Ich nutze sowohl Einzeltreter als auch Multis. Und wie der Herr Stratspieler schon sagte, mit vielen Tretern können alleine die KABEL dazwischen den Sound versauen. Ich hatte vier wirklich gute Trampelkisten am Start und war mit dem Sound unglücklich - alles so leblos und stumpf. Dann mal die Treter einzeln probiert - erstklassiger Sound, alles da. Dann erstmal zwei in Kombination - Sound wieder "tot". Also die Patchkabel (billiges Gedöns für 2,50 das Stück) gegen sündhaft teures Zeug von Klotz ersetzt - und nun sind auch in Kombination aller Treter die Obertöne, die Dynamik und einfach das "Leben" im Sound wieder da.
Es würde mich nicht wundern, wenn viele Benutzer von Bodentretern ihre durch Unachtsamkeit beim Kabelkauf gekillten Obertöne mit "analoger Wärme" gleichsetzen und den Multi mit "digitaler Kälte" - einfach weil dort mangels Patchkabeln die Obertöne wieder da sind! Geht mal die Qualität Eurer Verkabelung testen.
Zu digitalen Multis: Nutze ich seit ewigen Zeiten ebenfalls. Früher war es echt eine Menge Arbeit, aus den Teilen gute (oder sagen wir mal: akzeptable) Zerrsounds rauszuholen. Das wird in der heutigen Zeit immer einfacher und hängt inzwischen (hier beziehe ich mich auf das GT-10) weit mehr von den Fähigkeiten des Bedieners ab als vom Gerät selbst. Allerdings: Wenn ich persönlich als Zerrer-Modell ein Fuzz auswähle, kann ich kurbeln soviel ich will, das wird mir nicht gefallen. Warum? Weil ich eben keine Fuzz mag! Also fallen von den X digitalen Zerrern in Multi schonmal ein Viertel weg. Das mögen authentische (und rein technisch betrachte sehr gute) Nachbildungen sein, aber ich finde ja schon die Originale scheusslich. Das nur als Beispiel.
Sehr erhellend fand ich Ende 2011 (glaube ich) die BOSS-Workshop Tour, in der die alten Originale (Gitarren, Amps, Effekte) mit digitalen Simulationen aus dem GT-10 und einem Gitarrensynthesizer im Doppelblindtest vor Publikum verglichen wurden. Das war in fast allen Fällen schon verdammt nah am Original, viele Leute haben die Unterschiede im Einzelvergleich (!) schon nicht gehört. Laut dem vorführenden Gitarristen (war das Gundi Keller?) fällt das im Bandkontext noch viel weniger auf. Den Beweis trat er dann auch jedesmal an.
Was hörbar war an Unterschieden:
- ein alter Phase 90 "eierte" noch etwas schöner, weil unvorhersehbarer, während die digitale Simulation da etwas braver und gradliniger klang
- ähnlich ein altes RE-201 oder 301 Spaceecho - das original klang ein klein wenig unvorhersehbarer und lebendiger als die Simulation
- der alte MXR-Compressor hatte "eine gewisse Kelle Schmutz" im Sound, wogegen die Simulation hier braver, aber auch kultivierter klang - geschmacksabhängig
- auch die Zerrer klangen digital meist etwas braver, aber auch gediegener als die Originale - aber wie gesagt nichts, was im Bandkontext aufgefallen wäre
- die Simulation einer guten (!) Tele dagegen hat die zum Vergleich gespielte Serien-Tele klar geschlagen, da lagen Welten dazwischen! Nochmal: Simulation schlug Original deutlichl!
Eine Sitar, ein Chorus und diverse Amps wurden noch angetestet und verglichen, mit durchaus guten Ergebnissen für die Simulationen. Es gab aber auch einen alten 50 Watt Marshall ohne Mastervolumen, der die Simulation einfach wegblies - aber der Amp klingt einfach nur laut richtig gut. Dann aber auch hörbar besser als die Simulation, da fehlt einfach die fühlbare Gewalt einer 4*12er. Nur: Dann war der Amp so laut, dass man damit aus so ziemlich jeder Band rausfliegt. Also nur im Studio oder auf den Riesenbühnen der Vollprofis zu benutzen. "Mit dem GT-10 dagegen spiele ich den Gig und verdiene das Geld dafür," so der lapidare Kommentar des vorführenden Gitarristen.
Ich denke, es bleibt spannend. Angeblich klingt das GT-100 noch eine Ecke authentischer als das GT-10. Und irgendwann wird die Rechenpower der verbauten Prozessoren hoch genug sein, um auch diese "Unvorhersehbarkeitskomponente" im Sound zu simulieren oder eben diese "Kelle Schmutz". Dazu braucht es "nur" zufallsgesteuerte Anteile oder Schwankungen im Sound, wofür die entsprechenden Algorythmen wahrscheinlich bereits entwickelt werden.
Meinen Lieblingszerrer, den Fulltone OCD, habe ich digital noch nicht gefunden. Wenn den jemand überzeugend in einen Multi verpackt, würde ich mein Sparschwein nochmal ganz scharf ansehen.
Bedienbarkeit lasse ich mal aussen vor, gerade die "digital natives" zeigen uns alten Säcken doch immer wieder was 'ne Harke ist, wenn es um die Bedienung dieses neuartigen Equipments geht.
Viele Grüße
Jo