nachdem wir eine weitere Kehre hinter uns hatten, wurde das Licht schummerig. Außer dem Carilloneur steigen ja sonst nur selten Leute hier rauf. Dafür muss die Sparbeleuchtung reichen. ;) Gut, dass Absturz- und Anstoßkanten mit auffälligen Signalbändern markiert sind. Das erleichtert die Orientierung.

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Nach knapp zwei Minuten gemächlichen Steigens erreichten wir das Ende der Wendeltreppe und standen unter dem Dach des Turm-Querhauses vor dem Durchgang zur ersten Turmstube, wo auf staubigen Holzbohlen der große Turmuhr-Schrank ruht.

2016-10-21_04_GOPR0466_0353a Rsig Uhrschrank 50p.jpg

Bevor wir da hinein sehen, noch ein Blick zurück.


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Das war der Weg von

1 (Treppenhaustür) an
2 (Orgelbühnentür) vorbei bis
3 (Ende der steinernen Wendeltreppe).
Die Zahlen sind lediglich als Höhenmarkierungen zu verstehen. Die exakte Position ist auf diesem Foto nicht darstellbar.
4 = "Speicher" des Turmquerhauses, in das die Wendeltreppe mündet.
5 = "Speicher" des Langhauses


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Interessat zu sehen, was alles im Laufe der vergangenen Jahre so "los war" in der Pfarrkirche Sankt Joseph. Zudem gab jede kurze "Fotopause" wieder Gelegenheit, die Knie etwas zu entlasten, denn die angekündigten 400 zu bewältigen Stufen waren für mich und meine lädierten Knie nicht ganz das, was ich üblicherweise als Frühsport unternehmen... aber was macht man nicht alles, um so ein ungewöhnliches Instrument kennen zu lernen.

Obwohl, die Wendeltreppe mit ihrem Geländer und der gleichmäßigen Stufenhöhe war ja noch ganz zivil!
Allerdings für Rollatoren absolut ungeeignet und ein Aufzug für Gehbehinderte existiert auch nicht... also Freunde, wenn ihr euch so ein ungewöhnliches Instrument auch mal ansehen wollt... macht es frühzeitig :D

OK, weiter geh's Liesa2 ... ich bekomme wieder ausreichend Luft :igitt:

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Moin @Old Boy ! Alles klar.
Dann wollen wir mal. :)


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Als wir den Uhrboden betraten, fiel mir sofort der große Schrank ins Auge. Ohhhhhhh! Das musste der Uhrschrank sein. Ganz schön groß!!!!

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Durch die hohen, schmalen Fenster der Turmfront fiel blaugraues Tageslicht herein. Das reichte aber nicht bis in
die hintersten dunklen Turmecken. Dort sorgte gelbes Lampenlicht für stimmungsvolle Bilder.

Als Herr Strauß zügig auf den Uhrschrank zu ging, hielt ich erst noch einmal inne und sah mich einen Moment um. War da nicht eine flache Stufe?
Als ich später die Bilder betrachtete, fragte ich mich, warum dieser schräge Steg über den Boden gelegt worden war. Hmmm ... und war da in der Mitte eine Falltür? Vielleicht, um gewichtige Teile wie die Uhrmechanik rauf oder runter zu hiefen ... aber unter uns musste die Orgel sein ... hmmm ...

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Egal. ... Die Zahnräder sind interessanter. Also:

Sesam öffne Dich!

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Wow!

04-04N1 2016-10-21_04_GOPR0466_0440a2 Rsig Uhrschrank.jpg


Knips!

04-04N3 2016-10-21_04_GOPR0466_0750aRsig Turmuhr.jpg


Da sieht man die Stromleitungen gut. ;-)


Herr Strauß freut sich über unsere Begeisterung. :)


04-04N2 2016-10-21_04_GOPR0466_0419a Rsig Uhrboden.jpg

Der Anblick dieses technischen Wunderwerkes weckte bei mir unzählige Erinnerungen.

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Rund 45 Jahre ist es her, dass ich eine Zeit lang jeden Tag im Kirchturm einer Dorfkirche hinter der Orgel eine Leiter hoch kletterte, an deren Ende eine große Falltür überm Kopf hoch drückte, dann auf den kleinen Uhrboden stieg und die Gewichte hoch kurbelte. Wenn ich daran denke, habe ich das Knattern im Ohr, als sei es Gestern gewesen. Aber zurück in die Gegenwart.

Seht ihr unter dem quer geführten Stromkabel das Gewicht des Pendels und darunter die Stellschraube zum Justieren der Pendelgeschwindigkeit? Bei meiner alten Pendeluhr muss ich das von Hand machen. Das Ergebnis ist immer Glücksache. Diese elektrisch gesteuerte Uhr brauchte man nicht anfassen. Die hat eine raffinierte Vorrichtung, mit der das automatisch passiert. Naja, es passierte, denn sie regt sich ja nicht mehr. :weep:
Hersteller dieser mechanischen Großuhr ist Bernhard Vortmann.

