PeterHadTrapp
Registrierter Benutzer
Hallo Leute,
es ist ein bisschen länger her, seit ich mich hier im Forum zuletzt zu Wort gemeldet habe, aber das heißt nicht, dass inzwischen nichts passiert wäre
Ich möchte gerne die folgende kleine Geschichte mit Euch teilen.
Vorsicht, es ist viel Text, wer keine Lust hat ein paar Minuten zu lesen, sollte vielleicht gleich weiterklicken
Mein Sohn Noah (12) und ich gehen zusammen zum gleichen Gitarren ( und Bass-) Lehrer, seit etwa einem dreiviertel Jahr, hier in voller Aktion:
Für mich war das der Einstieg ins Bassspielen, Noah spielt allerdings schon etwa dreieinhalb Jahre Gitarre. Nun sollte Noah in dieser Woche eigentlich einen Rockmusikworkshop auf Burg Fürsteneck mitmachen, zusammen mit seinem guten Freund Jakob (14). Der Workshop wurde, ihr ahnt es vielleicht schon, mangels Teilnehmer abgesagt.
Das tat mir sehr leid und ich überlegte, was ich für die Jungs tun könnte, damit sie nicht ganz leer ausgingen. Also habe ich die Idee gehabt, mal bei Dennis (unserem Lehrer) anzufragen, ob er sich nicht vorstellen könnte zu einem 2-Tage-Miniworkshop zu uns zu kommen und mit Jakob und Noah mal richtig schön Mucke zu machen, mehr hatte ich mir gar nicht vorgestellt. Dennis fand die Idee gut und meinte dann sofort: "aber dann spielst Du den Bass". OK, dachte ich das ist ja umso besser. Meine beiden "Mädels" (meine Liebste und unsere Tochter) hatten wir glücklicherweise per "Frauenluftverschickung" für eine Woche nach Irland wegverurlaubt, sodass wir hier tatsächlich "sturmfreie Bude" für die zwei Tage hatten.
Ich hatte alles soweit vorbereitet, hier unser "Workshopräumchen":
und mit Besetzung:
Also trafen wir "Männer" uns am ersten Tag gegen Mittag und hatten nach einer gemeinsamen Mahlzeit eine Einstiegseinheit um uns warmzuschrammeln. Dabei stellte sich verblüffenderweise sofort ein schönes grooviges Gefühl bei uns allen ein. Wir haben uns mit den Liedern, die Noah und ich bei Dennis schon am besten können (alles relativ ... *lach*) eingespielt (Santanas Black Magic Woman, Zombie von den Cranberries und mein Lieblings-Gallagher-Song Shadow Play). An Shadow Play sind wir dann hängen geblieben und wollten das Stück vertiefen und verfeinern. Jakob, der aus einer Musikerfamilie kommt, konnte sich sofort ansatzlos einklinken. Wie gesagt, groovte gut, klang in dem kleinen Raum auch wirklich nicht übel, nur irgendwas fehlte ... na was wohl - genau: Drums.
Dennis ging dann im Internet ein bisschen suchen und hatte in Nullkommanix ein passendes Drumsample gefunden, das vom Takt, vom Tempo und vom Aufbau her gut kompatibel war und damit machte das schon richtig Laune. Deshalb wurde dann mein Sohn als Freiwilliger bestimmt singen zu müssen.
Noah soll eh an seinem Gesang weiterarbeiten und wo könnte er das besser. Dann also nochmal Shadow Play gespielt mit allem was man so braucht. Das Lied hat, was auch seinen Reiz mit ausmacht, drei Solo-Gitarrenparts, sodass von den anwesenden Gitarristen jeder mal zum Zug kam.
Jou. Und da saßen wir also und dachten - ey klasse !!!!!! Wenn man das jetzt irgendwie, notfalls noch so improvisiert, "konservieren" könnte, das wäre ja ein Traum und sei es nur um Luftfernverschickte Familienreste nach deren Rückkehr zu beeindrucken. Ich hatte dann kurz das Gefühl, dass Dennis auf diesen Wunsch nur gewartet hatte ...
Tatsächlich hat sein Fender Gitarren-Amp ein eingebautes Interface (keine Ahnung wie das im einzelnen funktioniert), mit dem man in echt akzeptabler (für meine Begriffe wirklich brauchbarer) Soundqualität dann auf die Soundkarte des PCs gehen kann. Aufgezeichnet wurde mit Audacity.
