Akkordeon und deutsches Volksliedgut

  • Ersteller Weltenbummler
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Um Volkslieder zu schätzen, muss man sie erstmal kennen. In meiner Jugend haben wir noch zum Zeitvertreib im Bus auf Klassenfahrten Volslieder gesungen (auch wenn das dann bald ziemlich "altmodisch" war). Auch mit meinen Eltern wurde gesungen.

Heute braucht keiner mehr im Bus zu singen - da werden höchstens die Ohrstöpsel weitergegeben, ansonsten hört jede/r sein eigenes Ding. Auch zu Hause wird nur noch selten mit Kindern gesungen - CD's sind halt viel perfekter und soo schön ist die eigene Stimme nicht, und wenn die Nachbarn das vielleicht hören, ist doch peinlich... (so denken auch die Eltern). Ganz besonders fällt mir das bei Weihnachtsliedern auf, was ja auch nur eine spezielle Art von Volksliedern ist. Da werden überall amerikansiche Weihnachtslieder - und schlimmer noch Weihnachtsschnulzen rauf und runter gedudelt - deutsches ist "altmodisch" und nicht cool.

Vielleicht liegt das auch daran, dass deutsche Volsklieder gerne entweder zu "inhaltsschwer" oder verkitscht dargeboten werden. Entweder steht da ein Chor mit ernsten Minen oder es gibt Blümchen und Sternchen für Mädchen und Bübchen. Das spricht mich auch nicht an. Mehr kann ich schon mit Arrangements anfangen, die es immer mal wieder regional gibt. Ich habe einiges im Kopf, kann aber im Moment keinen Interpreten direkt nennen.

Wenn man sich traut, selbst zu singen, machen auch junge Menschen gerne mit. Ich habe das vor nun auch schon zwanzig Jahren mit meiner Tochter und ihren Freunden am Lagerfeuer erlebt, wo die begeistert alles mitgesungen haben, was wir Älteren zu Akkordeon und Gitarrenbegleitung anstimmten.

Außerdem denke ich auch, dass echte Volkslieder sich entwickeln und verändern müssen. Vielleicht passt manches einfach nicht mehr? Viele Lieder handeln von Lebenswelten, die es nicht mehr gibt. Abschied für lange ? - kein Thema mehr bei Internet und Skype, verlassen der Heimat? - normal bei Flexibilität für den Job... u.s.w. Wir sollten vielleicht auch bei aller Liebe zu alten Volksliedern (die ich teile) nicht vergessen, dass sich neue Formen bilden können. Mir fällt da z.B. - da ich aus Hamburg komme - "Hamburg meine Perle" ein, was so gut wie jeder Teenie kennt und mitsingen kann. Überhaupt lohnt sich vielleicht auch ein Blick auf die Fussball-Lieder - wird dort doch stets aus voller Kehle gesungen.

Ohne Mitmachen und Kennen von vielen bleibt jeder Versuch, Volkslieder zu spielen nur ein weiterer mehr oder weniger gern gehörter Programmpunkt.

Grüße

bemolle
 
Ich glaube, wir müssten uns sehr genau die Texte der alten "Volkslieder" ansehen. Das ist schon auch ganz schön viel rechtes Gedankengut verankert! (Mein 88-jähriger Vater und alter Nazi kennt da viele Lieder...) Leider! Und die werden immer noch gesungen. Hat das mit "Volksliedern" zu tun?

Ich glaube genau deshalb traut man sich gerade in Deutschland seit einer halben Ewigkeit nicht mehr heran.
Ist das Gedankengut in anderen Volksmusiken nicht ähnlich? Singen nicht alle Nationen davon, dass es zu hause am schönsten ist?

Wie wird die Volksmusik überhaupt noch gepflegt, wenn sie in der Schule und auch im Kinderhaus keine Rolle spielt, sich Ländergrenzen auflösen und sich die erwachsenen Menschen nach und nach beruflich zerstäuben?

Sprachen verschwinden. Kulturen und deren Musik werden verschwinden. Alles wird global.
 
OK, inzwischen haben wir eine große breite Grundsatzdebatte über Volkslieder losgetreten,

alles schön und gut - aber bitteschön - der Titel des Themas heißt: Akkordeon und deutsches Volksliedgut!!!

Und den Bezug zum Akkordeon vermisse ich in etlichen Beiträgen!

Und den Bezug möchte ich bitteschön schon gerne haben, sonst mach ich hier den Faden zu, wegen Thema verfehlt!


Gruß, maxito
 
Also da ich selbst seit mehr als 20 Jahren Akkordeon spiele-bin ich natürlich Fürsprecher, dass altes deutsches Liedgut weitergeführt werden muss. Gehört nun mal zur Kultur dazu. Keiner gibt es zu, aber jeder gröhlt mit-jedes Mal ein Genuss auf jeder Fete!!!
 
Nachdem ich mich eine Zeit lang für Deuringer interessiert habe und einige CD von ihm besitze - wo finde ich denn die hier gelobten Sachen von Balgseele?
Übrigens, der Musiker (Akkordeonist) spielt glaube ich schon die Stücke die er mag. Wenn einem was zu zweideutig, zu rechts oder zu doof ist, lässt er es weg.
Meint akkotue
 
wo finde ich denn die hier gelobten Sachen von Balgseele?

am ehesten auf einem der Forumstreffen im süddeutschen Raum - dann live.
Vor nicht allzulanger Zeit hatte er noch ein paar Posts auf Youtube, aber ich glaube die hat er inzwischen zurückgezogen:redface:

Was Deurigner angeht, dann kann man denke ich schon als Prototypen des Akkordeonspielers sehen, der sich in seinen späteren Jahren sehr stark und das volkseigene Lied und Musikgut bemühte. Er hatte hier auch keinerlei Scheu, neben akkordeonistischen Jazzstücken auch Volkslieder direkt daneben zus stellen.

