Viel davon hat schlicht und einfach mit dem Zustand als Anfänger zu tun. Bei den meisten Männern ist die Randstimme sehr schwach, klingt oft leise, hauchig und weiblich. Die Vollstimme ist hingegen stark und laut. Bei Frauen sind diese beiden Grundmodi von Natur aus wesentlich ähnlicher. Die Randstimme ist wesentlich kräftiger und insbesondere in der Mittellage zu höherer Lautstärke fähig. Ihre Vollstimme dagegen ist nicht so massig wie bei Männern und hat von Natur aus weniger Intensität. Dadurch ist für sie aber auch der Übergang zwischen den beiden viel leichter.
Als untrainierter Mann ist es erstmal völlig unvorstellbar, dass aus dem schwachen Falsett irgendwann mal etwas brauchbares werden kann, selbst mit viel Training. Selbst bei trainierten Männerstimmen ist die Randstimme in der Mittellage eigentlich nur für sehr soften, mikrofongestützten Gesang geeignet ("Crooning").
Was bei vielen Männern hingegen geht ist das "Hochprügeln" der Vollstimme bis etwa F#4, manchmal sogar bis A4. Die "Wand", auf die man dann trifft, fühlt sich als Anfänger so dermaßen hart an, dass es auch hier erstmal völlig unvorstellbar ist, dass man die Vollstimme, selbst mit Training, weiter hoch ziehen kann. Das F#4 klingt natürlich auch nicht gut, aber da man da zumindest "irgendwie" hinkommt, kann man sich gut vorstellen, dass man mit Training auch lernen kann, das vernünftig zu singen.
Also guckt man erstmal bei Wikipedia nach und findet die typischen klassischen Tessituren der Stimmfächer. Typischerweise kommt man dann auf sowas wie: "Aha, ich komme bis F#4, also bin ich wohl ein Bass-Bariton und das ist auch der Grund warum ich nicht höher komme". Da man aber Fan von Bruno Mars ist und unbedingt dessen Songs singen will geht man dann in ein Forum und schreibt: "Warum nur bin ich ein Bass-Bariton und kein Tenor und kann all diese tollen Songs nicht singen"
In 80% der Fälle stellt sich dann natürlich raus, dass derjenige in Wirklichkeit ein hoher Bariton oder ein tiefer Tenor ist (weil das eben etwa 80% der Männer sind). Mit dem Training finden sie dann raus, dass man die Vollstimme eben doch höher singen kann als F#4 und, dass die "harte Wand" eben mit dem Training verschwindet. Dann finden sie auch noch raus, dass die Randstimme (in der hohen Lage) eben doch sehr kraftvoll und männlich klingen kann mit der richtigen Vokalformung und dem Erlernen des Stimmlippenschlusses. Und als Krönung des Ganzen merken sie dann womöglich noch, dass auch Bruno Mars die Höhen eben häufig in der Randstimme singt und nicht in der Vollstimme.
Bei den 20%, die tatsächlich Bass-Baritone oder sogar Bässe sind, ist die Entwicklung natürlich ähnlich, wobei diese sich zumindest noch sehr lange über ihre Unfähigkeit beschweren können, das geradezu mystische "vollstimmige hohe C" zu singen.
Interessanterweise habe ich aber bisher noch keine Threads gesehen mit dem Titel: "Warum bin ich Tenor, wo ich doch so gerne Sopran wäre?"