Natürlich ist Singen lernen zu einem großen Teil Glückssache ist doch klar. Schlicht und einfach, weil die Instrumente, die da "gespielt" werden individuell unterschiedlich sind. In der Bauart gibt es zwar große Gemeinsamkeiten durch die ähnliche Anatomie, aber insbesondere die "Bedienung" des Instruments kann eben individuell sehr sehr unterschiedlich sein. Bei einer Gitarre kann man ziemlich klar sagen: "Wenn du da drückst und da die Saiten anschlägst, dann kommt der Ton/Akkord x raus".
Das geht bei der Stimme eben nicht. Da ist es hochgradig individuell, vor allem, wenn man auf Basis von Vorstellungen oder sensorisch definierten Begriffen wie "Bruststimme", "Kopfstimme", "Projektion", "Fokus", "Vordersitz" usw... arbeitet. Nicht, dass diese nicht gut wären, aber es ist eben hochgradig individuell ob und wie diese Begriffe hilfreich sind und dementsprechend schwierig für einen Lehrer eine wirklich konkrete Vorstellung davon zu vermitteln. Umgekehrt kann man eben auch nicht immer genau hören, was genau ein Sänger macht. Witziges Experiment dazu: Es wurden 35 Gesangslehrer befragt 11 kurze Song-Ausschnitte (von bekannten Interpreten verschiedener Genres) mit Begriffen zu belegen, die sie im Unterricht benutzen, um zu beschreiben, was da gemacht wird. Insgesamt gab es nur etwa 25% Übereinstimmung in der Lehrermeinung und es wurden über 400 (!) verschiedene Begriffe genannt. Selbst bei den oft verwendeten Begriffen wie Brust- und Kopfstimme gehen die Meinungen teils deutlich auseinander, was denn genau was ist.
Selbst bei den Gesangslehrern, die derselben (!) Schule angehörten (in dem Fall war das CVT) gab es nur 77% Übereinstimmung bzgl. der Begrifflichkeiten. Mit anderen Worten: Auch ein GL kann eben nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sagen, was ein Sänger da genau macht und ob er dann noch (in seiner Terminologie) vermitteln kann, wie es richtig gemacht wird, ist wieder eine andere Frage.
Das heißt natürlich nicht, dass ein GL nichts bringt, sondern nur, dass es sich definitiv lohnen kann, eine Weile zu suchen (über Probestunden oder was auch immer), um jemanden zu finden, mit dem man möglichst "auf einer Wellenlänge" ist und mit dessen Terminologie/Vorstellungen man auch etwas anfangen kann.
Auf der anderen Seite heißt das eben auch: Singen lernen hat im größeren Maße als bei anderen Instrumenten etwas mit Eigenverantwortung zu tun. Man sollte sehr genau darauf achten, was der eigene Körper macht, wie er auf bestimmte Vorstellungen/Übungen reagiert, und ob sich das angenehm/"richtig" anfühlt. Denn wenn es das nicht tut, dann kann das Singen auch ganz schnell keinen Spaß mehr machen.
Zum Schluss zitiere ich einfach mal Rob Lunte mit seiner kurzen Checklist von Punkten, die man bei der GL-Suche beachten sollte:
- Achte darauf, dass der Lehrer selbst das kann, was du lernen willst (wenn du belten lernen willst, aber dein Lehrer kann nur klassisch singen ist das eine potenzielle Sackgasse)
- Achte darauf, dass der Lehrer sauber von der Vollstimme in die Randstimme bridgen kann (wobei das für einen Anfänger u.U. nicht so leicht zu beruteilen ist)
- Achte darauf, dass der Lehrer erklärt wofür genau die Übungen gut sind und ein Verständnis dafür vermittelt und nicht einfach nur "sein Ding" durchzieht
Das sind natürlich alles nur ganz grobe Anhaltspunkte. Der individuelle Eindruck ist viel viel wichtiger.