Nun gab es ein neues Problem: KEIN MIKRO !!
Doch da hatten wir die Rechnung ohne meinen in zahllosen Singstarschlachten gestählten Junior gemacht. Der holte kurzerhand eines seiner höchstprofessionellen High-End-Singstarmikros aus der Kiste. Also aus einem Fotostativ (sowas gibts in meinen Haus ja reichlich) mithilfe von Panzertape einen Mikroständer improvisiert und los gings.
Dann wurde der Song nochmal komplett durchgespielt und ab da kam hier richtig Studioatmosphäre auf. Die einzelnen Instrumente wurden auf einzelne Tonspuren aufgezeichnet, zuvor hatten die Gitarristen die Rhytmusgitarrenparts einmal komplett eingespielt, quasi als Pilotspur zur Orientierung für die Einzelaufnahmen und dann wurden unsere Parts abgearbeitet.
Für mich alles blankes Hexenwerk, dass sowas überhaupt funktionierte ... MIT NIX !!!! an Equipment. Der Wahnsinn, ich bin aus dem Staunen nicht mehr rausgekommen. Nachdem dann der alte Mann ohne Haare (also ich) mit vor Nervosität schweißnassen Fingern seinen Basslauf eingespielt hatte, haben wir die heranwachsenden Jungs fürs Aufnehmen der Gesangsspur alleine gelassen und haben gemacht, was erwachsene Jungs in Pausen so machen. Mannomann, so gut hat ewig keine Kippe mehr geschmeckt, nachdem ich das geschafft hatte.
Dank der Tatsache, dass meine Mitarbeit dann für eine gewisse Zeit nicht mehr vonnöten war, konnte ich mit beherzten archaischen Maßnahmen der fortschreitenden Gefahr des Verhungerns entgegentreten: Grill an - Fleisch drauf. Irgendwann habe ich dann die Restband(e) zum Essen gerufen. Wer nun damit rechnet, dass die Herren mir Tellerstapel und Getränke mitgebracht hätten, sieht sich getäuscht. Vielmehr betraten drei breitest grinsende Männer unterschiedlichen Alters die Terrasse, stellten kommentarlos das tragbare CD-Radio, in dem ein USB-Stick steckte, auf den Tisch und drückten die Play-Taste.
Und dann fiel mir die Klappe. Da kam Gallaghers Shadaw Play aus den Lautsprechern, gut groovend, praktisch in Original-Geschwindigkeit (ja ... wirklich, ich hatte gut zu tun bei der Bassline) aber von uns gespielt ... VOOON UUUUUNS.
Für mich ein unglaublicher Moment. Ich sitze da und höre zum ersten Mal Musik, die ich selbst (mit)gespielt habe, und das klingt tatsächlich richtig nach Musik einer ganzen Band. Ich denke mal, manche unter Euch werden sich noch an solche Augenblicke erinnern und welche Gefühle da in einem Achterbahn fahren ... Hammer.
Das ist ja in den zwei Tagen nicht mehr zu toppen, war mein erster Gedanke. Aber damit lag ich meilenweit daneben ...
Dann verschlangen stolze Musiker Unmengen an tierischen Eiweißen und Proteinen und freuten sich gegenseitig Löcher in die Knie. Überflüssig zu erwähnen, dass UNSER Shadow Play dabei noch zig mal aus den Böxchen fönte.
Nach dem Essen gab es die nächste überraschende Wendung. "Gitarren brauchen wir jetzt erstmal keine sondern ein gescheites Lagerfeuer" war die Ansage von Dennis.
*Aha* ... Als die Flammen schön am flackern waren, ging es genauso verblüffend weiter. "Jetzt kriegt jeder ein leeres Blatt und einen Stift". Ich wunderte mich über garnix mehr und holte die gewünschten Dinge. Nun sollten wir jeder einen Vierzeiler dichten, der uns gerade in den Sinn kam. Diese "geistigen Ergüsse" lasen wir uns dann gegenseitig vor. Danach wurde das Blatt gewendet und jeder schrieb nur noch eine Zeile, dann wurden die Blätter zum Nachbarn weitergegeben, das Ganze viermal, sodass jeder jedes Blatt einmal beschrieben hatte. Aus diesen neuen "gemischten Vierzeilern" und aus denen aus der ersten Runde haben wir dann gemeinsam ein "Gedicht" zusammengeschustert. Sehr erstaunlich war, wie gut die darin ausgedrückten Gefühle und Gedanken miteinander harmonierten, quasi zusammenpassten. Vielleicht eine Auswirkung davon, dass wir ein paar Stunden sehr intensiv mit gemeinsamer Musik verbracht haben. Wenn das eine Qualität des gemeinsamen musizierens ist, dann bin alleine für diese Erfahrung der dankbarste Mensch der Welt.
