Ihr wollt mehr Drummies? Okay, spät, aber hier kommt
Drum Machines Part 2: Die 80er jenseits von Roland und Linn
1. Oberheim DMX
1981 bekam Roger Linn zwei Probleme. Das eine hieß Tom Oberheim. Das andere kam von Tom Oberheim, der jetzt in digital machte und der knapp $5000 teuren Linn LM-1 ein Konkurrenzprodukt zu etwas mehr als dem
halben Preis (knapp zwoneun) entgegensetzte: die Oberheim DMX. Okay, die hatte nicht die überbordenden Features der LM-1, konnte aber alles, was sie mußte, und das teilweise besser als die LM-1, die ja bekanntlich mangels ROM keine anständige Open Hi-Hat konnte.
Im Vergleich mit der Linn "kracht" vor allem die Snare der DMX ein ganzes Ende mehr, was man besonders bei 80er-Jahre-typischer Nachverwurstung merkt.
Ein paar Songs mit der DMX:
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DMX – Der Film™. Keine Hallfahne, vielleicht ein bißchen Kompression auf die Snare, aber sonst ziemlich naturbelassen. Das Geilste: Mit ihrer Songfunktion konnte die DMX die ganzen 8 Minuten per Autopilot fliegen, ohne daß jemand was anderes als den Starttaster angefaßt hätte. Möglicherweise war mindestens ein Oberheim-Synth mit an dem Song beteiligt – jegliche Synchronisationsmöglichkeiten der DMX sind proprietär.
- Phil Collins – "Sussudio"
No Jacket Required, die zweite. Am Anfang war die DMX. Während die ihren Beat abklopfte, experimentierte Phil mit Lyrics darüber. Ohne die DMX hätte der Song also nicht mal den, zugegeben sinnfreien, Titel. Das Treatment der LinnDrum auf demselben Album ("Don't Lose My Number") bleibt ihr erspart, immerhin muß sie sich einen Song mit teilweise mehreren Overdubs der legendären Phenix Horns teilen.
- Madonna – "Into The Groove"
So ganz allmählich merkt man, wohin die Reise mit der DMX ging. Die Linn-Kisten mögen es glatt und müssen zum Funk gezwungen werden. Die DMX wurde mit Funk ausgeliefert. Hier wird sie processed, trotzdem scheint ihr markanter Sound durch, der einen fast zum Breakdancen bringen will.
- Madonna – "Holiday"
Ja, unter den 24 (!) Sounds der DMX findet sich auch 'ne Cowbell. (Fun fact: Gestern hat bei uns ein Drummer vorgespielt, der in dem Song die Cowbell mitgespielt hat – soweit das eben ging.)
- Thompson Twins – "Doctor Doctor"
Es braucht schon einiges, um die DMX vom direkten Kurs zum Hip-Hop abzubringen und sie in die New Romantic zu pressen. Ihre Snare komplett in Hall unterzutauchen, ist ein guter Anfang. Die ganze DMX hinter Synths zu verstecken, ist der nächste Schritt.
- ZZ Top – "Legs"
Wer trommelt da? Frank Beard? Mitnichten. Hier zeigt die DMX, daß sie sogar mit Bluesrockern aus Texas zusammen kann. Auch wenn sie mithilft, dem halben Album Eliminator einen ziemlichen New-Wave-Anstrich zu verpassen. Trotzdem wurde es eins der meistverkauften Alben überhaupt.
Fun fact: Mindestens zwei berühmte Künstler haben sich nach der Kiste benannt: der Rapper DMX und der Hip-Hop-Produzent Davy DMX.
2. Oberheim DX
Bekanntlich konterte Linn die DMX umgehend mit der kaum teureren LinnDrum. Was machte Oberheim? Einen Gegenkonter in Form der 1983 erschienenen Oberheim DX für nicht ganz einsvier. Eine samplebasierte Drummachine, die sogar den Yamaha DX7 im Preis unterbot. Das heißt, eigentlich hat Oberheim nur seine DMX auf weniger Sounds und Polyphonie und ein einfacheres Display eingedampft, statt sie ganz neu zu entwickeln. Die Drummies dürften Oberheim derart Kohle in die Kriegskasse gespült haben, daß er ab dem Erscheinungsjahr der DX die Matrix-Reihe inklusive Xpander auf den langsam DX7-gesättigten Markt schieben konnte. Sogar ein Flaggschiff wie den exorbitanten Matrix-12 konnten sie quersubventionieren.
