Reise nach Castelfidardo

  • Ersteller TillFinn
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Hallo zusammen,

ich war letzte Woche in Castelfidardo. Ich kann wokro nur zustimmen: die Leute in den Akkordeon-Werkstätten sind durchweg sehr freundlich, und zwar nicht nur die, die den Besucher herumführen, sondern auch die, die an den Werkbänken stehen. Unser Eindruck, der meiner Frau und meiner: die Italiener, zumindest die, die wir in Gaststätten, auf dem Markt, in den Werkstätten, oder sonstwo getroffen und gesprochen haben, waren gefühlt um 2 Grad freundlicher als vergleichbare Leute in Deutschland. Und wir sind uns sicher, dass das in Marken, das ist die Region, in der Castelfidardo liegt und die sich eher am Rande des Massentourismus befindet, nicht nur am Beginn der Urlaubssaison so ist.

Soweit vorhanden, lassen die Akkordeon-Werkstätten einen Besucher gerne das eine oder andere Instrument ausprobieren. Man sollte jedoch nicht davon ausgehen, dass das komplette Katalogangebot auch physisch vorhanden ist. Eher sind nur vereinzelt Instrumente vor Ort vorhanden. Gefertigt werden bei allen von mir besuchten Herstellern Chargen von 5 - 10 Instrumenten gleichen Typs, meist vorbestellt, die nach Fertigstellung sofort versandt werden.

Die Fertigung ist überwiegend reine Handarbeit - ich habe im Laufe meiner Besuche nur eine einzige CNC-Maschine gesehen. Die Fertigungstiefe ist sehr hoch. Die Stimmplatten wurden jedoch bei allen Herstellern vom Zulieferer bezogen. Es gibt größere Betriebe, geschätzt 15 - 20 Werker, und kleine Betriebe, 3 - 4 Werker. Ich habe ziemlich veraltete Werkstätten gesehen, die den Eindruck der Fertigung des vorvorigen Jahrhunderts vermitteln, und das bei klangvollem Namen an der Hauswand. Und ich habe einigermaßen zeitgemäße Fertigungsstätten gesehen, auch mit klangvollem Namen an der Hauswand. Ich habe fast nur jüngere bis gemischtaltrige Belegschaften gesehen, nur in einem Kleinbetrieb waren ausschließlich 60+ - Werker zu sehen.

Durchweg habe ich den Eindruck gewonnen, dass mit sehr großer Sorgfalt und Sachverstand gearbeitet wird. Die Castelfidardo-Philosophie ist, nach guten, erprobten handwerklichen Methoden die Instrumente zu bauen. Man kann sicher von jedem dieser Hersteller ein ehrlich gebautes und technisch erprobtes Instrument erwarten. Bei dieser Philosophie sind aber keine großen Neuerungen oder gar Verbesserungen zu erwarten, nur ein Betrieb hat dem Vernehmen nach Experimente gemacht und sich mit messtechnischen Methoden um Klangverbesserung bemüht. Die Stimmplattenproblematik (Ansprache, Drift) wird in Castelfidardo nach meinem Eindruck nicht angegangen, schon eher die Optimierung der Cassotto-Räume oder der Oberflächen der Kanzellenräume und der verwendeten Holzarten.

Die Betriebe sind von den Eigentümern geführt, die manchmal sogar noch den Namen der Marke haben, also Familienbetriebe. Auch scheinen die meisten Eigentümer irgendwie Musiker zu sein, wenn auch nicht notwendig Akkordeonisten. Das alles vermittelt dem Besucher den Eindruck, dass unabhängig vom Hersteller in Castelfidardo Instrumente mit einer "Seele" gebaut werden - im Kontrast zu CAD-optimierten Musik-Geräten Manager-geführter und Heuschrecken-ausgelaugter Systemintegrations-Labels.

Bleiben also die bekannten 2 kritischen Punkte bei Castelfidardo-Akkordeons: Qualitätsschwankung, hier habe ich keine effektive Anstrengung gesehen, das in den Griff zu bekommen - es wird eben so gut wie möglich gearbeitet. Belastbare Qualitätsstandards, die eingehalten werden müssen, existieren nicht. Ferner das Antesten eines konkreten Instruments, das zum Kauf steht aber nicht zum Kauf verpflichtet. Letzteres wurde aber schon ausgiebig in anderen Fäden diskutiert.

Alles in allem, ich bin sehr beeindruckt von Castelfidardo und war bestimmt nicht das letzte Mal dort. Ein besonderes Schmankerl war übrigens ein kostenloses Konzert (45 Min.) eines Balkan-Akkordeonvirtuosen, zu dem wir zufällig dazukamen, sowie das eigene Spiel auf dem weltgrößten spielbaren Akkordeon von ca. 2,50 m Höhe.

Viele Grüße

morino47
 
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Toller Beitrag!

