OK, jetzt hat's mir keine Ruhe gelassen und schlafen konnte ich eh nicht so wirklich. And here. We. GO!
Toby: Hallo Jordan und danke, dass Du Dir die Zeit für uns genommen hast. Die Fragen kommen von deutschen Keyboardern, die sich über das Musiker-Board austauschen. Fangen wir mit den einfachen Fragen an: mit welchem DT-Album bist Du momentan am glücklichsten?
Jordan Rudess: Das ist auf jeden Fall das Aktuelle A Dramatic Turn Of Events. Das ist bei mir wie bei den meisten: auf das letzte, was man geschaffen hat, ist man besonders stolz. (lacht)
T: Gibt es einen DT-Song, den Du klangtechnisch gerne komplett überarbeiten würdest?
JR: Das ist eine gute Frage, lass mich kurz überlegen
Metropolis wäre da ein Kandidat
. ja
den würde ich gerne aktueller und deutlich synthlastiger gestalten. Vielleicht setze ich mich da mal dran, wenn ich zu Hause bin, die Idee hat was.
T: Interessierst Du Dich neben Dreamtheater auch für komplett andere Musikstile und was davon würdest Du dabei mal gerne angehen?
JR: Gut gemachter Pop wäre mal so eine Aufgabe für mich. Ich weiß nicht, ob es mir schwer fallen würde, immer im selben Takt zu bleiben und die selben Formen einzuhalten (lacht), aber als Klangtechnische Aufgabe wäre es sicher mal interessant. In der nächsten Zeit sind meine Ressourcen aber leider beschränkt, solche Projekte liegen auf Eis, so lange wir auf Tour sind.
T: Zu solchen Produktionen gehören natürlich auch andere Instrumente. Gibt es da eines, das Du ähnlich gut beherrschen möchtest wie die Keys?
JR: Nun ja, ich spiele ja schon ein bisschen Gitarre und Schlagzeug, zumindest genügt es für Ideen, aber manchmal würde ich gerne mit John (Petrucci) mithalten können.
T: Nachdem Du ja selber eine Firma hast, die Musik-Apps entwickelt und auch an anderen Firmen als kreativer Leiter beteiligt bist, wäre es interessant zu wissen, welche technologischen Entwicklungen Du auf dem Keyboardsektor wünschenswert findest.
JR: Das passt ganz gut zu der Frage nach dem anderen Instrument. Bei meinen Apps MorphWizz und SampleWizz habe ich ja schon einen anderen Ansatz gewählt und basierend auf der Idee des Continuum und einigen technologischen Entwicklungen arbeite ich gerade mit einigen Kollegen am Sea Board, das den Continuum noch ein ganzes Stück weiter führt. Ich interessiere mich also vor allem für die alternativen Kontrollmöglichkeiten und nicht so sehr die dahinter stehende Engine, davon gibt es einfach schon so viele, die gut klingen.
T: Jetzt erst mal völlig aus dem Kontext heraus genommen: wenn Du Sounds zusammen stellst, sei es für eine Produktion oder eine Tour, fängst Du komplett von vorne an, oder nimmst Du ein Preset als Ausgangspunkt?
JR: Definitiv letzteres. Nachdem die Keyboards ja mittlerweile mit tausenden von Sounds ausgeliefert werden, gibt es darin meistens etwas, das dem nahe kommt, was ich brauche. Ich schraube das dann in die endgültige Form, aber der Ausgangspunkt ist in, sagen wir, 90% der Fälle ein Preset.
T: Im Studio setzt Du ja viele Synths und große Libraries ein, wie transportierst Du die Sounds in Deinen Kronos oder V-Synth für den Livebetrieb? Samples Du alles zusammen, baust Du es im Synth oder ist das die Aufgabe Deines Technikers Gianluca?
JR: Nein, das ist schon meine Aufgabe. Gianluca macht vor allem die Hardwarebetreuung, aber die Programmierung ist mein Bereich. Mal abgesehen von bestimmten Signature-Sounds, wie z.B. einem Omnisphere-Pad oder einem Loop, baue ich die Sounds komplett im Kronos nach, der V-Synth ist eigentlich nur für jeweils einen oder zwei Sounds da. Da hat sich dann auch gezeigt, dass manchmal die etwas raueren Klänge deutlich besser für den Livekontext geeignet sind, viele Details von z.B. String-Libraries gehen live einfach unter. Zumindest in meiner Band ist das so (grinst).
T: Wie sieht es dann da mit der Klangoptimierung für den Livebetrieb aus? Verwendest Du überhaupt Hall? Wie ist es mit Kompressoren? Überlässt Du den Punch dem FOH?
JR: Hall und Kompressoren verwende ich als klangtechnisches Gestaltungsmittel. Ich kenne die Gitarrensounds von John gut genug, um zu wissen, in welchem Frequenzbereich ich nicht unbedingt spielen muss, so EQe ich also schon vor. Auf die Halle anpassen muss es dann natürlich das FOH, aber ich versuche so neutral wie möglich raus zu gehen. Mit Hall ist es ähnlich: wenn er zum Klang gehört, verwende ich ihn, aber einen Reverb, der nur für die Raumsimulation da ist, ist, wenn überhaupt, nur sehr subtil dazu gemischt.
T: Gibt es ein bestimmtes Instrument, das Dich überrascht hat und vielleicht sogar zu einem kompletten Song auf dem gerade entstehenden Album inspiriert hat?
JR: Ja, das Sea Board, dessen Prototyp ich gerade habe, hatte einigen Einfluss. Nicht so sehr auf den Klang, aber eben doch auf die Spielweise.
T: Würdest Du eventuell ein mal für eine Show die kompletten klassischen Keyboardinstrumente zu Hause lassen und nur über Touchinstrumente wie iPads, den Continuum oder das Harpejji spielen?
JR: Weißt Du was? Das ist eine großartige Idee! Für meine Band ist das vermutlich nichts, aber nach dieser Produktion und der darauffolgenden Tour wäre das doch mal eine interessante Beschäftigung.
T: Nachdem Du ja vorhin Tarkus gespielt hast und es da spieltechnisch genau so zur Sache geht wie bei Dreamtheater, wie sieht Deine Vorbereitung direkt vor einer Show aus?
JR: Vor einer Show gehe ich gerne in mich. Idealerweise habe ich einen ruhigen Raum mit einem Keyboard oder Klavier, in den ich mich eine Stunde zurückziehen kann, um die Hände aufzuwärmen oder zu meditieren. Meistens ist das so nicht möglich, dann muss ich mir eben ein ruhiges Eck suchen, damit ich zu mir finde. Direkt vor einer Show unterhalte ich mich z.B. ungerne, da gehe ich im Kopf noch mal die schwersten Stellen durch.
T: Letzte Frage: auf bildern und Videos sieht man immer wieder Deine ungewöhnlich tiefe Handgelenkspositionierung am Keyboard. Hattest Du deshalb schon ein mal Probleme?
JR: Nein, eigentlich gar nicht. Weißt Du, meine Handgelenke sind nur dann so weit unten, wenn ich sehr entspannt bin. Ich halte sie gerne in Bewegung, damit sie nicht unflexibel werden, aber es stimmt schon, dass ich im Vergleich zu anderen eine recht tiefe Positionierung verwende, das kommt noch aus meiner eigenen Klavierschülerzeit
T: Jordan, nochmals vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, um die gesammelten Fragen zu beantworten.
JR: Sehr gerne, es waren auch ein mal ein paar Fragen dabei, die abseits von den üblichen Interviewfragen waren, danke für die Anregungen.