Die DX dürfte wenig in großen Produktionen eingesetzt worden sein – wer konnte, nahm gleich die DMX, und wer große Produktionen fuhr, konnte auch –, aber zu dem Preis machte sie sich erst recht wie ihre große Schwester im Hip-Hop breit.
3. E-mu Drumulator
Rossums Bude verstand sich als Preisbrecher. Erst unterboten die Emulators die Monstersampler von Fairlight und New England Digital (obwohl sie selbst noch so horrende teuer waren, daß es Ensoniq ein Leichtes war, sie mit dem Mirage zu unterbieten). Und dann brachten sie 1983 mit dem Drumulator eine samplebasierte Drummachine, die nicht mal $1000 kostete. Trotzdem – oder gerade deshalb – wurde die blaue Kiste mit ihren nur acht Samples (die ab dem Drumulator II immerhin 12-bittig waren) zum Erfolg auch in Chartproduktionen, etwa:
- Rockwell – "Somebody's Watching Me"
Bemerkenswert naturbelassen eröffnet die Snare des Drumulators diesen einzigen Hit, den der Sohn von Berry Gordy, Jr. bei Papis Plattenfirma hatte (daher der Spitzname, damit die Leute nicht glauben, er hätte den Vertrag von Papi bekommen) – mit Michael Jackson als Backing-Sänger. Hier zeigt sich, daß der Drumulator trotz 20% des Kaufpreises einer LM-1 sich nicht zu verstecken brauchte.
- Kenny Loggins – "Footloose"
Und wieder mehrere Sekunden Intro, die praktisch ganz alleine dem Drumulator gehören. Ab der ersten Strophe packt er nicht nur die Hi-Hat aus (inklusive Accent), sondern auch Handclaps.
- Valerie Dore – "The Night"
Drumulator und Italo Disco? Doch, paßt erstaunlich gut zusammen, gerade in dieser Nummer, die er sich mit einer mutmaßlich italienischen Stringmachine und einer bemerkenswerten Sängerin teilt.
- Depeche Mode – "Everything Counts"
Mal wieder eine ganz andere Richtung – eigentlich zwei Richtungen in einem Song, die der Drumulator beide absolviert.
- Tears For Fears – "Shout"
A prpopos Synthpop, was? Auch das ist ein Drumulator, aber mit Third-Party-EPROMS aus dem Hause Digidrums. Wunderbar verfrickelter Groove.
4. Movement MCS Drum Computer
Schieben wir mal was Obskures ein, was aber trotzdem so ziemlich jeder schon mal gehört haben sollte. Eine Hybrid-Drummachine, analog und samplebasiert nebeneinander. Mit Bildschirm à la Fairlight inklusive Lichtgriffel. Und mit QWERTY-Tastatur. Is klar.
Nee, is wirklich klar. Und der MCS basiert tatsächlich auf einem Heimcomputer. Gut, er hat keinen überragenden Klang, schon gar nicht für seinen horrenden Einstandspreis 1981. Folglich wurden auch nur an die 30 gebaut. Aber die fanden derart viele Nutzer, daß man annehmen muß, daß die Dinger ständig von Eigentümer zu Eigentümer wanderten. Denn verwendet wurde die orange Kiste, die ein bißchen wie die Karikatur eines frühen Homecomputers wirkt, so manches Mal:
- Eurythmics – "Sweet Dreams"
Hier hat Dave mit voller Absicht auch von der analogen Seite Gebrauch gemacht. Und beim Aufbau seines Kellerstudios muß die Maschine so teuer gewesen sein, daß es für ein Mikrostativ für Annie nicht mehr gereicht hat – sie hielt beim Einsingen der Nummer das Mikro in der Hand. Aber als wenn ein David A. Stewart Drumsounds von der Stange verwenden würde. Noch mehr hat der MCS zu tun auf "Love Is A Stranger", und ich verdächtige ihn, auch an "Who's That Girl" beteiligt zu sein.
- Kim Wilde – "Cambodia"
Der Song schlägt drummäßig in dieselbe Bresche. Der Song ist klanglich so entrückt, daß man auch hier mit der Analogseite kokettieren konnte. Und natürlich schööön viel Hall drauf.
Auch diese Maschine soll von Phil Collins eingesetzt worden sein – und von den Thompson Twins zeitgleich mit der mächtigeren DMX.
