Hier hat (immerhin) ein Professor sogar direkt zu Betas geraten, um die Lebensqualität zu erhöhen, damit man sein Leidenschaft entspannt verfolgen kann.
Allgemein formuliert, wenn ein Mensch (außerhalb der Pubertät) andauernd mehr mit seinem Innenleben beschäftigt ist anstatt mit dem was er tut oder tun soll (z.B. Musik auf hohem Niveau spielen), dann wäre das m.E. ein recht sicherer Hinweis auf den Nutzen einer qualifizierten psychologischen Beratung.
Ich habe mal diese beiden Zitate, auf die ich im einzelnen kurz eingehen werde, ausgewählt. In der letzten Zeit habe ich mit sehr vielen Leuten aus den unterschiedlichsten (musikalischen) Bereichen über dieses sehr ernste Thema unterhalten. Vielerorts ist es ein Tabuthema. Betroffene Musiker sind häufig hilflos und stehen buchstäblich allein mit ihrem Problem.
Um es noch mal ganz deutlich zu sagen. Egal was die betroffenen Musiker einnehmen, ob´s Betablocker, Drogen, Alkohol, Medikamente oder Kombinationen von allen sind, letztendlich - und da waren sich alle drüber einig, mit denen ich darüber gesprochen habe - senken diese Substanzen mindestens die Konzentrationsfähigkeit, wenn nicht sogar die Koordinationsfähigkeit, die man braucht um 100%ige Leistung abzurufen. Ich kann es absolut nicht nachvollziehen, warum ein Professor jemanden raten kann Betas zu nehmen. Was für eine "Lebensqualität" hat man, wenn man sich ruhig stellen muss um gewisse Situationen überhaupt bewältigen zu können?
Viel war auch von "Druck" die Rede, Leistungsdruck, Druck, den der Dirigent, der Manager, die Kollegen, etc ausüben. Zudem Angst vor Versagen, vor Publikum, Prüfung(en) usw. Lampenfieber! Meist können und beherrschen die Musiker ihr Instrument. Es liegt also nicht daran, dass sie nicht ausreichend vorbereitet sind, oder nicht ihr Instrument im Griff haben. Sie kommen schlichtweg einfach mit der Situation nicht zurecht. Ganz übel sieht´s dann bei den Musikern aus, die zu härteren Drogen greifen müssen. Einfach aus dem Grunde, weil irgendwann ein Bierchen, ein Wein, ein kleines Gläschen Sekt, eine Beruhigungstablette usw nicht mehr gereicht hat. Musiker, die so weit sind, dass sie von Alkohol, Tabletten, etc abhängig geworden sind, haben es ganz schwer. Zum einen die Sucht vor den anderen geheimzuhalten und zum anderen sich nicht einzugestehen, dass man abhängig ist. Diese Leute meinen solange alles im Griff zu haben, bis sie auf der Bühne, oder im Orchestergraben gar nichts mehr geregelt bekommen. Dann ist es meist zu spät! Und von solchen Situationen habe ich im Zuge der Gespräche eine Menge gehört. Plus die, die ich selbst erlebt habe, erschreckend viele! Es gibt aber auch Musiker, die sich dann "krank" melden. Oft eine ganz heikle Sache, da man im Profibreich sich auch nicht so mirnichtsdirnichts krank melden kann. Zudem man das so früh ansagen muss, so dass noch für Ersatz gesorgt werden kann. In beiden Fällen, kommt es zu Unfriedenheit bei den anderen Musikern. Niemand lässt sich gerne von einer nach Alkohol stinkenden Sopranistin ins Gesicht singen! Niemand möchte, dass sich sein Kollege plötzlich (unter Koks) nackt auszieht und nur mit Mühe von einem Techniker "gerettet" werden kann usw.
Wenn es soweit schon gekommen ist, ist es schwierig für den betroffenen Kollegen Verständnis aufzubringen. Dann ist das Problem offensichtlich. Aber es gibt ganz viele Musiker, bei denen das nicht offensichtlich ist. Trotzdem muss und sollte es mögliich sein in beiden Fällen den Betroffenen helfen zu können.
Was kann man tun? Als Betroffener? Als Mitmusiker, als Kollege? Welche Möglichkeiten gibt es? Und neben den hier schon genannten Tipps möchte ich noch mal näher auf das Zitat von zonquer eingehen. Eine qualifizierte psychologische Beratung ist wirklich zu empfehlen. Dadurch, dass das ein inzwischen weit verbreitetes Problem ist, gibt es Beratungsstellen, die sich darauf spezialisiert haben u.a. Musikern zu helfen. Wie findet man solche Beratungsstellen? Bei großen Orchestern gibt es Vertrauenspersonen oder Betriebsratsmitglieder, die diese Beratungsstellen kennen. An einem Konzerthaus hier in NRW werden die Beratungen sogar vom Haus bezahlt. Dabei erscheint nicht der Name des Süchtigen auf der Rechnung der Beratungsstelle. Als Kollege könnte man zusammen mit dem Betroffenen eine solche Beratung aufsuchen. Wichtig hierbei ist, dass man das Vertrauen vom Betroffenen natürlich nicht mißbraucht. Gerade z.B.bei Alkoholsucht (bei vielen immer noch eine nicht ernst genommene Sucht) ist es nicht angeraten z.B. in einer großen Runde zweideutige Witzchen über den Alkoholkonsum des Betreffenden zu machen. Hört sich selbstverständlich an, ist es aber häufig nicht!
Am allerbesten wäre es, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Wenn man bei sich selbst feststellt, oder wenn einem das vermittelt wird, dass man nicht in der Lage ist sein Lampenfieber oder seine Nervösität zu kontrollieren, dann sollte man wirklich professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.