Das mit dem NG haben wir im Unterricht schonmal gemacht, aber ich glaub nur einmal bisher.
Zum Thema Kehlkopfstellung hab ich noch eine andere Frage:
Stimmt es, daß man den Kehlkopf beim Singen nicht runterdrücken sollte, also nie tiefer als in der "Normalstellung" (wie er von Natur aus sitzt)? Oder ist das völliger Unsinn?
Definiere "Normalstellung"
Es gibt Muskeln, die den Kehlkopf auf natürliche Weise heben und senken. Was man nicht machen sollte ist, mit anderen Muskeln, die nicht dafür gedacht sind, den Kehlkopf zu bewegen. Sehr beliebt ist z.B. der Zungengrund, der den Kehlkopf nach unten drücken kann, oder die Muskeln unter dem Kinn (mit denen man den Unterkiefer vorstreckt), die ihn nach oben ziehen können.
Alles, was man mit den Muskeln macht, die dafür gedacht sind, ist erstmal erlaubt. Allerdings ist es so, dass der Kehlkopf von Natur aus mit der Tonhöhe steigt. Wenn man also von "tiefer Kehlkopf" spricht, ist das in der Regel relativ gemeint. Auf der gleichen Tonhöhe ist der Kehlkopf bei einem Klassiker tiefer als bei einem Belter, aber auch bei einem Klassiker steigt er mit der Höhe.
Der entscheidende Mechanismus (sowohl im Conti-Bereich als auch bei den Klassikern) ist, dass man den Kehlkopf kontrolliert (!) steigen lässt. Dafür benutzt man die Muskeln die den Kehlkopf heben bzw. senken in einer Art Antagonismus.
Ich vergleiche das gerne mit dem Unterarm. Wenn du den Unterarm im rechten Winkel zum Oberarm hältst, dann hat er die natürliche Tendenz runterzufallen (also umgekehrt wie beim Kehlkopf, der steigt). Wenn du den Bizeps angespannt hältst, verhinderst du das er runterfällt. Wenn du nun den Bizeps langsam abspannst, fällt der Arm nicht direkt runter, sondern geht eher kontrolliert runter. Der Bizeps entspricht dabei dem Kehlkopf-Senker (wie gesagt alles ist umgekehrt). Das heißt, zunächst mal reicht der Senker aus, um eine gewisse Kontrolle zu erhalten.
Diesen Mechanismus kannst du beim Kehlkopf folgendermaßen ausprobieren:
- Du lässt den Kiefer locker fallen, wie wenn dir sprichwörtlich "die Kinnlade runterfällt"
- Halte deinen Finger locker auf den Adamsapfel
- Nimm einen tiefen Atemzug und spüre mit dem Finger, wie sich dein Kehlkopf locker und entspannt senkt
- Jetzt setzt du aus dieser Position ein ganz lockeres Glissando auf HA an, wie einen Seufzer, dabei merkst du wie der Kehlkopf langsam zur Höhe hin hochgeht
Man könnte jetzt meinen, dass man sozusagen "fertig" ist mit der Kontrolle über den Kehlkopfsenker. Aber es gibt ein Problem: Dadurch, dass du den Kehlkopfsenker zur Höhe hin komplett abspannst, bist du in der Höhe sozusagen "spannungslos", der Kehlkopf hat keine Stabilität. Der hohe Ton ist im Falsett und wenn du versuchst die Lautstärke zu erhöhen über mehr Atemdruck, schießt dir der Kehlkopf unters Kinn, weil er ja spannungslos ist.
Wenn wir jetzt zurückgehen, zum Beispiel mit dem Unterarm, gibt es eine andere Möglichkeit den Arm kontrolliert zu senken, und zwar nicht, indem du den Bizeps abspannst, sondern, indem du den Trizeps anspannst. Dadurch kannst du ebenfalls den Arm kontrolliert senken, aber wenn du unten angekommen bist, sind sowohl Bizeps als auch Trizeps angespannt, und der Arm kann nicht so leicht aus seiner Position "geschossen" werden, er ist viel stabiler.
