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HCA-Gitarrenbau
Hallo,
Da der ursprüngliche Aufbauthread meiner Mülltonnen-Gibson etwas umfangreicher wurde und ich dieses Spezialthema für interessant halte, erstelle ich hiermit eine Foto-Doku. Alle weiteren Aufbau-Geschichten werden dann im ursprünglichen Thema fortgeführt.
Thema: professionelle Halsbruchreparatur an Gibson Les Paul nach modernem Standard
Anmerkung: Diese Doku behandelt vorerst die Reparatur eines Kopfplattenbruchs, bei dem die Kopfplatte noch durch das Vulkanfiber (alternativ: an Holzresten) befestigt ist. Ein Kopfplattenabbruch erfordert vollständig andere Werkzeuge und eine andere Vorgehensweise. Sobald mir ein solcher Fall wieder vorliegt und ich die entsprechende Zeit aufwenden kann, erfolgt hier die Ergänzung. Auch Längsbrüche (entlang des Griffbretts) werden entsprechend in weiteren Teilen ergänzt.
Zunächst also... Teil 1: Reparatur von Kopfplattenbrüchen, deren Kopfplatte noch durch Restmaterial mit dem Hals verbunden ist.
Die Ausgangssituation:
Eine Gibson Les Paul Studio mit Kopfplattenbruch. Die Bruchfläche ist großzügig, die schwarze Lackierung eigenet sich besonders gut für unsichtbare Reparaturen.
Benötigte Materialien:
Für die Reparatur eines Kopfplattenbruchs wird IN JEDEM FALL eine Spannvorrichtung benötigt. Nur so kann die Kopfplatte im korrekten Winkel und in korrekter Position arretiert werden. Für den Zweck eines Kopfplattenbruchs mit unbeschädigtem Vulkanfiber bzw. "Resthalt" an Holzresten verwende ich folgende Vorrichtung. Werkstattintern heißt sie "na hier die T-Vorrichtung...für Gibson... wenn die Kopfplatte noch dranne hängt" ....der Einfachheit halber, wird sie im weiteren Verlauf der Doku mal als "Halskrause" bezeichnet. Die gefräste Aussparung dient zur Aufnahme des Sattels - Spannblock und Spannstab sind für erhöhte Reibung jeweils geriffelt. Ihre Funktion erklärt sich auf den späteren Bildern von selbst.
Für mich und meine Vorgehensweise gelten bei einem Kopfplattenbruch folgende Betriebs- und Hilfsstoffe generell als Basis:
Epoxy: Ich klebe grundsätzlich mit 2 Komponenten-Epoxy, dessen notwendiges Mischungsverhältnis einfach mit Spritzen hergestellt werden kann. Zum Mischen nutze ich einen einfachen Becher und einen Holzstab. 2 Spritzen werden zur Aufnahme und Dosierung von Harz und Härter verwendet - eine dritte, sowie eine lange, stumpfe Kanüle zum Einbringen des fertig gemischten Klebstoffs in den Bruch. Die Spritzen können nur einmalig verwendet werden, die Einzelkomponenten dürfen bis zur Verwendung nicht vermischt werden.
Je nach "Geschmack" oder Verwendungszweck bietet der Markt verschiedenste Gebinde und Varianten von Epoxy. Für den Instrumentenbau zählt vor allem die Viskosität, die Härtezeit und die erreichbare Endhärte.
Ich persönlich benutze für diese Art von Brüchen das E45TM-Gebinde, welches vor allem als Beschichtungs- und Versiegelungswerkstoff bekannt ist (z.b. für Terrarien und Aquarien). Es erreicht eine hohe Endfestigkeit, ist im ausgehärteten Zustand äußerst Chemikalien- und Wasserresistent und dünstet besonders wenig Giftstoffe aus. Ich hab davon noch genug übrig.... Wer sich neu eindeckt, dem sei E60K oder E120K (wenn man langsam arbeiten möchte) eher ans Herz gelegt.
Warum Epoxy?
Viele Gitarrenbauer benutzen heute noch einfachen Weißleim (Holzleim). Unter "alten Hasen" ist auch Knochenleim noch sehr beliebt.