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Das Internet lieferte mir über diese Firma nur spärliche Informationen. Sie wurde 1851 gegründet und baute
elektrisch aufgezogene Turm- und Großuhren.

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An der ausgehängten Getriebestange erkennt man, dass das mechanische Uhrwerk nicht mehr mit den Uhrzeigern in Verbindung steht. Wenn also jemand mal die Zahnräder in Bewegung versetzen sollte, würde keine Gefahr bestehen, dass die inzwischen mit einer modernen Steuerung versehene Turmuhr verstellt würde.

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Hinter den Zahnrädern sind die drei Seiltrommeln zu erkennen, an denen die Uhr-Gewichte hängen.
Das sind die Antriebswalzen. Eine ist für den Antrieb der Zeiger zuständig und die beiden anderen Walzen für den stündlichen bzw. viertelstündlichen Glockenschlag.

Die Gewichte, die die Seile von den Antriebswalzen ziehen, stehen neben dem Uhrschrank in Sandkästen. Die Sandkästen dienen als Dämpfer für den Fall, dass ein Gewicht aus irgendeinem Grund abstürzt.

Vorne ragen die Achsen der Antriebswalzen heraus. Bei einer von Hand aufzuziehenden Turmuhr steckt man auf solche Fortsätze die Kurbel auf, um die Gewichte hoch zu ziehen. Dieses Uhrwerk wurde aber schon immer elektrisch aufgezogen.

04-10 20161021_111508 111558 Rsig Urgewicht im Sandkasten 50P.jpg


Hier sieht man die Schlossscheibe und die etwas tiefer dahinter befindliche Kabeltrommel etwas besser. Die Schlossscheibe steuert den Stundenschlag. Um die Form dieses interessanten Zahnrades zu verstehen, liest man sich am besten bei Wikipedia schlau. https://de.wikipedia.org/wiki/Schlagwerk_(Uhr)

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Gar zu gerne hätte ich das Räderwerk mal in Bewegung gesehen. Doch das war leider nicht möglich. Ich habe dann mal nach Videos von Großuhren geforscht und fand eines, das eine Vortmann-Großuhr zeigt.



Hier wird eine ähnlich große Uhr gewartet:



Einzelne Vortmann-Großuhren gelangten in Museen. Günther Haut zum Beispiel besitzt eine, die im Turmuhrenmuseum der Hansestadt Seehausen bewundert werden kann. Und auch im Schloss Clemenswerth, Sögel überstellte man die Großuhr aus der Schlosskapelle ins Museum.

Küster und Urmacher haben solche alten Schätze bis in die Gegenwart durch gute Wartung betriebsbereit gehalten, oft ehrenamtlich aus Liebe zu diesen schönen alten Uhrwerken. Nur wenige dieser Großuhren dienen noch dank engagierter Liebhaber ihrem Zweck: die Zeiger einer weit sichtbaren Turmuhr drehen und das Anschlagen der Uhrglocken auslösen bzw. steuern. Wenn diejenigen, die sie betreuen, ihre Aktivitäten aus Alters- oder Gesundheitsgründen einstellen müssen, werden auch die letzten noch laufenden mechanischen Uhrwerke von den Turmuhren abgekoppelt und somit ihre Funktion verlieren.

Die Umstellung von Sommer- und Winterzeit wird oft als Problem genannt. Doch das haben die findigen Uhrenliebhaber mit ein paar Kniffen im Griff.


Donnnnnnng!​

Ein kräftiger Glockenschlag ließ mich zusammenschrecken. Viertel nach Elf!
Wäre die alte Uhrmechanik noch in Betrieb, wäre der Glockenschlag vom Klicken und Surren des Getriebes angekündigt worden. ...


Als Herr Strauss die Türen des großen Uhrenschranks wieder schloss, suchten meine Augen im Dämmerlicht die zur Decke führende Getriebestange und die Seile der drei Uhrgewichte. Die Umlenkrollen, über die die Seile rauf und runter laufen, konnte ich erkennen. Mein Blitzlicht reichte da aber nicht hin. Und wohin verschwand die Getriebestange? Irgendwo da oben musste für die Getriebestange ein Loch in der Decke sein. ...



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Interessantes über Turmuhren im Allgemeinen


Hin und wieder liest man eine Notiz über den Erhalt oder den Betrieb alter Turmuhren.​


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Als ich später die Bilder betrachtete, fragte ich mich, warum dieser schräge Steg über den Boden gelegt worden war. Hmmm ... und war da in der Mitte eine Falltür? Vielleicht, um gewichtige Teile wie die Uhrmechanik rauf oder runter zu hiefen ... aber unter uns musste die Orgel sein ... hmmm ...