Dem Trizeps entspricht bezogen auf den Kehlkopf der Twang-Mechanismus. Dieser Mechanismus zieht den Kehlkopf auf natürliche Weise nach oben. Den Twang-Mechanismus kannst du folgendermaßen ausprobieren:
- Halte bei entspannt geschlossenem Mund wieder deinen Finger an den Kehlkopf
- Jetzt schluckst du und fühlst wie dein Kehlkopf beim Schlucken nach oben geht
- Was du beim Schlucken auch merkst ist, dass dein Zungenrücken nach oben ans Gaumensegel geht wie bei der NG-Position, das ist der Trigger für den Twang-Mechanismus
- Jetzt schluckst du nochmal und versuchst dabei die Zunge in dieser Position zu behalten, so dass sie auch nach dem Schlucken noch so liegt
- Du wirst fühlen, dass der Kehlkopf dann auch nach dem Schlucken in einer leicht erhöhten Position verharrt
- Jetzt summst du ein Glissando auf NG mit der Vorstellung, dass die Resonanz deine Rachenwand runterläuft in die Speiseröhre, wie beim Schlucken eben
Bei diesem Glissando wirst du feststellen, dass die Stimme sehr stark "summt" und wenn du in einen Vokal öffnest hast du eine viel höhere Lautstärke bei diesem Glissando als auf dem Seufzen von vorher. Allerdings ist die Klangfarbe sehr hell und schneidend, ggf. sogar unangenehm penetrant (vom Höreindruck, nicht vom Körpergefühl, das muss immer angenehm bleiben).
Der Trick warum das mit dem hohen Kehlkopf überhaupt funktioniert ist, im Beispiel mit dem Arm, das wir schlichtweg schon mit dem Arm in der untersten Position anfangen (= Kehlkopf in oberster Position), dadurch kriegen wir kein Problem mit der Stabilität. Da der Klang aber i.d.R. nicht zufriedenstellend ist, reicht auch ein alleiniges Singen mit dieser Muskulatur nicht aus.
Das Ziel ist also in jedem Fall, eine Balance zwischen diesen beiden Mechanismen zu finden. Und dieses Ziel teilen Klassiker und Conti-Sänger gleichermaßen. Der Unterschied ist eben, dass die Klassiker diese Balance etwas nach unten verschieben, aber die Verwendung beider Muskelgruppen im Antagonismus müssen sie trotzdem lernen. Man kann dabei aus beiden Richtungen starten. Entweder mit der "Seufzer-Stellung" oder mit der "Twang-Stellung" und dann jeweils das andere Element hinzufügen. Bei beiden Optionen gibt es pro und contra und individuell kann einem die eine oder andere mehr liegen.
Viele GLs und Systeme benutzen auch einfach beide Ansätze und trainieren das abwechselnd. Bei SLS z.B. wird abwechselnd zwischen "mom mom mom" (was einen tiefen Kehlkopf begünstigt) und "näi näi näi" (was einen hohen Kehlkopf begünstigt) gewechselt und man hofft, dass er sich "in der Mitte" einpendelt. Bei SLS wird generell tendenziell ein "neutraler Kehlkopf" gelehrt, also eine Stellung zwischen der höchst- und tiefstmöglichen. Bei Rock/Metal-fokussierten Programmen ist der Kehlkopf eher "medium high", also zwischen der mittleren und höchsten Position, bei Klassik eher "medium low" also zwischen der mittleren und tiefsten Position, manchmal sogar in der tiefsten. Aber das sind alles nur unterschiedliche Positionen auf der gleichen "Balance-Achse".
Ich finde dieses Video illustriert sehr gut, wie viel Spielraum man hat mit der Larynxhöhe. So wie hier wird manchmal "grob" in 5 Höheneinstellungen unterteilt, aber natürlich ist das ein Kontinuum.
Hier ist noch ein ähnliches, auch interessant vor dem Hintergrund Klassik vs. Contemporary. Zudem wird der Zusammenhang mit dem Stimmlippenschluss erläutert, auch ein Grund warum es wichtig ist, beides zu balancieren.