[Gitarre] Gibson Les Paul Traditional 2015

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Gibson Les Paul Traditional 2015


Gibson Les Paul Traditional 2015 in Honey Burst


Nun kommt doch noch ein weiterer Review zu einem 2015er-Gibson Modell von mir. Diesmal zur Gibson Les Paul Traditional, einer Variante, die ich damals bei der Suche nach einer Studio bereits kennen lernen durfte.

Die derzeitig niedrigen Verkaufspreise machen es möglich. Denn wenn man die Preisentwicklung und den –kampf der letzten Wochen und Monate Revue passieren lässt, hat man den Eindruck, dass Gibson das Jahr sowie die „Innovationen“ 2015 schnellstens hinter sich lassen möchte. Amazon zieht zwar wieder mit den Preisen an, diese liegen in etwa auf dem ursprünglichen Niveau, dafür bietet sie Thomann zu echten „Das muss ich mir mal überlegen“-Preisen an.

An dieser Stelle will ich aus meinen Reviews zitieren, denn nicht jeder wird meine vorangegangenen Veröffentlichungen studieren. An entsprechenden Stellen ergänzte ich das Genannte durch Besonderheiten der Traditional.

Der Gibson-Jahrgang 2015 bietet nun für alle Kritiker die größte Angriffsfläche überhaupt. Gibson hat seine Erfolgsmodelle komplett auf den Kopf gestellt und mit Neuerungen versehen, die mal mehr, mal weniger verständlich sind, u.a.:
· Halsbreite: 46 mm
· G-Force Stimmautomatik
· Sattel mit Nullbund
· den sogenannten „Leo Baul“-Jubiläumsschriftzug zum 100. Geburtstag von Les Paul
· ein Hologramm des einem zuwinkenden Lester William Polfus ( so der bürgerlicher Name von Les Paul)

Die Halsbreite
46 mm sind eine Hausnummer. Einmal zum Vergleich, meine PRS SE Custom weist exakt die gleiche Halsbreite auf, allerdings handelt es sich bei ihr um eine 7 String! Große Hände stehen damit vor keiner unlösbaren Aufgabe. Bei Musiker mit kleinen Händen wird dies u.U. jedoch zur großen Hürde. Aber auch die vom möglichen Idealmaß von 43 mm abweichende Abmessung stellt bei Gibson kein Novum dar. Ich besaß einmal eine 1969er SG Melody Maker mit einem 40 mm breiten Hals. Konnte ich auch bespielen. Man gewöhnt sich einfach daran. Vielleicht ist dies Gibson´s Reaktion auf die immer weitere Verbreitung von 7-, 8- oder gar 9-saitigen Gitarren. Für viele besitzen diese Instrumente keinen Sonderstatus mehr. Und da ist natürlich ein Wechsel auf eine 6 String mit ähnlich breitem Hals, wie der einer 7 String naheliegend.

Das G-Force
Das Nachstimmen der Standardstimmung verlief ohne Probleme in ca. 5 Sekunden. Ein bisschen Zipp und Drrr hier und da, fertig. Schon spaßig, wenn das alles automatisch geht. Mittlerweile kenne ich mit dem G-Force etwas besser aus. Auch vor dem Saitenwechsel muss man sich nicht mehr fürchten, denn nach kurzer Zeit kennt man die exakten Abläufe und dann gerät es zu einem Wechsel, wie bei einer konventionellen Gitarren mit Locking-Tuner.


Hier noch mit vernickeltem Messingsattel zu sehen


Ausgebauter D-Tuner des G-Force

Der Sattel mit Nullbund
OK, hierzu kann ich nichts groß schreiben. Ich weiß nicht, worin hier die Ursache zu suchen ist. Gibt es vielleicht unter den Gibson-Manager einen Freund alter deutscher Gitarren? Die wiesen in den 1950er/1960er-Jahren häufig einen Nullbund, jedoch in anderer Form auf. Mit Nullbund sollen die Leersaiten wie gegriffene klingen, so dass das gesamte Klangbild homogener wird. Dementsprechend wird der Nullbund ständig der Reibung der Saiten ausgesetzt und verschleißt schneller, als die übrigen Bünde.