"Jou, meinte Dennis, dann haben wir ja jetzt schon vier Strophen und Material für eine Bridge und den Refrain".
Hä, wie jetzt ... das soll ein Lied werden ???
Also wurden die Instrumente geholt (trocken gespielt ... jaja, die Nachbarn). Ein paar scheinbar harmlose Akkorde von Dennis und den Jungs, ein paar Bassgrundtöne dazu und plötzlich war da eine Melodie. Mit diesem für mich vollkommen unerklärlichen Ergebnis haben wir die beiden jungen ins Bett geschickt, gut dass keine Mütter anwesend waren und auf die Uhr schauen konnten.
Nach einem kräftigen Frühstück ging es dann am Morgen des zweiten Tages zurück an die Amps und das Lied, das dann auch irgendwann einen Namen bekam, nämlich "tönendes Feld" wurde noch verfeinert, ausgebaut und was dabei rauskam war dann eine schöne deutsche Rockballade mit einem schlichten Bassintro (ja, in der Tat!), einem "Gesangsteil" mit vier Strophen und zweimal Bridge und Refrain und einem Instrumental-Teil in dem die Gitarristen ihre Parts bekamen.
Noah und Jakob haben sich einer Art Gitarrendialog beim Solo zunächst abgewechselt und Dennis hat das Ganze dann mit einem Stück Solo von sich abgerundet, Jakob hatte dann noch die Idee für das Outro. Das saß dann ruckzuck und es schloss sich wiederum das Aufnahmeprozedere ab, dank der gestrigen Erfahrungen von uns schon seeeehr professionell abgewickelt, mein Part war deutlich weniger anspruchsvoll, was das Tempo anging, als gestern bei Gallagher. Noah musste wieder singen und ich kochen.
Nach dem Mittagessen (ich hab irgendwie, na was wohl ... klaro ... Nudeln mit Tomatensoße ge-quick-kocht) wurden dann noch letzte Korrekturen an den Aufnahmen durchgeführt und kleinere Stellen nochmal neu gemacht und schließlich war es fertig.
UNSER LIED. VON UNS getextet, von uns "komponiert" und von uns gespielt und gesungen. Unser eigenes Lied. Während ich diese Zeilen hier schreibe, kann ich es immer noch kaum glauben.
Unser ganzer kleiner Workshop endete dann so, dass wir mit festgetackertem Grinsen zu viert im Wohnzimmer auf dem Sofa saßen und die Stereoanlage in ordentlicher Lautstärke unsere beiden Produktionen spielte.
Was mir da alles durch den Kopf und durchs Herz ging ...
Ich dilettiere jetzt seit gerade mal einem dreiviertel Jahr auf dem Bass herum, wenn jemand vor 9 Monaten zu mir gesagt hätte, Du wirst in noch nichteinmal einem Jahr dasitzen und ein Lied hören, dass Du selbst mitkomponiert, getextet und gespielt hast, dann hätte ich dem einen Vogel gezeigt, der wäre so groß, dass er glatt vom Himmel fallen würde, weil sowas dickes schweres überhaupt nicht fliegen könnte ...
Der Stolz auf den eigenen Sohn, ein wunderbares Vatergefühl. Die Dankbarkeit für das erlebte und die intensiven Stunden.
Und dann der Stolz auf das schöne Musikstück.
Klar: Euphorie, Adrenalin, Gefühlsdynamik von zwei Tagen färben natürlich die Einschätzung, aber mir gefällt es jetzt mit dem Abstand von ein paar Stunden immer noch).
Das Glücksgefühl darüber, sich damals gegen die Vorbehalte meiner Frau durchgesetzt zu haben und den Gitarrenlehrer zu wechseln, hin zu Dennis. Die Freude darüber so jemanden überhaupt getroffen zu haben im Leben. Ein wahrhaft magischer Moment, dem sich keiner von uns Vieren entziehen konnte.
He, ich bin fünfzig ... das ich nochmal so eine völlig neue Welt entdecke, das hätte ich mir vor einem Jahr nicht ansatzweise träumen lassen.
