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Mod Emeritus
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Vorwort
Bevor ich hier im Board ein Review über einen Preamp in die Welt setze, möchte ich noch ein paar allgemeine Takte vorweg schicken. Denn ich finde, im Bereich Preamps werden doch immer wieder gerne Halbwahrheiten gepflegt.
Vorverstärker - oder einfach die englische Abkürzung dafür: Preamps - haben zwei Zwecke: Erstens, das Signal auf Arbeitspegel zu bringen, um ein gutes Signal-Rausch-Verhältnis zu haben. Zweitens, Klangformung. Wobei ich hier auch "keine Veränderung am Klang" mit hinein zähle.
Zwei grundsätzliche Technologien, die bei Verstärkern zum Einsatz kommen, sind Transistoren und Röhren. Hybriden sind mögliche, darauf gehe ich später noch detaillierter ein.
Es gibt ungefähr so viele klangliche Abstufungen, wie es Preamps gibt. Hier sei gesagt: Nein, Röhren-Preamps färben nicht per se! Auch die können schön färbungsfrei, klar und transparent. Nur, wenn man sie in den Grenzbereich fährt, verzerren Röhren "schöner" als Transistoren, weshalb sie für färbende Preamps gerne eingesetzt werden.
Apropos clean vs. färbend... nicht jeden Preamp, der nicht ultra-transparent ist, würde ich als färbend bezeichnen. Jemand hat es mal so ausgedrückt: Es gibt ungefähr so viele neutrale Arten von Preamps wie es Farben gibt, die wir schlicht als weiß bezeichnen. Ich kann nur jedem empfehlen, sich da mal selbst ein Bild von zu machen. Im Netz gibt es ein paar aussagekräftige Vergleiche, teils kostenlos (leider nur am Flügel, ich finde, bei Gesang tritt der Unterschied viel deutlicher zu Tage), teils käuflich (war für mich ein echter Augen- bzw. Ohrenöffner).
Eine Sache noch: Die Hersteller-Angaben über die Gesamtverstärkung in dB sind in den meisten Fällen nicht zu gebrauchen. Das Bel ist eine relative Einheit und braucht immer einen Bezugswert. Ohne Angabe der Grundempfindlichkeit ist die Angabe einer dB-Zahl nur gut, um die Empfindlichkeit der (möglicherweise gerasterten) Verstärker-Einstellung einschätzen zu können. Leider geben nur wenige Hersteller die Grundempfindlichkeit an - und diese variiert schon mal um 30 dB.
Genug davon - nun zum Probanden: dem ART Pro MPA II.
Äußerer Eindruck
Die Firma ART (Applied Research and Technology - zu deutsch, angwandte Forschung und Technologie) war mir bisher hauptsächlich als Hersteller nützlicher kleiner Tools im Hinterkopf wie z.B. der ART DTI. Der Pro MPA II kommt hier mit 19" Breite und 2 HE schon etwas größer daher, wiegt auch knapp 5 kg. Doch die Frontplatte aus eloxiertem Aluminium und die Verarbeitung in sauberer CNC-Fräsung bieten einen hohen Wiedererkennungswert. Hinter der Frontplatte kommt gleich noch eine Platte, die zum unteren Gehäuseteil gehört. Etwas negativ fallen hier die Spaltmaße auf:
Die Taster haben alle leichtes Spiel, lassen sich aber allesamt sauber drücken und haben einen definierten Schaltpunkt. Die großen Potis fassen sich angenehm an, da wackelt nichts und beim drehen empfinde ich die richtige Mischung aus weich und Widerstand. Gain und Ausgangspegel sind gerastert, die Impedanz lässt sich rasterfrei einstellen. Ein Manko sind die kleinen Potis für den Hochpassfilter: Erstens wackeln sie, zweitens war am Ende des Drehweges nicht viel mit Widerstand: Spürbar, aber enorm klein - und ich hab mich erst mal gehörig erschrocken, als ich (mit geringer Kraft drehend) das Poti über seinen Endpunkt hinaus gedreht habe (also die Elektronik innen sich mit gedreht hat). Gleich mal den Gegentest gemacht: Ja, es lässt sich auch wieder "zurücksetzen". Ups...
Die großen Potis sind übrigens auch nicht ganz fehlerfrei: Zwar sitzen sie fest, allerdings nicht wirklich gerade:
Ansonsten ist die Verarbeitung tadellos.
Das beiliegende Handbuch ist übrigens in englisch gehalten.
Funktionen
Hier bringt der ART wirklich eine volle Packung mit! Als Röhren-Transistor-Hybride mit schaltbarem 20 dB Boost vor der Röhre, schaltbarer Anodenspannung und Ausgangsregler hat er klanglich schon viele Möglichkeiten zu bieten. Auch die Impedanzanpassung für die XLR-Eingänge von 150 bis 3k Ohm und der LoCut (7,5 bis 200 Hz) spielen da mit hinein. Die rückwärtigen XLR-Eingänge können Mikro- und Linepegel ab, vorn gibt es pro Kanal einen 1M Ohm HiZ-Eingang. Die Ausgangsregler können in einen Stereo-Modus geschaltet werden (einer regelt beide Ausgänge, der andere die Balance zwischen den Kanälen) und eine M/S-Decodierung (M/S zu L/R) rundet das Paket ab. Phantomspeisung und Phaseninvertierung zähle ich mal unter Standard-Funktionen.
Praxis an Stimmen und Instrumenten
Der erste Test wurde gleich mal mit Gesang durchgeführt. Ich habe eine tiefe Bariton-Stimme und mir deshalb "The Misty Mountains Cold" als erstes Teststück ausgesucht. Als Mikrofon kam ein CAD e300s zum Einsatz, nach dem ART ging es in den LineIn eines TC Konnekt Interfaces. Den ART habe ich schön in die Röhrensättigung (allerdings nicht Übersättigung) gefahren*.
Erster Eindruck: Der ART prägt. Und zwar ganz gewaltig. Aber mit dem Signal lässt sich arbeiten. Meine Stimme, die sonst auf Aufnahmen schneidend und unangenehm klingt, war plötzlich eine runde, volle, angenehme Stimme wie die eines Erzählers. Ein paar Leute, denen ich diese Aufnahme zeigte, lobten auch wirklich genau das an der Stimme.
Ich hatte mir schnell einen Backing Track eingespielt, um wieder eine ähnliche stimmliche Performance erreichen zu können. Den gleichen Track noch mal über die TC Preamps eingesungen (die qualitativ etwa in der Liga RME Fireface spielen) zeigte auch genau diesen Unterschied auf. Auffällig war hier auch, dass die TC Preamps deutlich besser auflösen.
*An der Stelle ein Tipp für alle, die den Umgang mit analogen Pegelanzeigen nicht gewohnt sind: Sollen die Pegelspitzen in den Headroom-Bereich gehen, reicht es (bei den meisten Signalen), sie im Schnitt auf -10 dB einzupegeln. Beim ART ist das der zweite Strich von links. Also nicht erschrecken, wenn die Nadel beim einpegeln kaum ausschlägt...
Ich habe dann noch weiter mit den verfügbaren Parametern gespielt. Der LoCut arbeitet hörbar, aber nicht störend. Der 20 dB Boost wird in der Anwendung mit Mikrofonen praktisch immer benötigt, um ein erträgliches SNR zu bekommen.
Interessant ist der Schalter, welcher die Platinenspannung und Vorspannung der Röhre erhöht. Die Umstellung dauert jeweils einige Sekunden (bis zu einer halben Minute). In diesem Modus setzt die Verzerrung später ein, schlägt dann aber heftiger zu. Die Harmonischen treten deutlicher hervor. Kann durchaus ganz gut sein, grade bei Gesang - muss man individuell ausprobieren.
Das ganze ist auch im Handbuch gut beschrieben - welches übrigens ein besonderes Lob verdient hat! Technisch gut, verständlich (sofern man des englischen mächtig ist), praxisnah. Vorbildlich!
Als nächstes stand ein Test mit der E-Gitarre an. Hier hat mich der ART nicht wirklich begeistern können. Es klang nach E-Gitarre, aber irgendwie leblos. Da ich hier zwei EV N/D468 zur Amp-Abnahme im Einsatz hatte, konnte ich schön mit der Impedanz spielen und direkt vergleichen. An der Stelle keine überraschenden Ergebnisse: Bei niedriger Impedanz verschwinden nach und nach die Höhen. Leicht eingesetzt kann das hilfreich sein, den Wunschsound zu erreichen. Übertrieben eingesetzt taugt das maximal noch als Spezialeffekt. Bei hoher Impedanz ist das Signal einfach "stabiler". Wie gesagt, keine Überraschungen hier, nichts was gerätespezifisch wäre. Aber schön, hier eine doch recht breite Wahl zu haben.
Dann habe ich eine befreundete Gesangslehrerin "People" von Birdy einsingen lassen. Sie bekam den originalen Song als Playback und auch hier haben wir ein mal über den ART und ein mal über einen TC Preamp aufgenommen. Da ihre Stimme über einen cleanen Preamp schöner klingt als meine waren die Unterschiede dann auch nicht ganz so krass, die Tendenz aber dieselbe. Über den ART wirkte die Stimme deutlich weicher... für unser beider Geschmack schon etwas zu weich. Ich hatte den Eindruck, dass der ART Transienten schluckt.
Sie hatte auch ihre Akustik-Gitarre dabei und mir was eingespielt. Abgenommen mit zwei Beyerdynamic MC-930, direkt nebeneinander, je eines durch den ART und eines durch einen TC Preamp. Auch hier fehlten mir beim ART die Transienten, aber ich mochte beide Signale. Das welches durch den ART ging, möchte ich einfach mit der englischen Bezeichnung mellow umschreiben. Beide tauglich, je nach Zweck.
Sonstige Features im Einsatz
Hier sei übrigens noch erwähnt, dass alle Taster knackfrei arbeiten!
Im Stereo-Modus regelt der linke Volume-Regler die Ausgangslautstärke für beide Kanäle, der rechte die Balance. Das bedeutet in der Praxis: Mögliche Ungleichheiten in der Lautstärke zwischen den Mikro-Kanälen muss mit der Röhrenverstärkung ausgeglichen werden, was zwangsläufig Einfluss auf den Klang hat.
Im M/S-Decoding ist jeder Volume-Regler auch Volume-Regler. Aber da bei der M/S-Decodierung die Stereobreite des Signals durch die Lautstärkenmischung zwischen M- und S-Signal bestimmt wird, sollte man das Thema Röhre und Klangveränderung auch im Hinterkopf behalten. Jedoch ist es hier weniger relevant, da ja beide Volume-Regler noch "funktionsfähig" sind und sich bei diesen der Klang nicht mit der Lautstärke ändert. Es hilft, schon beim Einpegeln der Röhrenverstärkung die Volume-Regler im Blick zu haben und sie so einzustellen, dass man dort später noch etwas Spielraum hat.
Im Einsatz mit den Stereo-Modi wäre ein Kopfhörerausgang zum abhören des Ergebnisses hilfreich. In meinen Augen sind diese Modi nur sinnvoll wenn das Ergebnis so aufgenommen wird, dass die einzelnen Kanäle nicht mehr nachbearbeitet werden können. Wer sie direkt in eine DAW schickt, macht die Stereo-Settings (und auch das M/S-Decoding) direkt dort. So ist man auf eine Vorhör-Funktion am Aufnahmegerät angewiesen oder muss nach Gefühl fliegen.
Fazit
An dieser Stelle, wo alles komprimiert und prägnant auf den Punkt gebracht werden soll, zeigt sich deutlich, was mich schon während des Tests und dem schreiben der obigen Absätze beschäftigt hat: Einen Preamp testen - ja. Aber generelle Vergleiche ziehen? Schwierig. Mir wurde bewusst, dass speziell ein färbender Preamp je nach Umständen und Zielsound super passen kann oder überhaupt nicht. Ich meine fast, das sei noch spezieller als bei Mikrofonen. Dementsprechend kann ein einzelnes Review auch nur sehr subjektiv sein. Also, meine Eindrücke in Kompaktform:
- stabiles Gerät, ein paar Schönheitsfehler in der Verarbeitung, aber man kann darüber hinweg sehen
- ist zwar ein Hybrid, aber färbt immer recht stark
- die Gesamtverstärkung könnte besser sein (das TC steckt den ART in dem Punkt locker in die Tasche, obwohl "nur" 62 dB Verstärkung angegeben)
- macht vor allem einen weichen Sound
- Transparenz und Transienten leiden daran
- kann bei schwierigen Stimmen Wunder bewirken
- bleibt bei der Breite der Signale eher nüchtern... kein "larger than life"
Für anspruchsvolle Studios dürfte der ART Pro MPA II keine Option sein, da fehlt einfach die Signalqualität. Das ist bei weniger als 200 pro Kanal aber auch keine wunderliche Erkenntnis. Alle andern, die einen färbenden Preamp suchen - ob der Färbung wegen oder als Upgrade zu einem vorhandenen Preamp - sei nahegelegt, sich das Gerät mal anzuhören. Der ART ist schon deutlich besser als die Vorstufen von günstigen Interfaces, das möchte ich deutlich erwähnen! Aber man kauft eben immer die Signalfärbung mit, dessen sollte man sich bewusst sein.
Bevor ich hier im Board ein Review über einen Preamp in die Welt setze, möchte ich noch ein paar allgemeine Takte vorweg schicken. Denn ich finde, im Bereich Preamps werden doch immer wieder gerne Halbwahrheiten gepflegt.
Vorverstärker - oder einfach die englische Abkürzung dafür: Preamps - haben zwei Zwecke: Erstens, das Signal auf Arbeitspegel zu bringen, um ein gutes Signal-Rausch-Verhältnis zu haben. Zweitens, Klangformung. Wobei ich hier auch "keine Veränderung am Klang" mit hinein zähle.
Zwei grundsätzliche Technologien, die bei Verstärkern zum Einsatz kommen, sind Transistoren und Röhren. Hybriden sind mögliche, darauf gehe ich später noch detaillierter ein.
Es gibt ungefähr so viele klangliche Abstufungen, wie es Preamps gibt. Hier sei gesagt: Nein, Röhren-Preamps färben nicht per se! Auch die können schön färbungsfrei, klar und transparent. Nur, wenn man sie in den Grenzbereich fährt, verzerren Röhren "schöner" als Transistoren, weshalb sie für färbende Preamps gerne eingesetzt werden.
Apropos clean vs. färbend... nicht jeden Preamp, der nicht ultra-transparent ist, würde ich als färbend bezeichnen. Jemand hat es mal so ausgedrückt: Es gibt ungefähr so viele neutrale Arten von Preamps wie es Farben gibt, die wir schlicht als weiß bezeichnen. Ich kann nur jedem empfehlen, sich da mal selbst ein Bild von zu machen. Im Netz gibt es ein paar aussagekräftige Vergleiche, teils kostenlos (leider nur am Flügel, ich finde, bei Gesang tritt der Unterschied viel deutlicher zu Tage), teils käuflich (war für mich ein echter Augen- bzw. Ohrenöffner).
Eine Sache noch: Die Hersteller-Angaben über die Gesamtverstärkung in dB sind in den meisten Fällen nicht zu gebrauchen. Das Bel ist eine relative Einheit und braucht immer einen Bezugswert. Ohne Angabe der Grundempfindlichkeit ist die Angabe einer dB-Zahl nur gut, um die Empfindlichkeit der (möglicherweise gerasterten) Verstärker-Einstellung einschätzen zu können. Leider geben nur wenige Hersteller die Grundempfindlichkeit an - und diese variiert schon mal um 30 dB.
Genug davon - nun zum Probanden: dem ART Pro MPA II.
Äußerer Eindruck
Die Firma ART (Applied Research and Technology - zu deutsch, angwandte Forschung und Technologie) war mir bisher hauptsächlich als Hersteller nützlicher kleiner Tools im Hinterkopf wie z.B. der ART DTI. Der Pro MPA II kommt hier mit 19" Breite und 2 HE schon etwas größer daher, wiegt auch knapp 5 kg. Doch die Frontplatte aus eloxiertem Aluminium und die Verarbeitung in sauberer CNC-Fräsung bieten einen hohen Wiedererkennungswert. Hinter der Frontplatte kommt gleich noch eine Platte, die zum unteren Gehäuseteil gehört. Etwas negativ fallen hier die Spaltmaße auf:
Die Taster haben alle leichtes Spiel, lassen sich aber allesamt sauber drücken und haben einen definierten Schaltpunkt. Die großen Potis fassen sich angenehm an, da wackelt nichts und beim drehen empfinde ich die richtige Mischung aus weich und Widerstand. Gain und Ausgangspegel sind gerastert, die Impedanz lässt sich rasterfrei einstellen. Ein Manko sind die kleinen Potis für den Hochpassfilter: Erstens wackeln sie, zweitens war am Ende des Drehweges nicht viel mit Widerstand: Spürbar, aber enorm klein - und ich hab mich erst mal gehörig erschrocken, als ich (mit geringer Kraft drehend) das Poti über seinen Endpunkt hinaus gedreht habe (also die Elektronik innen sich mit gedreht hat). Gleich mal den Gegentest gemacht: Ja, es lässt sich auch wieder "zurücksetzen". Ups...
Die großen Potis sind übrigens auch nicht ganz fehlerfrei: Zwar sitzen sie fest, allerdings nicht wirklich gerade:
Ansonsten ist die Verarbeitung tadellos.
Das beiliegende Handbuch ist übrigens in englisch gehalten.
Funktionen
Hier bringt der ART wirklich eine volle Packung mit! Als Röhren-Transistor-Hybride mit schaltbarem 20 dB Boost vor der Röhre, schaltbarer Anodenspannung und Ausgangsregler hat er klanglich schon viele Möglichkeiten zu bieten. Auch die Impedanzanpassung für die XLR-Eingänge von 150 bis 3k Ohm und der LoCut (7,5 bis 200 Hz) spielen da mit hinein. Die rückwärtigen XLR-Eingänge können Mikro- und Linepegel ab, vorn gibt es pro Kanal einen 1M Ohm HiZ-Eingang. Die Ausgangsregler können in einen Stereo-Modus geschaltet werden (einer regelt beide Ausgänge, der andere die Balance zwischen den Kanälen) und eine M/S-Decodierung (M/S zu L/R) rundet das Paket ab. Phantomspeisung und Phaseninvertierung zähle ich mal unter Standard-Funktionen.
Praxis an Stimmen und Instrumenten
Der erste Test wurde gleich mal mit Gesang durchgeführt. Ich habe eine tiefe Bariton-Stimme und mir deshalb "The Misty Mountains Cold" als erstes Teststück ausgesucht. Als Mikrofon kam ein CAD e300s zum Einsatz, nach dem ART ging es in den LineIn eines TC Konnekt Interfaces. Den ART habe ich schön in die Röhrensättigung (allerdings nicht Übersättigung) gefahren*.
Erster Eindruck: Der ART prägt. Und zwar ganz gewaltig. Aber mit dem Signal lässt sich arbeiten. Meine Stimme, die sonst auf Aufnahmen schneidend und unangenehm klingt, war plötzlich eine runde, volle, angenehme Stimme wie die eines Erzählers. Ein paar Leute, denen ich diese Aufnahme zeigte, lobten auch wirklich genau das an der Stimme.
Ich hatte mir schnell einen Backing Track eingespielt, um wieder eine ähnliche stimmliche Performance erreichen zu können. Den gleichen Track noch mal über die TC Preamps eingesungen (die qualitativ etwa in der Liga RME Fireface spielen) zeigte auch genau diesen Unterschied auf. Auffällig war hier auch, dass die TC Preamps deutlich besser auflösen.
*An der Stelle ein Tipp für alle, die den Umgang mit analogen Pegelanzeigen nicht gewohnt sind: Sollen die Pegelspitzen in den Headroom-Bereich gehen, reicht es (bei den meisten Signalen), sie im Schnitt auf -10 dB einzupegeln. Beim ART ist das der zweite Strich von links. Also nicht erschrecken, wenn die Nadel beim einpegeln kaum ausschlägt...
Ich habe dann noch weiter mit den verfügbaren Parametern gespielt. Der LoCut arbeitet hörbar, aber nicht störend. Der 20 dB Boost wird in der Anwendung mit Mikrofonen praktisch immer benötigt, um ein erträgliches SNR zu bekommen.
Interessant ist der Schalter, welcher die Platinenspannung und Vorspannung der Röhre erhöht. Die Umstellung dauert jeweils einige Sekunden (bis zu einer halben Minute). In diesem Modus setzt die Verzerrung später ein, schlägt dann aber heftiger zu. Die Harmonischen treten deutlicher hervor. Kann durchaus ganz gut sein, grade bei Gesang - muss man individuell ausprobieren.
Das ganze ist auch im Handbuch gut beschrieben - welches übrigens ein besonderes Lob verdient hat! Technisch gut, verständlich (sofern man des englischen mächtig ist), praxisnah. Vorbildlich!
Als nächstes stand ein Test mit der E-Gitarre an. Hier hat mich der ART nicht wirklich begeistern können. Es klang nach E-Gitarre, aber irgendwie leblos. Da ich hier zwei EV N/D468 zur Amp-Abnahme im Einsatz hatte, konnte ich schön mit der Impedanz spielen und direkt vergleichen. An der Stelle keine überraschenden Ergebnisse: Bei niedriger Impedanz verschwinden nach und nach die Höhen. Leicht eingesetzt kann das hilfreich sein, den Wunschsound zu erreichen. Übertrieben eingesetzt taugt das maximal noch als Spezialeffekt. Bei hoher Impedanz ist das Signal einfach "stabiler". Wie gesagt, keine Überraschungen hier, nichts was gerätespezifisch wäre. Aber schön, hier eine doch recht breite Wahl zu haben.
Dann habe ich eine befreundete Gesangslehrerin "People" von Birdy einsingen lassen. Sie bekam den originalen Song als Playback und auch hier haben wir ein mal über den ART und ein mal über einen TC Preamp aufgenommen. Da ihre Stimme über einen cleanen Preamp schöner klingt als meine waren die Unterschiede dann auch nicht ganz so krass, die Tendenz aber dieselbe. Über den ART wirkte die Stimme deutlich weicher... für unser beider Geschmack schon etwas zu weich. Ich hatte den Eindruck, dass der ART Transienten schluckt.
Sie hatte auch ihre Akustik-Gitarre dabei und mir was eingespielt. Abgenommen mit zwei Beyerdynamic MC-930, direkt nebeneinander, je eines durch den ART und eines durch einen TC Preamp. Auch hier fehlten mir beim ART die Transienten, aber ich mochte beide Signale. Das welches durch den ART ging, möchte ich einfach mit der englischen Bezeichnung mellow umschreiben. Beide tauglich, je nach Zweck.
Sonstige Features im Einsatz
Hier sei übrigens noch erwähnt, dass alle Taster knackfrei arbeiten!
Im Stereo-Modus regelt der linke Volume-Regler die Ausgangslautstärke für beide Kanäle, der rechte die Balance. Das bedeutet in der Praxis: Mögliche Ungleichheiten in der Lautstärke zwischen den Mikro-Kanälen muss mit der Röhrenverstärkung ausgeglichen werden, was zwangsläufig Einfluss auf den Klang hat.
Im M/S-Decoding ist jeder Volume-Regler auch Volume-Regler. Aber da bei der M/S-Decodierung die Stereobreite des Signals durch die Lautstärkenmischung zwischen M- und S-Signal bestimmt wird, sollte man das Thema Röhre und Klangveränderung auch im Hinterkopf behalten. Jedoch ist es hier weniger relevant, da ja beide Volume-Regler noch "funktionsfähig" sind und sich bei diesen der Klang nicht mit der Lautstärke ändert. Es hilft, schon beim Einpegeln der Röhrenverstärkung die Volume-Regler im Blick zu haben und sie so einzustellen, dass man dort später noch etwas Spielraum hat.
Im Einsatz mit den Stereo-Modi wäre ein Kopfhörerausgang zum abhören des Ergebnisses hilfreich. In meinen Augen sind diese Modi nur sinnvoll wenn das Ergebnis so aufgenommen wird, dass die einzelnen Kanäle nicht mehr nachbearbeitet werden können. Wer sie direkt in eine DAW schickt, macht die Stereo-Settings (und auch das M/S-Decoding) direkt dort. So ist man auf eine Vorhör-Funktion am Aufnahmegerät angewiesen oder muss nach Gefühl fliegen.
Fazit
An dieser Stelle, wo alles komprimiert und prägnant auf den Punkt gebracht werden soll, zeigt sich deutlich, was mich schon während des Tests und dem schreiben der obigen Absätze beschäftigt hat: Einen Preamp testen - ja. Aber generelle Vergleiche ziehen? Schwierig. Mir wurde bewusst, dass speziell ein färbender Preamp je nach Umständen und Zielsound super passen kann oder überhaupt nicht. Ich meine fast, das sei noch spezieller als bei Mikrofonen. Dementsprechend kann ein einzelnes Review auch nur sehr subjektiv sein. Also, meine Eindrücke in Kompaktform:
- stabiles Gerät, ein paar Schönheitsfehler in der Verarbeitung, aber man kann darüber hinweg sehen
- ist zwar ein Hybrid, aber färbt immer recht stark
- die Gesamtverstärkung könnte besser sein (das TC steckt den ART in dem Punkt locker in die Tasche, obwohl "nur" 62 dB Verstärkung angegeben)
- macht vor allem einen weichen Sound
- Transparenz und Transienten leiden daran
- kann bei schwierigen Stimmen Wunder bewirken
- bleibt bei der Breite der Signale eher nüchtern... kein "larger than life"
Für anspruchsvolle Studios dürfte der ART Pro MPA II keine Option sein, da fehlt einfach die Signalqualität. Das ist bei weniger als 200 pro Kanal aber auch keine wunderliche Erkenntnis. Alle andern, die einen färbenden Preamp suchen - ob der Färbung wegen oder als Upgrade zu einem vorhandenen Preamp - sei nahegelegt, sich das Gerät mal anzuhören. Der ART ist schon deutlich besser als die Vorstufen von günstigen Interfaces, das möchte ich deutlich erwähnen! Aber man kauft eben immer die Signalfärbung mit, dessen sollte man sich bewusst sein.
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