nochmal
@ emptypockets
ich gebe dir aus deiner Sicht der Dinge, wahrscheinlich aus deiner persönlichen Erfahrung heraus, in den meisten Punkten völlig Recht. Ich weiß genau was du meinst! Mit dem berechtigten Kritikpunkt
Überbetonung des Lernziels Schnelligkeit rennst du, wie schon gesagt, bei mir offene Türen ein - obwohl ich selbst erst kürzlich an anderer Stelle diesbezüglich einen Thread eröffnet habe (Thema: Welche Übungen haben euch geholfen schneller zu werden?). Und auch das mit dem
Wachsenlassen vs. Effizienzmaximierung beim Üben und Lernen sehe ich grundsätzlich ähnlich wie du - obwohl ich selbst an anderer Stelle nach effizienten Übungsmethoden gefragt habe.
Laß mich diese scheinbaren Widersprüche mal kurz aufklären:
Leider muß ich dazu etwas weiter ausholen.
Ich habe mit 12 Jahren angefangen Gitarrespielen zu lernen. Das ging etwa bis zu meinem 18. Lebensjahr und war meine 1. musikalische Prägephase, mit den Beatles, Peter Paul & Mary, Simon & Garfunkel und den anderen üblichen Verdächtigen. Mit 16 ging´s dann zusätzlich mit Klavier- bzw. Keyboardspielen (Pop & Rock) los, was ich dann über 30 Jahre auch beibehalten habe (einschließlich 7 Jahre durchgehend Klavierunterricht). Während dieser Zeit habe ich sehr deutlich festgestellt, was meine musikalischen Stärken und Schwächen sind! Meine Stärken sind, dass ich ganz gut Songs schreiben kann (hab´ auch schon welche verkaufen können), und dass ich ein ganz gutes Ohr dafür habe, was sich gut oder scheiße anhört. Punkt.
Meine Probleme und Schwächen
(A) hingegen sind
Rhythmik + Timing und meine
Motorik, was möglicherweise sogar im Zusammenhang zueinander steht. Fingerakrobatik, selbst auf mittlerem Niveau, ist mir immer sehr schwer gefallen. Kurz, ich war nie ein wirklich guter Handwerker.
Dazu kommt
(B), dass ich zwar zeitlebens den Blues geliebt habe, aber nie den "Blues hatte". Soll heißen, dass mir der Blues, insbesondere der Akustik-Blues, immer schon unter die Haut ging, ich ihn aber nie umsetzen konnte, nie mit ihm kreativ werden konnte, ihn einfach nie spielen konnte! Warum auch immer. Bei den meisten anderen Musikgenres hatte ich diesbezüglich weniger Probleme. Da konnte man mir einen Ball zuwerfen, und ich hab´mit ihm spielen können. Bloß beim Blues hat´s traurigerweise nie geklappt. Ich hab´ immer gesagt, mir fehlten die Blues-Synapsen...
So, und jetzt nimm´ als dritten Problemfaktor
(C) noch mein Alter hinzu! Bin ja immerhin keine 20 mehr, sondern auch schon "over the hill".
Und mit diesem meinem persönlichen Problempaket
A+B+C komme ich nun vor einem Jahr in den Genuß, mich durch 4500 Blues-CDs hören zu dürfen! Das Ergebnis war nun nicht nur eine einzigartige, persönliche Best-Of-Blues Collection mit ca. 250 Titeln, sondern auch eine Riesenmotivation, endlich mal handwerklich in das hochverehrte und geliebte Mysterium "Blues" einzutauchen. Habe dann die 5 obligatorischen Scales gelernt, herausgefunden wo die Blue Notes sitzen, welche Töne man benden kann, erste Einblicke gewonnen, wie man Dur- u. Moll Scales mischt, hab´ mir bei YouTube 10-20 Licks zum Üben rausgesucht usw. usw. Und auf einmal hörte sich das Ganze das erste Mal tatsächlich ein wenig nach Blues an!! Mann, war ich stolz!
Die erste Hürde für weiteren Fortschritt war dann meine etwas eingeschränkte Spielgeschwindigkeit, ein mir wohlbekanntes, oben unter
"A" beschriebenes Fundamentalproblem. Da bin ich einfach wochenlang kein Stückchen weitergekommen. Und da greift dann zusätzlich einfach auch mal Problem
"C". Ja, verdammt, ich bin keine 20 mehr und will auch nicht noch 20 Jahre warten, bis sich die eine oder andere Fertigkeit bei meinen eingeschränkten Motorikfähigkeiten "von alleine" einstellt. Da mag ich in der Tat etwas ungeduldig sein, auf die Uhr gucken
und mich nach "effizienten Übungsmethoden" erkundigen. Vielleicht verzeihst du mir das jetzt in diesem Kontext
Klar,
relact hat mit seinen Satz Recht, wenn er sagt, dass "Grass nicht schneller wächst, wenn man dran zieht". Aber vielleicht darf man seinen Rasen trotzdem hin und wieder etwas düngen, Unkraut jäten, ihn bei Sturzfluten kurz abdecken und ihn nicht unbedingt in praller Sonne sprengen - das meinte ich mit "Effizienz".
Eine hohe (potentielle) Spielgeschwindigkeit beim Blues sehe ich übrigens wirklich nur als optionales, aber durchaus notwendiges Ausdruckmittel und zur Spieldynamisierung. Okay?
Für mich gibt es eine grundsätzliche schlichte "Wahrheit" beim Blues Spielen. Ich spiele Blues nicht in Tonleitern gedacht, sondern in Tönen, die ich verbinde und verziere!
Du Glücklicher! Genau das funktioniert bei mir nämlich nicht! Und genau da sind wir bei meinem Problem
"B".
Gib´ mir 2 Töne und ich mach´ dir einen schönen Pop-Song draus, gib´ mir 2 andere Töne und ich schreib´ dir eine Rock Ballade, einen Irish Folksong oder sonst was. Aber Blues? Krieg´ ich nicht hin und habe ich nie hingekriegt. Da sind wir wieder bei den Blues-Synapsen
Blues zu spielen ist für mich z.Z. noch so wie
Malen nach Zahlen. Ich "denke" Blues im Moment noch in Scales und Pattern, und versuche abgeguckte und gelernte Licks zu verinnerlichen. Vielleicht dauert´s noch ´ne Weile - vielleicht lerne ich´s aber auch nie, wirklich kreativ mit Blues-Bausteinen umzugehen und zu spielen. Ich war noch nie im Leben irgendwo Mitglied in einem Musiker-Forum. Was glaubst du, warum ich jetzt hier bin???
Aber egal, selbst wenn´s beim Malen nach Zahlen bleibt und ich nie ein richtiger Blueser werde - es macht mir wahnsinnig viel Spaß die Musik, die ich eigentlich am liebsten höre, endlich auch mal selbst zu spielen. Und sei es auch noch so schlicht. Deswegen mag ich auch dein 3-Töne-Solo auf deinem Video
. Obwohl man selbst das nicht unterschätzen sollte......
Ist zwar jetzt alles ein bißchen sehr persönlich und off-topic geworden, aber vielleicht hilft´s ja ein bißchen weniger aneinander vorbei zu reden. Musikalität funktioniert nicht bei allen Menschen gleich. Ich hoffe nur, dass ich mich damit etwas verständlicher machen konnte.