Leider OT, aber ich möchte die Frage gern beantworten
Können diese Menschen dann trotz größter Mühe z.B. keinen Mollakkord von einem Durseptakkord unterscheiden? Würden sie eine Sekunde und eine Quinte als identische Intervalle empfinden? Hielten sie völlig unpassende Töne für durchaus richtig? Unter diesen Umständen könnte ich mir nicht vorstellen, dass sich ein solcher Mensch überhaupt für Musik interessiert oder gar ein Instrument spielen möchte.
@Dietlaib
Es geht tiefer. Man muss verstehen, dass das Fühlen und Empfinden sehr viel unterschiedlicher sein kann, als man gemeinhin annimmt.
1. Manch einer sieht den Wald und manch einer sieht die Bäume und manch einer beides gleichmäßig. Und allen gefällt, was sie sehen.
2. Wenn jemand Musik mehr als Gesamtheit wahr nimmt und nicht jeden einzelnen Ton scharf abgegrenzt hören kann (oder nur nach Übung einzeln hören kann), dem gefällt es auch. Natürlich kann jeder mit Training die Fähigkeiten verbessern! Dazu will ich auch jeden ermutigen, die jeweils andere Seite kennen zu lernen.
Aber es ist ein Unterschied, ob man z.B. eine Sprache intuitiv spricht oder ob man eine Fremdsprache erlernt und zum Teil überlegen muss, nach welchen unverständlichen, zum Teil ungeschriebenen, Regeln sie aufgebaut ist. Mit der Musik ist es das Gleiche.
3. Nebenbei bemerkt sind die Sinnesorgane jedes Menschen anders. Für jeden sieht die Welt ohne Brille anders aus als mit Brille und auch das Gehör ist abhängig von rein organischen Voraussetzungen oder von dem momentanen Gemütszustand. Ist man gestresst, nerven manche Töne schneller. Genug der Beispiele. Aus den Unterschieden ergibt sich aber auch, dass manch einer nervös wird bei manchen Geräuschen und der andere denkt, der soll sich nicht so haben. (gibt´s auch bei kratzigem Stoff, hellem Licht, scharfem Geschmack, Berührungsempfindlichkeit u.s.w)
Als Quelle für dieses Wissen könnte dir die Beobachtung deiner eigenen sich von andern Menschen abweichenden Gewohnheiten dienen. Manchmal denkt man, der andere nervt, dabei fühlt oder hört er ganz normal andere Dinge als du, und findet es völlig logisch und wundert sich, warum du genervt bist. ;-)
Es betrifft nicht nur die Musik, aber gerade Musikern fällt die unterschiedliche Verarbeitung der Töne als Umweltreize besonders auf.
4. Natürlich gibt es dazu auch Forschung, z.B. in Bezug auf Hochleistungsmusikern (-malern. - wissenschaftlern, -forschern, -schachspielern...) Die können sich stundenlang stark fokussieren, blenden naturgemäß einige andere (manchmal wichtige) Informationen aus, weil sie sonst überfordert würden. Andere würden nie aushalten, z.B. 8 Stunden Gitarre zu üben, nehmen dafür aber auch andere Dinge wahr. Diese Menschen nehmen meist die Dinge mehr in Einzelheiten war, andere nehmen mehr die Gesamtheit wahr (Bäume oder Wald, Gesamteindruck oder Einzeltöne). Das ist sehr vereinfacht ausgedrückt - ganz so einfach ist es nicht, aber das hier soll ja keine wissenschaftliche Abhandlung werden, sondern dir ein grobe Richtung geben. Das hat ziemlich weitreichende Konsequenzen in allen Richtungen. Man kann in beide Richtungen trainieren, aber die jeweils andere Seite wird angelernt bleiben, bei Stress fällt sie schwerer, während man die eigene Natur intuitiv beherrscht. Die findet man dann auch völlig logisch und weiß nicht, dass andere ganz anders empfinden und genau so richtig liegen.
5. noch ein anderer Aspekt:
Menschen, die Dur und Moll nicht unterschieden können, gefällt die Musik genau so und können sowohl Dur als auch Moll spielen und beide Klänge äußerst genießen. Und unser Tonabstände (kleine Terz...große Terz) gibt es in der europäischen Musik, mit unsern gewohnten 12 Halbtönen in der Tonleiter, und sogar da gibt es Unterschiede in den Stimmungen (bei Interesse belese dich z.B über die wohltemporierte Stimmung und weitere physikalische Grundlagen der Tonhöhen). In andern Kulturen ist eine Tonleiter aus andern Tönen zusammengesetzt, damit die Tonabstände anders und somit ergeben sich andere Harmonien, die nur den dortigen Menschen klar und logisch sind, für Mitteleuropäer hören sie sich fremd an. Da ist dann Dur und Moll sowieso egal! Das kann dann deine Fragen nach den völlig unpassenden Tönen beantworten. Bei uns sind sie "unpassend" - woanders nicht.
Zusammenfassung: Es ist egal, wie man eine Sekunde oder eine Terz, Dur oder Moll wahrnimmt, welche Harmoniefolgen, Rhythmen, Verläufe, Lautstärken u.s.w besonders einprägsam, angenehm oder unangenehm sind - man nimmt sie wahr! Jeder auf seine individuelle Weise. Und es macht in jedem Fall Spaß, Musik zu machen.
Und auch wenn man Akkorde und Töne nicht intuitiv heraushören kann, so kann man es mit mehr oder weniger Training lernen, wie eine Fremdsprache, die man immer besser spricht, je mehr man sie übt. Aber es soll tatsächlich Menschen geben, die selbst bei größter Mühe es nicht schaffen können, chinesisch zu lernen;-) und trotzdem die asiatische Kultur lieben.
Und wenn man -ob mit oder ohne große Mühe - genug das "Raushören" geübt hat, ist es der beste Weg, an Tabs zu kommen! Statt stundenlang im Netz zu surfen und dann fehlerhafte zu finden, die jeder Anfänger so wie er mag einstellen kann!