Genau dies geschieht auch bei den Messingsätteln von Gibson. Es bilden sich im Nullbund rasch Eindrücke der Saiten, die letztendlich dazu führen, dass sich die Saite, wie in einem zu eng gekerbten Sattel verhaken und mit einem laut vernehmbaren „Plong“ herausspringen. Dieser Umstand tritt nicht erst nach Jahren, sondern tatsächlich nach kurzer Zeit auf. Das Material ist definitiv zu weich. Nach Aussagen des Vorbesitzers der Traditional spielte er sie vielleicht gerade mal 10 Stunden, dennoch könnt Ihr auf dem Foto deutliche Spuren davon erkennen:


Messingsattel nach ca. 10 Stunden Spielspaß mit deutlichen Spuren der Saiten im Nullbund

Zusatz zum Sattel

Mittlerweile traf auch der Titansattel für meine Traditional ein (bis dahin musste sie mit dem vernickelten Messingsattel vorlieb nehmen). Dieser wird auch gleich nach Eintreffen des Faber-Kit verbaut werden.

An der Stelle einmal ein Lob an den Gibson-Service. Insgesamt forderte ich bei ihnen direkt vier Sättel an, zwei über die Vorbesitzer der jeweiligen Gitarren, im Falle der Traditional wurde der Sattel auch gleich zu mir als Zweitbesitzer gesendet und alle trafen ohne großes Geschreibe oder Legitimationsbekundungen schnell, unbürokratisch und kostenlos bei mir ein! Gibson hat erkannt, dass man hier keine langfristige Lösung ersonnen hat und lässt seine Kunden nicht im Regen stehen.

Aber Achtung, diese Garantie wird nur dem Erstbesitzer einer Gibson zuteil. Der Service teilte mir dies unmissverständlich mit. Meinen Sattel erhielt ich, da ihn eben der Erstbesitzer für mich anforderte. Bei einem Gebrauchtkauf ohne Titansattel solltet Ihr ebenso vorgehen und Euren Verkäufer bitten, den Sattel anzufordern. Hierzu ist der originale Kaufbeleg vonnöten. Dennoch müsst Ihr nicht verzagen, wenn sie der Verkäufer quer stellen sollte, bei Gibson gibt es auch noch einen sogenannten „Goodwill Service“.

Der Leo Baul-Schriftzug
Mh, is eben so. Stammt er tatsächlich von Les Paul oder durfte jeder Gibson-Mitarbeiter eine Schriftprobe abgeben? Um ehrlich zu sein, mich stört er nicht. Ebenso wenig das Hologramm. Ist ja schließlich Les Paul´s Jubiläumsjahrgang.

Das Palisandergriffbrett
Manche können sich wohl noch an den Palisander-Skandal bei Gibson von vor 2 – 3 Jahren erinnern. Dieser scheint nun endgültig überwunden zu sein. Gerade bei meiner Junior und Studio sieht man, dass es außerordentlich dick ist und die Stärke des Sattels erreicht. Bei der Traditional wird dies wohl nicht anders sein, durch das Halsbinding wird es jedoch überdeckt. Zudem besitzt auch die Traditional wie die Standard das dunkelste Palisander, wird es auf der Gibson-Page doch mit „Dark“ angegeben.

Die Griffbrettinlays
Da hat sich Gibson 2015 ein Herz gefasst und auch bei allen Modellen "Mother of Pearl" verwendet. Dies sieht sehr edel aus und ist wieder nicht historisch korrekt bei den "Standard Les Pauls". Mir gefällt´s! Sieht auch sehr schön einheitlich in der Farbgebung aus, keine großen Ausreißer nach oben oder unten. Bei der Less+ hatte ich noch das Inlay am 12. Bund bemängelt (Bei der Less+ sieht das Inlay am 12. Bund wie billiger Kunststoff aus“), sah das Ganze bei der Classic schon homogener aus und steigert dies die Traditional. Gibt es hier sowas wie eine Selektion an der Muschelfront? Wie auch immer, nach wie vor gefällt mir dieses Material besser, als der Kunststoff, der wieder bei den 2016er-Modellen verwendet wird.


Perlmutt: in echt noch schöner

Bei dem Halsprofil
…handelt es sich bei der Traditional um das „Rounded XL“ oder auch das Fetteste der ganzen Reihe und damit bietet sie ein Alleinstellungsmerkmal. In Verbindung mit der Halsbreite kommt dabei ordentlich Halsmasse zusammen, die sich jedoch nicht unangenehme spielen lässt. Allerdings erfühle ich keinen gravierenden Unterschied zwischen meiner Deluxe mit ihrem Rounded Asym und dem XL der Traditional.

Hardware
Als Stoptailpiece und Bridge kommen neue Teile, die aus Zamak bestehen zum Einsatz. Wirklich neu (zumindest für Gibson) ist die Verwendung von Titansaitenreitern. In wie weit und wie sie den Tone verändern, lässt sich freilich schwer sagen. Wie immer taugt natürlich ein Vergleich zwischen meiner Studio (mit konventionellen Reitern) und der Traditional nicht. Zu viele Parameter beeinflussen das Ganze. Um die Bridge in der Höhe zu justieren, benötigt man nun einen Inbusschlüssel. Nicht wirklich praktikabel, macht aber auch nicht jeden Tag.

