[Amp] VHT GP3 Valvulator Preamp

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Hallo Kolleginnen und Kollegen,

dieses Edelteil von VHT (heute Fryette) hat mich nun also zum Erstellen meiner ersten Review bewegt. Vor mir steht ein umfangreich ausgestatteter Röhrenpreamp mit MIDI-Funktionen, der spürbar mehr sein will als "just another preamp". Und kurz gesagt: das schafft er auch.

In einem 19"-Gehäuse mit stylisher Front aus gebürstetem Edelstahl wird uns auf 2 HE eine Menge geboten: 3 Kanäle, teils mit kleinen Kippschaltern, eine Reihe von Tastern mit LEDs und ein graphischer 6-Band-Equalizer. Man sieht schon, hier soll wohl nicht nur ein einziger, ganz bestimmter Sound erzeugt werden, sondern dem Gitarristen ein Werkzeug zur umfassenden Klangformung an die Hand gegeben werden. Im Kern geht die Schaltung zurück auf den Pittbull Ultra Lead, der ist vielleicht einigen Lesern schon bekannt.

Was der GP3 laut seinem Erbauer Steve Fryette bzw. der Bedienungsanleitung ausdrücklich nicht sein soll, ist dagegen ein Werkzeug zur Reproduktion bekannter, "klassischer" Amp-Sounds. Dass man sich dabei nicht im luftleeren Raum bewegt, wird aber auch nicht bestritten.

Die Vorgeschichte:
Ich bin ein alter Rack-Fan. Nachdem ich an Preamps viele Jahre einen Peavey Rockmaster, besagten E530 und einen Marshall JMP-1 benutzt hatte, wollte ich endlich mal in die "Boutique-Klasse" aufsteigen und schauen, ob da soundmäßig tatsächlich eine für mich spürbare Steigerung drin ist.

Was ich gesucht hatte, waren mindestens drei Kanäle, ein rauher Sound etwa in Richtung Hot Rod Marshall, also auch ordentlich Gain. Dazu sollte das Ganze nahtlos mit meinem BOSS GT-Pro zusammenarbeiten, also synchron und möglichst ohne Zusatzgeräte umgeschaltet werden können. Das GT-Pro hat ja Schaltbuchsen, und damit kann man rechnerisch ja schon mal 4 Kanäle verwalten. Hatte ich bisher auch getan, nämlich mit meinem ENGL E530. Zwei HE durften es schon sein, und am liebsten ein richtiges "Röhrengrab" mit 4,5 oder noch mehr Vorstufenröhren. Die Zeit schien mir günstig, denn 19"-Preamps sind derzeit nun nicht gerade angesagt und oft sehr günstig zu bekommen. In sofern hielt ich über längere Zeit die Augen auf und schaute mich auch nach in meiner Jugend unerreichbaren Pretiosen wie dem CAE 3+ SE, Mesa Triaxis oder Soldano um, stolperte dann aber über einen Brunetti Mille! und einen Groove Tubes Trio.

Ich hatte dann hier auch mal einen Thread aufgemacht, in dem ich gute Anregungen der Board-Kollegen bekam. Letztlich habe ich erst den Brunetti und dann auch noch den GT gekauft, wobei letzterer noch bei mir ist. Für die Teile kommt vielleicht auch mal noch eine Besprechung, aber vorerst in mein 6 HE-Rack (Selbstbeschränkung...) geschafft hat es eben der VHT Valvulator GP3. Wir reden also hiervon:

gp-3-02-front.jpg

Und so sieht das Teil in meinem Rack aus:

Defy Bilder 2016 038.jpg



Die Optik macht also schon mal mächtig was her, wie ich finde. Schauen wir mal, ob Technik und Sound dem auch entsprechen...


Die Ausstattung:

Vorne gibts folgendes:
- Eingangsbuchse und eine "Aux Out"-Klinkenbuchse
- 3 Kanäle mit Gain, Volume und jeweils eigener 3-Band-Klangregelung
- Zusätzliche "Deep" und "HiGain"-Kippschalter im Rhythm- und Lead-Kanal
Im Master-Bereich:
- Graphischer 6-Band EQ
- Serieller FX-Weg mit etwas eigenwilliger Platzierung (dazu später mehr)
- (Master-)Volumeregler für den ganzen Preamp
- "Dynamics"-Regler mit LED
- Taster mit jeweils einer LED für folgende Funktionen: Brite, Fat, Boost, EQ und F/X, sowie ohne LED: Channel und Remote

Die Rückseite ist voller Anschlüsse, da ist so ziemlich alles geboten:

- MIDI In/Out/Thru, wobei der MIDI-In 7 Pole hat und man an einer Phantom-Power-Buchse die passende Spannung für einen beliebigen Footcontroller einspeisen kann.
- Standard-MIDI-Kabel mit 5 Polen können natürlich auch verwendet werden, wenn das Fußboard z.B. einen eigenen Stromanschluss hat wie das Behringer FCB1010.
- Drehschalter für die 16 MIDI-Channel, Schiebeschalter für den Omni-Mode
- 6 Schaltbuchsen für die Kanalwahl und die mit den Minitastern wählbaren Funktionen
- Zwei Remote-Ausgangsbuchsen für die Umschaltung externer Geräte synchron mit den GP3-Kanälen. Hier kann z.B. ein zweites Volume an einer entsprechend ausgestatten Endstufe umgeschaltet werden.
- Symmetrischer XLR-Ausgang, mit zuschaltbarer Frequenzkorrektur / Boxensimulation
- unsymmetrischer Recording Out mit Boxensim und der Amp Out als Hauptausgang
- FX-Send und Return mit -20dB
- Aux Out und Aux In für die Integration ins Rack
- Netzschalter und Ground Lift-Schalter

Defy Bilder 2016 045.jpg


Die vielen Schaltbuchsen erscheinen fast schon übertrieben, aber eben nur fast. Der Sinn ist natürlich, den Preamp auch in ein großes System auf Nicht-MIDI-Basis integrieren zu können, wie es viele Profis benutzen oder zumindest früher benutzt haben. Manch einer will seine Schaltvorgänge vielleicht auch einfach zentral an einem MIDI-gesteuerten Looper/Switcher programmieren. Man sieht hier schon recht deutlich die Zielgruppe.

Ach ja, in Sachen Ausstattung darf man auch mal ein Wort zum Manual verlieren. Abgesehen davon, dass es nur in Rock'n'Roll-Sprech (also auf Englisch ;)) vorhanden ist, ist es inhaltlich sehr gelungen. Hier wird mal wirklich erklärt, was sich der Hersteller gedacht hat, sodass man die Möglichkeiten des Geräts auch wirklich ausnutzen kann.


Konzept und Verarbeitung:


Was soll ich sagen - einfach Tiptopp. Ein massives Gehäuse aus Stahl, sahnig laufende Potis, alles einschließlich der EQ-Fader fasst sich einfach hochwertig an.

Ich bin kein Elektrotechniker, aber auch innen sieht hier alles sehr sauber und stabil aus, dicke Leiterplatten und -bahnen, ordentliches Netzteil, nette Orange Drops und große Potis, durchkontaktierte Lötstellen. Nichts ist schief oder verzogen, und das Teil ist ja nun auch schon ein paar Jahre alt.

Ach ja: Sechs (6!) Röhren vom Typ 12AX7/ECC83 treiben hier ihr Unwesen. Geil!!

mjpslk.jpg


Interessant ist allerdings der Aufbau, bei dem nicht nur typische Vorstufenschaltungen verwendet werden. So ist schon die erste Doppeltriode V1 nicht etwa die EIngagsstufe, sondern für einen Buffer zuständig.

Erst dann (als V2, wichtig bei der Röhrenauswahl) folgt die gemeinsame Eingangsstufe für alle Kanäle, bei der ebenfalls beide System der Röhre genutzt werden. Dann kommen die verschiedenen Gain-Stufen, und zwar eine zweite (V5a) für den Clean Channel, je ein System der V3a/b als zweite für Rhythm und Lead, und eine Hälfte (V4a) als dritte für die beiden Zerrkanäle. V4b dient als aktives Element für den Tone Stack der Zerrkanäle. Eine Besonderheit kommt dann mit der "Gain Stacking"-Stufe in V5b. Hier wird - abgerufen durch den HiGain-Schalter der Zerrkanäle eine vierte Gain-Stuife zugeschaltet. Sinn der Sache ist laut Fryette, dass gemäßigtere Zerrsounds seiner Meinung nach besser klingen, wenn nicht zu viele Gain-Stufen im Spiel sind, weil es sonst gerne stumpf und quasi unterfordert klingt. Umgekehrt haben 3 Stufen einfach ihre Grenzen, bevor sie anfangen zu matschen. Die vierte Stufe soll also nur dann zugeschaltet werden, wenn der jeweilige Kanal grundsätzlich im HiGain-Bereich eingestellt werden soll. Ich denke, das hat seine Berechtigung, dazu später mehr.