Also, die Falltür zur Hölle ist es auf jeden Fall NICHT! Im Gegenteil, doch die Öffnung geht es nach OBEN :engel:
Irgenwie müssen ja die Glocken in den Turm kommen ... und die fahrbaren, hydraulischen Schwerlastkräne der Neuzeit gab es ja damals ja noch nicht, also wurde der Turm als Gerüst für eine Hebevorrichtung verwendet. Und am einfachsten funktioniert das dann natürlich mit ein Last in der Mitte. Also müssen die Zwischen-Böden "Klappen" haben um bei Bedarf mal schnell was in Richtung Himmel schicken zu können.

Heute...
ja heute kommt der per Handy angeforderte Hydraulikkran von Aussen und in 2 Stunden ist die Chose gegessen!

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Hmmm ... An das Hochziehen der Glocken dachte ich auch schon. Die Bodendielen der unteren Glockenstube sind ja schnell weg geräumt. Wie mögen die wohl die 51 Glocken der oberen Glockenstube in den Turmhelm gehieft haben? :gruebel:

Hydraulikkran von Aussen

Ich habe die Festschrift vom Carillon bestellt. Die ist im Pfarrbüro St. Josef, beim Schifferverein und beim Beueler Heimatverein erhältlich. Der Erlös dient dem Erhalt des Carillons. Das wird ein paar Tage dauern, bis ich die bekomme. Ich bin gespannt, welche Antworten ich darin finde. :)

Das Uhrwerk vom Uhrboden weg zu holen, wird vermutlich nach wie vor schwierig sein. Die Uhrwerkstube ist rundherum zu. Fast jedenfalls. Die Fenster in den Mauern sehen sehr schmal aus. Die reichen gerade mal aus, um Fahnen heraus zu hängen. Auf drei der letzten Fotos erkennt man das Gestänge der im Turminnern angebrachten Fahnenhalter im Schummerlicht.


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05-01 Banner 05 Aufstieg zur Glockenstube_GOPR0466_0927.jpg

Während ich noch einmal einen Blick in die Runde warf, kletterten die beiden Männer schon die nächsten Stufen hinauf. Da ging es ja ganz schön hoch! Eine Treppe reicht da nicht, um zur Decke hinauf zu gelangen. :eek: :D


05-02u03_20161021_111529 u 111544 Rsig Treppe T2T3 vom Uhrenboden hinauf.jpg

Na, dann mal hinterher!

05-04 2016-10-21_04_GOPR0466_0914a Rsig Treppe T2 vom Uhrenboden zum 1. Glockenboden hinauf.jpg

Und immer gut festhalten!
Angst vor offenen Treppenstufen darf man hier nicht haben. Wer jetzt schon weiche Knie bekommt, dreht besser gleich um. Denn weiter oben wird es noch ärger.

Die Stufen der an der kleinen Eckplattform anschließenden Treppe sind geschlossen. Dafür wird die Tiefe neben dem offenen Geländer immer größer und verändert dadurch allmählich die Perspektive. Für ein Fotografenauge spannend!

Aufkommenden Schwindelgefühlen begegnet man am besten mit einer Hand am Geländer und einem ruhigen, stetigen Blick nach oben.

05-05 20161021_111627 Rsig Holztreppe T3 vom Uhrenboden hinauf.jpg

Oben am Ende der Treppe, sah ich erst einmal nur ein schwarzes Loch. Wenn hier lange Leute mit dem Kopf durch die Decke gehen, könnte es eng werden. Gelb-schwarze Signalstreifen sorgen dafür, dass man das nicht übersieht.

05-06 20161021_111646 Rsig Holztreppe T3 vom Uhrenboden hinauf Deckendurchbruch.jpg


Die Männer waren schon im schwarzen Loch verschwunden. Während ich ihnen nachstieg, hörte ich sie über Glocken fachsimpeln. ... .. .

Seht Ihr die vom Blitz aufgehellten Stahlträger unter der Decke und ganz schwach auch in der Deckenluke?
Hier liegt die Basis des Glockenstuhls auf dem Mauerwerk auf.

Auf dem Bild vom Kirchturm befindet sich diese Deckenluke und die Basis des Glockenstuhls in etwa auf der Höhe der Markierung 6.


20161021_110506 Rsig Kirchturm Nummern Glockenstuben St Josef Bonn-Beuel.jpg


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Wenn man den Kopf durch die Deckenluke reckt, bietet sich ein überwältigender Anblick.
Als erstes hat man die riesige, gewichtige c'-Glocke mit einem wahrlich imposanten Klöppel vor der Nase. Es ist die "Dreifaltigkeits-Glocke", die 2534kg auf die Waage bringt und gut 1,5m Durchmesser hat.

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c' ... ?
Das ist doch der Grundton der Tenor-Blockflöte!
So eine Riesenglocke für einen relativ hellen Ton? Erstaunlich!


Der Blick wandert nach oben und entdeckt in dem stählernen Glockenstuhl vier Ebenen,
auf die insgesamt 11 Glocken verteilt sind.