Die übrige Elektronik
Anders als bei den weiteren Modellen wurde bei der Traditional die gesamte Elektrik frei verdrahtet, d.h., hier entfällt die sonst übliche Platine im E-Fach. Ein potentieller Pickuptausch gerät damit natürlich viel einfacherer. Zudem sucht man bei ihr Schaltungs- oder Schalterkniffe vergebens. Die Traditional weist keinen Coilsplitt, keinen Booster auf, eben wieder ganz konventionell und ihrem Namen Rechnung tragend. Gibson verwendet endlich 500kOhm-Potis für ihre Humbucker. Jedoch gibt Gibson eine Toleranz von +/- 20 % an.

Und wieder anders gestaltet sich die Pickupauswahl, kommen hier doch zwei 1959 Tribute Humbucker mit Alnico II-Magneten zum Einsatz (Werksangaben: jeweils 7,65 kOhm und damit ein wenig outputschwächer, als die ´57 Classic, mein eigener Bridge-PU schafft es gar nur auf 7,17 kOhm). Sollte es sich hierbei um zwei völlig identische Pickups handeln?

Gibson will herausgefunden haben, dass bei den berühmten Vorgängern aus den 1950ern das Aufwickeln des Drahtes auf die Spulen nicht nach einer bestimmten Windungsanzahl, sondern durch den Faktor Zeit beendet wurde und hieraus die Unterschiede der einzelnen Spulen und somit der Pickups gegründet seien. Dies möchte man nun mit den 1959 Tribute Humbucker wieder aufleben lassen.

Die Verarbeitung
Meiner Meinung trifft hier eine wichtige Aussage von Thorsten B., was die Verarbeitung angeht, zu. Da hat sich bei Gibson einiges getan. Man spürt z.B. keinen Übergang vom Hals zum Griffbrett. Deswegen muss sich der ein oder andere von Gibson´s Mojo verabschieden. Dies ist in meinen Augen die nette Umschreibung mancher Unzulänglichkeit von Gibson. Die Lackoberfläche wirkt ebenfalls anmutiger und edler. Das Honey Burst zeigt sich heller, als Tobacco Sunburst. Mir gefällt es. Eine Frage des persönlichen Geschmacks natürlich.

Das Aussehen meiner Traditional
Sie besitzt ein A+-Top, das jedoch deutlich gegenüber dem BB-Top meiner Classic abfällt. Sie sieht in einigen Bereichen recht plaintopmäßig aus und zeigt nur wenig Flame. Mir gefällt gerade diese dezente Zurückhaltung und der einhergehende optische Gegenpol zu meiner Classic. „Damit könnte sie manch einer Traditional mit ihrem A+-Top Konkurrenz machen.“, schrieb ich in meinem Classic-Review. Tatsächlich, hier scheinen die Tops beider Gitarren vertauscht worden zu sein. Aber natürlich gibt es auch „wilde“ Traditional´s.


A+-Top

Der Tone
In der Regel besitze ich Gitarren, deren Humbucker mit Alnico V-Magneten bestückt sind. Meiner Meinung nach klingen diese drückender, wie ich das von anderen meiner Gitarren her kenne. Der Bass tritt ein wenig in den Hinter-, die Mitten mehr in den Vordergrund.

Bei der Tonebeurteilung zu Hause in den eigenen vier Wänden muss ich zweigleisig fahren. Zum einen spiele ich die Classic über meinen POD. Hierfür habe ich mir einen Referenztone erstellt, auf die ich alle meine Gitarren abstimme. Feinere Unterscheidungen werden in einer für die Gitarre optimierten Bank abgelegt.

Wenn ich hier nun die Traditional mit der Classic vergleiche, besitzt Erstgenannte einen niedrigeren Höhenpeak und legt auch in den Bässen etwas zu. Ihr Tone scheint substanziell mehr Fleisch zu besitzen und strahlt mehr Wärme aus. Im Gegensatz dazu klingt die Classic insgesamt etwas angriffslustiger und hat natürlich mit ihren Schaltungsoptionen die Nase vorne. An meinem Amp stellt sich dies ebenso dar. Im Gegensatz zur Classic klingt die Traditional ein wenig dicker, dafür weniger spritzig, aber drückender.

