Oh Mann! Was hier auf zwei Seiten schon wieder für ein unqualifizierter Käse und gesundes Nichtwissen zu lesen war. Lediglich der Hinweis auf die Webseite von Helmuth Lemme und seine Bücher waren ein Schritt in die richtige Richtung!
Ich werde versuchen, dieses sehr komplexe Thema kurz möglichst einfach, aber doch nicht falsch darzustellen:
Jeder Magnettonabnehmer besteht, wie sein Name schon sagt, aus (mindestens) einem Magneten und einer Drahtspule, die aus Kupferlackdraht hergestellt wird. Dieser Spule kann man im einfachsten Fall als Ersatzschaltung mit einer Induktivität L einer Wicklungskapazität C und einem Gleichstromwiderstand R darstellen. Es geht allerdings auch noch komplizierter, aber das trägt jetzt nicht zum Verständnis bei.
Die gesamte Schaltung wirkt als Tiefpaß mit Resonanzstelle. Ich zeige jetzt hier bewußt nicht den entsprechenden Amplitudengang. Bei den Guitar-Letters gibt es jede Menge Artikel, die das thematisieren. Als Beispiel sei der Artikel "
Der C-Switch als Ersatz der Tonblende" genannt.
Der Gleichstromwiderstand repräsentiert den Widerstand des Drahtes. Hier gilt: Je länger desto mehr Widerstand. Auch wenn entsprechende Werte von vielen Tonabnehmerherstellern veröffentlicht werden und die (ahnungslose) Gemeinde diese fleißig diskutiert (auch hier), läßt sich daraus keine sinnvolle Aussage zum "Klang" eines Tonabnehmers ableiten. Der Gleichstromwiderstand sorgt lediglich für eine Dämpfung der Resonanzspitze.
Viel wichtiger ist jedoch die Induktivität, denn sie beeinflußt die Lage der Resonanzfrequenz und damit auch den "Klang" des Tonabnehmers. Hier gilt: Je mehr Wicklungen, desto größer ist die Induktivität und je größer die Induktivität, desto geringer die Resonanzfrequenz. Ein Strat-Pickup liegt typisch bei 3 bis 4kHz; ein typischer Vintage-Humbucker zwischen 2 und 3kHz. Der "klingt" also deutlich wärmer oder weicher. Leider ist eine Messung der Induktivität keine einfache Sache. Aus diesem Grund findet man bei den meisten Herstellern dazu keine Angaben. Bei denen die es machen, sind die Werte auch mit Vorsicht zu geniessen, denn es kommt immer darauf an, wie man es macht. Käufliche Induktivitätsmessgeräte sind häufig ungeeignet, weil sie eine zu große Meßfrequenz besitzen, was die ahnungslosen Nutzer aber nicht daran hindert solche Geräte einzusetzen.
Die Wicklungskapazität stellt die Summe aller Kapazitäten zwischen den einzelnen Wicklungen und Lagen dar. Es gibt nicht wirklich eine Formel dafür. Eine Messung ist noch deutlich schwieriger als bei der Induktivität. Multimeter, die in der Lage sind die Kapazitäten von Kondensatoren zu ermitteln, sind dazu schlicht nicht geeignet. Ein Hersteller hatte mir mal stolz eine Wicklungskapazität von mehreren Nanofarad mitgeteilt. Daß das Gerät den Betrag der Impedanz bei 1kHz gemessen hat und diesen Wert als Blindwiderstand und damit als Kapazität bewertet hat war ihm überhaupt nicht klar gewesen.
Beim Strat-Pickup kann man in etwa von Werten zwischen 70pF und 130pF ausgehen. Es hängt immer davon ab, wie die Spule gewickelt wurde.
Auch die Wicklungskapazität nimmt Einfluß auf die Lage der Resonanz. Sie liegt allerdings parallel zum Instrumentenkabel, welches in der Regel eine deutlich größere Kapazität besitzt. Der Einfluß der Wicklungskapazität ist in den meisten Fällen also eher zu vernachlässigen.
Was hatten wir noch? Ach ja, der Magnet oder die Magnete... Was die alles können (sollen)!
Fakt ist, die Induktivität wird auch durch eine Materialkonstante bestimmt, die sich relative Permeabilität µr nennt. Damit ist also das Material gemeint, welches sich
in der Spule (man achte auf die Feinheit) befindet. Bei typischen Humbuckern befinden sich in den Spulen Eisenkerne. Der Magnet sitzt unterhalb der Spulen, also
außerhalb. Ich habe vor einiger Zeit Messungen an einem Humbucker mit verschiedenen Magneten durchgeführt. Die Induktivität hat sich dabei nicht signifikant verändert. Selbst ohne Magneten lag die Abweichung innerhalb von 10%. Unter dem Strich ergibt sich da eine Änderung der Resonanzfrequenz, die nicht von Signifikanz ist. Mit anderen Worten: Das wird man kaum wahrnehmen!
In einem Strat-Pickup sieht das unter Umständen etwas anders aus: Hier befindet sich die Magnete üblicherweise in der Spule. Dann wirkt sich die relative Permeabilität des Magnetmaterials selbstverständlich auf die Induktivität aus. Sie hängt jedoch von der Magnetisierung des Magneten ab. Schwache und starke Magnetisierungen haben in der Regel ein kleines µr zur Folge.
Was der Magnet definitv nicht kann, ist den Gleichstromwiderstand zu beeinflussen. Das ist schlicht und ergreifend Humbuck! Allerdings kann man den Tonabnehmer als Wechselstromwiderstand (Impedanz) auffassen und hier wirkt sich auch die Induktivität und damit - innerhalb der von mir genannten Grenzen - auch der Magnet aus.
Wenn man einen Tonabnehmer wickelt, steigen Induktivität und Gleichstromwiderstand mit der Anzahl der Wicklungen an. "Heiße" Tonabnehmer, also solche die sehr "laut" sind und für Verzerrung gedacht, haben eine große Wickungszahl und in der Folge dann eine große Induktivität und einen großen Gleichstromwiderstand. Das hat eine geringe Resonanzfrequenz mit schwacher Spitze zur Folge. Gerade richtig für Verzerrungen. Man kann den Gleichstromwiderstand aber auch über den Drahtquerschnitt beeinflussen...
Möchte man "zielgerichet" einen Tonabehmer bauen, dann sollte man sich tunlichst mit der dahinterstehenden Physik beschäftigen. Das ist zugegeben eine anstrengende Sache, aber ansonsten wird man nur zufällige Ergebnisse erzeugen.
Literatur ist zu dieser Thematik leider dünn gesät. Das meiste ist bei Licht betrachtet "dummes Zeug" und nicht sein Geld wert. Einzig die Veröffentlichungen von Helmut Lemme sowie die "Physik der Elektrogitarre" von Manfred Zollner stellen Ausnahmen dar. Wobei Manfred Zollners Werk für mich das Beste darstellt, was es weltweit zu diesem Thema gibt!!!
Ulf