Knochenleim hat den Vorteil eine hohe Endhärte zu erreichen und auch unter Dauerbelastung keine elastischen Eigenschaften zu entwickeln. Wird Knochenleim richtig angewendet, so verbindet er Holzteile bis zur zeitlichen Unendlichkeit...und noch viel weiter . Sein großes Problem ist jedoch die richtige Zubereitung - wer sich zu schnell in Selbstbewusstsein wiegt, kann bei einem Fehler nach wenigen Jahren versuchen die Reste aus dem Bruch zu kratzen, weil er nicht gehalten hat. Folgeklebungen können nicht auf Klebstoffresten korrigiert werden, wodurch meist die gesamte Kopfplatte entfernt und gereinigt werden muss. Ein weiter Nachteil ist, dass er nur zusammengepresst seine volle Stärke entwickelt. Gerade bei undefiniert gebrochenen Teilen fehlen oftmals einzelne Fasern, wodurch der Klebstoff Hohlräume überbrücken muss. Knochleim kann das nur in sehr begrenztem Rahmen.
Weißleim eigent sich zwar generell für alle Holzverbindungen, hat jedoch ähnliche Nachteile wie Knochenleim. Nur wenn der entsprechende Pressdruck aufgebaut wird, entwickelt er seine volle Stärke - an der gewinkelten Fläche einer Kopfplatte lassen sich nur schwer die notwendigen Kräfte gezielt aufbringen. Hohlräume oder fehlende Holzstücken schwächen die gesamte Klebeverbindung zusätzlich. Erschwerend kommt hinzu, dass Weißleim dauerelastisch ist und unter konstant einwirkender Kraft früher oder später nachgibt wie ein alter Kaugummi. Nach meinen bisherigen Beobachtungen hat ein weißleimgeklebter Halsbruch eine Lebenserwartung von 8-10 Jahren.
Unter diesen Voraussetungen halte ich Weißleim für eine generell falsche Wahl.... leider hat sich diese Erkenntnis jedoch noch nicht ganz durchgesetzt, weshalb er in vielen Repairshops noch immer verwendet wird.
Epoxy hat aus rein technischer Sicht dagegen alle Vorteile, die ein Halsbruch erfordert. Epoxy muss nicht gepresst werden und bildet einen in sich stabilen Stoffzusammenschluss. Er kann damit problemlos Hohlräume füllen, durch Füllstoffe an die Verarbeitungszwecke angepasst werden, erträgt Dauerbelastung und ist resistent gegen Feuchtigkeit, Klimawechsel und Chemikalien. Außerdem kann er beliebig mit Pigmenten eingefärbt werden und ist nach dem Aushärten sehr gut zu bearbeiten. Nachteilig ist, dass man im Umgang etwas Erfahrung bzgl. der Mischungsverhältnisse der Komponenten benötigt und er als umwelt- und gesundheitsgefährdende Chemikalie persönliche Schutzmaßnahmen erfordert und Entsorgungsrichtlinien unterliegt.
Thixotropiermittel: Dieser Stoff dient dazu, Epoxy-Klebstoffe in die benötigte Viskosität (Fließfähigkeit) zu bringen. Er erhöht zusätzlich die Kohäsion des Materials.
Alternativ zu Thixotropiermittel sind ebenfalls Glasfasern oder Holzfasern geeignet. Der Nachteil von feinen Glasfasern ist ihre extrem hohe Gefährlichkeit, wenn sie versehentlich eingeatmet werden - mit ihnen erreicht man jedoch den Besten Stoffzusammenschluss. Holzfasern sind vortelhaft, weil sie die Ähnlichkeit des Füllmaterials zum Umgebungswerkstoff erhöhen. Allerdings neigen Holzfasern zum Aufquellen und sollten daher nur an Stellen verwendet werden, an denen das Spaltmaß durch aufquellen des Füllstoffs nicht beeinflusst werden kann. Da eine Halsbruchreparatur immer unter Spannung stattfindet, ist ein aufquillender Füllstoff eher nachteilig.
Der Markt bietet zusätzlich Glasperlen, Quarzsand oder Baumwollfasern. Glasperlen und Quarzsand dienen ausschließlich als Fülltstoff für größere Spalte und lassen sich später schlecht mit üblichen Werkzeugen nacharbeiten. Vor allem steigt der Werkzeugverschleiß enorm an.
