Ich denke, dass Du an einem Punkt angelangt bist, an dem eigentlich jeder, der Blues spielt, einmal ankommt: Du kannst die Grundstrukturen und die einfache Bluesscale/Moll-Pentatonik sehr gut, und Du möchtest Deinem Spiel ein wenig mehr Farbe und abwechslung geben. Das ist völlig normal, da die Moll-Pentatonik nun einmal die erste Tonleiter ist, die man im Blues lernt. Das Problem ist hierbei nur, dass sie in den Händen der meisten Gitarristen nach einer Weile etwas spröde klingt, da sie einfach wenige Töne hat und sich Deine Soli dadurch ale ziemlich gleich anhören können. Um aus diesem Koordinatensystem auszubrechen, gibt es mehrere Wege:
1. Lerne mit der Dur-Pentatonik (besser: mit dem BB King-Shape) unzugehen. Das Geheimnis vieler Bluesgitarristen ist es, dass sie ihr Spiel daduch farbiger klingen lassen, dass sie die einfachen Shapes der Moll-Pentatonik mit Tönen aus der Dur-Penataonik mischen. Am einfachsten kommst Du für den Anfang auf den richtigen Weg, wenn Du tatsächlich lernst, mit der BB King-Box umzugehen (in A also z. B. die Töne A, H, D, E, und F# ab dem 10. Bund auf denbeiden hohen Saiten). Du solltest Dir hierzu unbedingt Peter Green, Mick Taylor, den frühen Eric Clapton (Crossroads!) und natürlich BB King selbst anhören.
2. Arbeite weiter an der Moll-Pentatonik und lerne, Bendings und Licks mit Vibrato perfekt zu spielen. Die größte Authorität ist hier wohl Albert King. Er verwendete eigentlich fast ausschließlich die Bluesscale und hatte ehrlich gesagt nicht gerade eine unbegrenzte Vielfalt von Licks drauf, aber er verstand es, durch sein Phrasing und seine ziemlich rücksichtslose Spielweise die gleichen Licks immer anders klingen zu lassen. Nicht, um Dich zu entmutigen, sondern um Dir ein wenig mehr Selbstvertrauen zu geben, muss ich Dir aber sagen, dass Du Dich darauf einstellen solltest, dass Du am Anfang extrem fertige Fingerkuppen haben wirst, wenn Du seinen Stil studierst. Das ist völlig normal: Albert/SRV/Hendrix-mäßige Bendings erfordern jahrelange Übung und sehr starke Hände. Aber keine Sorge: wenn Du danach mal in einem Gitarrenladen Albert-Licks perfekt spielst, werden sich alle Köpfe nach Dir umdrehen! Und nicht vergessen: ohne Pick spielen und alle Noten - auch die "falschen" Zwischennoten - perfekt intonieren!
3. Arbeite an Deiner Technik und an Deiner Geschwindigkeit. Wenn es diese Art von Blues ist, die Dir wirklich gefällt, solltest Du Dir mal Freddie King und Luther Allison anhören. Ich würde Dir aber dazu raten, zunächst einmal Punt 1 und Punkt 2 abzuarbeiten.
4. Wenn Du eine echte Herausforderung suchst, dann studiere Dickey Betts und generell die Allman Brothers. Obwohl die ABB keine Bluesgruppe im traditionellen Sinn ist, ist das Spiel von Dickey - und natürlich auch das von Warren Haynes - sehr stark im Blues verwurzelt. Technisch und vor allem harmonisch ist das ganz sehr kompliziert: Dickey verwendet harmonisch so ziemlich alles, was es im traditionellen Blues/Bluesrock gibt