Die letzte 12AX7 soll dann - nachprüfen kann ich es als Laie nicht - als kleine Endstufe beschaltet sein, um den Preamp nach "richtigem" Topteil klingen zu lassen. Ihre Wirkung ist abhängig vom Verhältnis der Channel-Volumes und dem Master, sowie dem "Dynamics"-Regler. Die Wirkung ist rein vom Hinhören her eher subtil, aber im Kontext von Bandsound bzw. Mix beim Spielen wahrnehmbar. Man steuert hier etwas den "Sag", also das Nachgeben aufs Spiel, diese gewisse Einknicken einer Röhrenendstufe.


Handhabung:


Der VHT erweist sich als sehr gut durchdacht für die Verwendung als Rack-Schaltzentrale. Optimale Voraussetzungen wurden für die 4-Kabel-Methode geschaffen, man kann auf manches Zusatzgerät verzichten.

Das fängt schon bei simplen Dingen wie zusätzlichen Eingangs- und Ausgangsbuchsen auf Vorder- und Rückseite an. Hier komt nun der etwas exotische FX-Weg ins Spiel. Wie schon angedeutet, ist er ungewöhnlich platziert, nämlich zwischen einer vorgeschalteten Röhrenstufe und vor (!) der ersten Gain Stage. Na sowas, dachte ich mir erst mal, was soll denn der Quatsch? Ein Blick in die Anleitung klärt das: dieser Einschleifweg ist nicht für Delays und Reverbs gedacht, sondern für Pedale, die vor den Amp gehören. Deshalb also der -20dB-Pegel. Im Grunde haben wir hier nichts anderes als einen Buffer/Line Driver, der es ganz nebenbei ermöglicht, eine ganze Pedalkette voreinzustellen und mit dem FX-Weg wie bei einem Looper "am Stück" zuzuschalten. Durch den Buffer sind auch längere Kabelwege kein Problem.

Was sich bei mir deutlich bemerkbar gemacht hat, war der Soundvorteil beim Integrieren des GT-Pro. Einfach in dessen FX Loop eingeschleift, erschien der Preamp erstmal ein bisschen steril. Ohne dass jetzt die Höhen weg gewesen wären oder Attack und Punch, war es einfach nicht ganz so rund und schön wie beim direkten Anschluss der Gitarre - also schon ein bisschen "Tone Sucking", wie der Ami sagt. Das war wie weggeblasen, nachdem ich den FX-Weg respektive Buffer mitbenutzt habe. Jetzt geht der Signalverlauf so:

Gitarre > GP3 Input - GP3 F/X Send > Boss GT-Pro Rear Input - Boss Send > GP3 F/X Return - GP3 Amp Out > Boss Return - Boss Main Out L/R > Peavey Classic 50/50 Input L/R

Tatsächlich ist dieser Buffer so gut, dass ich ihn per F/X-Taster auch dann zuschalte, wenn ich mit den eingebauten Amp-Models des GT-Pro arbeite. Die profitieren deutlich davon und klingen einfach transparenter und "röhriger", der simulierte Amp reagiert realistischer auf die Gitarre und "hängt irgendwie besser am Gas". Ich sehe das so, dass die unvermeidbare Wechselwirkung zwischen Tonabnehmer und Eingangsstufe beim GP3 einfach anders tickt als beim GT-Pro, hat vielleicht was mit den Impedanzen zu tun. Axe-Fx und 11R haben da ja diese Vari-Z-Geschichte am Laufen, die die unterschiedliche Eingangsschaltung simulieren soll, sowas hat das alte Boss halt noch nicht - da kann es anscheinend nicht schaden, wenn die Pickups erst mal einen Röhre "sehen". So mancher schwört ja auf Röhrenbooster zum "Anwärmen" seines Modellers, das wird einem hier also schon mitgeliefert. Super!

In Bezug auf Rack-Effekte vertritt Fryette die Philosophie, dass die mit hohen Pegeln arbeiten, also den Output des Preamps direkt verarbeiten können. Bei Verwendung angemessener Geräte gebe es daher keinen Bedarf für einen zusätzlichen Post Gain-Effektweg. Wer mehrere solche Geräte hat, wird eh einen Looper und/oder Rack-Mixer verwenden. Lässt sich mMn durchaus hören, zumal parallele FX-Wege aus meiner Sicht durchaus Nachteile haben. Sowohl am Preamp als auch am FX-Gerät Direktsignal zumischen bringt wieder Phasenprobleme, also kann man einen parallelen Weg im Grund nur für einen einzigen Effekt passend einstellen. Denn wer verwendet schon immer den gleichen FX-Anteil für Chorus, Delay und Reverb?