Baumwollfasern sind meist sehr lang und verschlechtern die Fähigkeit des Klebstoffs in feinste Risse und Fugen zu fließen. Bei der Verwendung mit Spritzen bilden sich außerdem unpraktische Klebefäden.
Epoxy-Farbe: Dient eigentlich nur dazu, den Klebstoff einzufärben. Alternativ kann man auch normale Oxid-Pigmente verwenden oder die Farbe auch ganz weg lassen, wenn man transparente Klebefugen bevorzugt. Da die Gitarre in einem praktischen schwarz lackiert ist, verwende ich hier auch schwarze Epoxy-Farbe um meine Klebefugen unauffällig zu gestalten.
Spiritus: Epoxy ist in flüssiger Form alkohollöslich. Spiritus ist also das ideale Mittel um Klebstoffreste abzuwischen und die Gitarre am Ende zu reinigen.
Werkzeuge: Zur Verarbeitung des Klebstoffs nutze ich Spritzen mit ml-Einteilung zur korrekten Dosierung des Mischungsverhältnis und um das fertige Gemisch in den Bruch zu drücken. Um möglichst weit in den Bruch hineinzukommen verwende ich zusätzlich eine lange, stumpfe Kanüle. Zum Mischen und Färben des Klebstoffs dient das Becherchen und ein Holzstab.
Die persönliche Schutzausrüstung:
Alle erwähnten Stoffe sind gesundheitsgefährlich. Auch wenn Spiritus allgemein als harmlos einzustufen ist, so kann auch er in flächiger Anwendung zu Augen- und Atemwegsreizung führen und für leichte Benommenheit sorgen. Viel gefährlicher ist allerdings unser Klebstoff und der verwendete Füllstoff. Epoxy wirkt im flüssigen Zustand stark reizend auf Augen, Atemwege und Haut, führt zu Ausschlag, Juckreiz und Hautschwellungen. Neben den vorrübergehenden Folgen sind seine allergenen Eigenschaften inzwischen wissenschaftlich bewiesen und KEINE Eventualität (ich persönlich glaube ihm, wegen nachlässigem Umgang, einige Nahrungsmittelallergien verdanken zu können). Er steht außerdem unter Verdacht erbgutverändernd zu wirken.
Alle erwähnten Füllstoffe bestehen aus Feinstfasern oder Feinstaub und können beim Einatmen nicht vom Körper abgebaut werden. Gesundheitliche Folgen sind vom Asbest weitgehend bekannt oder können HIER nachgelesen werden.
Ich rate also mit aller Deutlichkeit zur Verwendung von Atemschutzmaske mit Gasfilter (Staubmasken sind NICHT ausreichend), sowie Gummihandschuhen bzw. dem Schutz der Haut.
Der Klebevorgang:
Die Komponenten werden im notwenigen Mischungsverhältnis gemischt, eingefärbt und mit Hilfe des Thixotropiermittels zähflüssig gemacht. Die Viskosität sollte gerade noch tropf- und fließfähig sein - unter mäßig starkem Druck muss der Klebstoff noch durch die Kanüle gespritzt werden können aber sollte auf eine Oberfläche getropft nur leicht zerfließen. Ist die passende Mischung gefunden, wird der Klebstoff in eine der Spritzen gefüllt. Wichtig dabei ist, dass sich quasi keine Luftblasen mehr in der Spritze befinden. Luft ist komprimierbar und sorgt in der Anwendung später dafür, dass der Klebftoff nicht aufhört aus der Spritze zu fließen. Für einen Bruch mit vergleichbarer Fläche sollten 4ml eingeplant werden...
Der Klebstoff wird nun in den Bruch gespritzt. Man kann hierfür den Bruch noch etwas weiten um möglichst tief mit der Spritze in die letzten Fugen hinein zu kommen:
Es sollte darauf geachtet werden, dass jeder Hohlraum mit Klebstoff gefüllt ist... man muss dabei nicht bis an die Bruchgrenzen Klebstoff aufbringen, weil beim Pressen noch genug Klebstoff herausquillen wird.
