[Amp] VHT GP3 Preamp mit "offiziellem" Gain Mod

bagotrix
bagotrix
Helpful & Friendly User
HFU
Zuletzt hier
16.11.24
Registriert
13.08.11
Beiträge
6.038
Kekse
129.843
Ort
Kraichgau
Hallo Leute,

der/die eine oder andere wird sich jetzt vielleicht fragen: "Was soll das denn? Noch ein Review von bagotrix über den gleichen Preamp...?"

Die Antwort lautet: "Ja und Nein!"

Nun, in meinem Review über den GP3 Valvulator Preamp - zum Nachlesen: https://www.musiker-board.de/threads/amp-vht-gp3-valvulator-preamp.633571/ - hatte ich es schon angedeutet: beim GP3 wurde ab und zu schon gemeckert, er habe ja nicht genug Gain. Wie ich schon schrieb, geht dieser Eindruck allerdings neben bestimmten Einstellungen auch auf den extrem "trockenen" und direkten Soundcharakter zurück. Und klar, man kann immer noch einen Tube Screamer o.ä. davor hängen und sowohl den Attack etwas aufweichen als auch zusätzliches Sustain erzeugen.

Dennoch ist Steven Fryette nicht untätig geblieben und hat seinen gainhungrigen Jüngern nachgegeben. Er hat eine Modifikation entwickelt, die an einigen wenigen Stellen die Werte von Bauteilen ändert und so mehr Gain und einen etwas wärmeren Sound erzeugt. Insgesamt handelt es sich um gerade mal 4 Widerstände und einen Kondensator, die ausgetauscht bzw. ergänzt werden. Trotz weniger Bauteile wirkt sich die Änderung in allen drei Kanälen aus. Beschrieben wurde der Mod in einem Thread im Fryette-Forum: http://www.fryette-users.com/forums/showthread.php?375-VALVULATOR-GP3-Gain-Modification , und er soll - sinngemäß übersetzt - folgende Wirkung haben:

- Etwas wärmerer Sound und etwas mehr Eingangsübersteuerung im Clean-Kanal
- Etwas wärmerer Sound und etwas mehr Sustain im Rhythm-Kanal
- Deutlich mehr Übersteuerung und Sustain im Lead-Kanal

Weiter schreibt der geschätzte Ampdesigner, das Resultat sei eigentlich schon im Bereich einer "Over-Saturation", also einer Übersättigung der Gainstufen, allerdings würde das vom Grundcharakter des Preamps soweit kompensiert, dass die für VHT typische detailreiche Wiedergabe erhalten bleibe.

Als ewig Suchender konnte ich nicht umhin, das auch zu versuchen. Da ich vor dem edlen Teil (sowie den hohen Spannungen, die in einem Röhrenpreamp selbst nach dem Ausschalten noch auftreten können :stars:) doch gehörig Respekt habe, überließ ich die Durchführung der "Werkstatt für Musiker" die mit Session in Walldorf zusamenarbeitet, und mit deren Arbeit ich bisher immer sehr zufrieden war. Vorweg kann ich schon sagen: Auch wenns ein bisschen gedauert hat, war das auch diesmal uneingeschränkt der Fall. Nicht zuletzt stimmte das Preis-Leistungsverhältnis, denn der Mod wurde zu meiner Freude für weniger als 50,- € ausgeführt. Ein mehr als fairer Preis für das gute Gefühl, dass es dann auch richtig professionell gemacht ist.

Das Ergebnis:


Mit dem Resultat bin ich mehr als zufrieden. Ich würde sogar so weit gehen, dass dem GP3-Preamp deutlich mehr Erfolg beschieden gewesen wäre, wenn VHT ihn von Anfang an so ausgelegt hätte...

Ein User aus dem Fryette-Forum hatte geschrieben, dass man alle ursprünglichen Sounds behalte und einiges mehr an Möglichkeiten bekäme. Tendenziell schon, aber ich muss sagen, dass bei der Operation aus meiner Sicht vielleicht doch eine Winzigkeit des brutal ehrlichen Charakters verloren gegangen ist. Das sehe ich aber nicht wirklich negativ, weil die Änderung für meine Musik - und nach meiner Überzeugung für die allermeisten Benutzer - letztlich einfach besser passt.

