Hallöchen,
alle Jahre wieder grüsst täglich das Murmeltier…
Ich halte eine deutlich differenziertere Sichtweise für sinnvoll.
Insbesondere bei gepinnten Threads ist es sicher wichtig alle Seiten zu beleuchten, aber auch Polemik zu vermeiden und auf den Diskussionstil zu achten, oder nicht?
Es lassen sich nur schwer allgemein gültige Aussagen zur Auswirkung von Cupping auf die Richtcharakteristik treffen – der Korb des verwendeten Mikrofons hat grossen Einfluss und ebenso die jeweiligen individuellen Handfaktoren (Haltung, Grösse der Hand usw.).
Es ist aber so, dass die Richtcharakteristik immer deutlich verändert und deutlich uneinheitlicher wird, teilweise wird die Charakteristik deutlich aufgeweitet, es können in selektiven Frequenzbereichen ausgeprägte Nebenkeulen entstehen, im schlimmsten Fall entsteht eine Quasi-Kugelcharakteristik.
Die Effekte sind relativ unvorhersehbar und von Mikrofontyp zu Mikrofontyp verschieden – sowohl als Sänger, der Cupping einsetzt als auch als damit konfrontierter Tontechniker sollte man das für sich genau austesten.
Je grösser der Mikrofonkorb im Verhältnis zur Kapsel, desto mehr bleibt beim Cuppen von der Richtcharakteristik erhalten und desto leichter ist eine zielgerichtete Handhaltung – daher sind Mikrofone mit grösserem Korb vorzuziehen (beispielsweise also das SM58 dem SM57).
Vorteilhaft ist eine nicht völlige Abdeckung des rückwärtigen Korbes, sondern eine möglichst homogene Abdeckung der mittleren Korbzone und ein leichtes Oeffnen nach hinten – idealerweise greifen also Daumen, Zeige- und Mittelfinger eng und Ring- und kleiner Finger so weit, dass zumindest ein Spalt zwischen Korb, Griff und Fingern bleibt (messtechnisch müssen mindestens 15% der rückwärtigen Korbfläche als Spaltfläche erhalten bleiben – dadurch bleibt die Richtcharakteristik auch in ihrer Homogenität beim Cuppen bestmöglich erhalten (bestmöglich, aber nicht vollständig – die oben angeführten Probleme entstehen trotzdem, eben in schwächerem Mass).
Je grösser eine rückwärtige Oeffnung bleibt, desto besser bleibt die Richtwirkung in diese Richtung erhalten – typisch sieht man diesen Effekt beim beidhändigen Cuppen. Dort kann unauffällig eine deutliche Oeffnung unterhalb der Daumenballen bleiben, die die urspüngliche Dämpfung in diese Richtung gut erhält (in Einzelfällen kann sogar eine frequenzselektive Erhöhung der Dämpfung eintreten. Wird diese Oeffnung dann in Richtung der Haupteinstreurichtung gerichtet, wirkt sich das sehr positiv auf Feedbackvermeidung aus.
Die häufiger zu sehende Positionierung des Mikrofons beim beidhändigen Cuppen deutlich über dem Mund ist also nicht nur „cool“ – die Oeffnung unterhalb der Daumenballen wird so auf in der Front stehende Bühnenmonitore ausgerichtet. So sind dann bei richtiger Haltung auch grössere Abstände zwischen Kapsel und Mund möglich und der Sänger kann die entstehenden Effekte kreativ nutzen.
Trotzdem: bei noch so geschickter Handhabung verliert man objektiv bei gleichem Gesangspegel immer mindestens 1,5-3dB Gain before Feedback. Man vergleicht einfach Aepfel mit Birnen, wenn man nicht bei identischem Eingangspegel vergleicht.
Objektiv gesehen steigt die Gefahr von Feedbacks beim Cuppen also durchaus – bei geschickter Handhabung aber in tolerierbaren und praktikablem Ausmass.
Es ist viel zu ungenau Cuppen Pegelverstärkung zuzuschreiben. Der Effekt ist einfach messbar, dabei sieht man sehr gut, dass Cuppen nur sehr frequenzselektiv verstärkt, einzelne Frequenzbereiche im Mittel pegelgleich bleiben und einzelne Bereiche durch Auslöschung sogar reduziert werden. Es entstehen Kammfilter mit der typischen Ausprägung. Diese Pegeleffekte sind in der obigen Aussage zu Gain before Feedback bereits berücksichtigt.