Anschließend wird die "Halskrause" angelegt. Hier ist der große Vorteil dieser Vorrichtung bereits erkennbar.... es ist keinerlei Spannelement im Bereich des Bruchs nötig, da die Kopfplatte von vorn gegen den Bruch gedrückt wird. Der gesamte Arbeitsbereich ist daher vollständig zugänglich und der Klebstoff wird nicht zu stark aus dem Spalt gedrückt (wir erinnern uns: Epoxy wird NICHT gepresst, nur zusammengedrückt).
Es wird nun die Spannrolle eingesetzt. Beim Rollen in Richtung Sattel drückt dieser Holzstab nun die Kopfplatte immer weiter gegen den Bruch... Durch die schräge Kopfplatte machen wir uns hier das Keilprinzip zu Nutze.
Ab hier beginnt der schmutzige Teil... der Klebstoff beginnt aus dem Bruch zu quellen und drückt sich dabei gleichzeitig in alle Hohlräume.
Die Spannrolle wird weiter in Richtung Sattel gerollt... der Bruch wird damit stärker zusammengedrückt, mehr Klebstoff quilt in Hohlräume und aus dem Riss heraus:
Wir haben nunr die Endposition der Kopfplatte erreicht. Der gesamte überschüssige Klebstoff ist aus dem Bruch herausgedrückt....was jetzt noch im Bruch ist, darf nicht mehr getrennt werden. Sollte versehentlich die Rolle zurückschnellen, muss erneut Klebstoff eingebracht werden um Luftlöcher zu vermeiden.
Das überschüssige Material wird zunächst trocken weggewischt. Eine Rolle Küchentücher sollte zur Hand sein...
Die Position der Spannrolle wird nun mit einer leichten Klemme gesichert:
Verbleibene Hohlräume oder nicht gefüllte Risse werden nun von Außen aufgefüllt. Meistens ist hier der Bereich unter dem Vulkanfiber betroffen. Sollte der Riss zu schmal für die Kanüle sein, ist es ratsam mit einem Bohrer flache Bohrungen in Kanülendurchmesser in den Riss zu setzen. Die Bohrlöcher werden dann mit Klebstoff aufgefüllt.
Sind alle Hohläume und Risse gefüllt, wird nun mit Spiritus der gesamte verschmierte Restklebstoff entfernt.
Sollte man dabei aus den Rissrändern entwas mehr Klebstoff herausziehen, kann man anschließend nachbessern. Dafür lässt man die Spritze etwa 1h ruhen, bis der Klebstoff durch die beginnenden Aushärtungsprozesse noch etwas dickflüssger geworden ist. Dann spritzt man eine Wulst auf alle verbleibenen Risse oder Vertiefungen...
.... und "verspachtelt" das Ganze mit einem Zahnstocher und reinigt ggf. nocheinmal vorsichtig mit Spiritus:
Abschließend kann die gesamte Gitarre dank der praktischen Vorrichtung in eine "verkehrsarme" Ecke gestellt werden.
Nun heißt es 7 Tage lang Füße hoch und Brause trinken. Zwar erreicht fast jeder Epoxy nach ca. 48h seine Belastbarkeit, die tatsächliche Endhärte stellt sich aber auch bei Express-Epoxy meist erst nach ein paar Tagen ein. Die Zeit für die Endfestigkeit kann man der Verpackung entnehmen. Vielleicht nutzt man die Zeit zum Schuhe putzen ...
Nach der Wartezeit können alle Spannwerkzeuge entfernt werden und der Bruch ist aus rein technischer Sicht wieder vollständig einsatzfähig. Der anspruchslose Benutzer braucht mit einer Feile und einem Schleifschwamm nur noch die Kanten und Klebereste glätten und kann mit etwas Hartwachs die Holzgrenzen versiegeln. Wer es schön will, braucht nach dem Kantenglätten nur lackieren.
Optisch sieht das ganze schon jetzt so aus (und wird sich beim Aushärten auch nicht mehr verändern)... zu beachten ist, dass der Spiritus die Oberfläche des Nitrolacks etwas angreift. Mit einer Politur ist der weiße Schleier jedoch leicht zu entfernen.
Ich persönlich werde an meiner Gitarre noch einen Schritt weiter gehen und den Bereich zusätzlich mit Glasfaser laminieren um ihn nachhaltig zu verstärken. Wenn man schonmal dabei ist, kann man das gleich mit erledigen.... Doku folgt...