Auf dem Foto sieht man direkt über der Dreifaltigkeitsglocke in der 2. Läuteebene die 739kg schwere Glocke "St Petrus und St. Paulus" mit Schlagton g' und darüber in der 3. Läuteebene ein wenig nach rechts versetzt die Adelheidis-Glocke 420kg schwer mit Schlagton b'. Die Antonius-Glocke 285kg schwer mit Schlagton c'' hängt in der Mitte der 3. Läuteebene.
In der obersten Reihe hängen starr befestigte Carillonglocken, die anders als die Läuteglocken keine Namen haben.​

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Sieben dieser 11 Glocken sind also Läuteglocken. Um sie in das Carillon einbeziehen zu können,
gibt es zusätzlich zum Klöppel eine zweite Anschlagvorrichtung,
einen neben der Glocke befestigten Hammer.

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Klöppel der c' - Glocke.
Auf dem Boden ein Motor für den Antrieb einer Läuteglocke?
Ich entdeckte ihn erst beim Betrachten der Fotos und ich frage mich:
Warum geht da nur ein Kabel hoch? :gruebel:


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Glockenkrone und Joch der Heilig Geist- / c' - Glocke.
Das Joch besteht aus verleimten Schichten.
Das rechte Ende des Jochs steckt im Schwungrad.
Das linke Ende wird von einem Metallband zusammen gehalten
und ist beweglich gelagert.


Das linke Schwungrad gehört zur zweiten Glocke. Ihr Name "Maria Königin".
Sie bringt 1356kg etwas mehr als die Hälfte der "Dreifaltigkeitsglocke" auf die Waage.
Ihr Schlagton es' klingt eine kleine Terz heller als die riesige "Dreifaltigkeitsglocke"

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Wappen (Inschrift) der Dreifaltigkeits-Glocke (c')
Zum linken Wappen fand ich einen Hinweis in Wikipedia.
Es ist das Beueler Wappen, das ein Fährschiff auf drei Wellen zeigt und darüber 13 Sterne.
Die 13 Sterne symbolisieren die 13 Dörfer, aus denen sich die ursprünglich selbständige Stadt Beuel gebildet hat.

Ob das rechte Wappen das von Bonn ist?
Im oberen Teil zeigt es ein Kreuz, wie es im Bonner Wappen zu finden ist.
Aber dieses Kreuz taucht auch in anderen Wappen auf und
der Bonner Löwe ist darunter nicht zu erkennen.
Das sieht nach anderen Symbolen aus.


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Noch ein Blick nach oben.

Die Namen der Läute-Glocken wie auf dem Foto angeordnet:

3. Läuteebene
St. Franziskus von Assisi - St. Antonius von Padua - St. Adelheid von Villich

2. Läuteebene
St. Joseph der Werkmann - St. Petrus und St. Paulus

1. Läuteebene
Maria Königin - Dreifaltigkeits-Glocke


Um die höher hängenden Glocken besser betrachten zu können, ...


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Grund: Infos ergänzt
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Das die größte Glocke des Carillon "nur" ein c' "produziert" und damit eben so tief klingt, wie meine Tenorflöte auf dem letzten Loch, das hat mich auch verwundert und ich habe es gleich am späten Abend noch mal getestet.
Tatsächlich und kaum zu glauben.
Da sieht man mal wieder, was wir Blockflötenfreunde für geniales Instrumentarium verwenden... dazu noch viel preiswerter als so eine riesige Glocke und vieeel leichter!

Ok, die Reichweite ist dafür auch erheblich geringer ... aber man muß eben kompromissbereit sein!

Was mich besonders verwundert hat, daß die vorhandenen Läuteglocken in der Glockenstube nicht im umgebenden Turmmauerwerk verankert sind, sondern in einer eigenen, sehr schlanken Rahmenkonstruktion aus Stahlprofilen aufgehängt worden sind.
Die wiederum steht dann auf der unteren Turmkonstruktion, die anscheinend entsprechend massiv ausgeführt ist und das Gewicht der grossen Glocken abfangen kann. Die Wände der Glockenstube sind ja auch kaum dicker als die eines Einfamilienhauses dazu noch durchbrochen durch die riesigen Schallfenster.
Eine dynamische Belastung durch schwingende Glocken wäre da wie ein Erdbeben ... "Gute Nacht Marie!" schoß es mir da durch den Kopf, kein Wunder, schließlich befinden wir uns ja in einer Kirche!
Man lern nie aus... aber so kann man Material sparen und die Berechnung der Statik ist um einiges einfacher.

Die Mechanik des Carillons zur Übertragung der Hammerkraft vom Spieltisch zur Glocke würde man bei Neukonstruktionen sicher anders umsetzen. So wie hier in der Pfarrkirche realisiert, entspricht es nahezu dem, was man schon vor einem halben Jahrtausend gemacht hat. Lediglich die Rahmenkonstruktion war damals aus Holzbohlen, wo heute Stahlprofile Verwendung finden. So gesehen, war unser Besuch eine interessanter Sprung in die Vergangenheit.