Als Morinospieler stehst du ja nicht im Verdacht für eine bestimmte Marke dort parteiisch zu sein. Deshalb würde es mich besondern interessieren, welche akustischen oder auch ergonomischen Erkenntnisse du gewonnen hast. Und zu guter Letzt, kannst du eine Unterkunft und etwas Leckeres zu beissen empfehlen?

Gruß, Leo
 
Mir blutet das Herz... Ich bin noch nie dort gewesen, habe das aber jetzt massiv auf der Liste.

Wie bist du denn an Termine in den Werkstätten gekommen?

Tipps für Übenachtungen wären natürlich auch noch klasse, ich habe schon mal recherchiert und nicht unbedingt soooo viel gefunden.

Ich habe im Spätjahr als Familienreise vor, die Italienische Ostküste abzuklappern und mich dann 1-2 Tage in Castelfidardo 'aussetzen' zu lassen.

viele Grüße
MoriGol
 
Hallo zusammen,

ach Leutchen, bei so vielen Fragen muss ich wohl immer wieder den Laptop füttern, komme ja gar nicht zum Akko-Spielen.

Also zunächst eine kleine Richtigstellung: ich habe zwar eine (relativ gut laufende) Morino, spiele aber wesentlich lieber auf meiner wesentlich besseren Öllerer Solist, die, obwohl Öllerer in Freilassing sitzt, wahrscheinlich in Teilen oder sogar komplett aus Castelfidardo stammt. Aber selbst wenn ich eingefleischter Hohnerianer wäre, was spräche dagegen, andere Labels wie die aus Castelfidardo nicht objektiv zu betrachten? Subjektivität ist doch wie ein Brett vor dem Auge, und das versuche ich zu vermeiden.

@ Leodilemma: für belastbare akustische und ergonomische Erkenntnisse war mein Probieren (so will ich das Anspielen der verschiedenen Instrumente mal nennen) bei den verschiedenen Herstellern zu kurz und zu unprofessionell. Die speziellen Klangeigenschaften der Holzinstrumente wurden hier ja schon diskutiert. Die Ergonomie hängt für mich sehr mit der optimalen Gurteinstellung zusammen, und die ist auf die Schnelle in einem Vorführraum neben anderen Unzulänglichkeiten nur schwerlich zu schaffen. Klanglich habe ich zwei Eindrücke mitgenommen: die große Brandoni (149W CL gold) hat 25 (!) Register, das ist nicht zu toppen, sie scheint zudem ab Werk insbesondere für scharfe Musette-Klänge gestimmt. Bei allen, auch sehr teuren, angespielten Instrumenten war die Ansprache bei den tiefen 16'-Fuß- und hohen 4'-Fuß-Lagen nicht optimiert, keinesfalls besser, eher schlechter als bei meinen beiden eigenen Akkordeons. Cassotto-Knick war bei allen zu hören. Wenn man Kaufabsichten hegt, müsste man m.E. vorbereitet sein, eine engere Wahl bereits getroffen haben, und sich bei einem Hersteller mehr Zeit als ich nehmen, evt. auch abklären, dass die Kiste der Begierde auch tatsächlich da ist.

Was die Unterkunft angeht, kann ich uneingeschränkt "Villa InCanto" empfehlen, gebucht über booking.com. Das Preis-/Leistungsverhältnis ist dort sehr ok, der Besitzer ist Ricardo, Musiker, Pianist, Impressario, in jedem seiner 3 Zimmer ein (gestimmtes) Klavier. Ricardo ist aus Castelfidardo, kennt dort fast jeden, auch aus der Akko-Szene, und hat die Tipps für alle Bedürfnisse in Castelfidardo und Umgebung parat, bucht sogar (auf Italienisch, haha!) Plätze in der Gaststätte. Er spricht auch englisch, deutsch, wie er sagt, vielleicht auch etwas, haben wir aber nicht probiert. Er ist allerdings wegen musikalischer Engagements nicht immer da und vermietet in solchen Zeiten auch nicht.

@ morigol: die Adressen der Castelfidardo-Hersteller habe ich vom Internet-Auftritt des Herrn Maurer, Freiburg, Akkordeonhändler. Ich habe bei den verschiedenen Herstellern von hier aus einfach angerufen (Billigvorwahl 01084) und nachgefragt. Bei den meisten kann man ohne Terminfestlegung zu den Geschäftszeiten einfach hinkommen. Es empfiehlt sich, ein aktuelles Navi dabei zu haben, denn einige Hersteller liegen im Industriegebiet verstreut. 2 Tage sind für einen ersten Besuch in Castelfidardo das Minimum.

So - jetzt aber mal genug mit dem Internet.

Viele Grüße

morino47
 
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Hallo Musikerclaus,
ich habe Anfang Juli die Reise zu Akkordeonmuseum nach Castelfdardo geplant. Fand deinen Beitrag sehr interessant und hilfreich. Bin sehr gespannt!
Gruß Linda
 
Hallo,

bei mir wird es jetzt Wirklichkeit. Nächste Woche bin ich in Italien und kann mir den Montag zur freien Verfügung nehmen, was bedeutet, dass ich am Sonntag nach Castelfidardo reise und leider am Dienstag morgen dann schon weiter muss. Übernachtung habe ich mir in Recanati reserviert. Das ist nur ein paar Kilometer entfernt.

