Luke und Trug
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Vorwort:
Hi zusammen! Bitte seht dieses Review nicht als Konkurrenz zu den bereits existierenden sehr schönen Reviews! Dieses Review spiegelt nur die unmaßgebliche Meinung meiner Wenigkeit dar. Ich versuche trotzdem so objektiv wie möglich zu bleiben, was mir jedoch durch die anhaltende Begeisterung, die dieses Instrument verursacht, erheblich erschwert wird .
Wie kam ich zu der Gitarre?
Seit die Pro-Mod-Reihe Made in Japan von Charvel erschienen ist, war ich von diesen Gitarren fasziniert. Eine schlichte Superstrat mit 2 Humbuckern, einem Floyd Rose, nur einem Volume-Poti, mit Ahorn-Griffbrett und in knalligen Farben kurz: Ein Brett, wie es im Buche steht. Wie bereits in meinen anderen Reviews der obligatorische Hinweis: Früher habe ich Ahorn-Griffbretter gehasst, genauso wie Dot-Inlays. Mittlerweile habe ich die dritte Gitarre mit Ahorn-Griffbrett (die 2. habe ich jedoch weggegeben), und die Dot-Inlays bestechen durch schlichten und traditionellen Oldschool-Look. Anfang dieses Jahres wurde jedoch bekannt, dass Charvel die Fabrik in Japan, in der u.a. diese Serie gebaut wird, geschlossen wird und die Gitarren fortan nicht mehr gebaut werden. Ich geriet ziemlich heftig in Panik, da ich unbedingt so eine Gitarre haben wollte, jedoch ganz schön pleite war. Ein paar Wochen später habe ich mich wohl oder übel damit abgefunden, in absehbarer Zeit keine Charvel mein eigen nennen würde.
Irgendwann bekam ich von meinem Vermieter die Nachricht, dass ich im vergangenen Jahr zu viele Nebenkosten bezahlt habe und eine fette Rückzahlung plus eine Mietminderung erwarten darf. Ich spielte natürlich mit dem Gedanken, das Geld in mein liebstes Hobby zu investieren. Ich war auf der Musikmesse und konnte am Fender-Stand die neue Star anspielen und war recht angetan, zögerte aus unerfindlichen Gründen noch.
Kurze Zeit später besuchte ich meine Eltern über ein Wochenende. Ich wusste, dass ich eine Menge Zeit haben würde und nahm meine geliebte Jackson mit, um ihr mal ein komplettes Setup inklusive Reinigung zu spendieren. Saiten hatte ich keine, also fuhr ich mit meiner Mutter, die mich vom Bahnhof abholte, ins örtliche Musikgeschäft um Saiten zu kaufen. In gewohnter Manier drehte ich natürlich meine Runde durch die klitzekleine Gitarrenabteilung und was sah ich da hängen? Eine weiße, eine schwarze und eine rote So-Cal! Mir fiel die Kinnlade nicht auf die Brust, sondern auf die Füße . Ich unterhielt mich eine Weile mit dem Verkäufer über die Serie und schaute wehmütig auf die Gitarren. Ich wollte so eine haben! Ich schlich mit einem Satz Saiten aus dem Laden. Dann sagte meine Mutter: Wenn du die unbedingt haben willst, dann kauf sie doch. Du hast die Mietrückzahlung, du hast bald Geburtstag und zum Abi hast du auch noch nix bekommen, da schießen wir etwas dazu. Ich dacht, ich wird nicht mehr ! Habe ich da wirklich meine Mutter gehört, die mir ständig in den Ohren liegt, dass ich zu viel Geld für Gitarren ausgebe?! Meine Augen müssen wohl nicht geleuchtet, sondern gestrahlt haben .
Am nächsten Morgen bin ich dann wieder in den Laden gegangen und hab zu dem Verkäufer, mit dem ich am Vorabend gesprochen habe, gesagt: Ich will so eine haben. Gib her, ich will die mal an einem Amp spielen. Er hat mich dann an ein Marshall-Halfstack gesetzt, die Röhren vorglühen lassen und mir alle drei Gitarren in die Hand gedrückt. Ich langte in die Saiten und: Freunde der Nacht, da ging die Sonne auf!
Der Sound
So, endlich hört die Pfeife auf zu faseln und erzählt was über die wirklich wichtigen Dinge im Leben: Sound.
Der Bridge-Humbucker hat ordentlich Dampf. Er klingt etwas wärmer als der EMG 81 in meiner Jackson, die aus den gleichen Hölzern besteht: Ahorn-Hals an Erle-Body mit Ahorn-Griffbrett. Der Unterschied besteht in der Konstruktion: Die Charvel hat einen geschraubten Hals, während die Jackson einen durchgehenden Hals mit angeleimten Flügeln hat. In tiefen Lagen klingt die Charvel nicht so sägend wie die Jackson, dafür ein ganzes Stück dreckiger und wärmer. In hohen Lagen ist es seltsamerweise umgekehrt: Die Jackson singt viel eher als Charvel, die wie ein heißes Messer durch butter schneidet.
Auch clean macht der DiMarzio einiges her. Er knettert zwar ordentlich los und zerrt bei kräftigem Anschlag sehr schön crisp an durch das Zudrehen des Volume-Potis kann man sehr fein den Output regeln und die Höhen leicht zurücknehmen, sodass sich auch wärmere Sounds erzeugen lassen.
In der Mittelstellung der Humbucker macht Clean aber am meisten Spaß. Ein schöner Balladensound, der vor allem durch Wärme und einem hellen Spritzer in den Höhen besticht.
