Ein herzliches Hallo in die Runde, das ist hier mein erster Beitrag. Der Anlass dafür ist, dass dieses Forum bei meiner Kaufentscheidung für ein Physis H3 eine wesentliche Rolle gespielt hat, weshalb ich mein Feedback auch hier hinterlassen möchte.
Info vorneweg: Ich habe das H3 nach einer Woche Test zurückgeschickt.
Aber der Reihe nach:
Seit Jahren suche ich ein neues E-Piano mit Hammermechanik, das natürlich klingt, technisch ausgereift ist und möglichst auch in der Wohnung eine gute Figur macht. Trotzdem sollte es gut transportabel sein. Das H3 sieht umwerfend gut aus, finde ich, arbeitet mit Physical Modeling und ist schön kompakt. Deshalb habe ich es bei Musicstore in Köln bestellt und nur einen Tag später stand es vor mir. Die Bedienung macht Spaß, auch wenn nicht nur positive Stimmen darüber zu lesen sind, die Tastatur ist angenehm zu spielen, weil ich als Keyboarder den kurzen Hub mag. Sie hat einen deutlich spürbaren Rückschlag bei kräftiger Spielweise, was ich außergewöhnlich, aber nicht unangenehm fand.
Erster Test: Tonleitern und Läufe mit Kopfhörer. Die Standard-Sounds ab Werk fand ich etwas dumpf, also habe ich verschiedene Kopfhörer und Lautsprecher getestet und schließlich eine ganz brauchbare Variante gefunden (offener Sennheiser). Die Bearbeitungsmöglichkeiten sind gewaltig, wie bei PM üblich. Irgendwann hatte ich den für mich perfekten Klavierklang: Kurzer Flügel, knuspriger Anschlag, mittelgroßer Raum, spontane Dynamik. Jede Kleinigkeit ist hörbar, von der Hammerbewegung bis zum Nachhall der anderen Saiten, man hat den Eindruck, sogar die Art des verwendeten Holzes im Resonanzkörper hören zu können.
Tests mit verschiedenem Musikmaterial: Etwas Bach zum Anfang, viele Läufe, wenig Pedal - geht. Aber irgendwas stört.
Weitere Tests: Die Instrumental-Sachen von Billy Joel, Beethoven-Sonate, Scott Joplin, eigene Improvisationen, was meine bescheidenen Skills so hergeben. Immer wieder der selbe Effekt: Einzelne Töne und Läufe klingen recht natürlich, große Akkorde mit Pedaleinsatz sind schrecklich. Die Mitten verschwimmen, die Höhen fangen an zu pfeifen, die Bässe klingen flach und lustlos, völlig synthetisch. Der Stereo-Eindruck geht weitgehend verloren, in der Mitte tummeln sich Schwebungen und aufdringliche Resonanzen.
Schließlich habe ich diverse Tests gemacht, um das einzugrenzen: Direktvergleich mit meinem alten Piano-Expander, dann mit Pianoteq auf einem Linux-Notebook, immer im AB-Vergleich über den Mixer. Das H3 kommt schlecht weg, sobald es mehr als 5 Töne zu berechnen hat. Nochmal Firmware-Version kontrolliert: 1.5, neueste Version. Die noch mal neu aufgespielt, keine Verbesserung.
Schließlich habe ich eine ausführliche Beschreibung meines Problems an Musicstore geschickt und promt eine Antwort bekommen: Es handelt sich offenbar nicht um einen Defekt, sondern um die Eigenheiten des Physis. Das gehört so. Der Techniker wunderte sich nach eigener Aussage dass "Viscount sowas rausgibt".
Tatsächlich scheint da etwas zu passieren, wenn viele Töne gleichzeitig erzeugt werden müssen: Entweder es tritt eine Komprimierung ein, um Rechenleistung zu sparen oder es kommt einfach zu Fehlern bei der Synthese. Nun sind Klangeindrücke immer subjektiv, deshalb habe ich das auch anderen Leuten vorgespielt, dann die mp3-Samples von der Viscount-Seite heruntergeladen (die klingen ganz gut) und diese direkt im H3 abgespielt und mit den Demo-Midis verglichen. Selbiger Effekt: Midi-Files klingen schlecht, Audio-Files klingen gut.
Das H3 hat auch Bereiche mit gesampelten Sounds, z.B. Strings, Synthis usw. Die klingen gut, teilweise wirklich außergewöhnlich gut. Gitarren, Bässe und Streicher sind sehr natürlich und druckvoll. Die Orgeln sind gigantisch. Nur die akustischen Klaviere brechen klanglich zusammen, sobald sie gefordert werden.
Ich hätte das H3 sehr gerne behalten, bis auf den Klavier-Klang ist es in allen Punkten exakt was ich gesucht habe, tolles Design, zeitgemäßes Bedienkonzept, sportliche Tastatur, durchdachte Anschlüsse. Deshalb meine Empfehlung für alle, die einen Kauf in Erwägung ziehen: Nehmt eigene Midi-Files mit, die ihr gut kennt und spielt sie auf dem Physis ab. Probiert so viel wie möglich eures Repertoires darauf aus, speziell Stücke, die mit Pedal und Akkorden mit vielen Tönen gespielt werden. Vergleicht das direkt mit anderen Pianos in der Preisklasse, die auf Samples basieren.
Ich hatte bis zum Schluss gehofft, dass es irgendwie an mir liegt, weil das Physis fast nur beste Kritiken bekommt. Zwar bin ich kein genialer Pianist, aber als Tontechniker kann ich doch recht gut hören und vergleichen. Also habe ich mir ein gebrauchtes RD700-GX besorgt und das direkt mit dem H3 verglichen. Beim Roland stimmt klanglich alles.
Musicstore hat die Rücknahme und Gutschrift sehr schnell abgewickelt. Aber ich bin mit dem Physis-Piano noch nicht fertig. Meine Hoffnung ist, dass sich da in den nächsten Jahren noch etwas tut und die Probleme beseitigt werden. In 2-3 Jahren werde ich vermutlich einen neuen Versuch starten.
(Anm.d.Red.:Bild eingefügt-mh)