wenn jemand 100 - 150€ ausgeben will für 20m Trafodraht ( 0,8€) 6 Stabmagnete, ca. 2€ und etwas Plaste - dann ist ihm nicht zu helfen.
Jetzt vergleichst Du aber Äpfel mit Birnen. Wenn ich mir
diese beiden Links ansehe, dann sind das pro Spule rund 5 Euro für den Draht und mehr als 16 Euro für den Rest, also mindestens 21 Euro. Das Ergebnis ist ein Standard-Tonabnehmer mit Pre-CBS-Spulenkörper und CBS-Draht, also ganz bestimmt nicht der Gipfel an Authentizität. Die jeweils anderern Komponenten habe ich bislang noch nicht gefunden. Und billiger wird es nur noch, wenn man die Spulenkörper selbst zuschneidet, Wenn Du das von Hand präzise hinbekommst, ist das schön für Dich. Ich bekäme es mit durchschnittlichem Heimwerker-Werkzeug nicht hin. Mal ganz abgesehen von der mehrstündigen Lauferei wegen eines einzigen noch fehlenden Bohrers.
Aber ich glaube nicht, das der überwiegende Teil der Kunden keine extravagante Wünsche bzgl. der Materie an sich hat, sondern von irgendwo aus aufgeschnappt haben, dass dieses und jenes so toll ist und nur das allein fähig ist, ihm den Sound zu bescheren, den er haben will. Wenn man eine Gitarre bauen lässt, so will man es gleich richtig machem und ist manchmal etwas übereifrig bzw. versteht die Zusammenhänge nicht ganz und handelt dann so, dass man für das, was man eigentlich haben will einen viel zu hohen Preis zahlt.
Absolut korrekt! Bevor ich zum ersten Mal von Helmuth Lemme hörte, dachte auch ich, ich müsse meine Gitarre mit relativ fett klingenden Tonabnehmern ausstatten. Genauer gesagt handelte es sich um eine entfernt Stratocaster-artige Gitarre, die ich von H auf HSS erweitern wollte. Ich kannte mich mit Vintage-Gitarren überhaupt nicht aus und interessierte mich auch nicht ernsthaft dafür. Ob ich die Gitarre mit konventionellen Tone-Reglern oder variablen Lastkondensatoren ausstattete, war mir völlig egal. Es war von Anfang an eine moderne Gitarre, die ich billig gekauft hatte und einige Zeit später quasi zu einem doppelt so teuren Modell desselben Herstellers updaten wollte. Inzwischen habe ich mich für leistungsschwächere Tonabnehmer und variable Lastkondensatoren entschieden, weil ich damit eine größere klangliche Vielfalt erreiche. Die Tonabnehmer sind wirklich Standardteile. Mehr muss in dieser Gitarre nicht sein.
Einige Zeit danach kam ich mit zwei Musikern in Kontakt, von denen der Ältere ein aufstrebender Gitarrenbauer war, der sich weit mehr für Hölzer als für Elektrik interessierte. Der Jüngere wollte sich eine Gibson-Style-Gitarre bauen lassen. Wenn ich mich recht erinnere, sollten Lackierung und Hardware gar nicht dem historischen Vorbild entsprechen und auch beim Innenleben waren ihm größere Abweichungen ganz recht, wenn das Ergebnis an die Eier legende Wollmilchsau herankäme. In der Stegposition sollte ein ganz bestimmter, der Overwound-Kategorie zuzurechnender Tonabnehmer sitzen, der für seinen (für manche Ohren weniger) fantastischen Leadsound berühmt war. Der Mann hatte aber auch schon eine Gitarre mit weniger "heißen" Tonabnehmern, die für seine Rhythmusarbeit genau richtig klang, und befürchtete deshalb, dass die neue Gitarre auf diesem Gebiet nicht das leisten würde, was er sich vorstellte. Also schlug ich vor, die Gitarre mit zwei nicht so output-starken Tonabnehmern und einem eigentlich stilwidrigen Vierwegschalter zu versehen, um die Kombinationen Hals/beide/Steg/Steg + Lastkondensator schaltbar zu machen, eine Schaltung, die sich mit mehrpoligen Drehschaltern und drei Sätzen Kondensatoren übrigens noch optimieren lässt. Wir verloren uns dann allerdings aus den Augen.
Der Durchschnittskunde hätte sich wahrscheinlich zwei unterschiedlich bestückte und ansonsten baugleiche Gitarren oder einen nicht so leicht zu findenden (und zu bezahlenden) Tonabnehmer mit Anzapfung andrehen lassen (was aber insofern Sinn ergibt, als dieser im "Lead-Modus" eine größere Lautstärke bereitstellt).
Ich schätze (wieder kein Beweis, nur ein Bauchgefühl), dass Gitarristen ihr Instrument haben wollen - und nicht ein historisches Modell nachgebaut haben möchten.
Es gibt sicher viele, die da sagen, es muss nicht Fender oder Gibson sein. Trotzdem sind Gitarristen im Durchschnitt erstaunlich konservativ. Nahezu vergessen sind z. B. Gibsons Instrumente mit niederohmigen Tonabnehmern sowie deren Kopien, die teilweise dank "normaler" Tonabnehmer etwas Standardverstärker-kompatibler ausfallen. Jetzt nur noch den Lautstärkeregler mit einem RC-Glied überbrücken, und man hat eine Schaltung, die sich technisch gesehen eigentlich nicht mehr toppen lässt. Das Lautstärkepoti arbeitet dann einigermaßen klangneutral, und verschiedene Kabellängen oder Tonabnehmerinduktivitäten lassen sich schon mit der ursprünglichen Schaltung einfach simulieren, und zusätzlich können Höhen und Bässe in ihrer Intensität geregelt werden. Trotzdem muss man sich um die Themen Unterbringung des Batteriefachs, Vorhandensein frischer Batterien oder Phantomspeisung keine Gedanken machen. Für Gitarren, die keinem historischen Vorbild folgen sollen und genügend Platz für die Unterbringung der Bauteile mitbringen, ist das meines Erachtens die beste Schaltung. Trotzdem ist sie in kaum einem Instrument zu finden.
Bezeichnend ist auch, dass die großen Zwei auch bei der äußerlichen Gestaltung ihrer Instrumente voll auf der Vintage-Welle reiten, weil ihnen die Kundschaft kaum Experimente zugesteht. Dabei wäre es für diese Firmen ein Leichtes, ordentlich funktionierende und perfekt verarbeitete Nachempfindungen bspw. der Jackson Soloist zu bauen.
Voraussetzung dafür ist aber, dass man weiß, welche Bestandteile ihren Preis rechtfertigen und welche die Sonderanfertigung nur unnötig verteuern. Die Rechtfertigung des hohen Preises gelingt bei solchen teuren Tonabnehmern aber nicht durch den Klang - mögicherweise aber, wie du sagtest, durch die historische Korrektheit, Seltenheit der Sache an sich etc.
Genau deshalb lässt sich die Frage, ob die Verteuerung nötig oder unnötig ist, nur individuell beantworten. Der Eine will ein nach objektiven Kriterien optimales Instrument, der Andere eins, bei dem er auch ein gutes Bauchgefühl hat.