Vielen Dank für die vielen Tipps hier im Faden, ich habe den Faden und auch die Liste von Maurer ausgedruckt dabei.
Meine Planung sieht vor, das Mueseum evtl. schon am Sonntag zu besuchen, falls ich rechtzeitig da bin. Am Montag steht als erstes Victoria auf dem Plan. Mit Elke Ahrenholz habe ich kontaktet, sie macht den Showroom um 9:30 auf. Danach werde ich mich treiben lassen und sehen, was sich so ergibt.

Was ich so gehört habe ist ein Tag sehr wenig, aber ich bin froh, so unproblematisch jetzt überhaupt mal nach Castelfidardo zu kommen.

Leider leidet das Nordseetreffen darunter, aber zumindest der Montag wird dann für mich ein schöner Ersatz dafür. :)

Viele grüße
MoriGol
 
Hallo,

gestern bin ich nun in Castelfidardo gewesen. :great::great::great:

Den Ausführungen von Morino47 schließe ich mich an, und konnte aufgrund der hier geäußerten Erfahrungen aufgrund meiner Zeitknappheit verschiedene Besuche sehr kurz halten.
weiter oben wurde geäußert, dass man überall 'einfach so' erscheinen könnte, das trifft aber nicht überall zu, bei den Firmen sollte man besser angemeldet sein, dann können sie sich auch auf den Besuch einstellen
Bei einer Firma, die auf dem klingelknopf auch 'Showroom' stehen hatte, wurde ich mit kurzen Worten abgewiesen.

Ich möchte hier meinen Bericht nun auf folgende Programmpunkte beschränken, die für mich hervorstechend waren:

VICTORIA: die Inhaberin Elke Ahrenholz-Breccia kenne ich nun schon seit 2 Jahren, und habe meine Tour auch dort gestartet. Ich habe viele Bilder gemacht, die ich euch auch nicht vorenthalten will.

DINO BAFFETTI: ups, wer ist denn das, ja, das habe ich ich auch gefragt... Über meinen Besuch dort wird es auch Bilder geben.

INTERNATIONALES MUSEUM: Das ist Pflicht. Nebenan ist das TourismusBüro, das einen prima Stadtplan und weitere Infos bereithält. Der ältere Herr war extrem freundlich, leider haben wir keine gemeinsame Sprache gehabt.

BRANDONI: Da hatte ich lustiges erlebt.

Und dann gibt es die Dinge, die es eigentlich nicht gibt, zumindest nicht auf dieser Welt.
In einem Schaufenster, das zu nix gehört und ich auch keinen gefunden habe, dem dieses Schaufenster gehört, stand das Bassteil einer alten Gola mit silbernen Beschlägen und 10 Bassreihen und 5 Stimmstöcken á 2x12 Tönen. Keine Ahnung, was das für ein Teil war.
Nun ja, ich habe meine Fühler ausgestreckt. Darüber werde ich einen separaten Faden aufmachen.

Die nächsten Tage komme cih hoffentlich dazu, die einzelnen berichte zu schreiben

Oje, Bilder hochladen geht nicht mehr so einfach, dann wird es mit den Bildern noch dauern, bis ich wieder zuhause bin.

Soweit erst mal die Übersicht.
Morigol
 
Hallo,

@Wil
soll ich dann den Bericht hier einstellen und dann dort einen Link auf den Bericht einstellen, oder den ganzen Bericht dort posten?

hier ein erstes Bild vom weltgrößten spielfähigen Akkordeon.

Das Instrument wird durch ein Gebläse mit Luft versorgt, ist aber ganz 'normal' mit 2 Personen zu spielen, irgendwie kommt man sich dabei vor wie Gulliver bei den Riesen.
Zu finden ist das Instrument im gleichen Gebäude, in dem auch Victoria seinen Showroom hat.

größtesAkkiR.JPG

(das war jetzt zum Üben, wie das alles im neuen forum funktioniert, den Gesamtbericht kann ich aber erst Ende September schreiben, wenn ich wieder zuhause bin)

Grüße
MoriGol
 
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wie geil ist das denn? Aber die Bässe spielt man besser mit Boxhandschuhen, oder? :D
 
Hallo @morigol,

soll ich dann den Bericht hier einstellen und dann dort einen Link auf den Bericht einstellen, oder den ganzen Bericht dort posten?

ggf. kurz mit @Martin Hofmann oder @Johannes Hofmann Rücksprache halten, die sich um die Board-Events sowie die Board-Startseite kümmern.
 
@ Wil_Riker,

ich habe mit Martin kontaktet. Ich soll für meinen Bericht einen eigenen Faden aufmachen (wird in Kürze fertig), weil er nur so den Bericht an die Startpage pinnen kann.

vielleicht kann man später, wenn der Report von der Startpage wieder runter ist, die beiden Fäden wieder zusammenführen.
 
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