PS: Fehler bitte melden.... Habs 5 mal gelesen, aber ihr wisst ja... schon spät und so
Da der ursprüngliche Aufbauthread meiner Mülltonnen-Gibson etwas umfangreicher wurde und ich dieses Spezialthema für interessant halte, erstelle ich hiermit eine Foto-Doku. Alle weiteren Aufbau-Geschichten werden dann im ursprünglichen Thema fortgeführt.
Thema: professionelle Halsbruchreparatur an Gibson Les Paul nach modernem Standard
Anmerkung: Diese Doku behandelt vorerst die Reparatur eines Kopfplattenbruchs, bei dem die Kopfplatte noch durch das Vulkanfiber (alternativ: an Holzresten) befestigt ist. Ein Kopfplattenabbruch erfordert vollständig andere Werkzeuge und eine andere Vorgehensweise. Sobald mir ein solcher Fall wieder vorliegt und ich die entsprechende Zeit aufwenden kann, erfolgt hier die Ergänzung. Auch Längsbrüche (entlang des Griffbretts) werden entsprechend in weiteren Teilen ergänzt.
Zunächst also... Teil 1: Reparatur von Kopfplattenbrüchen, deren Kopfplatte noch durch Restmaterial mit dem Hals verbunden ist.
Die Ausgangssituation:
Eine Gibson Les Paul Studio mit Kopfplattenbruch. Die Bruchfläche ist großzügig, die schwarze Lackierung eigenet sich besonders gut für unsichtbare Reparaturen.
Benötigte Materialien:
Für die Reparatur eines Kopfplattenbruchs wird IN JEDEM FALL eine Spannvorrichtung benötigt. Nur so kann die Kopfplatte im korrekten Winkel und in korrekter Position arretiert werden. Für den Zweck eines Kopfplattenbruchs mit unbeschädigtem Vulkanfiber bzw. "Resthalt" an Holzresten verwende ich folgende Vorrichtung. Werkstattintern heißt sie "na hier die T-Vorrichtung...für Gibson... wenn die Kopfplatte noch dranne hängt" ....der Einfachheit halber, wird sie im weiteren Verlauf der Doku mal als "Halskrause" bezeichnet. Die gefräste Aussparung dient zur Aufnahme des Sattels - Spannblock und Spannstab sind für erhöhte Reibung jeweils geriffelt. Ihre Funktion erklärt sich auf den späteren Bildern von selbst.
Für mich und meine Vorgehensweise gelten bei einem Kopfplattenbruch folgende Betriebs- und Hilfsstoffe generell als Basis:
Epoxy: Ich klebe grundsätzlich mit 2 Komponenten-Epoxy, dessen notwendiges Mischungsverhältnis einfach mit Spritzen hergestellt werden kann. Zum Mischen nutze ich einen einfachen Becher und einen Holzstab. 2 Spritzen werden zur Aufnahme und Dosierung von Harz und Härter verwendet - eine dritte, sowie eine lange, stumpfe Kanüle zum Einbringen des fertig gemischten Klebstoffs in den Bruch. Die Spritzen können nur einmalig verwendet werden, die Einzelkomponenten dürfen bis zur Verwendung nicht vermischt werden.
Je nach "Geschmack" oder Verwendungszweck bietet der Markt verschiedenste Gebinde und Varianten von Epoxy. Für den Instrumentenbau zählt vor allem die Viskosität, die Härtezeit und die erreichbare Endhärte.
Ich persönlich benutze für diese Art von Brüchen das E45TM-Gebinde, welches vor allem als Beschichtungs- und Versiegelungswerkstoff bekannt ist (z.b. für Terrarien und Aquarien). Es erreicht eine hohe Endfestigkeit, ist im ausgehärteten Zustand äußerst Chemikalien- und Wasserresistent und dünstet besonders wenig Giftstoffe aus. Ich hab davon noch genug übrig.... Wer sich neu eindeckt, dem sei E60K oder E120K (wenn man langsam arbeiten möchte) eher ans Herz gelegt.
Warum Epoxy?
Viele Gitarrenbauer benutzen heute noch einfachen Weißleim (Holzleim). Unter "alten Hasen" ist auch Knochenleim noch sehr beliebt.
