Theo Retisch
Registrierter Benutzer
- Zuletzt hier
- 28.05.24
- Registriert
- 14.03.11
- Beiträge
- 2.315
- Kekse
- 43.819
Hintergrundstory
Mit der Gibson Worn-Serie habe ich schon länger geliebäugelt. Etwa 2008 stand beispielsweise zur Debatte, ob ich mir als erste richtig gute Gitarre eine Gibson SG in Worn Cherry hole, aber letztendlich wurde es dann doch eine Hagström Super Swede.
Als mir Ende 2013 dann ein ziemlich günstiges Angebot für eine Gibson Flying V gemacht wurde, habe ich sie zumindest mal angespielt. Am Ende hat mich die Gitarre so sehr überzeugt, dass ich sie mitgenommen habe. So kam ich in den Besitz meiner ersten Gibson.
Das Konzept der Serie sollte eigentlich bekannt sein - deshalb hier nur ein paar kurze Worte dazu: Gibson verzichtet bei diesen Modellen auf alle Arbeitsschritte, die keinen Einfluss auf den Klang einer Gitarre haben, sondern lediglich der Optik dienen. Indem beispielsweise auf die abschließenden Klarlackschichten verzichtet wird, spart man Zeit und Geld. Am Ende schlägt sich das in einem deutlich niedrigeren Verkaufspreis wieder, womit Gibson sozusagen die Lücke zwischen hochwertigen Epiphones und den wesentlich höherpreisigen Instrumenten der Hauptmarke schließen wollte.
Konstruktion
Die Flying V ist eine typische Gibson Gitarre. Soll heißen: in den dreiteiligen Mahagoni-Korpus wurde ein Hals aus dem selben Material mit Palisandergriffbrett eingeleimt. Darauf befinden sich 22 Bünde und Dot-Inlays zur Markierung der Lagen. Auf ein Binding wurde aus Kostengründen verzichtet.
Die Korpusvorderseite wird zu einem großen Teil vom Schlagbrett in Beschlag genommen, auf das alle elektronischen Komponenten montiert wurden. Dazu gehören ein 496R-Pickup am Hals und ein 500T am Steg, wobei letztgenannter zu den outputstärksten Humbuckern im Gibsonsortiment zählt. Wie sich das klanglich auswirkt, werden wir später sehen. Die Tonabnehmer liegen im Gegensatz zu teureren Gibsons frei und haben keine Kappe spendiert bekommen.
Zur Kontrolle der PUs stehen zwei Volume-Regler und ein Tone-Poti zur Verfügung. Direkt nebenan liegen die Klinkenbuchse und der Pickup-Wahlschalter. Genau wie bei der zweiteiligen Brückenkonstruktion, verwendet Gibson auch hier das gleiche Material, wie für die teureren Gitarren. Bei den wirklich wichtigen Komponenten haben wir es also mit der gewohnten Gibsonqualität zu tun. Aus diesem Muster fällt lediglich der Sattel raus, der aus Plastik statt aus Knochen besteht.
Auf der Kopfplatte befinden sich standardmäßig sechs Stimmmechaniken von Kluson. Also alles wie gehabt.
Der größte Unterschied zu einer regulären Flying V besteht in dem in der Einleitung erwähnten Lack. Das Holz wurde lediglich in einem hellen Weinrot eingefärbt, ohne anschließend Klarlack aufzutragen. Das Ergebnis dieses Prozesses ist, dass die Gitarre nicht den typischen Hochglanz eines Lackes hat, sondern eben „Worn“ aussieht. Mir gefällt diese matte Optik jedenfalls, auch wenn sie dem einen oder anderen vielleicht ein wenig zu schmucklos und roh erscheint.
Verarbeitung
Man hört ja immer mal wieder echte Horrorgeschichten über die Verarbeitungsqualität bei Gibson – insbesondere bei den günstigen Serien. Ich für meinen Teil, kann davon nichts bestätigen.
Das Holz sieht gut aus und auch wenn der Korpus nicht aus einem Stück besteht, fällt das kaum auf. Auch das Griffbrett wirkt sehr homogen, wobei auch alle Bünde sauber eingesetzt worden sind. Sie glänzen zwar nicht um die Wette, was aber auch daran liegen kann, dass ich die Gitarre aus zweiter Hand besitze.