Wie schön ...
es ist ein bisschen länger her, seit ich mich hier im Forum zuletzt zu Wort gemeldet habe, aber das heißt nicht, dass inzwischen nichts passiert wäre
Ich möchte gerne die folgende kleine Geschichte mit Euch teilen.
Vorsicht, es ist viel Text, wer keine Lust hat ein paar Minuten zu lesen, sollte vielleicht gleich weiterklicken
Mein Sohn Noah (12) und ich gehen zusammen zum gleichen Gitarren ( und Bass-) Lehrer, seit etwa einem dreiviertel Jahr, hier in voller Aktion:
Für mich war das der Einstieg ins Bassspielen, Noah spielt allerdings schon etwa dreieinhalb Jahre Gitarre. Nun sollte Noah in dieser Woche eigentlich einen Rockmusikworkshop auf Burg Fürsteneck mitmachen, zusammen mit seinem guten Freund Jakob (14). Der Workshop wurde, ihr ahnt es vielleicht schon, mangels Teilnehmer abgesagt.
Das tat mir sehr leid und ich überlegte, was ich für die Jungs tun könnte, damit sie nicht ganz leer ausgingen. Also habe ich die Idee gehabt, mal bei Dennis (unserem Lehrer) anzufragen, ob er sich nicht vorstellen könnte zu einem 2-Tage-Miniworkshop zu uns zu kommen und mit Jakob und Noah mal richtig schön Mucke zu machen, mehr hatte ich mir gar nicht vorgestellt. Dennis fand die Idee gut und meinte dann sofort: "aber dann spielst Du den Bass". OK, dachte ich das ist ja umso besser. Meine beiden "Mädels" (meine Liebste und unsere Tochter) hatten wir glücklicherweise per "Frauenluftverschickung" für eine Woche nach Irland wegverurlaubt, sodass wir hier tatsächlich "sturmfreie Bude" für die zwei Tage hatten.
Ich hatte alles soweit vorbereitet, hier unser "Workshopräumchen":
und mit Besetzung:
Also trafen wir "Männer" uns am ersten Tag gegen Mittag und hatten nach einer gemeinsamen Mahlzeit eine Einstiegseinheit um uns warmzuschrammeln. Dabei stellte sich verblüffenderweise sofort ein schönes grooviges Gefühl bei uns allen ein. Wir haben uns mit den Liedern, die Noah und ich bei Dennis schon am besten können (alles relativ ... *lach*) eingespielt (Santanas Black Magic Woman, Zombie von den Cranberries und mein Lieblings-Gallagher-Song Shadow Play). An Shadow Play sind wir dann hängen geblieben und wollten das Stück vertiefen und verfeinern. Jakob, der aus einer Musikerfamilie kommt, konnte sich sofort ansatzlos einklinken. Wie gesagt, groovte gut, klang in dem kleinen Raum auch wirklich nicht übel, nur irgendwas fehlte ... na was wohl - genau: Drums.
Dennis ging dann im Internet ein bisschen suchen und hatte in Nullkommanix ein passendes Drumsample gefunden, das vom Takt, vom Tempo und vom Aufbau her gut kompatibel war und damit machte das schon richtig Laune. Deshalb wurde dann mein Sohn als Freiwilliger bestimmt singen zu müssen.
Noah soll eh an seinem Gesang weiterarbeiten und wo könnte er das besser. Dann also nochmal Shadow Play gespielt mit allem was man so braucht. Das Lied hat, was auch seinen Reiz mit ausmacht, drei Solo-Gitarrenparts, sodass von den anwesenden Gitarristen jeder mal zum Zug kam.
Jou. Und da saßen wir also und dachten - ey klasse !!!!!! Wenn man das jetzt irgendwie, notfalls noch so improvisiert, "konservieren" könnte, das wäre ja ein Traum und sei es nur um Luftfernverschickte Familienreste nach deren Rückkehr zu beeindrucken. Ich hatte dann kurz das Gefühl, dass Dennis auf diesen Wunsch nur gewartet hatte ...
Tatsächlich hat sein Fender Gitarren-Amp ein eingebautes Interface (keine Ahnung wie das im einzelnen funktioniert), mit dem man in echt akzeptabler (für meine Begriffe wirklich brauchbarer) Soundqualität dann auf die Soundkarte des PCs gehen kann. Aufgezeichnet wurde mit Audacity.
Nun gab es ein neues Problem: KEIN MIKRO !!
