[Amp] Topteil Novik N602

uli72
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Hier nun Review meines Novik N602 Top’s.

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Vorausschicken möchte ich, dass so ein Test immer etwas Subjektives ist, weil ich voreingenommen bin. Ich bin kein Freund von hochgezüchteten Amps und Hybriden. Mit einem Kemper Profiler kann ich mich auch nicht anfreunden. Ich möchte Verstärker intuitiv bedienen und vorher keine Editierorgien abhalten. Quasi Plug an Play!

Zur Vorgeschichte
Eigentlich war / bin ich ein Freund von Einkanalern. Ich hatte schon einmal einen Marshall JCM 800 Einkanaler vor langer Zeit zum jammen. Im Prinzip ein feines Teil, aber der Preis. Auch war der clean gespielt ein wenig dünn unten drum. Es gab keinen FX. Beim Zweikanaler war immer dieser übel klingende Reverb mit am Board. Was Marshall sich dabei gedacht hat entzieht sich bis heute meiner Kenntnis, ich will es auch nicht wissen. Aber man träumte immer wieder von so einem Teil mit zeitgemäßen Ausstattungsmerkmalen.

Das Testbesteck
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Alle Tests hinken ein wenig und wenn man zig Boxen und zig Gitarren zur Hand nimmt, so wird es unübersichtlich. Zum Glück habe ich nur eine 4 x 12er und zwar meine Peavey Sheffield. Das ist eine (Tip) sehr gute und günstige Box. Zu der Zeit als die Box hergestellt worden ist hatte Peavey in diesem Bereich nicht den besten Ruf. Aus dieser Epoche hatte ich einen Peavey Ultra 60 Top. Ich bin froh es nicht mehr zu haben. Als Testbrett benutze ich mein „Allroundarbeitsgerät“, eine Rockinger Strat mit zusätzlichen Jeff Beck Junior Humbucker von Seymour Duncan.

Seitenhieb auf Marshall
Imho ist der JCM800 der letzte Verstärker von Marshall, den man als wirklich gelungen betrachten (ich lass jetzt einfach mal viele andere Ausrutscher vorher außer Acht – aber danach wurde es schlimm. Guckt euch mal die Haze Baureihe an…) kann. Danach, ab dem JCM900 wurden auch Halbleiter in den soundbestimmenden Signalweg mit verbaut. Auch mit der einfachen Modifizierbarkeit war es dann vorbei, schade.
Ich vergliche es mit Adidas. Selber spiele ich seit gefühlten 37 Jahren Fußball. Gefühlt gibt es seitdem auch den Samba Hallenschuh. Er war gut, er ist gut und er wird auch gut bleiben, trotz aller angeblichen Innovationen, die mir immer wieder Augenherpes bescheren. Aber die geilen Samba Treter gibt es immer noch, gut so!
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Wenn man bedenkt, aus welchem Grund Jim Marshall vor vielen vielen Jahren angefangen ist Verstärker selber zu bauen…. Ja richtig, der Import von Fender Verstärkern war zu teuer. Eine Ironie, wenn man heutige Preise sieht.

Persönliche Vergleiche
In der Vergangenheit hatte ich schon so einige Topteile die ich zum Vergleich heranziehen werde:
Peavey Ultra 60 – Grauenhaftes Teil!!!
Marshall JCM800 Einkanaler – Zu teuer!
Sound City PA120 Mark4 – War extrem gut aber zu laut!
Dynacord Reference500 – Wurde nicht warm mit dem Amp, komische Zerre
Laney Pro Tube Lead 30 – soundtechnisch nicht überzeugt

Zur Geschichte der Amps
Entwickelt wurde der Amp in Deutschland. Es gibt verschiedene Quellen. Die einen sagen aus, dass Dirk Baldringer und andere sagen aus, dass Ralf Reichen für die Entwicklung verantwortlich war, vielleicht aber auch beide? Wer weiß? Unumstritten ist, dass die Grundschaltung des JCM800 von Marshall Pate gestanden hat. Die Stärken dieser Schaltung sind beibehalten worden, die Schwächen eliminiert und dann wurden dem Verstärker einige Zeitgemäße Ausstattungsmerkmale beigefügt, dazu aber später mehr. Vertrieben wurde der Verstärker dann über Firma Pellarin, die es zwar heute noch gibt, aber ein Schattendasein führt. Gebaut wurden die Verstärker in Russland bei Novik. Anfang der 90er waren dort sehr viele Produktionskapazitäten frei und das Lohnniveau war sehr niedrig. Viele Bauteile stammen angeblich aus ehemaligen beständen der roten Armee, die zu der Zeit alles verschleuderte, was irgendwie zu Geld zu machen war, angeblich. Die Firma gibt es heute noch, führt aber anscheinend ein Schattendasein. Verstärker unter den Namen „Red Bear“ kommen auch aus diesem Hause. In selber zeit eroberte auch verstärker der marken Sovtek und pertersburg den Markt und sind heute sehr gefragt. Warum der Novik keinen so bleibenden Eindruck gemacht hat ist mir persönlich unverständlich.

