[Gitarre] Paoletti Thinline Tele "Nancy"

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Liebe Musiker-Board Leser,

Heute möchte ich euch eine weitere Gitarre aus meiner Sammlung vorstellen, welche weiter südlich von uns im schönen Italien von Fabrizio Paoletti in Handarbeit gefertigt wurde.

Wer mich etwas kennt, wird wissen das ich ein Faible für ausgefallene Gitarren habe, und dieses Interesse hat mich vor einigen Jahren eines Tages auf die Webseite von Paoletti Instruments geführt und ich habe seine wunderbaren "Wine Guitars" entdeckt. Fabrizio verwendet für diese Instrumente Hölzer von über 100 Jahre alten Weinfässern, die den Instrumenten einen unverwechselbaren und rustikalen Look verleihen.

Fabrizio Paoletti wurde im Juli 1973 in Prato, Italien geboren und hat mit dem Gitarenbau erst 2006 im Alter von 33 Jahren begonnen. In dieser doch relativ kurzen Zeit kann er schon beträchtliche Erfolge vorweisen, spielen doch keine Geringeren als Richie Sambora und Phil X seine Gitarren. Selbst Keith Richards, Kirk Hammet und James Hetfield besitzen Gitarren von Paoletti, und die auch die Italienische Sängerin Laura Pausini (weitere Fotos 2 und 3), die vorallem mit dem im Duett mit James Blunt gesungenen Song Primavera hierzulande Popularität gewonnen hat, schwört auf ihre Paoletti. Das ist allerdings nur ein kleiner Auschnitt der Künstler die Paoletti spielen, regelmässige Neuigkeiten und Updates dazu gibt es auf seiner Facebook Seite
In Italien sind seine Instrumente bereits etabilliert, hier in Deutschland und Österreich doch noch recht unbekannt, verdienen seine Gitarren eine kleine Vorstellung hier im Board.

Die Gitarre die ich euch hier vorstelle ist allerdings keine dieser weiter oben angeführten Wine Guitars, sondern ein eher traditionelles Modell und bereits meine zweite Paoletti, eine Thinline Tele mit dem wohlklingendem Namen "Nancy".

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Meine erste Paoletti war eine Stratospheric, mit der ein sehr guter Freund von mir inzwischen überglücklich geworden ist und mit ihr eine Gitarre fürs Leben gefunden hat.
Ich probiere sehr gerne Gitarren aus, behalte sie eine Weile, schaue wie ich mit ihnen langfristig zurechtkomme, manchmal verkaufe sie wieder oder tausche sie gegen andere Gitarren, so lernt man dazu und wird um Erfahrungen reicher, auch wenn ich mich als Spieler und Sammler sehe, kann ich nicht jede Gitare immer behalten, das es sonst schnell zu viel werden würde.
Diese Thinline habe ich bei Fabrizio Paoletti im Mai des vergangenes Jahr gekauft, die Kommunikation lief trotz der Sprach-Barriere, da ich ja kein Italienisch spreche, sehr gut da Fabrizio auch English spricht. Kundenservice und Zufriedenheit steht bei ihm an oberster Stelle und man erhält in der regel innerhalb von 24h eine Antwort auf seine Emails, auch Abends und am Wochenende!

Beim Bau verzicht er konsequent auf CNC-gesteuerten Fertigungsmaschinen und es werden auch keine vorgefertigen Parts wie Hälse, Bodies,etc zugekauft, sogar die Pickups wickelt er selbst, einzig die Hardware wie Brücken, Mechaniken, Potis, Buchsen etc kommen aus Dritter Hand.

Für den Korpus dieser Gitarre wurde ein leichtes Stück Amerikanische Esche verwendet, die hohle Thinline-Hollowbody-Konstruktion tut ihr übriges um das Gewicht der Gitarre angenehm leicht zu gestalten. Besonders gut gefällt mir die Maserung der Esche, was besonders gut bei Tageslicht zur Geltung kommt.

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Beim Hals und Griffbrett kommt ein wunderschön gemasertes Vogelaugenahorn zum Einsatz was aus der Gitarre schon einen Hingucker macht. Um den Halsstab in den Hals zu bringen wurde rückseitig ein Kanal gefräst, der nachträglich mit einem dunkleren Streifen Holz (vermutlich Mahagoni) verschlossen wurde, Mahagoni das noch dazu einen schönen Kontrast bietet.

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Der Hals ist verhältnissmässig schlank und hat ein C-ähnliches Profil. Gerade für Gitarristen mit kleineren Händen, oder welche schlanke Ibanez Hälse bevorzugen und darauf eingespielt sind könnten mit dem Hals der Paoletti Thinline Nancy sehr gut zurecht kommen.
Der recht schlanke Hals ist mir auch schon bei meiner ersten Paoletti Stratospheric aufgefallen und dürfte in den Paoletti "Standard" fallen, da er natürlich auch direkt auf Kundenbestellung arbeitet, fertigt er natürlich auch die Hälse exakt nach Kundenvorgabe und Gusto an. Diese Gitarre hier enstammt allerdings zu 100% seiner Vorstellung, ich hab sie schon als komplett fertige Gitarre gekauft und hatte so natürlich nicht mehr die Möglichkeit eigene Wünsche zu äussern.