Der vordere Aux Out, der ebenfalls vom Buffer gespeist wird, ermöglicht es einen Tuner zu verwenden oder weitere Preamps mit dem Gitarrensignal zu versorgen, ohne dass das Signal leidet. Gute Idee.

Die eigentliche Einstellung aller drei Kanäle ist im Grunde simpel. Eine BMT-Klangregelung kennt ja jeder. Etwas exotisch ist allerdings die Reihenfolge beim GP3 - von links nach rechts kommen Treble / Middle / Bass. Dazu kommt noch einer der kleinen Minuspunkte, die ich zu vergeben habe: die Ablesbarkeit ist nicht gerade toll. Die Metallknöpfe auf der gleichfarbigen Metallfront sehen geil aus, aber man muss schon etwas genauer hinschauen.

Die Kippschalter wählen wie gesagt dauerhafte Vorgaben aus, die man nicht per MIDI steuern kann; aber die Funktionen Brite, Fat, Boost, F/X und EQ kann man den Kanälen zuordnen, sodass man immer noch zig verschiedene Sounds abspeichern kann. Das geht sowohl in dem Sinne, dass man nur die Kanalumschaltung per Fußschalterbuchsen benutzt, sich die Kanäle aber an die letzte Einstellungs-Kombination "erinnern", als auch so, dass als MIDI-Preset die Gesamtheit der Funktionen gespeichert wird. Und, zu guter Letzt: Der GP3 ist einer der ganz seltenen Preamps, die MIDI CC-Befehle verstehen, man kann also auch innerhalb eines Presets den bei der Anwahl noch nicht aktiven Boost oder EQ zuschalten, ohne das Preset zu wechseln. Ich spare schon auf eine Rocktron Midi-Mate...

Nach dem Einschalten fährt das Ding übrigens erst mal hoch. Es wird also nicht schlagartig alles eingeschaltet, sondern die Gitterspannung und die Heizung der Röhren wird über ca. 15 Sekunden sanft hochgefahren - das ist mir auch nie begegnet und soll die Gitter weniger belasten sowie das Kathoden-Stripping verhindern (was immer das sein mag...:redface:).


So, und jetzt das wohl wichtigste - der Sound:


Hat der GP3 einen durchgehenden, prägenden Soundcharakter? Ich würde sagen, ja. Wenn ich ihn beschreiben soll, fallen mir zu allererst Worte wie "gnadenlos", "direkt" und "präzise" ein...


Der Clean Channel ist hauptsächlich das, was der Name sagt, nämlich clean. Er klingt gut, kann aber bei falscher Einstellung schnell ein wenig dünn werden. Ich vermute, dass hier so manche negative Beschreibung ihre Ursache hat. Will man hier wärmere Sounds erzeugen, sollte man die Klangregelung erstmal nach dem Epnfehlungen der Anleitung einstellen - Bass und Treble auf 2 Uhr, Mitten auf 10 Uhr. Extremeinstellungen sind nicht unbedingt zielführend. Zwar ist die Klangregelung für ein Röhrengerät sehr effektiv, aber wenn man zB Treble voll aufdreht, geht in Sachen Bässe nicht mehr allzu viel - interaktiv halt. Ich persönlich mag den Cleansound am Liebsten mit relativ weit offenem Gain, Reglern um die Mittelstellung bis vielleicht 2 Uhr und zugeschaltetem "Fat". Dann klingt es auch warm, und Singlecoils werden dann doch noch "fenderig". Ein wenig gegen die Intuition, aber es funktioniert. Ich muss dazu sagen, dass der Groove Tubes Trio da schon die Messlatte extrem hoch setzt - dessen Cleansound sucht unter Preamps (und Amps!) seinesgleichen. Den erreicht der VHT für mich nicht ganz, aber den E530, den Marshall und den Peavey lässt er chon deutlich hinter sich. Dazu kommt natürlich noch, dass ich als erste Gainstufe eine Tung-Sol eingesetzt habe, die sehr viel Gain und Höhen bringt, mit einer anderen Vorstufenröhre kann man da also auch noch einiges machen. Dann wirds schon ohne Drehen wärmer und runder, aber ich wollte es ja etwas rauhbeiniger im Gainbereich.

Man kann den Clean Channel auch anzerren, aber ganz so geil wie der Brunetti Mille! (dessen Königsdisziplin das mMn ist) wirds nicht. Schaltet man Brite und Boost dazu, geht es aber schon sehr gut. Wer also Texas Blues spielt, gehört zwar eher nicht zur Zielgruppe, aber könnte auch das gut hinbekommen. Ich glaube allerdings, dass Fryette den Schwerpunkt eher auf saubere Cleansounds gelegt hat, und auch Pedale nimmt der Clean Channel sehr gerne an, zumal mit dem Buffer. Der Boost hat hier keinen eigenen Regler, sondern ist fest eingestellt, aber sehr praxistauglich. Man kann also ausgedünnte Rhythmus-Sounds spielen und mit dem Boost und/oder Fat-Schalter imer noch cleane, aber lautere Soli spielen.