Gehäuse
Die Holzart konnte ich zwar nicht bestimmen, aber es ist massives Holz mit Kunststoffüberzug, nein kein Tolex. Die Kanten sind mit massiven Kunststoffelementen geschützt. Vorne und hinten ist die Technik hinter lackierten Metallgittern geschützt. Der Tragegriff ist ebenfalls sehr stabil.

Frontseite
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Von rechts nach links:
Input Anschluß (ja einer reicht!!!!), darüber Kanalwahlschalter (Clean Lead), Clean Volume, Clean Trebble, Status LED grün für Clean Kanal, Clean Middle, Clean Bass, Schalter für Boost im Leadkanal, Lead Gain, darüber Status LED rot für Lead Boost, Lead Volume, Lead Trebble, darüber LED orange für Status Lead Kanal, Lead Middle, Lead Bass, Presence (für beide Kanäle), Stand By Schalter, On Off Schalter
Eigentlich ist alles extrem übersichtlich und einfach gestaltet. Gut so!
Selber stehe ich auf schwergängige Chickenheads. Die Regler sind recht leichtläufig und optisch auch nicht der Hingucker. Aber das ist Geschmackssache und beim Original auch nicht viel anders. Dem Standby- Schalter hätte man auch noch ein leuchtendes Innenleben schenken können, aber das ist beim Ausgangsamp auch nicht der Fall. Diese beiden Sachen haben aber mit dem Sound nichts zu tun!

Rückseite
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Von links nach rechts:
- Anschluss Klinke Stereo für Fußschalter Zur Kanal- und Boostwahl
- Sektion FX Loop Anschlüsse Send Return, Level Regelung, Wahlschalter parallel, seriell
- diverse Anschlußmöglichkeiten für Boxen von 4 bis 16 Ohm

Features
- 2 kanaliger Gitarrenverstärker wobei im Leadkanal ein Boost aktiviert werden kann
- Gebufferter, regelbarer Effektloop, wahlweise parallel oder seriell
- Im Signalweg befinden sich keine Halbleiter.

Technik
Leistung 50 Watt aus 2 x 5881 Röhren
Phasenumkehr mit ECC83
Preampsektion mit 3 x ECC83
Loopsektion mit 1 x ECC83
Gleichrichtung mit Dioden
Gewicht: Heavy!
Jetzt werden sich sicherlich einige fragen, wie es sein kann, dass man anstatt EL34 zu nehmen auf 5881 Röhren zurückgegriffen hat?! Zu der Zeit waren gute EL34 Mangelware. Selbst Marshall ist in dieser Zeit auf 5881 Röhren ausgewichen. Wenn man die Schaltung ein wenig abändert wird es sicher keiner hören, ob dort EL34 oder 5881 Röhren verbaut worden sind.

Verarbeitung
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Die Verarbeitung kann man mit dem Worten sehr gut und robust sehr gut beschreiben. Ales wurde von Hand auf die Platten verdrahtet, also kein PCB! Man kann ihn getrost als Referenzobjekt betrachten.

