Nashvillian81
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Bereits 1959 ergänzte Gibson die neue ES ( Electric Spanish) Thinline Serie, deren Aushängeschild bis zum heutigen Tage die 335 ist, mit der abgespeckten Version 330.
P- 90 Single Coils anstatt der damals neuen PAF Humbucker, fehlender Sustain Block, optische Schlichtheit und der Neck- Joint am 16. Bund waren die Merkmale der ersten ES 330. In den frühen 60er Jahren glich man den Hals Korpus Übergang und die Griffbretteinlagen (small Blocks) der großen Schwester an, die Singlecoils bekamen eine hübsch glänzende Kappe, der Rest blieb dem Ursprungsmodell treu.
Diese beiden Varianten wurden bereits von der Gibson Memphis Division aufgegriffen und als Reissue Modelle neu aufgelegt.
Eine 59er vos in Vintage Cherry dient in diesem Review zudem als Vergleichsmodell.
Bei der nur im Jahr 2015 gebauten, als Limited Run deklarierten ES 330 spielt die oft zitierte historische Korrektheit nicht die tragende Rolle, obwohl eine Humbucker Conversion der 330 auch früher , allerdings nur auf Kundenwunsch erhältlich und sehr selten war. Der immer (zu) gut gelaunte Phil X stellt auf dem Fretted Americana YT Channel sogar ein rares Modell vor.
Vielmehr verwechselt man das aktuelle Humbucker Modell, auch als Kenner, mit einer ES 335, hier in Ebony Finish und mit Bigsby. Die Kopfplatte mit Crown Inlay und den Kluson Double Ring Tunern lassen auf eine 335 Reissue Hommage der frühen 60er erinnern. Auch die neuen MHS Humbucker deuten auf das bekannte Semiakustische Modell hin.
Bis man sie in Händen hält und sich über das geringe Gewicht wundert, fehlendem Sustainblock sei Dank. Die erste Reaktion war bei interessierten Testern immer die Gleiche:" Die ist leicht, ist die hohl?" Mit knapp 3kg liegt mein Modell gut ein halbes Kilo unter dem, was die etwas fülligere Schwester 335 auf die Waage bringt. Die Vor- bzw Nachteile dieser Bauweise werden an späterer Stelle erörtert.
Zunächst folgen die harten Fakten:
Der wunderschön und fehlerlos Ebony Nitro- lackierte Body besteht aus Ahorn, Pappel, Ahorn Laminat und entspricht der Formgebung einer 62er ES mit den schon etwas stärker konturierten Mickey Mouse Ears. Das Bracing im inneren besteht 2015 typisch aus Adirondack Fichte und wurde mit Hot Hide Glue eingeleimt.
Der Hals ist aus Mahagoni und vom Shaping her irgendwo zwischen 59 Rounded und 60's slim Taper, nicht zu dünn.
Das Griffbrett aus einem Teil ostindischen Palisander ist wunderschön anzusehen und makellos. Es beherbergt 22 Medium Jumbo Frets, die perfekt abgerichtet und mit den typischen Gibson Nubs versehen wurden. Die Kluson Tuner mit 15:1 Ratio machen das Stimmen zum Kinderspiel und der perfekt bearbeitete Knochensattel und die traditionelle ABR 1 Bridge halten die Stimmung trotz Bigsby Vibratos exzellent. Das wohl ineffektivste, einfach nicht mehr zeitgemäße aber wunderschöne und in seiner Tongebung unerreichte Bigsby B7 tut was es soll. Der Trussrod ist nun doch historisch korrekt, ohne tubing und mit den richtigen Maßen verbaut.
Seit 2015 achtet Gibson vermehrt auf die Zusammenstellung der elektronischen Parts. So befinden sich in der Gitarre matched CTS Pots die bezüglich ihrer Werte handverlesen zusammengeführt werden. Zudem finden Orange Drop Capacitors und die vorhin zitierten MHS Humbucker ihren Einsatz.
Diese sind mit weniger und unregelmäßig ausgeführten Wicklungen versehen, was den Vintage Charakter unterstreichen soll. Am Hals findet man einen Alnico 3 Magneten, während an der Bridge ein A2 verbaut ist. Gibson nennt sie ihre bis jetzt historisch korrektesten PAF Kopien.