Der Rhythm Channel ist für mich das Herz dieses Preamps. Mit ihm kann man echt eine Menge anstellen. Auch hier sollte man mit eher mittleren Einstellungen der Klangregelung anfangen, das Manual empfiehlt wieder 2 Uhr/10 Uhr/2 Uhr.

Ein gutes Werkzeug ist auch hier der Brite Schalter. Sowas findet man ja sonst eher bei einem Fender, und da ist es meist keine gute Idee, das bei Verzerrung zu nutzen. Auf der Rückseite und im Manual steht aber schon "Brite/Edge", hier passiert also wohl etwas anderes. Schaltungstechnisch ist das zumindest in den Zerrkanälen wohl eher ein vorgeschalteter Treble Booster - es wird nicht etwa grätzig, sondern man bekommt man einen wohldosierten Gainboost in den Höhen. Jetzt noch "HiGain" einschalten, den Booster dazu und es geht fett ab... Nimmt man die Mitten zurück und dreht die Höhen und Bässe auf, kommen die bekannten modernen Metal-Sounds, mit dem "Deep" braucht man gefühlt keine Siebensaiter mehr.

Die verzerrten Rhythmussounds kommen staubtrocken. Da schwimmt absolut nix, gnadenlos kommt jeder Anschlag ins Ziel - also bloß nicht verkacken, das hört man! Das Gain ist jetzt nicht schrankenlos, aber schon recht heftig. Durch die straffe Abstimmung und die äußerst deutliche Wiedergabe fühlt es sich erst mal nach weniger Zerre an als tatsächlich da ist. Der Sound bleibt auch bei aktivierter Edge, maximalem Gain und Boost sehr durchsetzungsfähig. Ideal für Heavy-Bands mt einer zweiten Gitarre.

Man kann hier aber auch ganz anders agieren. Lässt man den HiGain-Schalter aus, dreht das Gain auf Medium und schaltet "Fat" ein, kommen auf einmal auch runde, mittige Sounds zu Stande, die für singende Leads ganz ohne Metal-Schlagseite taugen. Den (hier regelbaren) Boost kann man sich fürs Solo aufheben, um dann noch etwas in petto zu haben. Und da habe ich noch nicht einmal den Graphic EQ benutzt!


Und dann wäre da natürlich noch der Lead Channel. Im ersten Moment und in der Grundeinstellung hat man nicht das Gefühl, dass hier jetzt von Hause aus wesentlich mehr Gain da ist, aber der Kanal ist schon anders abgestimmt. Er trägt einen etwas mehr, obwohl auch hier Rhythmussounds ihre Durchschlagskraft behalten. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass er ohne aktivierten HiGain-Schalter (also die 4. Verstärkungsstufe) nicht so richtig glänzen kann. Ich halte das aber für vernachlässigbar, denn wer kauft sich so ein Teil, ohne wenigstens einen Kanal so richtig ins HiGain fahren zu wollen?

Den letzten Kick liefert dann der Boost. Hier kommen jetzt auch die "Wand"-Sounds so richtig rüber und es wird etwas kompakter und komprimierter, wobei sich das noch immer äußerst definiert anhört. Selbst wenn man schon HiGain zugeschaltet hat und mit Gain, Edge und Boost am Anschlag ist, bleibt fürs Solo noch eine Steigerung - der Fat-Schalter aktiviert einen Mid Boost, der nach meinem Höreindruck hinter der Verzerrung liegt und daher auch etwas Lautstärke bringt, vor allem aber die Frequenzen anhebt, die das Solo trotz in der Kanal-Klangregelung abgesenkter Mitten hörbar machen. Denn Deep-Schalter habe ich hier immer aus, aber das ist sicher Geschmackssache. Während die meisten Schalter am GP3 sehr wohldosiert voreingestellt sind, ist mir das hier einfach zu heftig. Die Bässe liegen sehr tief und matschen nicht, aber wer einen Bassisten in der Band hat, braucht das mMn nicht. Selbst zu Hause beim Alleine-Dudeln habe ich ihn nie benötigt, um ausreichend Fundament zu produzieren. Ich würde mal sagen, man kann ihn am ehesten benutzen, um mit einer Standard-4x12er den Sound einer übergroßen zu simulieren - wenn die Lautsprecher es denn verkraften.

