Jazz Musiker / Einkommen - aus dem Spiegel

  • Ersteller Bass Fan
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In einer Demokratie hat der Staat (= die Allgemeinheit der Steuerzahler) die Rolle des Mäzens übernommen und sollte daher das Fördern nicht an eigennützige Bedingungen knüpfen. Wobei es natürlich nicht darum gehen kann, "Fässer ohne Boden" zu finanzieren. Allerdings finde ich, daß die Diskussion um die Verteilung der Gelder und um die Qualität des Geförderten keine politische Diskussion sein sollte, also nur in der Politik oder vielleicht noch in den Verwaltungen geführt bzw. bestimmt werden sollte, sondern gesamtgesellschaftlich.

Aber das funktioniert nicht mehr, da die Musik und andere Kultur heutzutage zu pluralistisch ist. Der eine will Jazz gefördert sehen, der nächste den Kirmestechno von Scooter, der nächste Death Metal, der nächste ein Theaterstück nach Goethe, der nächste einen Science-Fiction-Film, und der nächste einen Groschenroman. Für alles reicht aber das Geld nicht. Wir könnten zwar nach dem Gießkannenprinzip verteilen, aber dann würde ein Kulturetat von z. B. 80 Millionen Euro jedem Bundesbürger nur einen Euro bringen, weil eben fast jeder ein "Kulturschaffender" ist.

Im Übrigen finanziert staatliche Kulturförderung letztlich immer "Fässer ohne Boden". Würde es nämlich eigenständig Gewinn erwirtschaften, bräuchte ja keiner die Subventionierung.
 
Laut einer aktuellen Statistik verfügen nur 10% der Deutschen über insgesamt 60% des deutschen Gesamtvermögens, wobei sich diese Schere im letzten Jahrzehnt kontinuierlich weiter geöffnet hat. Jazz-Musiker, ja überhaupt Musiker und Kulturschaffende gehören im allgemeinen nicht unter diese 10%. Laut dem letzten Armutsbericht der Bundesregierung liegt das "Armutsrisiko" bei ca. 15%. Das heißt aber auch, dass es rund 75% der Deutschen im Grunde gut geht und sie ein ausreichendes, ordentliches bis gutes Einkommen haben (mich darf ich sogar als Kulturschaffender in diese Gruppe einordnen - wenn ich mal Rentner werde sieht es aber vielleicht anders aus). Was ich damit sagen will ist, dass Deutschland nach wie vor ein sehr reiches Land ist. Der Reichtum ist erheblich größer als etwa vor 50 Jahren, als die Musik bzw. die Kultur laut einiger Aussagen im Thread noch nicht so pluralistisch aufgeteilt war. Dazu ist er heute viel ungleichmäßiger verteilt. Für mich skandalös ungleich verteilt und ein Zufall oder gottgewollt ist diese Entwicklung zu einer immer stärkeren Schieflage schon gar nicht!
Es ist also reichlich Geld vorhanden, mehr als je in diesem Land. Dann könnte die Rechnung von @Heinz 111 schon ganz anders aussehen: Es ist nicht jeder Bundesbürger eine "Kulturschaffender" (schön wärs ja), das behauptet auch nicht jeder von sich. Lassen wie es mal 5 Millionen sein, dann kämen bei einem (hier zusätzlich gedachten) Gesamtetat von 8 Mrd. € schon 16.000,- € für jeden dieser "Kulturschaffenden dabei heraus. Eine stattliche Summe, die einem schon ganz ordentlich den Rücken frei halten könnte für tolle Projekte. Jedenfalls ist genug Reichtum vorhanden, um die heutige viel pluralistischere Kulturszene angemessen zu unterstützen.