Besonders verwundert hatte mich dann aber, dass die riesigen Schallucken, die den Klang der Glocken nach außen lassen sollen, zu 80% durch Holzbretter verschlossen sind ... wohl ein starkes Zugeständnis an die umliegenden Bewohner der Kirche, die sich an dem "ruhestörenden Lärm" der Glocken stören ... vor Jahrhunderten sicher undenkbar!

Ich war gespannt, wie es weiter oben weiter gehen würde ...
irgendwie hatte man schon den subjektiven Eindruck, die Luft wäre "dünner", aber wahrscheinlich wurden nur die Aufstiege enger :dizzy:

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... Turmkonstruktion, die anscheinend entsprechend massiv ausgeführt ist und das Gewicht der grossen Glocken abfangen kann.

Beim Betrachten der Fotos gingen mir ebenfalls Fragen nach der Statik durch den Sinn. Leider kann ich da auf 0,0000ooo... Fachwissen zurückgreifen. So bleibt mir nur die Warte des Beobachters.
Die Außenansicht vom Turm und die Fotos von den Holztreppen, die vom Uhrboden zum Glockenboden führen (#10), zeigen, dass der Turm vier gewaltige Eckpfeiler hat, zwischen denen sich (von außen weitestgehend unsichtbar) gotische Bögen spannen. Pfeiler und Mauern scheinen sich von Stockwerk zu Stockwerk zu verjüngen. Der Grundriß der Stockwerke wird jedenfalls immer kleiner. Wie dick oder dünn die Mauern sind, davon habe ich keine Vorstellung. Die tragenden Elemente (Säulen, Bögen) erscheinen mir sehr massiv ausgeführt. Durch die gestufte Bauweise wirken sie aber nicht klotzig sondern irgendwie filigran. Zwischen den Säulen darf es unter den Bögen "luftig" sein. Wie sonst wären die riesigen Fenster z.B. im Kölner Dom möglich?

Die Wände der Glockenstube sind ja auch kaum dicker als die eines Einfamilienhauses dazu noch durchbrochen durch die riesigen Schallfenster.
Der Glockenstuhl wird von den vier darunter befindlichen gotischen Bögen getragen.
Die Wände mit den Schalluken werden ihn wohl nur umschließen, um ihn vor der Witterung zu schützen. Oder? Demnach sind sie für die Statik des Glockenstuhls nicht relevant, brauchen nur sich selbst zu tragen, sowie Winddruck und Bodenerschütterungen stand zu halten. Übersehe ich was?

Die Wanddicke kann man versuchen an den fünf Stufen in der Fensterlaibung abzuschätzen. Wie dick mag da eine Stufe sein? Und wie dick sind die tragenden Wände eines Hauses ? ca. 50cm ?

Die Schwungrichtung der Glocken ist quer zum Langhaus. Welche Bedeutung das für die Statik hat, wüßte ich gerne. Und auch, ob die neben dem Turm hochgezogenen Querhäuser für den Turm eine Art Stütze sein könnten, die den durch den Schwung der Glocken entstehenden Druck auffangen helfen. Wobei ... :gruebel: ... ich erkenne keine entsprechenden Stützbögen. Also "einfach" alles nur nebeneinander gestellt?

Wie dem auch sei. Die Architektur der Gotik übt auf mich eine große Faszination aus und ich habe mal ein wenig recherchiert. Der Film von Quarks und Co gibt am Anfang einen kleinen Einblick in die Statik der Gotik. Am Ende des Films (ab 00:36) gibt es interessante Infos über Glockenklöppel.

Die Statik der Gotik http://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/quarks-und-co/video-die-statik-der-gotik-100.html

Architektur Gotik

Videosammlung zum Thema Gotik https://www.youtube.com/results?search_query=gotik+architektur

Neugotik
http://ka.stadtwiki.net/Neugotik

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Schwingende Glocken

Hier ein Video, das eine gute Vorstellung davon vermittelt, wie sich die Glocken mit dem Joch und den Schwungrädern bewegen.



Und hier meine Lieblingsglocke. Der "Dicke Pitter". :)
Ab 2:25 wird es interessant.



Es sieht einfach klasse aus, wenn der Schnee von der Glocke hüpft!
Bis die anderen Glocken einsetzen, muss man sich etwas gedulden oder vorspringen auf 13:30.


Glockenklöppel - Ihre Bedeutung für den Klang

Vielleicht hört Ihr den Unterschied. Hier läutet der Dicke Pitter mit dem alten Klöppel.
Das Thema Klöppel besprachen wir auch bei der Besichtigung des Carillons. Klöppel und Hämmer haben eine große Auswirkung auf den Klang der Glocken.