Um nochmal auf Soli zu sprechen zu kommen - so weich und saftig, wie zB mein Groove Tubes Trio im Scream-Channel wird, klingt es beim VHT nie. Ich empfinde das aber nicht als Verlust, denn mMn kann man einen straffen Sound immer durch Zusatzgeräte "aufweichen", einen zu nachgiebigen aber niemals straffer und direkter bekommen. In meinem Fall habe ich mit den viel gescholtenen digital simulierten Zerrern aus dem GT-Pro, wie zB dem "Blues OD" den Trio-Scream-Sound sehr gut nachbilden können, umgekehrt war das aber nicht möglich. Ein bisschen Outboard-Zerre dazu, und schon ist da die etwas weichere Kompression, Sustain unendlich und die Obertöne kippen über wie irre.


An dieser Stelle sei noch ein Wort zu den Channel Volumes gesagt. Ich glaube, dass hier der Hase im Pfeffer liegt, wenn manche Leute beklagen, der GP3 habe ja "nicht genug Gain". Hat er eben doch, nur verhält er sich dabei nicht wie viele andere Amps, die bei viel Verzerrung immer auch stark komprimieren. Dreht man Volume im Kanal über 12 Uhr - und das werden die meisten schon aus Gewohnheit tun ("How can less be more? MORE is more!") - wird der Sound nicht etwa verzerrter, sondern in der Abbildung klarer und punchiger. Man kennt das von vielen Master-Volume-Amps, dass sie leise verzerrter klingen und die arbeitende Endstufe diese Zerre mit Aufdrehen des Master scheinbar wieder verringert, je lauter es wird. Gain wird hier also wirklich mit dem Gain-Regler gemacht, und noch mit Brite/Edge und dem Booster. Will man einen sahnigeren, stärker komprimierten Sound, sollte man lieber die Channel-Volumes unter 11 Uhr halten und den Pegel durch das Master-Volume und die Endstuife nachführen.


Was man mit einem 6-Band-Equalizer alles anstellen kann, sieht man ja schon bei Mesa/Boogie. Zumindest aus den früheren Mark-Serien bekommt man ja erst durch ihn einen zünftigen Metal-Sound raus - Hetfield und Petrucci lassen grüßen. Das funktioniert natürlich auch hier, mit dem Hinweis, dass man ihn dazu gar nicht unbedingt braucht. In sofern sind die Schwerpunkte bei VHT wohl schon im Grundsound etwas anders gesetzt. Vor allem ist der EQ extrem heftig in seiner Wirkungsweise - die bekannte "V-Stellung" sollte man wohl nur übertragen, wenn man einen 2x15"-Subwoofer zu seiner Gitarrenbox benutzt...:evil: Von daher ist also etwas Fingerspitzengefühl angesagt. Und nein, es ist keine Verschwendung, wenn man die Hälfte der Regler einfach in Mittelstellung belässt. Was man mit dem Teil noch alles machen kann, habe ich noch nicht im Ansatz ausgelotet. Ich würde aber sagen, dass man mit Mittenanhebungen auch durchaus Bonamassa-Sounds hinbekommen kann, oder den Clean-Channel bissiger machen, sodass eben besagtes Texas-Blues-Feeling verstärkt wird.


Der "Dynamics"-Regler ist zu guter Letzt auch noch da. Seine Wirkung ist, ähem, subtil. Die zugehörige LED, die das Clipping der eingebauten Mini-Endstufe anzeigen sollte, habe ich zwar noch nie zum Leuchten gebracht, aber man nimmt halt einen gewissen Einfluss auf den Attack-Bereich wahr. Dreht man ihn voll auf und sind auch die Channel-Volumes weit offen, kommt man näher an das Verhalten eines voll aufgerissenen kleinen Amps heran, so die Richtung kotzender Deluxe. Ist aber eh nicht so mein Ding, und schon gar nicht auf allen Kanälen. Ich stelle ihn meist auf 9 Uhr (das halt dran gedreht ist, ist ja schließlich mitbezahlt...) und lass es gut sein. Ob das jetzt ein anderer überhaupt hören würde? Keine Ahnung.