Soweit so gut, aber wie klingt sie denn jetzt, die neue 330?
Ohne Verstärker angespielt, klingt sie bereits sehr laut und kräftig und in der Gesamtheit deutlich ausgewogener als das 59 Reissue Modell. Die Saiten klingen gleichmäßig und dezent aus. Trotz Hollowbody hat sie ein herrliches Sustain. Im direktvergkeich mit der 59er klingt sie runder, wärmer und länger.
Am Amp eingestöpselt passt sich die Spielweise sofort der Gitarre an. Clean ist das neue Verzerrt. Leichte Übersteuerung das neue High Gain. Leichte Akkordfolgen im Wechselspiel mit Single Notes.
Man ist sofort im Blues zu Hause und das ohne es vielleicht zu wollen. Der Toggle Switch scheint am Halspickup festgetackert zu sein, so viel Laune macht es runde, warme Melodien zu zaubern. Der Ton hat genügend Attack, ist crisp aber wunderbar weich und konturiert. Leicht angezerrt, nur mit der Stärke des Anschlags gesteuert, gefällt sie mir am Besten. Hier verfliegen die Stunden, wenn ordentlich Luft durch die f holes gepumpt wird. Sie klingt sehr, sehr holzig und offen. Die Gitarre vibriert, dass es eine Freude ist.
Im Vergleich mit der P 90 Reissue ist sie erwartungsgemäß die kultiviertere. Nicht so roh und ungehobelt. Beides hat seinen Reiz, die Humbucker führen die feinere Klinge. Hier ist man auch im Jazz gut bedient.
In der Mittelstellung ist sie twangig, unaufgeregt, für mich fast ein bisschen charakterlos, die P 90 spucken ihr ins Gesicht.
In der Stegposition fühlt sie sich schon eher zu Hause, aber nicht im cleanen( hier ist sie mir zu dünn)sondern im Zerrbereich. Aber etwas Vorsicht ist geboten. Übertreibt man es mit der Verzerrung und der Lautstärke neigt sie in bestimmten Positionen zum Amp zu Rückkopplungen und man vermisst auf einmal kurz den Sustainblock. Insgesamt ist es jedoch weit weniger schlimm, als oft angenommen. High Gain ist ihre Sache sowieso nicht und am Dual Rectifier wird man sie auch eher weniger antreffen. Ihr Tanzpartner ist ein hemdsärmeliger Tweed Deluxe, Champ oder von mir aus auch ein Twin. Mit einem AC 30 ist sie ebenfalls gut bedient oder einem Low Wattage Marshall a la 1974x. Alles Amps der alten Schule, das steht ihr und hier kann sie ihr Potenzial ausleben. Hier unterscheidet sie sich auch nicht von ihrer P 90 Schwester, die die selben Präferenzen aufweist.
Als Fazit kann ich sagen, dass die 330 in der Humbucker Version ein überaus gelungenes Modell darstellt und der früheren, historischen P 90 Reissue in nichts nachsteht.
Die Pickups und der Zugang zu den hohen lagen machen eben den größten Unterschied aus. Die Humbucker fühlen sich im cleaneren Bereich am Wohlsten, wo runde, warme Töne gefragt sind und das vorwiegend in der Halsposition.
Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage, aber sie würde keinen Stegpickup benötigen, so viel Freude zaubert sie an besagtem Tonabnehmer.
Die 59er vos fühlt sich hingegen überall zu Hause, solange eine Handvoll Dreck im Spiel ist.
Die 330 L Humbucker ist die feinere der beiden Damen und das ist nicht negativ gemeint. Will man kristallklare Melodien aufs Band zaubern, ist man bestens bedient.
Der Anschaffungspreis von ca 2800€ ist in jedem Fall gerechtfertigt, wenn man bedenkt, dass das Instrument wirklich hochwertig verarbeitet und out of the Box perfekt eingestellt daherkommt.
Für die Sammler wage ich auch noch einen Wertzuwachs zu vermerken, da limitiert, wenngleich der klangliche Aspekt die ungleich höhere Kaufentscheidung herbeiführt.
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