Glockenklöppel in der Schmiede
Glockenklöppel schmieden, insbesondere die ganz großen, ist eine besondere Kunst.
Diese Firmen beherrschen sie:
http://muffag.ch/
http://www.edelstahl-rosswag.com/glockenkloeppel-geschmiedet.php

Und so sieht es aus, wenn ein gigantischer Klöppel geschmiedet wird:



Hier erfährt man noch mehr! :great:





Lesestoff zum Thema Glockenklöppel


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Antrieb der Läuteglocken


In #11 hatte ich auf einen der Antriebsmotoren der Läuteglocken im Carillon aufmerksam gemacht.
Wenn ihr hier bis ca. 6:15 vorspult, könnt ihr einen neuen Antriebsmotor bei der Arbeit beobachten.
Vorher wurde gezeigt, wie das schwere Biest in Position gebracht wurde. Es geht noch einmal um den Dicken Pitter, dessen Klöppel 2011 abgestürzt war und der daraufhin nicht nur einen neuen, leichteren Klöppel sondern auch einen für die neuen Gewichtsverhältnisse angepassten Motor spendiert bekam.




Hier eine schematische Darstellung wie diese Art Glockenantrieb aufgebaut ist.

Laeutesystem_farbe_klein.png

Quelle: http://www.lehrerfreund.de/medien/_...hnologie/Glocken/Laeutesystem_farbe_klein.png

Läutemaschinen sorgen für ein gleichmäßiges Schwingen der Glocken, sofern Joch und Klöppel korrekt gewichtet und mit der Glocke ausbalanciert sind und der Glockenantrieb auf die Gegebenheiten richtig eingestellt ist. Für das Erreichen eines schönen Glockenklangs spielen also mehrere Faktoren eine Rolle. Das sind komplexe Zusammenhänge bzw. Abhängigkeiten. Das Tempo, mit dem die Maschine anläuft, darf nicht zu heftigen Rucken am Schwungrad führen. Das Pendeln der Glocke muss langsam verstärkt werden. Der "Deu", den das Schwungrad vom Antrieb bekommt, muss so justiert sein, dass der Klöppel beim Richtungswechsel der Glocke nur ganz leicht gegen die Glocke schlägt. Je nach dem wie fest der Anschlag ist, ergibt sich ein härterer oder weicherer Klang, bei dem die verschiedenen Teiltöne einer Glocke mal mehr mal weniger hervorgehoben werden.

Die Härte des Anschlags verändert das Material von Glocke und Klöppel!
Ein zu harter Anschlag verkürzt die Lebensdauer von Glocke und Klöppel.


Lesestoff zum Thema Läutemaschinen
Es ist schwierig, eine neutrale Beschreibung zu finden. Hier verschiedene Produktbeschreibungen von Firmen.


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Glocken-Joche aus Metall, Vollholz oder Leimholzbohlen?

Ebenfalls in #11 zu sehen: Holzjoche aus Leimholzbohlen.

Holzjoche und Glocken-Joche generell sind ein interessantes Thema, auf das uns Herr Strauss neben einigen anderen Dingen aufmerksam machte. Ich hätte nicht gedacht, wie groß die Bedeutung der Beschaffenheit eines Glockenjochs für den Klang und und das "Wohlbefinden" einer Glocke ist.

Hier beschreibt Bernd Ludwig Müller-Lönnendung, ein Elektrotechniker unterwegs im Fachbereich Kirchenglocken, Läutemaschinen und Turmuhren, seine Erfahrungen:
http://www.kirchenglocken.de/
April 2015
Aus aktuellem Anlass: Es häufen sich bei mir die Beschwerden und Fragen geprellter Kundschaft anderer Firmen, die sich, auf anraten der Glockensachverständigen, ihre Glocken von Stahljochen an neue Eichenholzjoche haben hängen lassen, “weil ein Stahljoch einer Glocke nicht würdig ist”. Ständig lose Schrauben und Bügel, die sie alle 8 Wochen nachziehen können, sowie abgesackte Lagerzapfen werden an den neuen Jochen moniert. Ursache ist die Verwendung von frischem Holz für die neuen Glockenjoche, was als trocken deklariert und verkauft wurde, oftmals auch wegen Unwissenheit und mangelhafter Fachkenntnis der Glockenfirmen, wo man normalerweise nicht mit rechnet, daß sowas passiert. Ferner wird auch oft zusätzlich der Fehler gemacht, daß Firmen Kernholz zum Jochbau verwenden. Dieses reißt garantiert ein, verzieht sich und ist für Joche ungeeignet. Allgemein ist sowas Fachwissen eines Schreinerlehrjungen im ersten Lehrjahr.

Das einschlägige Problem dabei ist, daß eine gute, alte, trockene Eiche kaum noch zu bekommen ist. Diese Erfahrung habe ich im Jahr 2013 selber bitter machen müssen, als ich eine Eiche für einen Auftrag aus dem Berliner Raum benötigte, ich eine 350 Kg Glocke in Reparatur hatte. Die Jahre zuvor habe ich historische Joche immer reparieren können. Alte Eiche war für mich, in meiner über 20 jährigen Berufserfahrung, nie ein Thema gewesen, aber das Joch war hin. Da hatte ich dann ein Problem und habe den Auftrag nach monatelanger Suche nicht weiter ausgeführt, weil für diese historische Glocke andere, alternative Hölzer für mich nicht in Frage kamen, eben weil ich um die Problematik weiß, wenn man sich Holz im Großhandel einkauft. Massive Eiche 200 x 240 mm, trocken, luftabgelagert, wenigstens 30 Jahre alt ? Keine Chance.