Apropos hören - an dieser Stelle muss ich mal loswerden, was man beim GP3 überhaupt nicht zu hören bekommt, nämlich Nebengeräusche wie Rauschen und Knistern. Ich habe schon viele Amps gespielt, aber ich kenne keinen Röhrenamp, der auch nur annährend so viel Gain produziert, ohne dass es störend rauscht. Das Noisegate im GT-Pro habe ich bei allen VHT-Sounds, selbst mit dem Lead Channel, Edge, Boost und Gain am Anschlag ausgeschaltet, weil ich es schlicht nicht mehr brauche. Ein bisschen Rauschen kommt dan natürlich irgendwann, aber weniger als das, was die meisten Amps bei Crunch produzieren. Erst wenn einer der gemodelten Verzerrer zugeschaltet ist, komme ich langsam in den Bereich, wo ich über das Noise Gate nachdenke.


Fazit:

Das war definitiv ein Super-Kauf. Der Preamp ist enorm vielseitig, und keineswegs nur auf Metal geeicht, wie das Image und natürlich auch die Optik (Stainless Steeeel!) es suggerieren. Man muss sich dazu vielleicht etwas mehr mit dem Teil auseinandersetzen als mit einem Bassman, aber es kommen dann auch Funk- und Blues-Sounds in bester Qualität raus.

Obwohl der Preamp von sich aus nicht einfach "nach Marshall klingt", bekommt man diese Sounds gerade im Mix sehr gut hin. Ich habe zum Beispiel mit der Strat zu "Deep Purple Live in France 1975" mitgespielt und der Sound hat sich wunderbar eingefügt. Selbst beim Jammen mit einer CD fällt dabei auf, wie gering die erforderliche Lautstärke ist, um sich selber hören zu können. Diese Präzision und Durchsetzungsfähigkeit ist sicher die herausragende Eigenschaft dieses Geräts.

Mit ein paar Tricks kann man das Ganze auch erstaunlich weit verbiegen, der VHT ist da schon flexibel und kann Genres sehr gut bedienen, die man vielleicht nicht so mit der Marke assoziiert. Er reagiert sehr gut auf vorgeschalteten Kram, und die Ausstattung, u.a. mit dem genialen Line Driver, ist kaum zu toppen.

Von der Verarbeitung bis zum Sound wird aus meiner Sicht eine durchgehende Handschrift deutlich. Mr. Fryette scheint mir kein Röhren-Romantiker zu sein, der nostalgisch verklärend auf die Urväter blickt und ihre Konzepte behutsam verbessert. Sein Ansatz ist der eines Ingenieurs, der aktuelle Top-Bauteile verwendet und diese nach dem heutigen Stand der Technik kombiniert. Das Ziel war ersichtlich ein modernes Hi-Tech-Röhrengerät, und das hat er mMn geschafft. Mit einer Point-To-Point-Verdrahtung kann man sowas nicht mit auch nur halbwegs vertretbarem Aufwand bauen, von der Frage der gleichbleibenden Qualität ganz zu schweigen. Auf Kohlepresswiderstände und PIO-Kondensatoren muss man hier dagegen verzichten.

Dieser Ansatz spiegelt sich dann nicht nur im sauberen Aufbau und den vielen funktionalen Features wieder, sondern auch in den fast unglaublich geringen Nebengeräuschen und letztlich eben auch in einem Sound, der statt Nostalgie eine fette Prise Hi-Fi abgekriegt hat - und zwar im ursprünglichen Sinne des Wortes, eben "Hohe Wiedergabetreue" in Bezug auf alles, was der Gitarrist reingibt. Genau so kommt es nämlich wieder heraus - shit in, shit out. Diese Vorstufe hat das Potenzial, einen besseren Spieler aus einem zu machen. Man muss sich aber drauf einlassen und es verkraften, wenn man erst mal nur seine Fehler besser hört...


Nachwort:


Ach ja: Die Röhren sollte man bei solchen Geräten meist erneuern, da die Rack-Geräte oft schon 10 Jahre auf dem Buckel haben, ohne dass was getauscht wurde.

Ein bisschen aufpassen muss man bei den Röhren V1, V4 und V6, weil die als Kathodenfolger beschaltet sind. Manche 12AX7 mögen das nicht so, wie man liest (Tung-Sol zum Beispiel). Den Sound kann man durchaus noch etwas verbiegen, verschiedene Röhren haben hier definitiv anders geklungen. Knackpunkt waren hier V2 und V3, also die ersten beiden Gainstufen der Zerrkanäle. Ein schlanke, brillante Röhre mit viel Gain (Tung-Sol) füttert eine etwas runder klingende JJ EC803S, die stärkere Mitten bringt - das war/ist meine liebste Kombination. Die Wrksbestückung Sovtek 7025 brachte in V2 etwas weniger Gain, auch nach Austausch gegen ein frisches Exemplar. In V4 habe ich zunächst eine normale China 12AX7 gehabt, klingt auch gut, aber mit einer TAD RT001 kam noch ein Quäntchen mehr Zerre. Der grundsätzliche Klangcharakter ändert sich dadurch natürlich nicht, das ist dann wirklich Feintuning.