Es ist ja nicht so, daß in diesem reichen Land Kultur nichts zählen würde, es fließt ja durchaus einiges an öffentlichen Geldern in die Kultur wie Theater, Musikschulen, Kulturvereine, Projekte, etc.. Aber ich selber erlebe nun seit über 30 Jahren eine "Spardiskussion" nach der anderen, erlebe wie ständig irgendeine Schraube angedreht und gekürzt wird. Wenn ich dann solche Statistiken lese wie die oben zitierte, dann kocht in mir die Wut.
Das Perfide an der Kultur ist ja, dass sie im Zweifel sogar umsonst zu haben ist, denn jeder engagierte Künstler wird sich sein Streben, sich künstlerisch zu äußern, nicht nehmen lassen wollen (Zitat A. Schönberg "Kunst kommt von Müssen") und versuchen, auch ohne Fördermittel an die Öffentlichkeit zu gehen.

Mit meiner Aussage, dass es nicht unbedingt "Fässer ohne Boden" geben sollte, meine ich vor allem Projektfinanzierung. Hier finde ich eine Art Anschubfinanzierung durchaus sinnvoll, die zeitlich limitiert sein kann. In vielen Bereichen fällt ja später durchaus Gewinn ab und dann muss nicht weiter subventioniert werden. Fragwürdig sind für mich die "verzerrten" Subventionsmechanismen, wo diejenigen, die sich die Hoheit über die Geldtöpfe ergattert haben, diese nun bis zum Sankt-Nimmerleinstag für sich reklamieren.
 
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und "Mäzen" gibt.

Für mich ist der Unterschied, dass der Mäzen nicht auf einen fahrenden Zug aufspringt (Sponsor), sondern an die Zukunft des Unterstützten (Person oder Kunstform) glaubt. Sollte dies eintreffen, ist er jedoch im Geschäft. Und gut gestreut ist halb gewonnen.

Bsp. In öffentlichen Bauwerken musste/muss 2% der Baukosten für Kunst ausgegeben werden. Bei uns ist dies damals passiert, indem man hunderte - gefühlt geschmacklose - Bilder gekauft hat. 15 Jahre später, bei der erste Renovierung, konnte man einen Teil davon recht gut verkaufen und musste den Rest entsorgen. Unterm Strich blieb sogar leichter Gewinn.

Für alles reicht aber das Geld nicht.

Darunter leiden auch einige Sportarten ... weil sie noch keinen fahrenden Zug darstellen und daher auch nicht mit Sponsoring belegt werden. Allerdings ist der Trend schon, dass international präsente Sportarten vorne liegen - z.B. viel Olympische.

Lassen wie es mal 5 Millionen sein, dann kämen bei einem (hier zusätzlich gedachten) Gesamtetat von 8 Mrd. € schon 16.000,- € für jeden dieser "Kulturschaffenden dabei heraus.

es fließt ja durchaus einiges an öffentlichen Geldern in die Kultur wie Theater, Musikschulen, Kulturvereine, Projekte

Eine Frage der Organisation. Der Landes-Trachtenverein mit Bläser-Corps hat eine komplette Struktur an "Verein" hinter sich. Leute die genau erkennen wo man welche Töpfe anzapfen kann. Etwas was dem "Einzelnen" im Land fehlt und wo er vor lauter Musik machen zum übeleben auch gar nicht wirklich Zeit für hat.

Vergleichbares habe ich für JAZZ nicht gehört. Da ist höchstens mal der "Clubraum" mit einem e.V. hinterlegt - in Landes- Bundesstrukturen wird da aber nicht weiter gedacht.

full


Gruß
Martin
 
Auf Bundesebene wurde der Etat zur Kulturförderung 2015 um 118 Mio € und für 2016 nochmals um 115 Mio auf jetzt ca 1,4 Mrd. Euro aufgestockt (klick)
Hier wird gerade nicht gespart.
 
Zuletzt bearbeitet:
dann schreib doch bitte dazu, wieviel davon in KLASSISCH traditonelle Einrichtungen fließt.

Ich hab keine aktuellen Zahlen, in den 80igern wurde mal hochgerechnet, daß durchschnittlich jede einzelne Opernkarte mit rund 400.- DM subventioniert war. Die gleiche Summe, die damals einer der führenden Jazzclubs im Monat erhalten hat.
 