Ich halte es für unangemessen zu suggerieren, extrem hohe Gesangspegel würden den Umgang mit Cuppen erleichtern. Natürlich ist es immer hilfreich hohen Nutzpegel zu haben, aber:
Die modernen Heavy-Gesangstechniken sind ohnehin schon eine teils extreme Belastung für die Stimmorgane, jede Pegelerhöhung potenziert die möglichen Gefahren für die Stimmorgane.
Gerade Sänger mit ungeschulter Technik sollten definitiv nicht versuchen über ein Mehr an Pegel Probleme beim Cuppen zu kompensieren!
Grundsätzlich kann ich nur empfehlen erstmal die Gesangstechnik zu schulen (und ich verneine, dass man das korrekt im Selbststudium erarbeiten kann) und die für sich richtigen (stimmschonenden und –erhaltenden) Pegel zu finden und dann auch beim Cuppen die richtige Technik für das eigene Set-Up zu erarbeiten – damit kann auf jeden Fall eine sinnvolle Arbeitsbasis für die Tontechnik geboten werden.
Als Techniker sollte man diese Grundlagen natürlich verinnerlicht haben, für das eigene Mikrofonprogramm en detail durchgearbeitet haben, mit „eigenen“ Bands sinnvoll erarbeiten und „fremden“ Musikern spätestens beim Sound-Check vermitteln. Es ist immer hilfreich, sich bereits im Vorfeld detailliert mit den zu erwartenden Bands auseinanderzusetzen…
Abschliessend noch ein Zitat von mir von 2009:
„Der kreative Umgang mit der Handhaltung am Mikrofonkorb kann ein sehr wertvolles Stilmittel für einen Sänger/Sängerin sein, den Grundsound vielfältig zu modifizieren, so eine Art händisches Effektgerät. Die erreichbaren Effekte gehen weit über blosses "Dumpfmachen" oder "Druckmachen" hinaus.
(…)
Der erste Stimmkünstler, bei dem mir das aufgefallen ist, war vor über 20 Jahren übrigens Bobby McFerrin... ( – ist also nicht nur auf härtere Musikarten beschränkt, im experimentellen Vocal-Jazz findet sich das tatsächlich schon lange)
Wird eine bestimmte Griffhaltung am Mikrofonkorb aber durchgängig und ohne gezielte und bewusste Variation benutzt, wie es tatsächlich bei sehr vielen Hiphoppern und Metallern der Fall ist, wird dadurch einfach im besten Fall versucht einen durchgängigen Grundsound zu erzielen und im dööfsten Fall geht es einfach nur um Optik.
Dabei muß aber jedem klar sein, daß der Tontechniker am FoH-Pult weitaus grössere und bessere Möglichkeiten zur Klangformung hat als die Griffweise ermöglicht. Der Tontechniker kann allein über den EQ viel gezielter den gewünschten Grundsound erreichen als der Sänger über stumpfes Cupping (von gezieltem Effektgeräteinsatz mal ganz abgesehen...) - gleichzeitig verursacht das Cupping in seiner einfachsten Form eben (…) Probleme beim Monitoring und für den Frontsound, weil bei ungeschicktem Cupping und hohen Lautstärken durchaus auch erhebliche Rückkopplungen in der Front-PA auftreten können. Zumindest müssen dann sehr oft tiefe Equalizereingriffe gemacht werden, die den Klang deutlich beeinträchtigen können.
Daher ist dringend davon abzuraten solches durchgängiges unvariiertes Cupping anzuwenden.
Gerade bei noch nicht so Geübten am Mikrofon rate ich dringend, sich lieber darauf zu konzentrieren gut mit der Stimme zu arbeiten und ansonsten eine Handhaltung zu pflegen, die den Mikrofonkorb in keinster Weise abdeckt - und eben den gewünschten Sound mit dem Tontechniker vor Ort abzusprechen. Kommunikation ist alles!
Wenn dann die grundsätzliche Technik am Mikrofon verstanden und gekonnt ist (und allein über Winkel und Abstand kann man sehr viel erreichen - alle Winkeleffekte sind aber weg bei Cupping), kann man immer noch mit gezieltem Cupping zur Klangformung an gezielten Effektstellen experimentieren - an Stellen beispielsweise, wo man zusätzliche Stimmeffekte haben möchte, es aber unmöglich wäre einem fremden Techniker das punktgenau für einen Gig zu erklären.
In solchen Fällen sollte der Techniker aber ausdrücklich darauf hingewiesen werden und sollte man das auch während des Soundchecks schon ausprobiert haben um Rückkopplungen während der Show zu vermeiden.“
Ciao, Günther
Edit: Mist, da war schon wieder jemand schneller... ;-)