Der Humbucker am Hals alleine singt wahnsinnig schneidig mit einer gehörigen Portion Bass, ohne dabei aber dumpf zu wirken. Auch Akkorde über alle Saiten kommen stets klar und definiert rüber, auch bei einer ordentlichen Portion Gain das klingt schön dreckig, ohne aber zu matschen.
Eines haben jedoch alle PU-Stellungen gemeinsam: Die Gitarre peitscht die Töne regelrecht aus dem Amp, dass man meint, sie springen einem direkt ins Gesicht wahnsinnig geiles Attack. Man hat das Gefühl, als würde die Gitarre schon vorher wissen, was sie als nächstes singen wird!
Handling
Was soll ich sagen, das ist wohl Geschmackssache. Der Hals gehört zum geilsten, was ich je in die Hand nehmen durfte. Etwas suboptimal ist jedoch der Übergang vom Hals zum Korpus: Ein riesiger Klotz, der beim 17. Bund anfängt und es echt zur Gewöhnungssache macht, oberhalb davon angenehm spielen zu können.
Die Gitarre insgesamt hat ein angenehmes Gewicht. Sie ist schön leicht, wirkt aber trotzdem wertig und massiv, nicht plastikmäßig billig. Sie hängt ausgewogen am Gurt und auch nach Stunden macht sie sich nicht am Rücken bemerkbar.
Das Poti lässt sich relativ schwer drehen, aber nicht problematisch schwer Es läuft jedenfalls flüssig und reagiert recht filigran auf Änderungen. Vorteilhaft ist das natürlich, dass es sich auch nicht zu leicht verstellt, wenn man mal ausversehen dagegen stößt. Das passiert jedoch relativ selten, da es weit genug von den Saiten entfernt positioniert ist. Es ist trotzdem einwandfrei erreichbar, um auch on the fly Änderungen durchzuführen, ohne umständlich weit weg greifen zu müssen. Der PU-Switch klappert nicht und lässt sich leicht umschalten; er rastet auch fest genug ein, um nicht ausversehen was verstellen zu können, wobei man sich bei der Position dafür schon arg ungeschickt anstellen muss .
Das Floyd Rose läuft sehr Präzise und ist 100% stimmstabil. Es ist zwar nicht unterfräst, aber lässt sich doch leicht nach oben ziehen. Zwei bis drei Halbtöne schafft man ungefähr.
Verarbeitung:
Die Verarbeitung ist sehr gut. Die Bünde sind perfekt eingesetzt, es besteht also nicht die Gefahr, sich die Finger aufzuschlitzen . Die Inlays sind sauber eingelegt. Beim Testen konnte ich keine Deadspots auf dem Griffbrett ausmachen. Die Saitenlage lässt sich sehr flach einstellen, ohne dass es merklich schnarrt. Der einzige Mangel, den ich feststellen konnte, ist eine kleine Unebenheit im Lack ein paar Zentimeter oberhalb des Griffbrettes. Den habe ich aber erst drei Tage nach dem Kauf ausfindig machen können. Aber das ist wirklich nur der Bruchteil eines Millimeters, man sieht die Macke auch nicht. Sie lässt sich nur erfühlen, wenn man wirklich danach sucht.
Der einzige wirkliche Kritikpunkt: Der Trussrod ist nur bei abgeschraubtem Hals zugänglich. Ärgerlich, aber da ich nicht vorhabe, die Gitarre umzustimmen, kann ich damit leben.
Specs:
Der Vollständigkeit halber noch ein paar Eckdaten:
Korpus: Erle
Hals: Ahorn, geölt
Griffbrett: Ahorn, 22 Jumbobünde, Dot Inlays, Compund Radius
Konstruktion: geschraubter Hals
Brücke: Floyd Rose FRT-O2000 Double-Locking Tremolo
Steg-PU: DiMarzio Tone Zone
Neck PU: DiMarzio Evolution
Controls: 1x Volume, 3-Weg Kippschalter
Finish: Ferrari Red
Der mitgelieferte SKB-Koffer macht einen soliden Eindruck. Die Gitarre liegt gut geschützt drin und wackelt nicht herum. Der Koffer ist angenehm kompakt, bietet jedoch sehr wenig Stauraum.
Fazit
Diese Gitarre ist für mich die neue Definition von Brett. Sie sägt, schneidet und brettert sich wirklich durch alles durch, dass es eine wahre Freude ist. Kein großer Firlefanz wie Tone-Poti oder splitbare Pickups brauch kein Mensch. Anstöppeln, Krach machen und am Tremolo ziehen und drücken und wenn man will auch drehen - rockt . Sie ist keine Ausgeburt von Flexibilität, mit dem vorhandenen Voumenpoti lässt sich jedoch eine Menge rausholen. Sie kann vom spritzigem Clean bis drückenden Metal alles. Ich hatte noch keine Ambitionen, sie tiefer zu stimmen: Mit der Axt in den Händen mutiert man zu 80s-Glam-Poser-Powermetal-Hard-Rocker .
Also: Wer irgendwie die Gelegenheit haben sollte, sich noch so eine unter den Nagel zu reißen: Tut es, ich habs nicht bereut und ich werde es auch nie, dass ich dafür alles auf den Kopf gehauen habe. Klingt unvernünftig, ist es auch, aber hat Spaß gemacht
P.S.: Keine Angst, ich muss keinen Hunger leiden
Kritik, Lob, Fragen? Alles gerne gesehen! Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen
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