Knochenleim hat den Vorteil eine hohe Endhärte zu erreichen und auch unter Dauerbelastung keine elastischen Eigenschaften zu entwickeln. Wird Knochenleim richtig angewendet, so verbindet er Holzteile bis zur zeitlichen Unendlichkeit...und noch viel weiter . Sein großes Problem ist jedoch die richtige Zubereitung - wer sich zu schnell in Selbstbewusstsein wiegt, kann bei einem Fehler nach wenigen Jahren versuchen die Reste aus dem Bruch zu kratzen, weil er nicht gehalten hat. Folgeklebungen können nicht auf Klebstoffresten korrigiert werden, wodurch meist die gesamte Kopfplatte entfernt und gereinigt werden muss. Ein weiter Nachteil ist, dass er nur zusammengepresst seine volle Stärke entwickelt. Gerade bei undefiniert gebrochenen Teilen fehlen oftmals einzelne Fasern, wodurch der Klebstoff Hohlräume überbrücken muss. Knochleim kann das nur in sehr begrenztem Rahmen.
Weißleim eigent sich zwar generell für alle Holzverbindungen, hat jedoch ähnliche Nachteile wie Knochenleim. Nur wenn der entsprechende Pressdruck aufgebaut wird, entwickelt er seine volle Stärke - an der gewinkelten Fläche einer Kopfplatte lassen sich nur schwer die notwendigen Kräfte gezielt aufbringen. Hohlräume oder fehlende Holzstücken schwächen die gesamte Klebeverbindung zusätzlich. Erschwerend kommt hinzu, dass Weißleim dauerelastisch ist und unter konstant einwirkender Kraft früher oder später nachgibt wie ein alter Kaugummi. Nach meinen bisherigen Beobachtungen hat ein weißleimgeklebter Halsbruch eine Lebenserwartung von 8-10 Jahren.
Unter diesen Voraussetungen halte ich Weißleim für eine generell falsche Wahl.... leider hat sich diese Erkenntnis jedoch noch nicht ganz durchgesetzt, weshalb er in vielen Repairshops noch immer verwendet wird.
Epoxy hat aus rein technischer Sicht dagegen alle Vorteile, die ein Halsbruch erfordert. Epoxy muss nicht gepresst werden und bildet einen in sich stabilen Stoffzusammenschluss. Er kann damit problemlos Hohlräume füllen, durch Füllstoffe an die Verarbeitungszwecke angepasst werden, erträgt Dauerbelastung und ist resistent gegen Feuchtigkeit, Klimawechsel und Chemikalien. Außerdem kann er beliebig mit Pigmenten eingefärbt werden und ist nach dem Aushärten sehr gut zu bearbeiten. Nachteilig ist, dass man im Umgang etwas Erfahrung bzgl. der Mischungsverhältnisse der Komponenten benötigt und er als umwelt- und gesundheitsgefährdende Chemikalie persönliche Schutzmaßnahmen erfordert und Entsorgungsrichtlinien unterliegt.
Thixotropiermittel: Dieser Stoff dient dazu, Epoxy-Klebstoffe in die benötigte Viskosität (Fließfähigkeit) zu bringen. Er erhöht zusätzlich die Kohäsion des Materials.
Alternativ zu Thixotropiermittel sind ebenfalls Glasfasern oder Holzfasern geeignet. Der Nachteil von feinen Glasfasern ist ihre extrem hohe Gefährlichkeit, wenn sie versehentlich eingeatmet werden - mit ihnen erreicht man jedoch den Besten Stoffzusammenschluss. Holzfasern sind vortelhaft, weil sie die Ähnlichkeit des Füllmaterials zum Umgebungswerkstoff erhöhen. Allerdings neigen Holzfasern zum Aufquellen und sollten daher nur an Stellen verwendet werden, an denen das Spaltmaß durch aufquellen des Füllstoffs nicht beeinflusst werden kann. Da eine Halsbruchreparatur immer unter Spannung stattfindet, ist ein aufquillender Füllstoff eher nachteilig.
Der Markt bietet zusätzlich Glasperlen, Quarzsand oder Baumwollfasern. Glasperlen und Quarzsand dienen ausschließlich als Fülltstoff für größere Spalte und lassen sich später schlecht mit üblichen Werkzeugen nacharbeiten. Vor allem steigt der Werkzeugverschleiß enorm an.
