@Vapo
Ich glaube nicht, dass Du irgendwen mit Deinem Hinweis auf die einventilige Bassposaune "geärgert" hast - ganz im Gegenteil, das ist sicherlich eine Überlegung wert und damit eine wertvolle Ergänzung zum Thema.
Ich habe das ja in meinem letzten Beitrag schon angedeutet: ich bin der festen Überzeugung, dass es irgendwo auf dieser Welt auch Vollprofis und Virtuosen gibt, die einen auch in der tiefen Lage mit der einventiligen Bassposaune einfach nur schwindelig spielen. Im Gegensatz zur hohen Lage liegen die Töne der tiefen Lage ja ziemlich weit auseinander. Die Kunst besteht also darin, in enorm hohem Tempo großen Distanzen mit dem Zug zu überbrücken - und das möglichst verwacklungsfrei, sonst geht das auf Kosten des Ansatzes. Je weiter der Zug rausgezogen ist, desto größer sind die Hebelkräfte, die den Kontakt zum Mundstück stören.
Ich habe großen Respekt vor Bassposaunisten, die all das meistern können. Ich für meinen Teil als ambitionierter Amateur benötige das zweite Ventil wohl auch hauptsächlich dafür, weil meine Zugtechnik zu langsam und unsauber ist: mit dem zweiten Ventil in In-line Konfiguration kann ich viele unschöne, lange Zugwege vermeiden. Schnelle Passage werden damit teilweise überhaupt erst möglich, zumindest für mich mit meiner (vergleichsweise) schlechten Technik.
George Roberts war sicherlich ein Meister seiner Zeit. Doch was war seine Zeit? Er hat sich seinen Ruf in den 1960er und 1970er Jahren erarbeitet und sein Niveau bemerkenswert lange darüber hinaus gehalten - eine echte Legende eben! Wie sahen zweiventilige Bassposaunen in dieser Zeit aus? Schwer, klobig, unhandlich - und dank limitierter off-line Konfiguration der Ventile lag der einzige Vorteil tatsächlich im Kontra-H! Konsequenterweise führt er in einem Interview aus 2004 zu diesem Thema in erster Linie das große Gewicht die Unhandlichkeit und sein hohes Alter an:
" I'm not King Kong, you know!" (
klick mich - lustigerweise hält er auf dem oberen Photo aber eine zweiventilige Greenhoe in der Hand
). Als weiteren Grund nennt er seine persönlichen Klangvorlieben (hell, gut projizierend), die sich zugegebenermaßen von dem heutigen Klangbild der Bassposaune (dunkel, rund, raumfüllend) unterscheiden.
Die zweiventilige Bassposaune hat meiner Meinung nach eine enorme Evolution durchgemacht: In-line Konfiguration, open-wrap (=bessere Balance), offenere und schnellere Ventile, Daumen-Mittelfinger-Betätigung, Haltehilfen und nicht zuletzt innovativer Leichtbau haben allesamt erst in den letzten 2-3 Jahrzehnten in den Instrumentenbau Einzug gehalten. All das gab es in den 1960er und 70er Jahren noch nicht. Ganz klar: mit einer zweiventiligen Bassposaune der ersten Stunde würde ich sicherlich auch nicht warm werden, denn auch ich bin nicht King-Kong! George Roberts hat sich konsequent für das entschieden, was seinerzeit sinnvoll war und das später mit (aus der Not geborener) perfektionierter Zugtechnik so beibehalten. Ich finde das großartig für ihn - aber unerreichbar für mich!
Nun haben wir aber all diese schönen technischen Errungenschaften, die es auch dem ambitionierten Amateur mit mangelhafter Zugtechnik erlaubt, einigermaßen anspruchsvolle Musik in der Tiefe zu erzeugen. Warum sollten wir darauf verzichten? Wäre das nicht wie Fahrrad ohne Gangschaltung zu fahren, nur weil irgendwer früher damit super toll klargekommen ist? Auch hier sollte man wie gesagt natürlich abwägen: welche Vor- und Nachteile bringt mir das zweite Ventil an der Posaune? Dank des Fortschritts spricht heute aber viel mehr für die zweiventilige Bassposaune als noch vor 30-40 Jahren.
Ist die zweiventilige Bassposaune nur etwas für technisch mangelhaft ausgebildete Amateure? Ich denke nein, denn die Limitationen der einventiligen Bassposaune sind 1:1 auch auf den Vollprofi übertragbar. Trotz perfekter Zugtechnik wird auch der Vollprofi mehr Möglichkeiten mit einer zweiventiligen Bassposaune ausschöpfen können, da auch hier seine Zugwege kürzer sind. Ein Virtuose wird damit Tonfolgen in einer Geschwindigkeit spielen können, die man vor >30 Jahren schlichtweg als unspielbar bezeichnet hätte. Dadurch verschiebt sich der technische Anspruch der Literatur für Bassposaune insgesamt nach oben und das Spektrum wird breiter. Ich finde diese Entwicklung sehr spannend.
Sorry, dass das jetzt ein wenig länger geworden ist.
Viele Grüße
Marco