Mein Rat an Sie:
Lassen sie lieber die Glocken an den alten Stahljochen hängen, wenn es eben noch aus statischer Sicht zulässig ist oder aber verwenden sie - als Notlösung - Leimholzbohlen, aus denen sie das Joch dann zusammenbauen. Das werden Ihnen die Glockensachverständige zwar nicht gut heißen, aber in der augenblicklichen Lage, wirklich trockenes Holz, mit 50 Jahren Lagerzeit zu bekommen, führt da kein Weg dran vorbei. Ferner haben sie bei frischem Holz auch läutetechnische Probleme, weil das Wasser im Holz ein zusätzliches Gegengewicht zum Klöppel bildet, daß ein niedriges Läuten der Glocke unmöglich macht. Wegen dem Trocknungsvorgang haben sie dann auch ständig Ärger mit der Gleichmäßigkeit des Klöppelanschlages in der Glocke, mit der Zeit zunehmend härtere Anschläge, weil das Wasser verloren geht, das Joch leichter wird, dadurch stetig sich die Anschlagshärte des Klöppels erhöht mit zunehmenden Glockenverschleiß als Folge. Das ist alles Ärger, der sich vermeiden läßt, wenn man mit dem richtigen Fachwissen an die Sache ran geht: Finger weg von frischem Holz, was “nur” 15-20 Jahre gelegen hat oder als Vollholzbalken aus der Trocknungskammer kommt. Holzalternative bei Kapellenglocken bis ca. 150 Kg wäre Lerche.
Faustregel: Die Trocknungszeit bei Eichenvollholz beträgt ca. 0,5 cm - 1 cm pro Jahr !!!

Noch etwas: Achten sie darauf, daß die Glockenkronen in das Holz ca. 2 cm sauber eingelasssen sind. Das verhindert unkontrollierte Schiefstände, sollte sich die Mittelschraube mal etwas ins Holz einarbeiten.



In anderen Quellen las ich, dass Holzjoche besser als Metalljoche sind, weil sie die Schwingungsübertragung von der Glocke auf die Lager dämpfen. Das wird als großer Vorteil der Holzjoche angesehen. Es wird aber auch immer wieder betont, dass darauf geachtet werden muss, dass das Holz ausreichend getrocknet ist und nicht mehr arbeitet. Dicke Eichenbohlen, die diese Bedingung erfüllen, sind aber so gut wie nicht mehr zu bekommen. Daher bleibt dann nur die Verwendung von Leimholzbohlen übrig, wenn man ein Holzjoch für seine Glocken wünscht.




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Was mich besonders verwundert hat, daß die vorhandenen Läuteglocken in der Glockenstube nicht im umgebenden Turmmauerwerk verankert sind, sondern...

Dieses Problem haben Kirchen mit großen Glocken immer wieder. Die Stiftskirche in Neustadt an der Weinstrasse hat lange Zeit ihre große Glocke nicht mehr anläuten dürfen wegen Einsturzgefahr des Turmes. Inzwischen versucht man das zu vermeiden wo es nur geht, dass die Glocken mit dem Turm direkt verbunden sind. Zweimal konnte ich direkt nebendran stehen als sie mal kurz angefahren wurde, etwa eine viertel Stunde später hat sie immer noch leise vibriert wenn man sie angelangt hat und summen hörte man sie auch noch.

Die Kaiser-Ruprecht-Glocke ist mit rund 14 Tonnen Gewicht die größte läutbare Gussstahlglocke der Welt und die zweitgrößte Kirchenglocke Deutschlands nach der St. Petersglocke im Kölner Dom.
https://de.wikipedia.org/wiki/Stiftskirche_(Neustadt_an_der_Weinstraße)
 
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Ein neuer Glockenstuhl entsteht

In Sankt Josef, Bonn Beuel hängen die Glocken in einem Glockenstuhl aus Stahl. Ob nun Holz-Glockenstühle nach "alter Väter Sitte" oder moderne Stahlkonstruktionen die bessere Wahl sind, darüber wurde und wird kontrovers diskutiert. Auch das war Thema bei unserer "Carillon-Begehung".

In den beiden folgenden Videos wird gezeigt, wie ein in die Jahre gekommener Glockenstuhl aus Metall durch einen neuen Glockenstuhl aus Holz ersetzt wird.

Vom Aufmaß bis zur Fertigstellung werden alle Arbeitsschritte gezeigt und erklärt.



Hier könnt Ihr zusehen, wie eine Läuteglocke mit einem Holzjoch aufgehängt wird.