Wir sollten hier auch nicht vergessen, dass das Konzept der Serie darauf abzielt, den bestmöglichen Sound bei reduzierter Optik anzubieten. Aus diesem Grund wurde auf unnötigen Schnick-Schnack verzichtet, während bei den wirklich wichtigen Parts auf bewährte Qualität gesetzt wurde. Die Hardware und Elektronik ist identisch mit der Ausstattung der großen Schwestern. Insofern gibt es auch hier nichts zu beanstanden.
Bespielbarkeit/Praxis
Die inneren Werte stimmen also schon mal. Doch wie schlägt sich die Gitarre denn in der Praxis? Um es kurz zu machen: sehr gut.
Zuallererst fällt das geringe Gewicht der V auf. Das ist ja auch nicht weiter verwunderlich, denn es ist ja nicht gerade viel Holz an der Gitarre dran gelassen worden. Für lange Sessions im Stehen eignet sich das Instrument also schon mal ohne Einschränkungen.
Im Sitzen sieht die Sache hingegen ein wenig anders aus. Die Form der Gitarre macht die klassische Sitzposition von vorneherein unmöglich. Statt die V also auf das Bein zu legen, gibt es zwei Alternativen. Zum einen kann man sich das untere Horn zwischen die Beine klemmen, was allerdings nur bedingt bequem ist. Zum anderen kann man die Gitarre einfach am Gurt seitlich neben dem Körper herunterhängen lassen. Dabei besteht aber die Gefahr, dass man mit den Hörnern irgendwo gegen haut. Man sollte nämlich keinesfalls die stattlichen Dimensionen der Gitarre unterschätzen.
Wenn man dann eine angenehme Haltung gefunden hat, will man natürlich auch was spielen. Dabei fällt auf, dass sich das Fehlen des Klarlacks gleich bemerkbar macht. Der Hals fühlt sich richtig „holzig“ an, denn man spürt das offenporige Holz direkt in den Handflächen. Mir persönlich gefällt dieser Umstand sehr gut, denn vor allem mit schweißnassen Pfoten bleibt man nicht kleben.
Ansonsten gibt es auch bei der Bespielbarkeit nichts zu meckern. Konstruktionsbedingt sind selbst die hohen Lagen nahezu problemlos erreichbar. Die Saitenlage lässt sich angenehm tief einstellen und die mit einer PLEK-Maschine abgerichteten Bünde machen ebenfalls einen tadellosen Job.
Sound
Der wichtigsten Teil einer Gitarre lässt sich in Worten nur sehr schlecht ausdrücken. Aus diesem Grund habe ich auch hier wieder ein paar Soundschnipsel vorbereitet, die einen ungefähren Eindruck vom Potenzial der Flying V vermitteln sollen. Aufgenommen wurde dabei mithilfe eines POD HD.
Zunächst hören wir beide PUs zusammengeschaltet über einen Cleansound. Anschließend ein crunchiges Riff und ein Solo, bei dem ich zwischendurch vom Steg- auf den Hals-Pickup gewechselt bin.
https://soundcloud.com/rudi-mentaire/gibson-flying-v-soundsample
Es fällt auf, dass vor allem der Steg-Humbucker eine ganz schöne Krawallmaschine ist. Als erste Amtshandlung habe ich ihn deshalb ein kleines Stück weiter runter geschraubt, da mir das Klangbild zu harsch war. Anschließend war der Sound gleich wesentlich angenehmer.
Fazit
Das Konzept geht auf – und das sogar sehr gut. Anscheinend kamen die Gitarren der Worn-Serie so gut an, dass Gibson sich selbst Konkurrenz gemacht hat. Im Rahmen des aktuellen Produktprogramms sind nämlich keine Gitarren im Worn-Look mehr vorgesehen und nur noch über den Gebrauchtmarkt zu beziehen. Solltet ihr also die Chance haben, so ein Instrument anzuspielen, würde ich es auf jeden Fall tun. Hier bekommt man für einen fairen Preis eine ganze Menge geboten.
Je nachdem wie der Deal am Ende aussieht, ist zudem eine ganz gute Tasche mit dabei. Der Gigbag ist recht ordentlich gepolstert, könnte aber im Großen und Ganzen ein wenig dicker sein. Das tut dem insgesamt positiven Eindruck jedoch keinen Abbruch.
Ich werde in näherer Zukunft noch zwei Chromekappen für die Tonabnehmer besorgen, da man die Gitarre auf diesem Wege für wenig Geld optisch aufrüsten kann. Security Locks habe ich schon installiert.
- Eigenschaft