Doch da hatten wir die Rechnung ohne meinen in zahllosen Singstarschlachten gestählten Junior gemacht. Der holte kurzerhand eines seiner höchstprofessionellen High-End-Singstarmikros aus der Kiste. Also aus einem Fotostativ (sowas gibts in meinen Haus ja reichlich) mithilfe von Panzertape einen Mikroständer improvisiert und los gings.
Dann wurde der Song nochmal komplett durchgespielt und ab da kam hier richtig Studioatmosphäre auf. Die einzelnen Instrumente wurden auf einzelne Tonspuren aufgezeichnet, zuvor hatten die Gitarristen die Rhytmusgitarrenparts einmal komplett eingespielt, quasi als Pilotspur zur Orientierung für die Einzelaufnahmen und dann wurden unsere Parts abgearbeitet.
Für mich alles blankes Hexenwerk, dass sowas überhaupt funktionierte ... MIT NIX !!!! an Equipment. Der Wahnsinn, ich bin aus dem Staunen nicht mehr rausgekommen. Nachdem dann der alte Mann ohne Haare (also ich) mit vor Nervosität schweißnassen Fingern seinen Basslauf eingespielt hatte, haben wir die heranwachsenden Jungs fürs Aufnehmen der Gesangsspur alleine gelassen und haben gemacht, was erwachsene Jungs in Pausen so machen. Mannomann, so gut hat ewig keine Kippe mehr geschmeckt, nachdem ich das geschafft hatte.
Dank der Tatsache, dass meine Mitarbeit dann für eine gewisse Zeit nicht mehr vonnöten war, konnte ich mit beherzten archaischen Maßnahmen der fortschreitenden Gefahr des Verhungerns entgegentreten: Grill an - Fleisch drauf. Irgendwann habe ich dann die Restband(e) zum Essen gerufen. Wer nun damit rechnet, dass die Herren mir Tellerstapel und Getränke mitgebracht hätten, sieht sich getäuscht. Vielmehr betraten drei breitest grinsende Männer unterschiedlichen Alters die Terrasse, stellten kommentarlos das tragbare CD-Radio, in dem ein USB-Stick steckte, auf den Tisch und drückten die Play-Taste.
Und dann fiel mir die Klappe. Da kam Gallaghers Shadaw Play aus den Lautsprechern, gut groovend, praktisch in Original-Geschwindigkeit (ja ... wirklich, ich hatte gut zu tun bei der Bassline) aber von uns gespielt ... VOOON UUUUUNS.
Für mich ein unglaublicher Moment. Ich sitze da und höre zum ersten Mal Musik, die ich selbst (mit)gespielt habe, und das klingt tatsächlich richtig nach Musik einer ganzen Band. Ich denke mal, manche unter Euch werden sich noch an solche Augenblicke erinnern und welche Gefühle da in einem Achterbahn fahren ... Hammer.
Das ist ja in den zwei Tagen nicht mehr zu toppen, war mein erster Gedanke. Aber damit lag ich meilenweit daneben ...
Dann verschlangen stolze Musiker Unmengen an tierischen Eiweißen und Proteinen und freuten sich gegenseitig Löcher in die Knie. Überflüssig zu erwähnen, dass UNSER Shadow Play dabei noch zig mal aus den Böxchen fönte.
Nach dem Essen gab es die nächste überraschende Wendung. "Gitarren brauchen wir jetzt erstmal keine sondern ein gescheites Lagerfeuer" war die Ansage von Dennis.
*Aha* ... Als die Flammen schön am flackern waren, ging es genauso verblüffend weiter. "Jetzt kriegt jeder ein leeres Blatt und einen Stift". Ich wunderte mich über garnix mehr und holte die gewünschten Dinge. Nun sollten wir jeder einen Vierzeiler dichten, der uns gerade in den Sinn kam. Diese "geistigen Ergüsse" lasen wir uns dann gegenseitig vor. Danach wurde das Blatt gewendet und jeder schrieb nur noch eine Zeile, dann wurden die Blätter zum Nachbarn weitergegeben, das Ganze viermal, sodass jeder jedes Blatt einmal beschrieben hatte. Aus diesen neuen "gemischten Vierzeilern" und aus denen aus der ersten Runde haben wir dann gemeinsam ein "Gedicht" zusammengeschustert. Sehr erstaunlich war, wie gut die darin ausgedrückten Gefühle und Gedanken miteinander harmonierten, quasi zusammenpassten. Vielleicht eine Auswirkung davon, dass wir ein paar Stunden sehr intensiv mit gemeinsamer Musik verbracht haben. Wenn das eine Qualität des gemeinsamen musizierens ist, dann bin alleine für diese Erfahrung der dankbarste Mensch der Welt.