Zu den einzelnen Kanälen:

Der Clean Channel hat absolut profitiert.
Generell klingt er nicht nur "slightly" (O-Ton S. Fryette), sondern mMn deutlich wärmer und für meine Ohren angenehmer. Die Cleansounds im eigentlichen Sinne sind sehr überzeugend, und die Klangregelung ist so effektiv, dass jeder seinen Sound finden sollte. Auch die Zerre, die vorher nur im letzten Teil des Reglerwegs einsetzte und tendenziell eher hart wirkte, ist jetzt wesentlich ohrenfreundlicher und damit besser einsetzbar. Fender bleibt schon eine andere Soundwelt, deshalb soll es kein direkter Soundvergleich sein, sondern eher eine Parallele zu deren bekannten Amps: der Unterschied vorher / nachher stellt sich ein bisschen so dar wie der Unterschied zwischen den Ultra-Linear-Amps und dem alten Blackface-Ton. Das im Rückblick doch etwas Sterile ist weg, insbesondere nehme ich das im Ausklang wahr. Nach wie vor muss die Gitarre was taugen, ein Schönfärber ist der Kanal nicht. Ich probiere noch mit der Abstimmung Treble / Middle / Briteschalter rum, aber nochmal: eine klare Steigerung.

Beim Rhythm Channel hat sich ebenfalls viel getan, da stapelt Fryette ein bisschen tief.
Schon ohne HiGain-Schalter, Boost und Brite/Edge ist die Zerre jetzt auch im mittleren Regelbereich satt und rund. Die Mid Gain-Sounds, die mir eh schon sehr gefallen haben, sind noch schöner geworden. Auch der untere Bereich bleibt sehr gut nutzbar, im Gegensatz zu vielen Preamps klingt der Kanal auch bei Gain auf 9 Uhr nicht ausgedünnt und kraftlos, hier sind dann auch Blues- und Crunch-Sounds im eigentlichen Sinne sehr gut erreichbar (also nicht das, was John Petrucci als Crunch beschreibt...;)). Wie oben schon gesagt, wurde der Attack für mein Gefühl ein klein wenig abgemildert, im Spektrum der Ampwelt bleibt der GP3 aber auf der strammen Seite. Schaltet man auf HiGain, vielleicht noch mit dem Deep-Schalter dazu (der auch ein Stück stärker zu wirken scheint), sind massive Metal-Sounds der ganz schiebenden Sorte möglich, und da haben wir noch nicht mal den Boost betätigt... Dieser Kanal alleine sollte wirklich jeden Metaller überzeugen. Trotzdem kann er auch anders und ist von daher noch vielseitiger geworden, was echt was heißen will.

Allerdings: Rhythm war ja im Urzustand mein Lieblingskanal, und er ist der einzige, bei dem fast ein bisschen zweifle, ob mir der alte Zustand nicht doch etwas fehlen wird - einfach, weil er so extrem "geknallt" hat, wie ich das von keinem anderen Amp kenne. Ist nicht mal was, was ich für meine Musik brauche, aber es hat mich schon schwer beindruckt. Grundsätzlich wäre es aber auch möglich, nur in diesem Kanal zurück zu rüsten. Werde ich aber sicher nicht machen, denn die (für mich viel wichtigeren) Classic Rock-Sounds sind allemal schöner geworden.

Zu guter Letzt der Lead Channel. Nun, die Amis sind ja echt gut im Ausdenken von Superlativen, und um einen aus dem Fyette-Forum zu zitieren: Holy Fucknuts Batman...!
Der Kanal hat sich in flüssige Lava verwandelt, auf Wunsch selbst mit Vintage-Singlecoils (wenn man deren Brummen erträgt). Schon ohne HiGain-Schalter und Boost ist alles locker da, was andere HiGain-Amps bieten, aber mit diesen wird es dann schon abenteuerlich. Da wollte Mr. Fryette wohl auch den letzten gainsüchtigen Meckerer befriedigen. Dieser Kanal übertrifft selbst meinen alten Rockmaster bei weitem, der für mich bisher das Ende der Fahrenstange markierte; ein Rectifier wirkt neben diesem Teil gaintechnisch auf einmal total zahm. Trotzdem bleibt das alles kontrollierbar und kann mit der Fülle an weiteren Möglichkeiten (Deep, Edge, Fat, Graphic EQ) klanglich in alle möglichen Richtungen verbogen werden. Der Attack bleibt so definiert, dass man auch ohne den klassischen Tube Screamer eine matschfreie Betonwand errichten kann. Zugleich bietet der Fat-Schalter eine sehr gut abgestimmte Möglichkeit, bei Leads evtl. rausgedrehte Mitten zu reaktivieren. Nach dem Klangeindruck wirkt er nach der Verzerrung und bringt so auch einen kleinen Lautstärkeschub, gerade passend für Leads. Zugleich ist er nicht so extrem, dass man alles zuhupt. Auffallend verbessert hat sich die Art und Weise, wie einen der Lead Channel (und auch der Rhythm Channel bei dem das vorher gar nicht der Fall war) bei Einzelnoten "trägt". Wo man vorher wirklich bei jeder Note auf 100 % sauberes Spiel achten musste, gehts jetzt deutlich lockerer von der Hand

