Ich bin nun alles Andere als ein Gitarrengott und werde auch keiner mehr. Andererseits habe ich eben durchaus ein paar Chords/Licks/Riffs etc irgendwo drin/drauf. Noten lesen Fehlanzeige, Musiktheorie nur ganz ansatzweise... aber eben bissel "Handwerk" ist da.
Sieh es mal so: in meiner Band spielen wir Soul&Funk-basierte eigene Stücke, durch den Einfluss der einzelnen Band-Mitglieder aber eben nicht 08/15 Blues Brother Dinger, sondern eben durchaus etwas vertracktere Dinge (so rein harmonisch meine ich). Es ist für uns alle völlig normal, dass am Ende einer Ausarbeitung einer Song-Idee so ein Akkord-Gefüge wie Bb7/9 - Eb7/9 im Wechsel für den Verse/Jam-Teil steht, gefolgt von einer Bridge/Chorus-Linie von C und F7#9. Es ist auch völlig normal, dass sich noch in der Probe da jeder irgendwie reinfuchst, die Gitarristen sinnvolle Akkorde bzw. Akkordfragmente dazu finden. Es ist genauso normal, dass man da mal eben fix irgendwie drüber ein erstes Solo probiert. Und auch normal ist, dass unsere Sängerin nach 2-3 Versuchen feststellt, dass eine große Terz höher besser wäre - gefolgt von ein bisschen Umschreiben eventuell noch vorhandener Lead Sheets und nochmal abzählen der Bünde bei den Gitarristen.
Was für uns so "normal" ist hat dann einen neuen Kandidaten in der Band dazu gebracht, wegen unseres viel zu hohen Niveaus hinzuwerfen - er hat halt kein Repertoire von diversen Akkorden/Voicings abrufbar und tut sich mit fixem Transponieren sehr schwer. Nicht falsch verstehen - für mich als Dilettant war das auch nicht einfach, aber ich habe mich gut reingefuchst und habe viel abrufbar im Kopf, ohne es aber im Detail zu verstehen. Das erlaubt mir, mich immer irgendwie reinzuwerkeln, manchnal auch über ein paar Experimente mit recht schiefen Tönen, aber ich kriege es hin.
Kommt wieder zurück - hängt davon ab, was man will und was man für Musik macht. Will man wirklich eigene Sachen und Sounds schaffen, braucht es jemanden, der versteht, was da passiert. Bei uns in der Band sind das nicht alle - aber jeder ist in der Lage, seinen Teil beizusteuern und fix einzusteigen. Und so wie wir arbeiten, geht das eben nicht über Tabs und Co, sondern über das gemeinsame Weiterentwicklen aufgenommener Songskizzen etc.
Grundsätzlich sollte es - meiner Meinung nach - also zum "guten" Gitarristen dazugehören, zu jedem der 12 Halbtöne die wesentlichen Akkorde hinzukriegen bzw zu wissen, was er dazu spielt. In unserer Welt sind das - am Beispiel E-Dur - also E, E7, Em, Em7, Emaj7, E9. Damit ist man dann durchaus in der Lage, zu "jedem" Song irgendwas zu machen. Wenn dann noch ein bisschen Tonleitern da ist (Pentatonik reicht da als Einstieg durchaus), dann isses schon sehr solide. Aber ich bin auch keiner der gefragten "Profis" - die echten Profis, die ich kenne, verfügen aber allesamt über ein sehr SEHR (!) solides Wissen von Spielmechaniken auf der Gitarre, Musiktheorie und deren Übertragung auf unser Instrument, und viel automatisiertem Wissen das sofort abrufbar ist. Da habe ich noch mehr zu knabbern und muss mir ein paar Sachen erstmal überlegen/herleiten.