5. Sequential Circuits Drumtraks
Die nächsten, die "Hier!" schrieen und mit einer Drummachine wedelten, waren Sequential Circuits. Das war 1984. Die Drumtraks hatte gute Karten, denn auch wenn die im selben Jahr auf den Markt gekommene Linn 9000 ein Featuremonster war, war sie auch wieder horrende teuer. Und die Drumtraks hatte ihre eigenen netten Features. Zum einen lud SCI geradezu zum Selberbrennen von Samples auf EPROMS ein – standardmäßig kam die Drumtraks mit Samples, die von DMX und LinnDrum abgesamplet worden waren (!). Für richtig guten Sound war also Eigeninitiative gefragt. Dafür beherrschte sie Sequencing auf heutigem Niveau. Während die Linn 9000 immer noch separate Speicherplätze für unterschiedliche Lautstärken desselben Sample verwendete, konnte bei der Drumtraks die Lautstärke pro Sound und Event im Sequencer programmiert werden. Und nicht nur die, sondern auch die Tonhöhe.
Hab ich erwähnt, daß die Drumtraks von vornherein mit MIDI kam – als erste ihrer Art,
vor der Linn 9000? Aber gut, SCI selber hat Anfang 1983 mit dem Prophet-600 einen der ersten beiden Synthesizer mit MIDI vorgestellt.
Bis hierhin könnte man das so aufteilen: Linn war der Alleskönner für die Hitmacher. Oberheim war für den Hip-Hop. Und die Drumtraks war für die Frickelnasen im elektronischen Underground.
Eine Referenzsongliste für die Drumtraks aufzustellen, ist folglich noch schwieriger als für die DX, denn die Drumtraks "imitierte" im Grunde nur die Maschinen von Linn und Oberheim – wie gesagt, außer man brannte sich seine eigenen Samples oder ließ brennen.
6. Yamaha RX5
Beschließen wir diesen Teil mal mit einer japanischen Drummachine, die man so normalerweise wohl eher nicht auf dem Zettel haben sollte, und die in dem Jahr herauskam, als Linn dichtmachte, 1986. Die Technik war weiter fortgeschritten, und von Yamaha konnte man damals (Geburtsjahr des DX27 und Konsorten) so einiges Lustiges erwarten. So hat die RX5 24 Sounds, belegbar mit einem der 52 12-bittigen internen und 12 "User"-Samples (Sampling kann sie leider nicht), mit denen sie eine Menge anstellen kann – es gibt
zwei Accent-Levels jeweils, außerdem zwei Hüllkurven (Verstärker, Tonhöhe). Die RX5 hat obendrein zwei Slots für Cartridges, einen für neue Sounds inklusive neuer Samples, und einer nimmt die gute alte RAM4-Cartridge auf, auf der man seine Sequenzen etc. ablegen kann. Obendrein hat sie sowohl MIDI als auch Clock als Ein- und Ausgang und zwölf Einzelausgänge plus Click neben dem Stereopaar. Und welche Drummachine kann ihre Sounds sonst noch abdämpfen?
Neben der RX5 gab es noch eine ganze Familie weiterer Drummachines. Aber heutzutage ist sogar die RX5 noch ein regelrechter Schnapper, eben weil sie nicht die Aura des Kult umgibt.
Die RX5 ist letztlich in etliche Studios eingezogen und entsprechend auch auf nicht gerade wenigen Produktionen zu hören, bleistiftsweise:
- Dead Or Alive – "You Spin Me 'Round (Like A Record)"
Die LinnDrum hatte mitnichten das Monopol auf Hi-NRG. Die RX5 konnte das mindestens so gut – und präziser dank MIDI. Viel Nachbearbeitung erfährt sie hier nicht.
- a-ha – "The Living Daylights", "Touchy!", "You Are The One", "Stay On These Roads" und der Rest vom gleichnamigen Album
Stichwort Nachbearbeitung: sehr markant, was bei den Jungs aus der RX5-Snare wurde.
- Roxette – "The Look"
Japp, Rock kann sie auch, denn sie kann mit genügend Hall ähnlich krachig wie die Linns.
- Prince – "Sign “☮” The Times"
Man kann sich, glaub ich, ungefähr vorstellen, was passiert, wenn Prince, der gerade The Revolution aufgelöst hat und ein Soloalbum aufnimmt, der außerdem die Linn LM-1 mit zum Kult erhoben hat, sich eine Frickelmaschine wie die RX5 schnappt. Von der Bude kommt in dem Song mehr, als man glaubt. Drei Lautstärkestufen – Prince reizt das aus. Und stimmt Samples tonal, passend zum Song. Der Beweis, daß sie im Zeitalter des Spandex auch Funk konnte.
Schätze, den nächsten Teil widme ich mal den Roland-Klassikern für die, die sie noch nicht so gut kennen.
Martman