So, das war jetzt meine erste Review. Sorry für den Umfang, aber das Ding hat halt doch ein paar Knöpfe und Buchsen mehr als andere... Fragen und imer Kritik sind willkommen, und irgendwann komme ich hoffentlich noch dazu, einen Vergleich mit den anderen Preamps zu schreiben bzw. weitere Einzeltests.


Gruß an alle, bagotrix
 
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Schöner Bericht. Ich Freunde mich mit meinem auch immer mehr an. Nutzt du auch den eq? Welche Einstellungen? Wie hast du den Presence Regler an deiner Endstufe eingestellt?
 
Der EQ ist ein wirklich tolles Werkzeug, aber ich glaube, ich habe die Möglichkeiten bisher nur angekratzt. Erstmal muss mMn der Grundsound stehen, den man mit den Kanälen einstellt.

Der Knackpunkt ist, dass der GP3 schon mit den BMT-Reglern sehr stark eingreift, und im Gegensatz zu vielen anderen Teilen hatte ich da bisher nicht das Gefühl, dass es die eine, "richtige" Einstellung gibt. Ich habe also schon jetzt eher das Problem, mich zwischen lauter unterschiedlichen guten Sounds zu entscheiden, als diesen "einen" Sound zu finden.

Auf jeden Fall muss man mit dem EQ vorsichtig arbeiten, weil er so intensiv wirkt. Die Einstellung, die Du auf dem Bild meines Racks sehen kannst, läuft schon in Richtung "Modern Metal", Leadkanal mit eingeschaltetem HiGain, Edge und Boost vorausgesetzt. Ganz interessant ist, dass sie aber auch im Clean-Channel gut funktioniert und ihm eine schöne Variante entlockt. Man kann das natürlich in den Bässen extremer bekommen, indem man zB statt der 250 Hz die 100 Hz anhebt, aber gefühlt spielt sich das dann noch tiefer ab. Das schöne ist, dass man für Soli mit dem "Fat"-Schalter wieder genug Mitten dazu bekommt, um nicht unterzugehen.

Das ist ja nun mehr die klassische Anwendung, aber es fubktioniert auch andersherum, ohne dass es unangenehm quäken oder hupen muss (was die gelungene Abstimmung des EQ bestätigt). Einen "marshalligeren" Grundsound kann man der Zerre zB verpassen, indem man 630 Hz und 1,2 KHz leicht anhebt, gerade mal ein paar Millimeter.

Wie bei allen Graphic EQs an Amps empfehle ich, möglichst wenige Bänder zu bedienen, bei mir sind es eigentlich nie mehr als drei. Zu viel klingt gerne mal künstlich und schafft auch Phasenprobleme, da vergaloppiert man sich nur.

Was man will, ist ja einen neuen, charakterstarken Sound zu kreieren. Dazu ist es besser, ein oder zwei Frequenzbereiche herauszustellen und einen anderen etwas rauszunehmen, der stört. Eine weitere meiner selbst auferlegten "Regeln" ist dementsprechend, starke Anhebungen immer durch eine Absenkung an anderer Stelle zu kompensieren. Erstens bleibt dann der Pegel gleichmäßiger, und zweitens muss die Anhebung dann meistens weniger extrem sein. A little goes a long way.

Presence ist bei mir übrigens eher zurückhaltend eingestellt, so auf 1 Uhr. Hängt aber von Lautstärke und Raum ab, ebenso wie Resonance, die sich meist nur bei 9-10 Uhr bewegt.

Gruß, bagotrix
 
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Das stimmt, die Möglichkeiten sind wirklich enorm und man kann den Sound sehr verbiegen bzw. den Preamp auf verschiedene Art und Weise gut klingen lassen. Was den eq angeht finde ich, dass dieser auf den ersten mm nicht so stark wirkt. Ich muss immer etwas mehr nach oben bzw unten gehen. Mittlerweile meine ich auch meine Einstellungen gerungen zu haben, obwohl ich bestimmt noch weiter experimentieren werde. Dachte auch immer dass ich mit vielen Höhen spiele, als dann deine Einstellungen gesehen habe müsste ich mich korrigieren :). Genauso bei den Bässen. Am eq habe ich die Frequenzen 100, 630, 1,2 und 2,3 angehoben. Dafür 250 etwas abgesenkt was mir mehr Transparenz bietet. Die Bässe in den Zerrkanälen nicht höher als 9 Uhr.
 

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