Soll ich ihnen statt dessen dazu raten, auf meinem Niveau zu bleiben? Oder sogar noch darunter?
Nein. Man kann aber auch das absolut maximal machbare mal an einem Beispiel aufzeigen, ohne so zu tun, als wäre das a) immer erstrebenswert, b) grundsätzlich notwendig, um überhaupt einen Gedanken an alles andere zu verschwenden, und vor allem c) ohne diejenigen, die nicht diesen Maximalanspruch haben, als Dorftrottel oder billige Kaschemmenmusiker dastehen zu lassen. Der Ton macht auch hier die Musik.
Vor allem sollte man, wenn man z.B. Dalheimer als Referenz mit "dann können die Ansprüche ja so hoch nicht sein" gleichsetzt, mindestens das Standing haben, das es einem auch erlaubt, sowas zu sagen. Wenn Jordan Rudess oder meinetwegen Jarre höchstpersönlich den Dalheimer als billigen Plastiktröter und Presetmucker bezeichnet, ist das etwas ganz anderes, als wenn ein Martman das tut, der außer dem eigenen, völlig weltfremden Über-Anspruch nichts zu bieten hat, was diese Herablassung rechtfertigen würde.
Und man könnte zum Spaß einfach mal gelten lassen, dass die Authentizität des Sounds nicht das erste ist, woran man denken muss, und auch nicht zwingend das Letzte. Ohne die spielerischen Fähigkeiten, die dem angemessen sind, hilft es gar nichts, wenn zwar alle Töne falsch sind, aber wahnsinnig authentisch klingen.
Wer mit einem Fiat Panda zum Formel 1-Rennen antritt, der wird letzter - völlig unabhängig davon, ob das Auto jetzt Erdbeerrot, Kirschrot, oder (wie sich das gehört) Maranellorot lackiert ist (wobei sich der Signature-Ferrari-Farbton über die Jahre auch gewandelt hat...).
Die Leute sagen, sie wollen maximale Qualität. Ich zeige ihnen, was "maximale Qualität" eigentlich ist. Ich zeige ihnen, was das für ein Aufwand ist, die zu erlangen. Das hat mit dem, was ich mache, genau überhaupt nichts zu tun.
Erstens: da du selber weißt, wie groß die Lücke zwischen Anspruch und Realität sein kann, gestehe doch bitte anderen auch zu, dass sie erst mal aus den realistisch erreichbaren Umständen das Beste machen.
Zweitens: Jeder anderen hier - außer dir - versteht diese Art von Fragen so: "Wie kann ich aus dem
vorhandenen die maximale Qualität rausholen".
Vielleicht noch: "Was müsste ich denn anschaffen, um von 80% auf 99% zu kommen" (Sprich, wenn jemand nur ein Casio CTK irgendwas hat und bereit ist, Geld in der Größenordnung einer Workstation in die Hand zu nehmen).
Und selbst wenn Leute sich wirklich dafür interessieren, was denn das Ende der Fahnenstange wäre, ist spätestens da Schluss mit sinnvollem Aufwand, wo
kein Mensch beim allerbesten Willen mehr Unterschiede hört, zumal live. Dass es Leute gibt (dich eingeschlossen), die im Blindtest ernsthaft einen Moog von 1975 von einem späteren Modell akustisch unterscheiden können, ohne selbst an den Knöpfen zu drehen, halte ich bis zum Beweis des Gegenteils für ausgeschlossen.
Ich meine, ausnahmslos alle Regulars hier sind besser als ich, der ich außerdem pro Woche nur zweieinhalb Stunden Zeit für die Band habe, und das ist die Bandprobe selber, während der ich nicht an Sounds arbeiten kann.
Meinst du, all die anderen hätten wesentlich mehr Zeit als du? Mal abgesehen von den zwei, drei Leuten, die das wirklich beruflich machen.
Warum sollten das nicht auch Neueinsteiger sein wollen? Die wollen doch nicht auf meinem Niveau stranden. Vielleicht haben die ja mehr Zeit, sich mit der Sache zu beschäftigen.
Sorry, dass ich das so hart formuliere:
Gerade, wenn du möchtest, dass sie nicht auf deinem Niveau stranden, wäre es gut, den Neueinsteigern nicht Flöhe ins Ohr zu setzen, sich stundenlang in den letzten 0.1% des Sounds zu verzetteln, sondern diese Zeit lieber in Proben, Üben, Gehörbildung, Arrangement, Harmonielehre etc. zu stecken. Wenn spieltechnisch ein gewisses Niveau erreicht ist, kommt jeder Keyboarder von selbst drauf, dass es noch andere Ebenen gibt, die sich zu erkunden lohnen.
