Ich stand vor etwa einem Jahr vor der gleichen Entscheidung wie Du, Sibbi, bloß dass der Fender Super Bassman und Bassman 100T gerade noch nicht draußen waren und ich sie nicht antesten konnte (bis heute nicht). Bei mir fiel die Entscheidung zwischen Orange AD200B, Ampeg SVT CL, Marshall VBA400 und dem Traynor YBA 200.
Punksound für dich = rotzig mittig oder dängelig mit Badewannen-EQ?
Ich reiße kurz mal meine Eindrücke ab:
Ampeg:
natürlich der Klassiker. Im Klangverhalten sehr bullig und aggressiv/punchig für mein Empfinden. Durch den EQ und die Filter einige Flexibilität, aber der Ampeg-Charakter kommt immer durch. In Verbindung mit der zugehörigen 8*10er bzw. jeder Box nach dem gleichen Bauprinzip sehr kompakter Ton, selbst bei aggressiven Höhen nicht nervig. Der Sound möhrt sich überall durch. Nutzbare Zerre erst bei relativ hohen Lautstärken.
Orange
Sehr easy on the eye
Weniger bullig als der Ampeg, wärmer und fetter. Grenzenlose Bassreserven. Ehrlich, wer den Bassregler am AD200B mehr als halb aufdreht, ist einfach ein Narr. Der EQ am Orange ist mehr ein Gimmick als ein nützliches Tool, erlaubt gewisse Korrekturen, aber wirkliche Klangformung lässt sich damit nicht betreiben. Der Orange klingt wie er klingt. Konkurrenzlos überragendes Impulsverhalten. Trotz seiner schieren Basswucht reagiert der Amp unglaublich genau auf das, was man reinspielt. Derartige Dynamik und Impulstreue hab ich außer beim AD200B bisher bloß beim Glockenklang Soul II hören können. Wirklich lautes cleanes Spiel ist nicht möglich, der Amp geht relativ früh in die Kompression und hat nach oben große Reserven an Verzerrung.
Marshall VBA400
Im Vergleich zum Ampeg kantiger, weniger fett und saftig, britisch halt. Für einen Vollröhrenamp relativ HiFi-mäßiger Ton, sehr ebenmäßig übers ganze Frequenzspektrum, aber immer relativ hart in den Mitten. im Bandkontext vermutlich sehr souverän und durchsetzungsstark, große Lautstärkereserven. Zerre wirkte auf mich etwas harsch und kühl, nicht so lebendig wie Orange oder Ampeg.
Traynor YBA200
Klanglich für mein Empfinden fast wie ein Mittelding aus Ampeg und Orange. Relativ viele Klangvariationen. Nicht übermäßig dick in den Bässen, nicht besonders bullig in den Tiefmitten. Im Großen und Ganzen in allen klanglichen Disziplinen eine Stufe unter der teureren Riege anzusiedeln. Nicht ganz so gutes Dynamikverhalten, nicht ganz so souveräne Klangformung, nicht ganz so plastische Obertöne, nicht ganz so harmonisches Verzerrungs- und Kompressionsverhalten. Für sein Geld immer noch ein Klasse Amp, der keine hervorstechenden Schwächen hat, aber kann in der Riege der Flaggschiffe nicht mithalten.
Mein Fazit damals:
Der Traynor war mir insgesamt zu schwach, der Marshall zu kalt und nicht lebendig genug und irgendwie bäh. Der Ampeg zu bullig und aggressiv. Alle waren im Vergleich zum Orange etwas indirekt (das ist Meckern auf allerhöchstem Niveau!) und für meinen Geschmack nicht plastisch genug.
Der Orange ists für mich dann geworden. Hat zwar wenig Möglichkeiten von sich aus den Klang zu verbiegen und ist auch sonst relativ sparsam ausgestattet, aber der Grundsound gefällt mir und die Klangtreue ist konkurrenzlos. Ausm Orange kommt das raus, was man reinspielt, das war für mich der entscheidende Kauffaktor.
Noch kleiner Anspieltipp: Die Boxen von Orange sind wie ich finde relativ stark darauf ausgelegt, den dicken und rotzigen Charakter des AD200B zusätzlich zu betonen (was mMn übertrieben ist). Der klassische Ampeg-Kühlschrank (gerne auch ein halber) und besonders Boxen aus der MESA-Powerhouse-Serie geben noch eine zusätzliche Dimension dazu.
Hoffe ich konnte helfen,
Mo