Am Ende des zweiten Videos wird berichtet, wie gut der hölzerne Glockenstuhl die Schwingungen der Glocken absorbiert. Bei Grassmayr fand ich für den Glockenstuhl die Bezeichnung "Turm im Turm". Dass die durch die Glockenschwingungen auftretenden Kräfte durch solche Glockenstühle in einer deutlich tieferen Position und obendrein abgeschwächt auf den Turm übertragen werden, als wenn sie direkt im Mauerwerk verankert wären, liegt auf der Hand.
Das noch als Anmerkung zum Thema Statik.

Auch im Dom von Münster wurde vor einigen Jahren ein neuer Glockenstuhl aus Holz eingebaut, nachdem Rost dem stählernen Vorgänger den Garaus gemacht hatte:
http://www.kus-muenster.de/nachrichten/view/dom-glocken-luten-zum-ersten-mal-seit-einem-jahr.html

Interessante Übersicht über Pro und Contra von Glockenstühlen aus Holz und Stahl:
http://glocken-perner.at/glockeform/holzstahl.html

Noch mehr zum Schauen und lesen





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Um die höher hängenden Glocken besser betrachten zu können, ...

... steigen wir die nächste Treppe hinauf.

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Ich war gespannt, wie es weiter oben weiter gehen würde ...
irgendwie hatte man schon den subjektiven Eindruck, die Luft wäre "dünner", aber wahrscheinlich wurden nur die Aufstiege enger :dizzy:

Oh ja! Die Treppen wurden hier ganz schmal! Von unten sahen sie fast wie eine Leiter aus. Kaum breiter als wir selbst, hängt sie an der Seite des Glockenstuhls im Gerüst oder an der hohen Mauer. So genau konnte ich das nicht erkennen. Jedenfalls war sie schön stabil.

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Nicht schwindelfrei? Dann guckt von dem Absatz, auf dem @Old Boy da gerade steht, besser nicht nach unten zurück. ;)

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Wer in den letzten Posts den Links zu den Beschreibungen der HolzGlockenstühle gefolgt ist, kann nun vergleichen, um wieviel filigraner so ein stählerner Glockenstuhl aussieht. Luftig und durchlässig wirkt er und ist trotzdem sehr stabil, solange man ihn sorgfältig wartet und gegen Rost schützt. Während man neben ihm in die Höhe steigt, verschieben sich fortwährend die geometrischen Bilder, so dass ich immer wieder versucht war, stehen zu bleiben, um sie festzuhalten.

An der Treppenkehre ergaben sich schöne neue Perspektiven auf die Glocken.


Am Treppenabsatz hängt einem als erstes die F-Glocke direkt vor der Nase. Die Inschrift:
St. Joseph Beuel 1960
Beim Betrachten des Fotos fiel mir auf, dass diese Läute-Glocke zwei Hämmer hat! Das kann eigentlich nur bedeuten, dass einer für den Stunden-Schlag und einer für das Carillon ist. Oder?

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Hier die Krone der Glocke und ihr Holzjoch aus einer Leimholzbohle.
Das Seilrad gehört zur Glocke daneben, deren Holzjoch hinter der Eckverstärkung (?) eines Eisenträgers verschwindet. Darunter hängt die c'-Glocke.

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Das sind also die beiden Joche der 2. Läuteebene, ...

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... die man beim Aufstieg nach und nach unter sich lässt.
Habt Ihr gesehen, dass die Erhöhung der Mitte dieser beiden Holzjoche ein klein wenig unterschiedlich geformt ist?

Am Ende der Stiege gelangt man auf eine Art Empore, auf der wir ein paar Minuten Rast machten, um in Ruhe fotografieren und Gedanken austauschen zu können.

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Im letzten Foto kann man sehr schön erkennen, wie weit man die Schallluken mit stabilen Holzbrettern verschlossen hat. Nur die Abschlußbögen sind freigelassen und selbst dort sind ja noch die vorgesetzten, lamellenförmigen Schallleitbleche (?) zu erkennen, die den nach oben abstrahlenden Glockenklang wieder nach unten lenken sollen!

Die Glockenstube ist zur reinsten Schallschluck-Kabine geworden, schade wenn man bedenkt, daß Glocken ja möglichst weit reichen sollen ... eigentlich :eek:

Irgend kommt mir diese Maßnahme vor, als habe man die Trompeten von Jericho mit SILENT-BRASS System versehen!

Vorteilhaft ist vielleicht, daß so die "Inneneinrichtung" gegen Wettereinflüsse weitestgehend geschützt ist ... aber als wirklich schlüssig empfinde ich das absolut nicht.



Tante EDIT meint dazu:
Zukünftige Kirchengemeinden sollten vielleicht eine kostenlos downloadbare APP für die verschiedenen OS-Versionen verteilen, die die Gemeindemitglieder mit einer entsprechenden Meldung an den Kirchgang erinnert, dazu einige individuell auswählbare Melodien des iPhone-Carrillons (klar, natürlich auch Heavy Metall!).
Die Lautstärke sollte dabei allerdings unbedingt stufenlos bis auf NULL regelbar sein... Sonntags scheint man heutzutage wohl sehr ruhebedürftig zu sein ;)
 
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