Aber anscheinend ist es ja "überheblich", wenn man den Leuten Mittel empfiehlt, die über die bei Bandmuckern übliche Workstation/Nord-Kombination plus Fertigsounds hinausgehen.
Es ist überheblich,
jeden, der eine Workstation einsetzt, zu bezichtigen, es interessiere ihn nicht die Bohne, wie die Hupe klingt. Es ist überheblich, jeden, der nicht deinen maßlosen Anspruch teilt, im Umkehrschluss als Presetschleuder zu verunglimpfen. Man kann mit Presets - sorgfältig ausgewählt, ggf. angepasst und passend kombiniert - schon jede Menge machen. Und nahezu jeder Covermusiker hat ein Gerät im Park, was es auch erlaubt, Sounds "from scratch" selbst zu programmieren. Komm mal runter von deinem hohen Ross mit den kurzen Beinen.
Warum? Haben diejenigen Bandkeyboarder, die pro Jahr 100 Gigs à 5000 € spielen, Angst, daß einer, der pro Jahr 3 Gigs à 1000 € spielt, Keyboarder heranzieht, die sie soundqualitativ an die Wand spielen? Haben sie Angst, daß das Konzept, mit dem sie seit Jahren die absoluten Premiumgigs absahnen, auf einmal nicht mehr die klangliche Bestlösung ist, die es bisher immer war?
Also mit Neid oder Angst hat das nichts zu tun, lieber Freund. Diejenigen, die 100 Gigs im Jahr spielen, wissen, wo sie stehen - klanglich und spieltechnisch. Und die haben sicher keine Angst vor jemandem, der ihnen zwar genau sagen kann, welcher Filter von 1987 bis 1989 in den Oberheims anders war als davor und danach, ihnen aber spielerisch das Wasser nicht reichen kann. Auch dann nicht, wenn er's kann. Im ersteren Fall engagieren sie ihn möglicherweise als Soundtech, im zweiten schreiben sie sich seine Adresse auf und buchen ihn bei Bedarf als Sub.
Nochwas: sei dir mal gewiss, dass nicht allein du die Weisheit mit Löffeln gefressen hast. Den meisten guten Keyboardern ist sehr wohl bewusst, dass klanglich nach oben immer noch Luft ist. Gerade die, die viel spielen, gehen aber bewusst Kompromisse ein - z.B. der eigenen Bandscheiben zuliebe, oder weil sie eben wissen, dass mehr Aufwand nur von einem Menschen weltweit gewürdigt wird. Es ist nicht so, als würden wir alle jedesmal wieder aus den Wolken fallen ("Eeeecht? Das wusste ich ja noch gar nicht, dass mein XYZ nicht genauso klingt wie ein Moog"), wenn du uns erleuchtest. Wir haben das schonmal gehört und vielfach selbst erfahren. Und trotzdem stelle ich mir nicht den Keller mit Retro-Equipment voll - ich will Musik machen und kein Museum betreiben. Ich bewundere Leute wie Bernie, die beides können. Der z.B. weiß aber, was er tut und warum - und er kann sich auf jeder Ebene leisten, diesen Luxus zu fahren. Den habe ich aber z.B. noch nie abwertend über jene sprechen gehört, die seinen Equipment-Overkill nicht mitgehen.
Um es abschließend noch einmal zu sagen: Ich habe dich bis vor wenigen Monaten wirklich für dein Wissen bewundert und dafür, dass du dir jedes Detail erarbeitest. Seit du aber angefangen hast, in der Gegend rumzustänkern, nur noch in schwarzweiß zu denken, und über gestandene Musiker herzuziehen, weil sie nicht den gleichen Tick haben wie du, hat das Bild derbe Kratzer. Schade drum.
Komm mal wieder zurück aus der Umlaufbahn und lass uns - an geeigneter Stelle, nicht unbedingt hier - gerne in gegenseitigem Respekt fachsimpeln. Wir haben
alle viel voneinander zu lernen - jeder auf einem anderen Gebiet. Deswegen sind wir in diesem Forum, denke ich. Das setzt aber voraus, den anderen auch mal verstehen zu wollen.