Als Mechaniken kommen geschlossene Vintage Style Tuners der Firma Gotoh zum Einsatz, die fein und weich perfekt ihren Dienst verrichten.

Ebenfalls Klassisch, 3er Messingreiterkombi auf der Brücke, so wie es sich für eine Tele gehört ;-)

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Zwar sagt man das die 3er Konstellation mit 2 Saiten pro Reiter bei der Einstellung der Intonation kompromissbehaftet ist, aber für den typischen Tele-Twäng ist die 3er Konstellation fast unerlässlich.
Optimieren könnte man hier natürlich und zb. bietet Rockinger schräge Messingreiter für eine noch bessere Intonationseinstellung an.
Hier wurden allerdings die normalen geraden Messingreiter verbaut, und bis heute sah ich auch keine Grund diese Auszutauschen, ich bin da auch recht heikel und bei meiner James Trussart Steelcaster Deluxe sind seit langem die schrägen Rockinger Messingreiter installiert, Bei der Paoletti Nancy empfand ich nicht die Notwendigkeit dazu.

Der Sattel wurde aus Knochen gefertig und ist etwas rustikal geraten, funktionel tut der Sattel aber seinen Dienst. Hier werde ich noch vom hiesigen Gitarrenbauer einen neuen Sattel passend für 10-46er Stärke anfertigen lassen.

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Ich bin kein ehrlich gesagt kein grosser Freund von Gitarren wo der Trussrod über den Halsfuss eingestellt werden muß, wie es oft bei T und S Modellen leider der Fall ist. Ist zwar "vintage-correct", aber in meinen Augen völlig unpraktisch. Damit man die Halskrümmung einstellen kann muß man erst den Hals abschrauben, dann Halsstab einstellen, wieder anschrauben, neu Stimmen und dann erst kann man wieder die Halskrümmung überprüfen -> sehr müheslig und gerade die Halsteinstellung ist oftmaliges hin und her bis man wirklich die perfekte Einstellung gefunden hat.
Hier hat Fabrizio sich etwas einfallen lassen und einen kleinen Kanal in den Korpus gefräst, man braucht nur das Pickguard abzuschrauben und schon kann man mit einem Schraubendreher durch den Kanal den Halsstab einstellen, sehr praktisch!

Bei der Elektronik kommt ein 3-Way Switch, ein Main Volume und Main Tone Poti zum Einsatz, wo hier Fabrizio bei den beiden Potis auf bewährte Göldo Qualtät setzt.
Ich selber verwende auch sehr gerne die Göldo Potis da sie nicht zu teuer sind, und meiner Meinung nach sehr gut funktionieren, und vom Drehwiderstand nicht zu leicht und auch nicht zu schwer sind.
Was mich bei den Potis anfangs etwas gestört hat war das der Knobs beim drehen etwas an der Mutter gerieben hat, hier habe ich Abhilfe geschaffen und noch jeweils eine Unterlegscheibe mehr eingelegt, nun scheuert nichts mehr und die Potis lassen sich angenehm drehen.

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Als Tonabnehmer kommt ein handgewickeltes Set "Paoletti Tele 60" zum Einsatz, Alnico 5 Magnet und angebener Widerstand von ca. 6.4k (Brücke) und ca 6.9k (Hals).
Recht outputschwach, was zur Folge hat das man das Gain am Amp ein wenig höher als gewohnt stellt mag, wird man belohnt von einem sehr klaren und blumigen Klang.

Im Clean und Semi Clean Bereich klingt sie sehr gut und macht eine hervorragende Figur.
Klinischer und kalter "Sparkling" Clean ist nicht so sehr mein Sound, ich bin mag wenn der Amp schon kurz vorm Zerren ist und man mit der Intensität des Anschlags seinen Sound formt, das funktioniert mit dieser Gitarre ausserordentlich gut. Die Paoletti Pickups machen ihren Job sehr gut, transparent und trotzdem Wärme im Ton wie ich ihn selten gut von einer Gitare gehört habe, das macht auch die Kombi von Hollowbody Konstrution und darauf abgestimmte Pickups aus das es so tönt.. dann noch den Strymon Flint in den FX-Loop und schon geht die Sonne auf, leichtes Tremolo, etwas Hall.. ein Traum.