"Jou, meinte Dennis, dann haben wir ja jetzt schon vier Strophen und Material für eine Bridge und den Refrain".
Hä, wie jetzt ... das soll ein Lied werden ???
Also wurden die Instrumente geholt (trocken gespielt ... jaja, die Nachbarn). Ein paar scheinbar harmlose Akkorde von Dennis und den Jungs, ein paar Bassgrundtöne dazu und plötzlich war da eine Melodie. Mit diesem für mich vollkommen unerklärlichen Ergebnis haben wir die beiden jungen ins Bett geschickt, gut dass keine Mütter anwesend waren und auf die Uhr schauen konnten.
Nach einem kräftigen Frühstück ging es dann am Morgen des zweiten Tages zurück an die Amps und das Lied, das dann auch irgendwann einen Namen bekam, nämlich "tönendes Feld" wurde noch verfeinert, ausgebaut und was dabei rauskam war dann eine schöne deutsche Rockballade mit einem schlichten Bassintro (ja, in der Tat!), einem "Gesangsteil" mit vier Strophen und zweimal Bridge und Refrain und einem Instrumental-Teil in dem die Gitarristen ihre Parts bekamen.
Noah und Jakob haben sich einer Art Gitarrendialog beim Solo zunächst abgewechselt und Dennis hat das Ganze dann mit einem Stück Solo von sich abgerundet, Jakob hatte dann noch die Idee für das Outro. Das saß dann ruckzuck und es schloss sich wiederum das Aufnahmeprozedere ab, dank der gestrigen Erfahrungen von uns schon seeeehr professionell abgewickelt, mein Part war deutlich weniger anspruchsvoll, was das Tempo anging, als gestern bei Gallagher. Noah musste wieder singen und ich kochen.
Nach dem Mittagessen (ich hab irgendwie, na was wohl ... klaro ... Nudeln mit Tomatensoße ge-quick-kocht) wurden dann noch letzte Korrekturen an den Aufnahmen durchgeführt und kleinere Stellen nochmal neu gemacht und schließlich war es fertig.
UNSER LIED. VON UNS getextet, von uns "komponiert" und von uns gespielt und gesungen. Unser eigenes Lied. Während ich diese Zeilen hier schreibe, kann ich es immer noch kaum glauben.
Unser ganzer kleiner Workshop endete dann so, dass wir mit festgetackertem Grinsen zu viert im Wohnzimmer auf dem Sofa saßen und die Stereoanlage in ordentlicher Lautstärke unsere beiden Produktionen spielte.
Was mir da alles durch den Kopf und durchs Herz ging ...
Ich dilettiere jetzt seit gerade mal einem dreiviertel Jahr auf dem Bass herum, wenn jemand vor 9 Monaten zu mir gesagt hätte, Du wirst in noch nichteinmal einem Jahr dasitzen und ein Lied hören, dass Du selbst mitkomponiert, getextet und gespielt hast, dann hätte ich dem einen Vogel gezeigt, der wäre so groß, dass er glatt vom Himmel fallen würde, weil sowas dickes schweres überhaupt nicht fliegen könnte ...
Der Stolz auf den eigenen Sohn, ein wunderbares Vatergefühl. Die Dankbarkeit für das erlebte und die intensiven Stunden.
Und dann der Stolz auf das schöne Musikstück.
Klar: Euphorie, Adrenalin, Gefühlsdynamik von zwei Tagen färben natürlich die Einschätzung, aber mir gefällt es jetzt mit dem Abstand von ein paar Stunden immer noch).
Das Glücksgefühl darüber, sich damals gegen die Vorbehalte meiner Frau durchgesetzt zu haben und den Gitarrenlehrer zu wechseln, hin zu Dennis. Die Freude darüber so jemanden überhaupt getroffen zu haben im Leben. Ein wahrhaft magischer Moment, dem sich keiner von uns Vieren entziehen konnte.
He, ich bin fünfzig ... das ich nochmal so eine völlig neue Welt entdecke, das hätte ich mir vor einem Jahr nicht ansatzweise träumen lassen.
Wie schön ...
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