Der Stegpickup würde ich hier Bissigkeit und keine aggressive Tonegestaltung attestieren. Auch er kann natürlich schön zubeißen, aber für die ganz grobe Kelle reicht es nicht. Da sich die beiden Pickups laut Gibson-Homepage outputmäßig nicht unterscheiden, klingt der Neckpickup trotz gesteigerter Tiefenwiedergabe weniger bassig und aufgeräumter. In der Zwischenstellung beider Pickups summieren sich ihre Eigenschaften zu einem etwas volleren und mächtigeren Tone mit mehr Facetten. In etwa Bissigkeit in Samt.
Die Traditional ist in der Tat tonal die gesittete Les Paul. Mit ihr erfährt man die schönen und begehrten Vintageklänge am ehesten. Die Classic, als auch die Studio zeigen hier eher die modernen Seiten einer Les Paul.

Trotz dieser Tonekultur werde ich es mir wohl nicht nehmen lassen, einen kürzlich erworbenen Gibson Livebucker und seinen Alnico III-Magneten in der Traditional zu testen. Dabei handelt es sich um outputgesteigerte Custombucker, wie man sie von den CC-Modellen her kennt.

Das Fazit
Auch bei der Traditional handelt es sich wieder um eine grundsolide Gitarre, die gute Verarbeitung zeigt. Sie lässt zwar etwas die Schaltungsoptionen vermissen, die ich von Classic und Deluxe mittlerweile gewohnt bin, aber das, was sie kann, kann sie richtig gut und widmet sich so dem Thema klassische bzw. traditionelle Les Paul par excellence.

Die Zeiten der neu erwerbbaren 2015er gehen wohl bald dem Ende zu und man findet sie nur noch auf dem Gebrauchtmarkt. Es wird interessant sein, zu beobachten, was in dem Fall mit den Gebrauchtpreisen geschehen wird, auch in Hinblick auf eine potentiell zukünftige Akzeptanzsteigerung. Egal wie es kommen wird, ich habe mehr als nur meinen Frieden mit dem 2015er-Jahrgang gemacht.

Und wer weiß, vielleicht leben irgendwann wieder ein paar Features des letztjährigen Jahrgangs auf. Wäre nicht das erste Mal in Gibsons langer Historie!
 
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Du hast es schon wieder getan. "Ich heiße EAROSonic und ich bin 2015-abhängig ... " :D.
 
"Hallo EAROSonic..., schön, dass Sie sich hier eingefunden haben!" Tja, was soll ich sagen. Damit konnte noch nicht einmal ich rechnen... :-D
 
Schönes Review. Fehlt eigentlich nur noch ne Standard. Bei der gegenwärtigen Geldpolitik der EZB kann man nichts besseres machen, als in Sachwerte zu investieren.
 
Zumindest testen würde ich gerne mal ne Standard. Immerhin stellt sie ja die über-drüber-Schaltungs-Les-Paul dar. Besitzt man auch noch ne Classic, fehlt einem die Splittoption schon ein wenig. Dafür lassen sich aber Pickups leichter austauschen und so steht wohl heute der Einbau des Livebuckers an.
 
mal wieder ein tolles Review von Dir @EAROSonic !
jetzt fehlen eigentlich nur noch die SGs, hehe...gibts grad auch recht günstig ;)
Hast Du die Dame eiegntlich mal gewogen? der Gewichtsunterschied zu meiner Standard würde mich interessieren.
Dur schreibst etwas von Faber-Hardware - was willst du denn umbauen?
cheers
m.
 
Wiegen könnte ich sie tatsächlich mal. Das Ranking zwischen den einzelnen 2015ern wäre interessant. Die Leichteste durfe dabei die Studio sein. Kein Wunder, hat auch kein Binding an Korpus & Hals! :-D

Faber-Kit:

image_110736_1.jpg


Damit arretierst du das Stoptailpiece, so dass es einen konktreteren Kontakt zum Korpus besitzt und beim Saitenwechsel nicht von der Orgel fliescht. Des Weiteren kam gestern auch noch mein Titansattel an. Und dann wird es mal Zeit, den Livebucker in der Traditional anzuzocken.
 
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Ah das hört sich interessant an...muss mal danach schauen. Hast du das auf den anderen 2015er auch verbaut?

Den Fettsack-Kontest führt - wohl aufgrund des schweren Bindings - momentan die Standard bei mir (Küchenwaagenwerte) mit 4.1 kg
Die 95er Studio und die Junior kommen auf 3.7kg, die PRS Custom 24 und die 1960er HSS Strat auf 3.6kg, die 2014er SG auf 3.2 kg.

Bigger, fatter, faster, more hies doch mal ein Album in den 90ern oder ? :D
 
Ja, das Faber-Kit findet sich auf jeder meiner Stoptail/Bridge-Gitarren.
 

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