Was für alle Kanäle gilt (und nach der Modifikation sogar noch mehr):

Alles in allem sind die Schaltmöglichkeiten am GP3 Valvulator so praxisgerecht, dass man hier nicht nur enorm unterschiedliche Sounds einstellen, sondern schon mit einem einzigen Kanal ohne weiteres 3 oder 4 unterschiedliche und auch brauchbare Sounds per Fußschalter oder MIDI abrufen kann. Der "Gain Mod" macht genau diese Eingriffsmöglichkeiten aus meiner Sicht noch besser nutzbar, weil man zB den Boost nicht mehr braucht, um das Basis-Gain-Niveau eines Kanals anzuheben. Will man grundsätzlich mehr Zerre, bekommt man die mit den Gainreglern schon hin, sodass der Boost fürs Solo oder andere Zwecke frei bleibt.

Der Einstellbereich der Kanäle überlappt sich jetzt stärker. Von daher kann man ohne weiteres Funky Clean, einen bluesigen Crunch mit mittigen Leads (Boost und Fat) sowie aus dem Dritten Kanal Hair-Metal Rhythmus und bissige Solosounds holen - oder eben eine gemäßigte Blues-Zerre aus dem Clean Channel, Classic Rock-Sounds aus dem Crunch- und einen massiven Death Metal-Sound aus dem Lead Channel - samt weiterer Steigerung über Boost, Fat und EQ.

Was nach wie vor bleibt, ist der eigenständige Sound des Preamps, eben ein VHT. Er ist kein Fender, kein Marshall, kein Mesa und kein Engl - und trotzdem kann er nach meiner Überzeugung in jeder Musikrichtung eingesetzt werden, die die allseits bekannten Hersteller repräsentieren. Dabei ist er extrem vielseitig, ohne charakterlos zu sein. Der konzeptionelle Schwerpunkt ist schon eher bei härterer Musik zu sehen, die wirklich in allen Spielarten abgedeckt werden kann, und mit dem Gain Mod kann man in Sachen Zerre nun auch den letzten Fußtreter getrost ausrangieren (Ja, ich weiß, als Soundalternative gehen die natürlich immer, als Hilfsmittel braucht man sie jedenfalls nicht mehr.).

Sicher wird sich der eine oder andere fragen, wie es jetzt mit Nebengeräuschen aussieht. Nun, das Rauschen hat nach meinem Eindruck kaum zugenommen, allerhöchstens in dem Maße wie das Gain. Dabei darf ich daran erinnern, dass wir hier von einem (ganz subjektiv und ungemessen) konkurrenzlos niedrigen Nebengeräuschniveau ausgegangen sind. Stellt man Gain so ein, dass die Zerre wieder auf dem alten Niveau verharrt, ist und bleibt der GP3 mucksmäuschenstill. Im Verhältnis zu den jetzt wirklich aberwitzigen Gainreserven bleibt das Rauschen sogar bei deren Missbrauch erstaunlich gering.

Gruß, bagotrix
 
Eigenschaft
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 3 Benutzer
Sehr schöne Review!

Ich habe selber schon mit dem Gedanken gespielt meinem GP 3 den Gain-Mod zu verpassen, allerdings habe ich nicht genug Erfahrung in diesem Bereich um dies selber durchzuführen und auch kenne ich keinen dem ich das zutrauen würde... :rolleyes:

Bislang wurde auch mein Bühnensound vom Techniker schwer gelobt: "Geiler Sound, ich musste nichts anpassen und es klang Bombe!" :evil:
 
Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Der VHT-typische "trockene" Sound ist extrem Bandsound-freundlich. Was dem einzelnen Spieler so gnadenlos vorkommen mag, bedeutet eben auch: kein Wummern, kein Matschen!

Zur Durchführung des Gain-Mod: Wie ich schon schrub, habe ich den bei meinem GP3 auch nicht selber durchgeführt. Inzwischen habe ich an anderen Geräten aber schon ein paar Dinge in der Art erledigt und würde es mir durchaus zutrauen. Erst recht denke ich, dass das mit der Anleitung aus dem Netz wirklich jeder Techniker, der Bauteile auf eine Platine ein- und auslöten kann, bewältigen wird. Nachdem nicht nur die Positionierung, sondern auch die exakten Werte der Bauteile vorgegeben sind, muss das kein ausgewiesener Spezialist für Röhrenamp-Tuning sein.

Den brauchts eigentlich nur, wenn man nur allgemeine Vorgaben hat, also sowas wie "ich will mehr Gain", eine anders abgestimmte Klangregelung, zuschaltbare Extras oder weitere Kanäle.

Gruß, bagotrix
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben