Rude Mood
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Zusammen mit dem Klon Centaur ist er vielleicht der am meisten gehypte Verzerrer des Planeten. Lange Wartezeiten, hohe Gebrauchtpreise auf Ebay, fester Bestandteil des Effektboards von namhaften Profis und Rockstars - hält dieses doch etwas spezielle Pedal das, was es verspricht?
Diese Frage hat mich auch lange Beschäftigt, da ich - wie die meisten Gitarristen halt - ein echter Gain-Junkie bin und als Blueser eben besonders auf Low- bis Mid-Gain-Pedale abfahre. Wie bei vielen anderen auch ist mein Pedalboard deshalb zu einem ein wahres perpetuum mobile, zu anderem auch eine - ebenfalls nie ruhende - Geldverbrennungsmaschine. Die Suche nach dem heiligen Gral - den es wahrscheinlich eh nicht gibt - ist für uns ja einerseits Qual und finanzielle Belastung, andererseits Freude und Stoff für endlose Diskussionen.
Natürlich musste so für mich der King of Tone irgendwann einmal her. Um es kurz zu machen: Er mag vielleicht nicht der heilige Gral sein, allerdings ist er eines der besten Pedale, die ich jemals gespielt habe. Mir hat es sogar so gut gefallen, dass ich mir ein zweites bestellt habe, falls eines mal den Geist aufgeben sollte. Kurzum: es ist mein Lieblingsverzerrer. Nun aber zum Review...
Allgemeines
Laut offiziellen Angaben ist der King of Tone das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Analogmike, dem Mastermind hinter Analogman und dem Gitarristen Jim Wieder, der als einer der "Master of the Telecaster" und als einer der besten Slidegitarristen des Planeten gilt. Jim spielte - wie fast alle Gitarristen seiner Generation - lange einen Ibanez TS 808 Tubescreamer. Die meisten kennen ja den typischen Tubescreamer-Sound und lieben und hassen ihn gleichzeitig: Wir lieben ihn, da er Bestandteil des Sounds unserer Helden ist: der TS 808 war der erste Verzerrer, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, den Sound einer übersteuerten Röhrenendstufe zu emulieren. Ihn verwendeten Keith Richards, Santana, Stevie Ray Vaughan und viele, viele andere auf den Aufnahmen, die für uns heute Referenz in Sachen Sound sind. Und wir hassen ihn oft, da er - als erster Vertreter dieser Gattung von Pedalen - an einer Kinderkrankheit leidet: er frisst Bässe (und das nicht zu knapp), und wir empfinden den Sound deshalb als sehr mittenlastig. Der Gitarristen-Volksmund hat für dieses Phänomen - mal boshaft, mal aus Scherz, mal liebevoll - schon einige Wörter kreiert: Midrange Bump, Mittennase, Bassklau, etc. Vorteil ist natürlich, dass die starke Betonung der Mitten den Sound sehr durchsetzungsfähig macht, nachteilig ist allerdings, dass hierdurch der Charakter unserer Gitarre und unserer Amps doch stark von dem Pedal überlagert wird.
Zweiter ewiger Kritikpunkt bezüglich des Tubescreamers ist der etwas stärkere Grad an Kompression, der insbesondere bei höheren Gainstufen präsent ist. Diese Kompression empfinden die meisten Gitarristen insbesondere beim Solospiel als angenehm, da die Noten etwas "ausgebügelt" werden und der Sound besonders bei höheren Lautstärken kleine Ungenauigkeiten des Spiels leichter verzeiht. Der Preis, den wir hierfür zahlen, ist allerdings hoch: Dynamiken und kleine Feinheiten des Spiels werden etwas überlagert und kommen nicht mehr so gut zur Geltung.
Einige Gitarristen stören sich an diesen Unzulänglichkeiten nicht sonderlich und schwören auch weiter auf den Tubescreamer, andere suchen etwas ganz anderes (Unwort des Jahrtausends: "Transparentes Overdrive", Vize-Unwort: "Offener Klang"), wiederum andere möchten einen Kompromiss erreichen und sind auf der Suche nach einer moderneren Interpretation des klassischen Tubescreamer-Sounds.
Zu der dritten Fraktion gehört wohl auch Jim Wieder, denn er trat an Mike heran und wünschte sich ein Pedal mit Tubescreamer-Charakter, allerdings mit weniger Kompression, weniger ausgeprägter Mittennase und weniger "Färbung" (Originalton auf der Homepage: "You can hear the note better"). Angeblich wurden im Vorfeld der Entwicklung neben Tubescreamern auch mehrere alte Marshall Bluesbreaker-Pedale von Mike kastriert, gemoddet, wieder zusammengabaut, etc., bis er sich entschloss, den schwierigeren Weg zu gehen und ein völlig eigenes Pedal zu entwickeln - Die Geburt des King of Tone.
Aufbau
Ich selbst besitze die vierte - und laut Herstellerangaben auch letzte - Version des King of Tone. Im Vergleich zu einem schlichten Tubescreamer ist der Aufbau etwas Komplizierter, da der King of Tone zweit identische Pedale in einem Gehäuse beherbergt. Es handelt sich also um ein echtes "Zwillingspedal": die näher am Amp liegende Seite hat unabhängige Regler, wie wir sie auch vom Tubescreamer kennen: Lautstärke, Klangfarbe und Zerrgrad. Wegen der gelben leuchte wird diese linke Seite oft liebevoll auch als "The Yellow Side" bezeichnet. Rechts davon - also näher zur Gitarre - haust "The Red Side" als Zwillingsschwester. Auch hier die drei Potis, die ebenso funktionieren wie bei der gelben Dame. Bildlich ausgedrückt: würde man das Pedal in der Mitte durchschneiden, hätte man zwei separate Verzerrer. Der besondere Clou: innerhalb des Gehäuses haust ein kleiner weißer Poti, mit dem man die Höhen noch einmal ordentlich boosten kann. Der zweite Clou und eine der Hauptattraktionen des King of Tone: Ebenfalls im Inneren findet sich für jede Seite ein kleiner Kippschalter, mit dem man zwischen drei unterschiedlichen Gainstufen wählen kann: Boost, Overdrive und Distortion. Boost soll eine leichte Lautstärkeanhebung mit sehr geringem Zerrgrad liefern. Overdrive ist die Tubescreamer-mäßige dezente Verzerrung, während Distortion noch eine Schippe drauflegt. Ich habe für mein Review eine gemoddete Version verwendet, bei der dieser Schalter für die rote Seite nicht im Inneren des Gehäuses, sondern als kleiner Kippschalter oben auf dem Gehäuse sitzt. Dies ist sehr empfehlenswert, aber auch mit einem kleinen Aufpreis verbunden.
Zur Verarbeitung selbst kann ich nicht viel sagen, da ich persönlich noch nie Probleme mit meinen King of Tones hatte. Das Pedal scheint sehr sauber verarbeitet zu sein. Das Gehäuse ist robust und schwer, einige Tritte kann es sicher gut wegstecken. Die Schalter und Potis funktionieren einwandfrei, da dürfte eigentlich nichts anbrennen. Das Gehäuse ist in einem schlichten dunklen Lila lackiert - sicherlich nicht so fancy und sexy wie andere Treter in dieser Preisklasse, aber keinesfalls hässlich!
Sound
Kommen wir nun zum Eingemachten. Da die Erwartungen der meisten Leute wegen des hohen Preises, der langen Wartezeiten und allgemein wegen des Hypes sehr hoch angesetzt sind, habe ich mich mal dazu entschlossen, den King of Tone in drei fundamental unterschiedlichen Kontexten zu testen und zu prüfen, ob er das hält, was er verspricht. Als Testamps habe ich einen Tone King Falcon, einen Dr. Z MAZ 18 und einen Fender Vibro King genommen. Als Gitarren habe ich eine 61er Strat aus dem Fender Custom Shop und eine Gibson Les Paul 1959 V.O.S. verwendet.
Fangen wir mit dem Tone King an. Hierbei handelt es sich um einen kleinen 1x10 Combo mit 10 Watt, der einen sehr, sehr vintage-mäßigen Fender-Sound liefert und drei Voicings hat: Rhythm (Fender Deluxe-inspiriert), Tweed und Lead (Fender Super-artig). Zuerst habe ich ihn bei Zimmerlautstärke mit der Strat im Rhythm-Modus gespielt. Problem hierbei ist immer, dass der Amp etwas klein und dünn klingt und der Sound dermaßen geringes Sustain hat, dass selbst Albert-mäßige Blueslicks schwer zu spielen sind. Also: Her mit dem King of Tone, um ein wenig - aber nicht zu viel - Gewürze in die Suppe zu bringen. Mein Ziel war es hier, einen Sound zu produzieren, der immer noch clean ist und alle Nuancen des Spiels zeigt. Den King of Tone habe ich im Boost-Modus benutzt und nur die gelbe Seite angeschaltet. Und was soll ich sagen: die Sonne ging auf im kleinen Zimmer. Den Tone-Poti am Pedal habe ich bewusst auf 12 Uhr gelassen, um den Klang nicht zu beeinflussen, die Verzerrung habe ich etwa auf 13 Uhr gestellt. Das Ergebnis war ein cleaner Sound, der allerdings herrlich präsent war und ein ganz kleines Quäntchen von der Kompression hatte, die man so nötig braucht, wenn man Blues spielt. Der Sound war viel lebhafter und präsenter, und ich hatte das Gefühl, besser zu spielen als vorher. Der kleine "Sternenstaub" auf den Noten klang warm und rund, und dank der kleinen Kompression waren Albert-Bendings eine Freude. Der Ton starb nicht ab, nachdem ich die Saite gezogen hatte, sondern blieb stehen, und das Vibrato auf der Spitze der Note klang selten so schön. Auch kleine Nuancen des Spiels waren sofort hörbar. Ich konnte z.B. sofort hören, ob ich die Saite mit den Daumen oder mit dem Plektrum anschlug oder ob ich sanft an ihr riss. Alle 5 Einstellungen der Strat klangen wunderbar, wobei es besondere Freude bereitete, den Lautstärkeregler der Strat aus etwa 8 zurückzurollen und einige Lenny-Akkorde zu spielen.
Als nächstes kam der Tweed-Modus des Amps an die Reihe. Jeder, der einen Old School Tweed-Amp schon einmal gespielt hat, weiß: das ewige Problem ist das "Bröckeln" des Sounds. Insbesondere beim Rhythmusspiel und ohne Bandbegleitung hat man oft das Gefühl, dass des Sound etwas ungenau ist und ein wenig matscht. Ich habe hier mal meine Les Paul genommen und den King of Tone wieder im Boost-Modus verwendet, wobei der Falcon schon eine deutliche Tweed-Verzerrung hatte. Hier räumte der King of Tone den Sound herrlich auf: es klang auf einmal alles präziser, präsenter, mit dem Steg-Pickup der Les Paul hat es "getexast" was das Zeug hielt - Freddie King hätte seine Freude gehabt!
Die Zweite Runde war dann der Dr. Z MAZ 18. Wer den kennt, der weiß, dass es ein extrem aggressiver und "schneller" Amp ist - er erinnert mich persönlich in seinem Ansprechverhalten immer wieder an den kleinen Marshall Bluesbreaker. Sein Sound ist eigentlich relativ eigen, bewegt sich irgendwie zwischen Marshall, Fender und Vox, mit etwas "gläsernen" Höhen. Ich habe ihm mal relativ clean, aber relativ laut eingestellt, um Clean- und Overdrive-Modus des Pedals zu testen - und das in weniger diskreter und subtiler Weise, als mit dem Tone King Falcon.
Der Boost-Modus funktioniere hier auch schön und gab dem MAZ bei niedrigen Verzerrgraden (unter 12 Uhr) und einem kleinen Plus an Lautstärke einen ordentlichen Schub. Weiter aufgedreht lieferte er mehr als nur "Sternenstaub": Die Bezeichnung als Clean-Boost sollte man nicht unbedingt wörtlich nehmen, da mit Gaineinstellungen von 15 Uhr am King of Tone und mit meiner Les Paul (die eher schwache Pickups hat) die Post ordentlich abging - Paul Kossoff hätte seinen Spaß gehabt! Als ich den Amp so stark aufdrehte, dass er auch ohne Pedal Zerrte und dann den Boost noch drauflegte, wurde es richtig böse: Ein Rocksound, der einem förmlich ins Gesicht springt und sich wahrscheinlich durch jeden Bandkontext und jede noch so verrauchte Kneipe durchschlägt. Man konnte bei jedem Akkord hören, wie der King of Tone dem MAZ in die Eier tritt: Bässe und Mitten klangen alle schön aufgeräumt, und die glasigen Höhen des MAZ kamen noch schöner zum Vorschein. Klang alles herrlich amerikanisch.
Der Overdrive-Modus kam vor dem clean eingestellten Amp zum Einsatz. Als Referenzgerät habe ich meinen Ibanez TS 808HW aus der aktuellen Produktion verwendet und neben den King of Tone in den Effektweg eingeführt (leider besitze ich keinen originalen alten Tubescreamer). Ob der King of Tone eine Ableitung vom Tubescreamer oder eine völlig eigenständige Komposition von Mike ist - ich kann es beim besten Willen nicht sagen. Auch kann ich nicht sagen, ob er ähnlich klingt wie das alte Bluesbreaker-Pedal - ich habe nie eins gespielt geschweige denn besessen (die Technik-Experten unter Euch können hier vielleicht helfen). Über den Sound kann ich nur sagen: Die Quelle der Inspiration ist eindeutig, der Sound der King of Tone im Overdrive-Modus ist sehr eng mit dem Tubescreamer verwandt. Und dies meine ich im positiven Sinne. Er klingt so, wie wir es von unseren alten Referenzalben gewohnt sind. Im Vergleich zu meinem TS808HW ist folgendes festzuhalten: Der Tone-Regler funktioniert bei beiden Pedalen ähnlich, hier ist die Range mehr oder weniger identisch. Der normale King of Tone hat schätzungsweise 20 % weniger Gain als der TS, während die von mir für den Test verwendete High Gain-Version ein wenig mehr hat. Diesen Mod kann man übrigens bei Mike gegen einen geringen Aufpreis ordern, ich finde ihn sehr gut, da man so die Möglichkeiten, die der King of Tone bietet, noch mehr ausreizen kann. Sehr auffällig im Vergleich zum TS ist tatsächlich die dezentere Betonung der Mitten und der bessere Basserhalt. Noch auffälliger ist die geringere Kompression der King of Tone und die ausgeprägte Dynamik. Auf Veränderungen des Anschlages reagiert der King of Tone viel sensibler. Hiermit meine ich nicht nur die Stärke des Anschlages, sondern auch dessen Art (spitze Seite vs. runde Seite des Picks, Daumen vs. Zeigefinger vs. Pick, Ort des Anschlages näher Bridge oder Neck, etc.). Der Tubescreamer verdeckt viel mehr - allerdings ist er aus eben diesem Grund auch nachgiebiger. Der King of Tone offenbart im Vergleich schonungslos, dass man an seiner Technik noch arbeiten muss.
Langsam wird es Zeit, die schwere Artillerie auszufahren: Der Fender Vibro King kann kommen. Ich liebe diesen Amp über alles, aber wer ihn ein wenig kennt, der weiß, dass es sich bei der Liebe zum Vibro King in der Regel um eine Hassliebe handelt: er liefert mit seinen 3x10 Speakern und seinen 60 Watt einen wunderschönen Fender-Cleansound, der allerdings nie in die Knie geht: selbst bei voll aufgedrehter Lautstärke bekommt man mit einer Strat nicht mehr, als ein rundes, warmes Singen, während es mit einer Humbucker-Gitarre eher in Richtung BB King geht. Problem ist immer wieder die Lautstärke - der Vibro King ist noch lauter, als der Bassman. Zweites Problem ist die extreme Zickigkeit des Amps, wenn es um Pedale geht - bei Fuzz-Pedalen ist das Baby z.B. sofort beleidigt, von "Marshall in a Box" und Konsorten ganz zu schweigen.
Wer mich kennt, weiß ja, dass ich der stereotypische Stevie Ray Vaughan-Nerd bin und ständig seinem Sound hinterherlaufe. Dies habe ich auch diesmal nicht vermeiden können, also wollte ich mit meiner CS Strat, dem Vibro King und dem King of Tone eine Soundreise nach Texas machen. Hier werden wir zum ersten mal auch den richtigen Double Trouble erleben und beide Hälften des King of Tone gleichzeitig einsetzen. Dies ist übrigens kein Zufall: Stevie Ray Vaughan verwendete oft zwei Tubescreamer gleichzeitig in seinem Setup, wobei der eine (den wir mit der gelben Seite emulieren werden) sehr laut, dafür aber mit einem geringen Grad an Verzerrung (quasi als Booster zweckentfremdet) lief, während der andere gainiger eingestellt war und tatsächlich als Zerre verwendet wurde.
Den Vibro King habe ich laut aufgedreht und sehr höhenbetont eingestellt. Mit ein wenig Reverb und der Strat habe ich so einen schönen Lenny-Sound, der allerdings völlig clean und für den typischen SRV-Semi-Clean (Pride & Joy, Testify) nicht ideal ist. Hier hilft die gelbe Seite des King of Tone im Boost-Modus, wobei Tone neutral und Gain auf etwa 13 Uhr eingestellt ist: So bekomme ich den Sound, auf den ich abfahre: Texas Blues in Reinkultur, irgendwo zwischen clean und overdrive, mit genug Durchsetzungsfähigkeit und genug Druck für alle Situationen. Der Grundklang des Vibro King wir fast überhaupt nicht beeinflusst, die Bässe liefern ein gutes Fundament, während die Höhen SRV-typisch knallig sind. Auch der Boost-Modus reagiert herrlich dynamisch: bei hartem Anschlag über den mittleren Pickup der Strat habe ich den typischen Shuffle-Sound, der insbesondere fürs Rhythmusspiel gut geeignet ist, während ich in den Zwischenstellungen einen wunderschönen Life Without You-mäßigen Beinahe-Clean habe.
Nun zum Double Trouble: ich habe viel darüber nachgedacht, ob es eine gute Idee ist, zwei Tubescreamer parallel zu schalten. Bei Stevie Ray Vaughan klang es gut, ich persönlich konnte damit nur mäßige Erfolge verzeichnen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass SRV das auch nur deswegen so gemacht hatte, weil er nichts besseres zur Verfügung hatte. Beim King of Tone sieht es anders auf: die Schaltkreise hat Mike wohl bewusst so entwickelt, dass sie sich ergänzen und nicht beißen. Schaltet man die rote Seite im Overdrive-Modus zur gelben Seite hinzu, erhält man einen unglaublich satten, fast schon singenden Leadsound. Man denke z.B. an das Solo von Life Without You oder an SRVs Slidespiel in Boot Hill - das ist der Sound, den der King of Tone liefert. Natürlich muss man bei dem Double Trouble damit rechnen, dass die Dynamik ein wenig verloren geht und deutlich mehr Kompression im Spiel ist. Als Entschädigung ist der Sound so aber deutlich nachsichtiger, sodass man sich live mit viel Selbstbewusstsein in das Solo werfen kann! Mrs. Zicke Vibro King und der King of Tone beißen sich übrigens überhaupt nicht - im Gegenteil: noch nie hatte ich ein Pedal, welches die Lady so geliebt hätte. Der Tubescreamer klingt im Vergleich ein wenig wie ein Fremdkörper.
Fazit
Wer ein wenig zwischen den Zeilen gelesen hat, hat vielleicht gemerkt, dass ich ein Fan des klassischen Tubescreamer-Sounds bin und die modernen "transparenten" Overdrives nicht so sehr mag. Allerdings sehe ich auch ein, dass man mit der Zeit gehen sollte. Der King of Tone schafft den Spagat zwischen Vintage und Moderne perfekt. Man weiß mit ihm, wo man herkommt, trotzdem ist er zeitgemäß. Um es mal klar auszudrücken: es gibt schöner klingende Pedale. Der King of Tone ist ein Edel-Tubescreamer mit der Betonung auf Tubescreamer. Gitarristen, die besonders weiche, reiche oder blumige Sounds suchen, sollte evtl. lieber etwas wie den Euphoria von Wampler probieren. Der King of Tone klingt im Vergleich hart, knochig und sehr direkt. Auch ist er - wie schon erwähnt - nicht besonders gnädig und erleichtert das Spiel nicht. Er fügt dem Setup und dem Spiel nichts hinzu, sondern betont eher die schon vorhandenen Grundzüge. Eine gute Gitarre und insbesondere ein guter Amp sind also Pflicht.
Man kennt die Geschichte ja: jeden Monat wird in Internetforen eine Sau durchs Dorf getrieben. T Rex, Wampler, Lovepedal, Larifari. Sicherlich alles ausgezeichnete Pedale, die allerdings für die meisten Menschen keine Anschaffung fürs Leben sind - die meisten Freaks verkaufen diese Dinger meistens schnell wieder. Der Analogman King of Tone bleibt!
Noch schlimmer ist die Sache mit dem Boutique-Boom der letzten Jahre geworden. Aber es wurde ja schon gesagt: Boutique ist ein Geschäft, in dem Frauen High Heels und Strapse kaufen! Für den Boutique-Sammler ist der King of Tone vielleicht nicht die erste Wahl. Empfehlen würde ich das Pedal Gitarristen, die mit wenig Platz auf dem Pedalboard auskommen müssen oder wollen und die auch auf das Geld achten. Er ist nun einmal kein Schickimicki-Pedal, sondern ein zuverlässiges Arbeitstier. Auch braucht man wegen der enorm vielen Regelungsmöglichkeiten etwas Zeit, bis man lernt, wie man ihn voll auskostet.
Der hohe Preis relativiert sich in Anbetracht der enormen Vielseitigkeit des Pedals. Ich wage sogar mal zu behaupten, dass man mit diesem einzigen Pedal bis ans Ende seiner Tage glücklich werden kann. Ich habe mich bei meinem Review auf einige wenige der zahllosen Anwendungsmöglichkeiten beschränkt - aber das Pedal ist viel vielseitiger. Des Distortion-Mode habe ich z.B. bewusst ausgelassen, da ich ihn nie verwende. Auch habe ich nichts über den eigebauten Treble Booster und dessen Verwendung geschrieben - obwohl hier auch viel möglich ist, von Rory Gallagher (Strat) bis Michael Bloomfield (Les Paul).
Pro/Contra
Pro:
- Klassischer Tubescreamer Sound in Edel
- Sehr vielseitig
- Kein Schickimicki
- Sehr guter Werterhalt und Wiederverkaufswert
Contra:
- Schaltungen für Treble-Boost und Gainstufen nur im Inneren
- Lange Wartezeit
Diese Frage hat mich auch lange Beschäftigt, da ich - wie die meisten Gitarristen halt - ein echter Gain-Junkie bin und als Blueser eben besonders auf Low- bis Mid-Gain-Pedale abfahre. Wie bei vielen anderen auch ist mein Pedalboard deshalb zu einem ein wahres perpetuum mobile, zu anderem auch eine - ebenfalls nie ruhende - Geldverbrennungsmaschine. Die Suche nach dem heiligen Gral - den es wahrscheinlich eh nicht gibt - ist für uns ja einerseits Qual und finanzielle Belastung, andererseits Freude und Stoff für endlose Diskussionen.
Natürlich musste so für mich der King of Tone irgendwann einmal her. Um es kurz zu machen: Er mag vielleicht nicht der heilige Gral sein, allerdings ist er eines der besten Pedale, die ich jemals gespielt habe. Mir hat es sogar so gut gefallen, dass ich mir ein zweites bestellt habe, falls eines mal den Geist aufgeben sollte. Kurzum: es ist mein Lieblingsverzerrer. Nun aber zum Review...
Allgemeines
Laut offiziellen Angaben ist der King of Tone das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Analogmike, dem Mastermind hinter Analogman und dem Gitarristen Jim Wieder, der als einer der "Master of the Telecaster" und als einer der besten Slidegitarristen des Planeten gilt. Jim spielte - wie fast alle Gitarristen seiner Generation - lange einen Ibanez TS 808 Tubescreamer. Die meisten kennen ja den typischen Tubescreamer-Sound und lieben und hassen ihn gleichzeitig: Wir lieben ihn, da er Bestandteil des Sounds unserer Helden ist: der TS 808 war der erste Verzerrer, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, den Sound einer übersteuerten Röhrenendstufe zu emulieren. Ihn verwendeten Keith Richards, Santana, Stevie Ray Vaughan und viele, viele andere auf den Aufnahmen, die für uns heute Referenz in Sachen Sound sind. Und wir hassen ihn oft, da er - als erster Vertreter dieser Gattung von Pedalen - an einer Kinderkrankheit leidet: er frisst Bässe (und das nicht zu knapp), und wir empfinden den Sound deshalb als sehr mittenlastig. Der Gitarristen-Volksmund hat für dieses Phänomen - mal boshaft, mal aus Scherz, mal liebevoll - schon einige Wörter kreiert: Midrange Bump, Mittennase, Bassklau, etc. Vorteil ist natürlich, dass die starke Betonung der Mitten den Sound sehr durchsetzungsfähig macht, nachteilig ist allerdings, dass hierdurch der Charakter unserer Gitarre und unserer Amps doch stark von dem Pedal überlagert wird.
Zweiter ewiger Kritikpunkt bezüglich des Tubescreamers ist der etwas stärkere Grad an Kompression, der insbesondere bei höheren Gainstufen präsent ist. Diese Kompression empfinden die meisten Gitarristen insbesondere beim Solospiel als angenehm, da die Noten etwas "ausgebügelt" werden und der Sound besonders bei höheren Lautstärken kleine Ungenauigkeiten des Spiels leichter verzeiht. Der Preis, den wir hierfür zahlen, ist allerdings hoch: Dynamiken und kleine Feinheiten des Spiels werden etwas überlagert und kommen nicht mehr so gut zur Geltung.
Einige Gitarristen stören sich an diesen Unzulänglichkeiten nicht sonderlich und schwören auch weiter auf den Tubescreamer, andere suchen etwas ganz anderes (Unwort des Jahrtausends: "Transparentes Overdrive", Vize-Unwort: "Offener Klang"), wiederum andere möchten einen Kompromiss erreichen und sind auf der Suche nach einer moderneren Interpretation des klassischen Tubescreamer-Sounds.
Zu der dritten Fraktion gehört wohl auch Jim Wieder, denn er trat an Mike heran und wünschte sich ein Pedal mit Tubescreamer-Charakter, allerdings mit weniger Kompression, weniger ausgeprägter Mittennase und weniger "Färbung" (Originalton auf der Homepage: "You can hear the note better"). Angeblich wurden im Vorfeld der Entwicklung neben Tubescreamern auch mehrere alte Marshall Bluesbreaker-Pedale von Mike kastriert, gemoddet, wieder zusammengabaut, etc., bis er sich entschloss, den schwierigeren Weg zu gehen und ein völlig eigenes Pedal zu entwickeln - Die Geburt des King of Tone.
Aufbau
Ich selbst besitze die vierte - und laut Herstellerangaben auch letzte - Version des King of Tone. Im Vergleich zu einem schlichten Tubescreamer ist der Aufbau etwas Komplizierter, da der King of Tone zweit identische Pedale in einem Gehäuse beherbergt. Es handelt sich also um ein echtes "Zwillingspedal": die näher am Amp liegende Seite hat unabhängige Regler, wie wir sie auch vom Tubescreamer kennen: Lautstärke, Klangfarbe und Zerrgrad. Wegen der gelben leuchte wird diese linke Seite oft liebevoll auch als "The Yellow Side" bezeichnet. Rechts davon - also näher zur Gitarre - haust "The Red Side" als Zwillingsschwester. Auch hier die drei Potis, die ebenso funktionieren wie bei der gelben Dame. Bildlich ausgedrückt: würde man das Pedal in der Mitte durchschneiden, hätte man zwei separate Verzerrer. Der besondere Clou: innerhalb des Gehäuses haust ein kleiner weißer Poti, mit dem man die Höhen noch einmal ordentlich boosten kann. Der zweite Clou und eine der Hauptattraktionen des King of Tone: Ebenfalls im Inneren findet sich für jede Seite ein kleiner Kippschalter, mit dem man zwischen drei unterschiedlichen Gainstufen wählen kann: Boost, Overdrive und Distortion. Boost soll eine leichte Lautstärkeanhebung mit sehr geringem Zerrgrad liefern. Overdrive ist die Tubescreamer-mäßige dezente Verzerrung, während Distortion noch eine Schippe drauflegt. Ich habe für mein Review eine gemoddete Version verwendet, bei der dieser Schalter für die rote Seite nicht im Inneren des Gehäuses, sondern als kleiner Kippschalter oben auf dem Gehäuse sitzt. Dies ist sehr empfehlenswert, aber auch mit einem kleinen Aufpreis verbunden.
Zur Verarbeitung selbst kann ich nicht viel sagen, da ich persönlich noch nie Probleme mit meinen King of Tones hatte. Das Pedal scheint sehr sauber verarbeitet zu sein. Das Gehäuse ist robust und schwer, einige Tritte kann es sicher gut wegstecken. Die Schalter und Potis funktionieren einwandfrei, da dürfte eigentlich nichts anbrennen. Das Gehäuse ist in einem schlichten dunklen Lila lackiert - sicherlich nicht so fancy und sexy wie andere Treter in dieser Preisklasse, aber keinesfalls hässlich!
Sound
Kommen wir nun zum Eingemachten. Da die Erwartungen der meisten Leute wegen des hohen Preises, der langen Wartezeiten und allgemein wegen des Hypes sehr hoch angesetzt sind, habe ich mich mal dazu entschlossen, den King of Tone in drei fundamental unterschiedlichen Kontexten zu testen und zu prüfen, ob er das hält, was er verspricht. Als Testamps habe ich einen Tone King Falcon, einen Dr. Z MAZ 18 und einen Fender Vibro King genommen. Als Gitarren habe ich eine 61er Strat aus dem Fender Custom Shop und eine Gibson Les Paul 1959 V.O.S. verwendet.
Fangen wir mit dem Tone King an. Hierbei handelt es sich um einen kleinen 1x10 Combo mit 10 Watt, der einen sehr, sehr vintage-mäßigen Fender-Sound liefert und drei Voicings hat: Rhythm (Fender Deluxe-inspiriert), Tweed und Lead (Fender Super-artig). Zuerst habe ich ihn bei Zimmerlautstärke mit der Strat im Rhythm-Modus gespielt. Problem hierbei ist immer, dass der Amp etwas klein und dünn klingt und der Sound dermaßen geringes Sustain hat, dass selbst Albert-mäßige Blueslicks schwer zu spielen sind. Also: Her mit dem King of Tone, um ein wenig - aber nicht zu viel - Gewürze in die Suppe zu bringen. Mein Ziel war es hier, einen Sound zu produzieren, der immer noch clean ist und alle Nuancen des Spiels zeigt. Den King of Tone habe ich im Boost-Modus benutzt und nur die gelbe Seite angeschaltet. Und was soll ich sagen: die Sonne ging auf im kleinen Zimmer. Den Tone-Poti am Pedal habe ich bewusst auf 12 Uhr gelassen, um den Klang nicht zu beeinflussen, die Verzerrung habe ich etwa auf 13 Uhr gestellt. Das Ergebnis war ein cleaner Sound, der allerdings herrlich präsent war und ein ganz kleines Quäntchen von der Kompression hatte, die man so nötig braucht, wenn man Blues spielt. Der Sound war viel lebhafter und präsenter, und ich hatte das Gefühl, besser zu spielen als vorher. Der kleine "Sternenstaub" auf den Noten klang warm und rund, und dank der kleinen Kompression waren Albert-Bendings eine Freude. Der Ton starb nicht ab, nachdem ich die Saite gezogen hatte, sondern blieb stehen, und das Vibrato auf der Spitze der Note klang selten so schön. Auch kleine Nuancen des Spiels waren sofort hörbar. Ich konnte z.B. sofort hören, ob ich die Saite mit den Daumen oder mit dem Plektrum anschlug oder ob ich sanft an ihr riss. Alle 5 Einstellungen der Strat klangen wunderbar, wobei es besondere Freude bereitete, den Lautstärkeregler der Strat aus etwa 8 zurückzurollen und einige Lenny-Akkorde zu spielen.
Als nächstes kam der Tweed-Modus des Amps an die Reihe. Jeder, der einen Old School Tweed-Amp schon einmal gespielt hat, weiß: das ewige Problem ist das "Bröckeln" des Sounds. Insbesondere beim Rhythmusspiel und ohne Bandbegleitung hat man oft das Gefühl, dass des Sound etwas ungenau ist und ein wenig matscht. Ich habe hier mal meine Les Paul genommen und den King of Tone wieder im Boost-Modus verwendet, wobei der Falcon schon eine deutliche Tweed-Verzerrung hatte. Hier räumte der King of Tone den Sound herrlich auf: es klang auf einmal alles präziser, präsenter, mit dem Steg-Pickup der Les Paul hat es "getexast" was das Zeug hielt - Freddie King hätte seine Freude gehabt!
Die Zweite Runde war dann der Dr. Z MAZ 18. Wer den kennt, der weiß, dass es ein extrem aggressiver und "schneller" Amp ist - er erinnert mich persönlich in seinem Ansprechverhalten immer wieder an den kleinen Marshall Bluesbreaker. Sein Sound ist eigentlich relativ eigen, bewegt sich irgendwie zwischen Marshall, Fender und Vox, mit etwas "gläsernen" Höhen. Ich habe ihm mal relativ clean, aber relativ laut eingestellt, um Clean- und Overdrive-Modus des Pedals zu testen - und das in weniger diskreter und subtiler Weise, als mit dem Tone King Falcon.
Der Boost-Modus funktioniere hier auch schön und gab dem MAZ bei niedrigen Verzerrgraden (unter 12 Uhr) und einem kleinen Plus an Lautstärke einen ordentlichen Schub. Weiter aufgedreht lieferte er mehr als nur "Sternenstaub": Die Bezeichnung als Clean-Boost sollte man nicht unbedingt wörtlich nehmen, da mit Gaineinstellungen von 15 Uhr am King of Tone und mit meiner Les Paul (die eher schwache Pickups hat) die Post ordentlich abging - Paul Kossoff hätte seinen Spaß gehabt! Als ich den Amp so stark aufdrehte, dass er auch ohne Pedal Zerrte und dann den Boost noch drauflegte, wurde es richtig böse: Ein Rocksound, der einem förmlich ins Gesicht springt und sich wahrscheinlich durch jeden Bandkontext und jede noch so verrauchte Kneipe durchschlägt. Man konnte bei jedem Akkord hören, wie der King of Tone dem MAZ in die Eier tritt: Bässe und Mitten klangen alle schön aufgeräumt, und die glasigen Höhen des MAZ kamen noch schöner zum Vorschein. Klang alles herrlich amerikanisch.
Der Overdrive-Modus kam vor dem clean eingestellten Amp zum Einsatz. Als Referenzgerät habe ich meinen Ibanez TS 808HW aus der aktuellen Produktion verwendet und neben den King of Tone in den Effektweg eingeführt (leider besitze ich keinen originalen alten Tubescreamer). Ob der King of Tone eine Ableitung vom Tubescreamer oder eine völlig eigenständige Komposition von Mike ist - ich kann es beim besten Willen nicht sagen. Auch kann ich nicht sagen, ob er ähnlich klingt wie das alte Bluesbreaker-Pedal - ich habe nie eins gespielt geschweige denn besessen (die Technik-Experten unter Euch können hier vielleicht helfen). Über den Sound kann ich nur sagen: Die Quelle der Inspiration ist eindeutig, der Sound der King of Tone im Overdrive-Modus ist sehr eng mit dem Tubescreamer verwandt. Und dies meine ich im positiven Sinne. Er klingt so, wie wir es von unseren alten Referenzalben gewohnt sind. Im Vergleich zu meinem TS808HW ist folgendes festzuhalten: Der Tone-Regler funktioniert bei beiden Pedalen ähnlich, hier ist die Range mehr oder weniger identisch. Der normale King of Tone hat schätzungsweise 20 % weniger Gain als der TS, während die von mir für den Test verwendete High Gain-Version ein wenig mehr hat. Diesen Mod kann man übrigens bei Mike gegen einen geringen Aufpreis ordern, ich finde ihn sehr gut, da man so die Möglichkeiten, die der King of Tone bietet, noch mehr ausreizen kann. Sehr auffällig im Vergleich zum TS ist tatsächlich die dezentere Betonung der Mitten und der bessere Basserhalt. Noch auffälliger ist die geringere Kompression der King of Tone und die ausgeprägte Dynamik. Auf Veränderungen des Anschlages reagiert der King of Tone viel sensibler. Hiermit meine ich nicht nur die Stärke des Anschlages, sondern auch dessen Art (spitze Seite vs. runde Seite des Picks, Daumen vs. Zeigefinger vs. Pick, Ort des Anschlages näher Bridge oder Neck, etc.). Der Tubescreamer verdeckt viel mehr - allerdings ist er aus eben diesem Grund auch nachgiebiger. Der King of Tone offenbart im Vergleich schonungslos, dass man an seiner Technik noch arbeiten muss.
Langsam wird es Zeit, die schwere Artillerie auszufahren: Der Fender Vibro King kann kommen. Ich liebe diesen Amp über alles, aber wer ihn ein wenig kennt, der weiß, dass es sich bei der Liebe zum Vibro King in der Regel um eine Hassliebe handelt: er liefert mit seinen 3x10 Speakern und seinen 60 Watt einen wunderschönen Fender-Cleansound, der allerdings nie in die Knie geht: selbst bei voll aufgedrehter Lautstärke bekommt man mit einer Strat nicht mehr, als ein rundes, warmes Singen, während es mit einer Humbucker-Gitarre eher in Richtung BB King geht. Problem ist immer wieder die Lautstärke - der Vibro King ist noch lauter, als der Bassman. Zweites Problem ist die extreme Zickigkeit des Amps, wenn es um Pedale geht - bei Fuzz-Pedalen ist das Baby z.B. sofort beleidigt, von "Marshall in a Box" und Konsorten ganz zu schweigen.
Wer mich kennt, weiß ja, dass ich der stereotypische Stevie Ray Vaughan-Nerd bin und ständig seinem Sound hinterherlaufe. Dies habe ich auch diesmal nicht vermeiden können, also wollte ich mit meiner CS Strat, dem Vibro King und dem King of Tone eine Soundreise nach Texas machen. Hier werden wir zum ersten mal auch den richtigen Double Trouble erleben und beide Hälften des King of Tone gleichzeitig einsetzen. Dies ist übrigens kein Zufall: Stevie Ray Vaughan verwendete oft zwei Tubescreamer gleichzeitig in seinem Setup, wobei der eine (den wir mit der gelben Seite emulieren werden) sehr laut, dafür aber mit einem geringen Grad an Verzerrung (quasi als Booster zweckentfremdet) lief, während der andere gainiger eingestellt war und tatsächlich als Zerre verwendet wurde.
Den Vibro King habe ich laut aufgedreht und sehr höhenbetont eingestellt. Mit ein wenig Reverb und der Strat habe ich so einen schönen Lenny-Sound, der allerdings völlig clean und für den typischen SRV-Semi-Clean (Pride & Joy, Testify) nicht ideal ist. Hier hilft die gelbe Seite des King of Tone im Boost-Modus, wobei Tone neutral und Gain auf etwa 13 Uhr eingestellt ist: So bekomme ich den Sound, auf den ich abfahre: Texas Blues in Reinkultur, irgendwo zwischen clean und overdrive, mit genug Durchsetzungsfähigkeit und genug Druck für alle Situationen. Der Grundklang des Vibro King wir fast überhaupt nicht beeinflusst, die Bässe liefern ein gutes Fundament, während die Höhen SRV-typisch knallig sind. Auch der Boost-Modus reagiert herrlich dynamisch: bei hartem Anschlag über den mittleren Pickup der Strat habe ich den typischen Shuffle-Sound, der insbesondere fürs Rhythmusspiel gut geeignet ist, während ich in den Zwischenstellungen einen wunderschönen Life Without You-mäßigen Beinahe-Clean habe.
Nun zum Double Trouble: ich habe viel darüber nachgedacht, ob es eine gute Idee ist, zwei Tubescreamer parallel zu schalten. Bei Stevie Ray Vaughan klang es gut, ich persönlich konnte damit nur mäßige Erfolge verzeichnen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass SRV das auch nur deswegen so gemacht hatte, weil er nichts besseres zur Verfügung hatte. Beim King of Tone sieht es anders auf: die Schaltkreise hat Mike wohl bewusst so entwickelt, dass sie sich ergänzen und nicht beißen. Schaltet man die rote Seite im Overdrive-Modus zur gelben Seite hinzu, erhält man einen unglaublich satten, fast schon singenden Leadsound. Man denke z.B. an das Solo von Life Without You oder an SRVs Slidespiel in Boot Hill - das ist der Sound, den der King of Tone liefert. Natürlich muss man bei dem Double Trouble damit rechnen, dass die Dynamik ein wenig verloren geht und deutlich mehr Kompression im Spiel ist. Als Entschädigung ist der Sound so aber deutlich nachsichtiger, sodass man sich live mit viel Selbstbewusstsein in das Solo werfen kann! Mrs. Zicke Vibro King und der King of Tone beißen sich übrigens überhaupt nicht - im Gegenteil: noch nie hatte ich ein Pedal, welches die Lady so geliebt hätte. Der Tubescreamer klingt im Vergleich ein wenig wie ein Fremdkörper.
Fazit
Wer ein wenig zwischen den Zeilen gelesen hat, hat vielleicht gemerkt, dass ich ein Fan des klassischen Tubescreamer-Sounds bin und die modernen "transparenten" Overdrives nicht so sehr mag. Allerdings sehe ich auch ein, dass man mit der Zeit gehen sollte. Der King of Tone schafft den Spagat zwischen Vintage und Moderne perfekt. Man weiß mit ihm, wo man herkommt, trotzdem ist er zeitgemäß. Um es mal klar auszudrücken: es gibt schöner klingende Pedale. Der King of Tone ist ein Edel-Tubescreamer mit der Betonung auf Tubescreamer. Gitarristen, die besonders weiche, reiche oder blumige Sounds suchen, sollte evtl. lieber etwas wie den Euphoria von Wampler probieren. Der King of Tone klingt im Vergleich hart, knochig und sehr direkt. Auch ist er - wie schon erwähnt - nicht besonders gnädig und erleichtert das Spiel nicht. Er fügt dem Setup und dem Spiel nichts hinzu, sondern betont eher die schon vorhandenen Grundzüge. Eine gute Gitarre und insbesondere ein guter Amp sind also Pflicht.
Man kennt die Geschichte ja: jeden Monat wird in Internetforen eine Sau durchs Dorf getrieben. T Rex, Wampler, Lovepedal, Larifari. Sicherlich alles ausgezeichnete Pedale, die allerdings für die meisten Menschen keine Anschaffung fürs Leben sind - die meisten Freaks verkaufen diese Dinger meistens schnell wieder. Der Analogman King of Tone bleibt!
Noch schlimmer ist die Sache mit dem Boutique-Boom der letzten Jahre geworden. Aber es wurde ja schon gesagt: Boutique ist ein Geschäft, in dem Frauen High Heels und Strapse kaufen! Für den Boutique-Sammler ist der King of Tone vielleicht nicht die erste Wahl. Empfehlen würde ich das Pedal Gitarristen, die mit wenig Platz auf dem Pedalboard auskommen müssen oder wollen und die auch auf das Geld achten. Er ist nun einmal kein Schickimicki-Pedal, sondern ein zuverlässiges Arbeitstier. Auch braucht man wegen der enorm vielen Regelungsmöglichkeiten etwas Zeit, bis man lernt, wie man ihn voll auskostet.
Der hohe Preis relativiert sich in Anbetracht der enormen Vielseitigkeit des Pedals. Ich wage sogar mal zu behaupten, dass man mit diesem einzigen Pedal bis ans Ende seiner Tage glücklich werden kann. Ich habe mich bei meinem Review auf einige wenige der zahllosen Anwendungsmöglichkeiten beschränkt - aber das Pedal ist viel vielseitiger. Des Distortion-Mode habe ich z.B. bewusst ausgelassen, da ich ihn nie verwende. Auch habe ich nichts über den eigebauten Treble Booster und dessen Verwendung geschrieben - obwohl hier auch viel möglich ist, von Rory Gallagher (Strat) bis Michael Bloomfield (Les Paul).
Pro/Contra
Pro:
- Klassischer Tubescreamer Sound in Edel
- Sehr vielseitig
- Kein Schickimicki
- Sehr guter Werterhalt und Wiederverkaufswert
Contra:
- Schaltungen für Treble-Boost und Gainstufen nur im Inneren
- Lange Wartezeit
- Eigenschaft