Baumwollfasern sind meist sehr lang und verschlechtern die Fähigkeit des Klebstoffs in feinste Risse und Fugen zu fließen. Bei der Verwendung mit Spritzen bilden sich außerdem unpraktische Klebefäden.
Epoxy-Farbe: Dient eigentlich nur dazu, den Klebstoff einzufärben. Alternativ kann man auch normale Oxid-Pigmente verwenden oder die Farbe auch ganz weg lassen, wenn man transparente Klebefugen bevorzugt. Da die Gitarre in einem praktischen schwarz lackiert ist, verwende ich hier auch schwarze Epoxy-Farbe um meine Klebefugen unauffällig zu gestalten.
Spiritus: Epoxy ist in flüssiger Form alkohollöslich. Spiritus ist also das ideale Mittel um Klebstoffreste abzuwischen und die Gitarre am Ende zu reinigen.
Werkzeuge: Zur Verarbeitung des Klebstoffs nutze ich Spritzen mit ml-Einteilung zur korrekten Dosierung des Mischungsverhältnis und um das fertige Gemisch in den Bruch zu drücken. Um möglichst weit in den Bruch hineinzukommen verwende ich zusätzlich eine lange, stumpfe Kanüle. Zum Mischen und Färben des Klebstoffs dient das Becherchen und ein Holzstab.
Die persönliche Schutzausrüstung:
Alle erwähnten Stoffe sind gesundheitsgefährlich. Auch wenn Spiritus allgemein als harmlos einzustufen ist, so kann auch er in flächiger Anwendung zu Augen- und Atemwegsreizung führen und für leichte Benommenheit sorgen. Viel gefährlicher ist allerdings unser Klebstoff und der verwendete Füllstoff. Epoxy wirkt im flüssigen Zustand stark reizend auf Augen, Atemwege und Haut, führt zu Ausschlag, Juckreiz und Hautschwellungen. Neben den vorrübergehenden Folgen sind seine allergenen Eigenschaften inzwischen wissenschaftlich bewiesen und KEINE Eventualität (ich persönlich glaube ihm, wegen nachlässigem Umgang, einige Nahrungsmittelallergien verdanken zu können). Er steht außerdem unter Verdacht erbgutverändernd zu wirken.
Alle erwähnten Füllstoffe bestehen aus Feinstfasern oder Feinstaub und können beim Einatmen nicht vom Körper abgebaut werden. Gesundheitliche Folgen sind vom Asbest weitgehend bekannt oder können HIER nachgelesen werden.
Ich rate also mit aller Deutlichkeit zur Verwendung von Atemschutzmaske mit Gasfilter (Staubmasken sind NICHT ausreichend), sowie Gummihandschuhen bzw. dem Schutz der Haut.
Der Klebevorgang:
Die Komponenten werden im notwenigen Mischungsverhältnis gemischt, eingefärbt und mit Hilfe des Thixotropiermittels zähflüssig gemacht. Die Viskosität sollte gerade noch tropf- und fließfähig sein - unter mäßig starkem Druck muss der Klebstoff noch durch die Kanüle gespritzt werden können aber sollte auf eine Oberfläche getropft nur leicht zerfließen. Ist die passende Mischung gefunden, wird der Klebstoff in eine der Spritzen gefüllt. Wichtig dabei ist, dass sich quasi keine Luftblasen mehr in der Spritze befinden. Luft ist komprimierbar und sorgt in der Anwendung später dafür, dass der Klebftoff nicht aufhört aus der Spritze zu fließen. Für einen Bruch mit vergleichbarer Fläche sollten 4ml eingeplant werden...
Der Klebstoff wird nun in den Bruch gespritzt. Man kann hierfür den Bruch noch etwas weiten um möglichst tief mit der Spritze in die letzten Fugen hinein zu kommen:
Es sollte darauf geachtet werden, dass jeder Hohlraum mit Klebstoff gefüllt ist... man muss dabei nicht bis an die Bruchgrenzen Klebstoff aufbringen, weil beim Pressen noch genug Klebstoff herausquillen wird.
Anschließend wird die "Halskrause" angelegt. Hier ist der große Vorteil dieser Vorrichtung bereits erkennbar.... es ist keinerlei Spannelement im Bereich des Bruchs nötig, da die Kopfplatte von vorn gegen den Bruch gedrückt wird. Der gesamte Arbeitsbereich ist daher vollständig zugänglich und der Klebstoff wird nicht zu stark aus dem Spalt gedrückt (wir erinnern uns: Epoxy wird NICHT gepresst, nur zusammengedrückt).