Ich hab keine aktuellen Zahlen, in den 80igern wurde mal hochgerechnet, daß durchschnittlich jede einzelne Opernkarte mit rund 400.- DM subventioniert war. Die gleiche Summe, die damals einer der führenden Jazzclubs im Monat erhalten hat.

Das ist im großen und ganzen immer noch so. Natürlich bietet ein Theater/ eine Oper vielen hochqualifizierten Menschen (halbwegs) sichere und ordentlich bezahlte Arbeitsplätze und das Gros dort wird beileibe auch nicht reich. Von den Bühnen-Anfängern und ihren jämmerlichen Honoraren und prekären Verträgen ganz zu schweigen. Wenn man so will sind Schulen und Behörden auch Subventionsgräber und würden durchaus reichliches Potential bieten für Optimierungen.
Dennoch ist das Gebaren mancher Regisseure zu kritisieren, die ohne den geringsten Blick auf Wirtschaftlichkeit und Effizienz zu werfen, sich heraus nehmen, ständig aus dem Vollen zu schöpfen und für Flops Unsummen ausgeben. Das kann ja mal passieren und Experimente und Wagemut müssen sein, aber bekanntlich gibt es Auswüchse wo Geld unsinnig verbraten wird das anderswo (auch im eigenen Haus!) dann vorne und hinten fehlt.
 
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Natürlich bietet ein Theater/ eine Oper vielen hochqualifizierten Menschen (halbwegs) sichere und ordentlich bezahlte Arbeitsplätze und das Gros dort wird beileibe auch nicht reich. Von den Bühnen-Anfängern und ihren jämmerlichen Honoraren und prekären Verträgen ganz zu schweigen. Wenn man so will sind Schulen und Behörden auch Subventionsgräber und würden durchaus reichliches Potential bieten für Optimierungen.

Immer noch ungeklärt bleibt dann aber, wieso Theater/Oper und auch Kunstmuseen da einen anderen Status genießt als Jazz-, Techno-, Metal- oder Hip-Hop-Clubs.

Dennoch ist das Gebaren mancher Regisseure zu kritisieren, die ohne den geringsten Blick auf Wirtschaftlichkeit und Effizienz zu werfen, sich heraus nehmen, ständig aus dem Vollen zu schöpfen und für Flops Unsummen ausgeben. Das kann ja mal passieren und Experimente und Wagemut müssen sein, aber bekanntlich gibt es Auswüchse wo Geld unsinnig verbraten wird das anderswo (auch im eigenen Haus!) dann vorne und hinten fehlt.


Und da haben wir das Problem immer wieder. Der gemeine Konsument ist mittlerweile derart abgestumpft (nicht zuletzt auch durch die Medienüberflutung durch Internet, TV & Co., dass er nur noch bei absoluten Hypes überhaupt noch einen Finger rührt. Ein Mitarbeiter von Radio NRW erzählte mir vor ein paar Monaten, dass man dort kleinere Verlosungen (z. B. CD's, Event-Tickets) nicht mehr macht, weil bei einem derartigen Preisausschreiben schlicht keiner mehr anruft und die Preise liegen bleiben. Nur wenn Mega-Gewinne (Autos, Fernreisen...) ausgeschrieben werden, beteiligen sich überhaupt noch Leute an Gewinnspielen. Auch bei anderen Inhalten kann man mittlerweile nur noch durch gigantische Hypes oder Skandale überhaupt noch Aufmerksamkeit generieren. Ohne Mischkalkulation ist an Kultur in Deutschland fast nur noch Helene Fischer, Big Brother und Dschungelcamp rentabel. Alles andere geht im "Medienrauschen" unter. Selbst wenn einige Künstler auch heute noch eine gewisse Bekanntheit erlangen, werden doch in Relation zum Veröffentlichungs-Output viel weniger Songs zu Evergreens als früher. Adel Tawil oder Andreas Bourani mögen im Moment eine gewisse Popularität haben, werden aber wohl in 40 Jahren nicht den Status haben wie Udo Lindenberg oder Udo Jürgens heute. Daher macht es heute schon bei derartigen Leuten keinen Sinn mehr, da noch groß für die zukünftige "Kultur" zu investieren. Wo stehen Tokio Hotel mittlerweile? Vor gerade mal zehn Jahren angesagteste deutsche Rockband, redet heute kein Mensch mehr von. Kultur-Etats müssen aber seitens der Politik irgendwie geplant werden.