Schalten wir in den 2ten Kanal, dem Zerrkanal und rocken wir los.
Mit dem Gain sollten wir es hier nicht übertreiben, für Heavy Metal ist diese Tele keinesfalls die erste Wahl, aber auch rocken kann sie sehr gut.
Gerade auch im Zusammenspiel mit einer Les Paul kann so eine Tele für mehr Definition in der Rhythmussarbeit sorgen, der schnelle und prägnante Attack des Bridge-Tonanbehmers fällt mir hier sehr positiv auf.
Akkorde donnern Kratfvoll und schön tight aus dem Lautsprecher, das Bassfundament is knackig und kontrolliert, da wummert und matsch nichts. Und licks tönen klar und knackig aus dem Speaker, ob nun Country oder Punk-Rock, die Paoletti meistert auch diese beide Genres gekonnt.

Fazit:
Die Verarbeitung der Gitarre fällt akurat aus, die Lackierung mit Nitro sauber ausgeführt, man merkt aber schnell den Italienischen Flair den diese Gitarre mit sich bringt, es ist keinesfalls eine glattes und perfektest verarbeitetes Instrument wie man es von ua namhaften deutschen Edel- Gitarrenbauern kennt.
Der Vergleich hinkt natürlich auch, weil diese Edel-Instrumente auch meistens ab 3k € Mindestpreis losgehen, eine Paoletti ist noch günstiger zu haben.
Trotzdem muß sie sich dem Vergleich stellen da oft hangebaute Gitarren als das ultimative Non-Plus Ultra in der Gitarrenwelt angepriesen und gesehen werden, und man für sein Geld eigentlich nicht nur ein charakterstarkes Instrument, sondern auch Perfektion in der Verarbeitung erwartet. Letzerem wird diese Gitarre nicht so gerecht aber Charakterstark und etwas ganz besonderes ist sie auf alle Fälle.
Ich vergleiche diese Gitarre gerne mit denen von Erik van Haar, der auch wirklich sehr gute Gitarren baut, und und auch dort die teils rustikale Verarbeitung auffällt, (siehe mein Review zu einer Haar Stratocaster), trotzdem bieten diese Gitarren sehr viel an Charme und Sound und ein gutes Preis-Leistungsverhältniss.

Diese Gitarre hat ihre Kanten und Eigenheiten, welchen auch wiederum den Charakter eines solchen Instruments ausmachen. Jede Gitarre ist ein Unikat, von Hand gebaut, nicht makellos aber weiss mit ihrem südländischem Charme zu entzücken.

Ich rate daher jedem Interessierten mal eine Gitarre aus dem Hause Paoletti anzuspielen, sollte sich die warscheinlich eher seltene Gelegenheit bieten!

Und nun zum Abschluss noch ein paar Fotos der besprochenen Gitarre:
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Eine mir völlig unbekannte Firma!

Hat was, vor allem der außergewöhnliche Hals ist schon eine Augenweide (auch wenn ich nicht der allergrößte T-Style Fan bin). Ansonsten wieder mal ein schönes Review mit ebenso tollen Fotos :great:

Gruss
Eggi

PS: ist in die Datenbank eingetragen
 
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Was für ein Hals! :eek: Der ist ja saugeil, konnte mich gar nicht auf den Rest der Gitarre konzentrieren, ernsthaft. Kannte Paoletti vorher auch noch nicht, vielen Dank auch dafür, dass du die Wine-Guitars angesprochen hast, das sieht echt sehr gut aus. :great:
 
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Wow
schickes Mädel.
Habs ja eigentlich nicht mit Vogelaugenahorn, hier kommts aber sehr schick.:great:

Schürt das GAS auf ne Thinline wieder ungemein:D
 
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Ich bin ja der Telecaster verfallen, aber ich bin auch davon überzeugt, dass eine perfekte Telecaster (im Sinne der Perfektion von PRS Gitarren) keine gute Telecaster sein kann. Allerdings sind das nicht so meine Hölzer, Ahorn Griffbretter, bbbrrr ... nicht mal wenn es eine alte Tele ist. Wenn es tatsächlich so etwas wie ein Gewohnheitstier gibt, dann muss ich das sein. Mir gefallen die Stratospheric SSS Gitarren von Paoletti sehr gut. Erinnern mich an die 70er Jahre Schecter Strats, mit Messing Pickguard Maple Body & Neck sowie ein und Ebony Griffbrett. Traumhaft.

Die Nancy geht sicher ganz gut für Surf Sounds oder Country / Rock, ich hatte ja vor 2 Jahren mal das Modell von Fender/Mexico, allerdings mit den Fender Wide Range Humbuckern. Sie hatte einen völlig anderen Sound als beispielsweise meine HeroCaster, eher messerscharf und auch nicht so rockig. Ich finde es gut auch mal einige Gitarrenbauer außer den üblichen Verdächtigen vorzustellen. Schließlich bauen italienische Instrumentenbauer mit die besten Geigen die man für Geld kaufen kann. Leider hatte ich noch keine Paoletti in der Hand.

Schönes Review, Danke Armin :)
 
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