Es wird nun die Spannrolle eingesetzt. Beim Rollen in Richtung Sattel drückt dieser Holzstab nun die Kopfplatte immer weiter gegen den Bruch... Durch die schräge Kopfplatte machen wir uns hier das Keilprinzip zu Nutze.
Ab hier beginnt der schmutzige Teil... der Klebstoff beginnt aus dem Bruch zu quellen und drückt sich dabei gleichzeitig in alle Hohlräume.
Die Spannrolle wird weiter in Richtung Sattel gerollt... der Bruch wird damit stärker zusammengedrückt, mehr Klebstoff quilt in Hohlräume und aus dem Riss heraus:
Wir haben nunr die Endposition der Kopfplatte erreicht. Der gesamte überschüssige Klebstoff ist aus dem Bruch herausgedrückt....was jetzt noch im Bruch ist, darf nicht mehr getrennt werden. Sollte versehentlich die Rolle zurückschnellen, muss erneut Klebstoff eingebracht werden um Luftlöcher zu vermeiden.
Das überschüssige Material wird zunächst trocken weggewischt. Eine Rolle Küchentücher sollte zur Hand sein...
Die Position der Spannrolle wird nun mit einer leichten Klemme gesichert:
Verbleibene Hohlräume oder nicht gefüllte Risse werden nun von Außen aufgefüllt. Meistens ist hier der Bereich unter dem Vulkanfiber betroffen. Sollte der Riss zu schmal für die Kanüle sein, ist es ratsam mit einem Bohrer flache Bohrungen in Kanülendurchmesser in den Riss zu setzen. Die Bohrlöcher werden dann mit Klebstoff aufgefüllt.
Sind alle Hohläume und Risse gefüllt, wird nun mit Spiritus der gesamte verschmierte Restklebstoff entfernt.
Sollte man dabei aus den Rissrändern entwas mehr Klebstoff herausziehen, kann man anschließend nachbessern. Dafür lässt man die Spritze etwa 1h ruhen, bis der Klebstoff durch die beginnenden Aushärtungsprozesse noch etwas dickflüssger geworden ist. Dann spritzt man eine Wulst auf alle verbleibenen Risse oder Vertiefungen...
.... und "verspachtelt" das Ganze mit einem Zahnstocher und reinigt ggf. nocheinmal vorsichtig mit Spiritus:
Abschließend kann die gesamte Gitarre dank der praktischen Vorrichtung in eine "verkehrsarme" Ecke gestellt werden.
Nun heißt es 7 Tage lang Füße hoch und Brause trinken. Zwar erreicht fast jeder Epoxy nach ca. 48h seine Belastbarkeit, die tatsächliche Endhärte stellt sich aber auch bei Express-Epoxy meist erst nach ein paar Tagen ein. Die Zeit für die Endfestigkeit kann man der Verpackung entnehmen. Vielleicht nutzt man die Zeit zum Schuhe putzen ...
Nach der Wartezeit können alle Spannwerkzeuge entfernt werden und der Bruch ist aus rein technischer Sicht wieder vollständig einsatzfähig. Der anspruchslose Benutzer braucht mit einer Feile und einem Schleifschwamm nur noch die Kanten und Klebereste glätten und kann mit etwas Hartwachs die Holzgrenzen versiegeln. Wer es schön will, braucht nach dem Kantenglätten nur lackieren.
Optisch sieht das ganze schon jetzt so aus (und wird sich beim Aushärten auch nicht mehr verändern)... zu beachten ist, dass der Spiritus die Oberfläche des Nitrolacks etwas angreift. Mit einer Politur ist der weiße Schleier jedoch leicht zu entfernen.
Ich persönlich werde an meiner Gitarre noch einen Schritt weiter gehen und den Bereich zusätzlich mit Glasfaser laminieren um ihn nachhaltig zu verstärken. Wenn man schonmal dabei ist, kann man das gleich mit erledigen.... Doku folgt...
PS: Fehler bitte melden.... Habs 5 mal gelesen, aber ihr wisst ja... schon spät und so
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