Letztlich konnten die Stars von früher nur deshalb so groß werden, weil es kaum Konkurrenz gab. Daher war das Risiko eines Flops auch viel geringer. Ob die Musik der Bee Gees besser oder schlechter war als die von Beethoven, ist Ansichtssache. Aber zu Beethovens Zeiten gab es viel weniger Konkurrenz. Die Bee Gees standen schon in viel härterem Wettbewerb, und ihre Platten wurden viel schneller von Folgeplatten anderer Bands aus den Neuheiten-Regalen gedrängt. Zu Zeiten von Tokio Hotel, Killerpilze oder Namika passiert sowas einfach noch viel schneller. Da gibt es fast nichts mehr, wo es sich lohnen würde zu investieren, weil eben nichts mehr nachhaltig Umsatz generiert. Daher wird auch versucht, im Schnelldreherverfahren so viel Geld wie möglich rauszupressen, in ein paar Monaten ist's ja eh schon wieder out.
 
Die von mir wahllos rausgepickten Bee Gees (hätten genauso gut auch Beach Boys, Rolling Stones, Who, Jimi Hendrix oder Status Quo sein können) mögen zwar in dieser Liste nicht auftauchen, aber die Charts sind ja auch immer nur wöchentliche Erhebungen, die nicht so viel über den Langzeiterfolg aussagen. Eine Platte, die sich einige wenige Wochen lang super verkauft, kommt daduch hoch in die Charts, und ist evtl. schneller wieder "out". Manche anderen Bands verkaufen sich eher langsam, aber kontinuierlich, ohne in einer einzelnen Woche besonders viel zu verkaufen. Es kommt durchaus vor, dass Titel zwei Wochen in den Charts sind und dann wieder "out" sind, und eine sich langsam aber kontinuierlich verkaufende Platte gar nicht in die Charts schafft und nach 20 Jahren dann häufiger verkauft hat als der Chart-Hit in 2 Wochen.

Und außerdem bestätigt besagte Chart-Dauerbrenner-Liste, was ich meinte: Abgesehen von einer Handvoll neueren Titel (Atemlos, Haus am See, Geboren um zu leben , Einen Stern...), die tatsächlich das Zeug haben, irgendwann zum Oldie zu werden, sind die ganzen anderen Titel durch die Bank Oldies aus einer Zeit, in der es eben noch nicht dieses extreme Konkurrenzproblem gab. Und die meisten dieser Titel sind auch unter jungen Leuten heute immer noch bekannt, weil sie als Evergreens immer noch zu unterschiedlichen Anlässen gespielt werden - auch wenn die Original-Interpreten selber irgendwann nicht mehr existieren. Hits wie "Seemann, deine Heimat ist das Meer", "Marina", "Butterfly", "Mama", "Il SIlenzio" oder "River Kwai" sind alles Titel, die selbst die junge Generation noch kennt, zumal diese Titel in immer wieder neuen Versionen auftauchen. Wer als Plattenfirma zum Erscheinungszeitpunkt in diese Songs investiert hat, hat tatsächlich im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Effizienz richtig gehandelt. In jedem anderen Fall haben wir es mit Produkten zu tun, die heutzutage im besten Fall kurzzeitig ein bisschen Geld einbringen (Chart-Hit), aber nachhaltig keinerlei Geld einbringen, sondern nur Kosten verursachen.
 

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