Sound/Praxis
Kommen wir nun zur Praxis. Vorweg, der Amp ist laut und ich bin froh extrem tolerante Vermieter zu haben. Man tastet sich langsam vor. Alles auf 0, Gitarre anschließen und den Amp einschalten, etwas warten und den Stand By Schalter deaktivieren, Volume ein wenig aufdrehen und nichts passiert! Hä? Alles kontrollieren und noch mal von vorne, wieder nichts. Dann ein wenig die Klangregelung aufreißen und da ist er, der Ton, peinlich! Der Cleankanal verspricht was er hält, ähm, umgekehrt! Die Klangregelung arbeitet effektiv und man hat schnell seinen Sound gefunden. Alles sehr organisch und einfach handzuhaben, im besten Sinne. Im Vergleich zum Vorbild ist die weiter reichende Klangregelung zu erwähnen, vor allem wenn es mal unten herum ein weniger voluminöser zugehen soll ohne die Höhen außer Acht zu lassen. Der Cleankanal macht seinem Namen alle Ehre. Die Zerre kommt erst recht spät, was aber auch PU abhängig ist. Vom Charakter her bleibt es britisch auch mit der erweiterten Klangregelung. Der Cleankanal harmonisiert auch mit Bodentretern, in meinem Falle mit einem Hughes & Kettner Tubefactor sogar sehr gut. Dadurch kann der Amp noch flexibler werden als er schon ohnehin ist. Der cleane Kanal wird dadurch angezeigt, dass die für diesen Kanal vorhandene grüne LED leuchtet. Der Kanalwechsel, als auch der im Leadkanal befindliche Boost können via Drucktaster oder Fußtaster (Stereo Klinke) geschaltet werden. Wenn man einen Fußschalter benutzen will sollte man zwei Sachen beachten:
1. Die Drucktaster dürfen nicht eingedrückt sein!
2. Der Fußtaster darf keine Stromverbraucher wie LED’s besitzen!
Wenn der Status auch auf dem Fußschalter ablesbar sein sollte, so benötigt man welche mit interner (Batterie) oder externer (Netzteil) Stromversorgung.
Kommen wir nun zum Leadkanal, der neben Volume auch einen Gain Regler besitzt. Die Dynamik in diesem Kanal ist schon sehr sehr schön. Selbst wenn Gain und Volume am Amp weit offen sind und man mit dem Volume Poti der Gitarre arbeitet gibt es Dynamik fast ohne Ende. Wenn man nun das Volumenpoti wieder aufdreht geht’s übern Crunsh bis zu sattem Brett, wobei gegenüber zum Amp der Pate gestanden hat, alles ein Schuss harmonischer, offener und weiter vorkommt und auch hier die Klangregelung weiter gefasst und dies nur positiv ins Auge und Ohr fällt. Aktiviert man den Boost gibt es noch einmal eine Schüppe Druck und Gain drauf, wie man ihn von gepimpten 800er kennt, nebst der verbesserten Klangregelung. Klasse!!! Wer jetzt aber ein Amp für Brutalmetal sucht ist hier falsch! Der Amp kommt aus den 90ern und spiegelt den damaligen Zeitgeist nieder. Selber würde ich ihn als kompromisslosen Rockamp bezeichnen, im positiven Sinne. Den Presenceregler hätte man sich fast schenken können, zumal er nur sehr geringen Einfluss hat.
Ein wirkliches Highlight ist der FX Loop, den ist mit diesen Ausstattungsmerkmalen beim Vorbild so nicht gab. Man kann ihn seriell und parallel betreiben. In beiden Funktionen macht er einen klasse Job und erweitert die Flexibilität des Verstärkers ungemein. Ich habe aber nicht die Endstufe mit anderen Preamps ausprobiert oder den Preamp in eine andere Endstufe laufen lassen, weil ich nicht die passenden Gerätschaften dafür habe und da mich der Sound von dem Novik einfach nur begeistert habe ich auch keine Veranlassung diesbezüglich. Bei meinen Test habe ich fast nur ohne Effekte gespielt, hatte aber teilweise ein wenig Delay und Chorus am Board. Damit kann man schon einige Sachen anstellen, aber wie gesagt, ohne klingt der verstärker auch. Das können bei weitem nicht alle Amps von sich behaupten. Abgerundet wird das Ergebnis durch die vielfältigen Anschlussmöglichkeiten für Boxen.

+/-
+ Sound Sound Sound
+ Dynamik
+ Flexibilität
+ Qualität Verarbeitung
+ Ausstattung
+ Konzept
- Fußschalter siehe Text (hat aber nichts mit der Soundqualität zu tun)
- Standby- Schalter siehe Text (hat aber nichts mit der Soundqualität zu tun)
- Presence Regler schwacher Wirkungsgrad

Resümee
Mir hat das Teil 450 € gekostet und es war jeden Euro wert. Ein vergleichbar ausgestatteter Amp mit M-Schild würde wesentlich teurer ausfallen. Wer ein kompromissloses Rockamptop sucht und ein Exemplar dieses seltenen Verstärkers findet sollte unbedingt zuschlagen. Robuste gute Technik, sinnhaltige und reichhaltige Ausstattung und und und.
Meines werde ich nicht verkaufen!
 
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Hatte ich noch nie gehört. Klingt gut und klasse geschriebenes Review! Kekse!
 
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Interessantes Review über einen interessanten Amp! :great:

Ich bin mir nicht ganz sicher, würde aber fast meinen, diese braunen Widerstände meistens bzw. fast immer in Geräten (damals) sowjetischer Herkunft gesehen zu haben. :gruebel:

Edit: OK, überlesen, Du schriebst es ja...
 
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Ein Kumpel von mir hatte vor Jahren den großen Bruder. Hätte ich gewußt wie das teil von innen aufgebaut ist hätte ich die Kiste . Die Kiste war sehr schwierig leise mit dem richtigen Punch zu spielen ,haben leider nie nen TubeScreamer davor geschaltet aber damit wäre das die ultimative kiste .Er hat ihn damals mit ner Park 4x12 (140 W) gekauft . ist aber bestimmt schon 10 Jahre her.
 
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Genau so einen habe ich seit über zehn Jahren, damals für 270 Euro gekauft! :)
Den gebe ich auch nicht mehr ab! Ich habe in der Zwischenzeit immer mal wieder einen 800er Marshall hier gehabt (2204 und 2203), die nicht dagegen anstinken konnten.
Meiner hat übrigens 6L6-Röhren.
Irgendwo auf seiner Homepage erwähnt Herr Reichen auch, daß er an der Entwicklung beteiligt war.
 
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Ich kann den Bericht nur bestätigen ,ein toller Amp.
Für alle die einen besseren Marshall JCM800 hanem wollen sei gesagt,
er ist jeden €uro wert den er kostet.


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Und ich habe ihn als Combo gefunden, gekauft und durchchecken lassen.
Bin immer wieder vom neuen begeistert.
Die Speaker sind Rockstandard.


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Wobei der G&B Berichtihn etwas zu weit in der californischen Ecke drückt...
 
Ist Jahre her dass ich den Bericht las.
Aber ich fand den Amp damals schon cool und als ich dann das hier vorgestellte Modell gespielt hatte war ich schnell überzeugt.
 

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