Gruß, maxito
 
Kleine Anmerkung:

Die meisten Volkslieder, die unter die wahrlich recht weit gefasste Definition fallen dürften, gab es schon lange bevor die politischen Kategorien Rechts und Links etabliert wurden.
Fragwürdige Inhalte kann jede Art von Musik haben. Das ist nicht typisch für das deutsche Volkslied.
Im Übrigen wurde auf dem Akkordeon eher selten derartiges gespielt. Dafür eigneten sich andere Instrumente besser.


Grüße,


WB
 
Deuringer läßt sich überhaupt in keine Schubladen stecken, der überwiegende Teil seiner Arbeit war/ist wohl akkordeonunabhängig. Und stilistisch war er sowieso jenseits von Gut + Böse. Und im überwiegenden Teil seiner Arbeit auch "authenisch" - er hat/hatte einfach die Gabe der jeweiligen Musik in die Seele zu schlüpfen.

Und er ist ein Mensch von edler Gesinnung, wohlwollend, neugierig, experimentierfreudig, gleichzeitig bodenständig, etc. und dabei immer hoch professionell und dann auch fordernd.
 
Nur noch ein kleiner Hinweis zu dem, was ich weiter oben schrieb: seit dem Tod meiner Mutter 1978 bin ich im Besitz eines 48-bässigen Hohner-Teiles. Im Koffer waren auch Noten aus der Hitlerjugend-Zeit (Mutter war irgendwie eine Leiterin der "Jungmädchenschaft" oder wie sich das nannte): etliche Stücke sind heute noch aktuell, andere spiegeln eindeutig den Zeitgeist wieder. Ich glaube, dass das deutsche Volkslied in der NS-Zeit ziemlich "missbraucht" wurde und deshalb heute immer noch ein Schleier der Verdrängung über dieser Musik liegt.
Markus

P.S. Das Akkordeon war damals offenbar ein äußerst beliebtes Instrument, um diese Art der Musik der Jugend nahezubringen...
 
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@William Basie:

Wobei Deuringers edle Gesinnung irgendwann in eine recht seltsame Ecke gerutscht ist...
Wer die "jüdische Lobby" für das Verschwinden der deutschen Volksliedkultur verantwortlich macht (und anderen Stuß, finde die Links grad nur nicht wieder), der kann noch so gut Akkordeon spielen - mit sowat und seinem Umfeld will ich sowas von gar nichts zu tun haben :bad: :bad: :bad:

Und ja - klar handeln Volkslieder überall von "zu Hause ist des doch am schönsten". Das ist ja auch in Ordnung.
Nur dort, wo sich dann gleich wieder gewisse Gesinnungsgenossen dranhängen, ist es nicht mein Platz. Leider passiert das halt immer wieder und unter lustige Volksmusik mischt sich dann auch anderes Liedgut rein. Auch auf der ingeb.org-Seite findet sich eine eigene Kategorie mit einer bunten Zusammenstellung von entsprechendem. Guckt noch mal nach.
Was soll sowas - mit welchen Argumenten kann man das denn vertreten? Historische Forschung oder Förderung von Demenzkranken steckt da dann doch eher nicht hinter.

Ich schließe mich ansonsten ami8markus an.

viele Grüße
Thuja
 
Was haltet Ihr davon, wenn wir hier einfach eine Sammlung mit deutschem Liedgut anfangen?!
Könnte mir vorstellen, erstmal mit den Titeln anzufangen, die man dann erweitern kann durch Notenquellen, Textquellen, Infos zur Entstehung, eigene Arrangements fürs Akkordeon....
Dann haben wir schon einen großen Schritt gemacht, damit das nicht in Vergessenheit gerät....

Liebe Grüße
Roland
 
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Es gibt eine Notensammlung für Akkordeon bearbeitet.

Klingende Heimat
285 der schönsten deutschen Volkslieder
 
Was haltet Ihr davon, wenn wir hier einfach eine Sammlung mit deutschem Liedgut anfangen?!
Könnte mir vorstellen, erstmal mit den Titeln anzufangen, die man dann erweitern kann durch Notenquellen, Textquellen, Infos zur Entstehung, eigene Arrangements fürs Akkordeon....
Fände ich sehr gut! Zumal es einige Volkslieder gibt, die nicht mehr jede(r) kennt, der das nicht mit der Muttermilch eingesogen hat.

Zur restlichen Diskussion geht mir so viel durch den Kopf, dass ich noch nicht damit hinterher komme, das hier aufzuschreiben. Einiges wäre ja auch sicher off topic und würde den Faden hier gefährden :)


Vielleicht stimmts ja, dass das, was wir heute als Volkslieder bezeichnen, einfach aus unserer Kultur verschwindet. Dafür gibt es aber neue Lieder, die die Menschen aus ihrer Kindheit kennen und die sie auch immer gerne singen, vorausgesetzt, sie singen überhaupt noch.

Ick arbeite ja auch hauptberuflich im Seniorenheim. Und immer öfter stelle ich mir vor, was wir da in zwanzig, dreißig Jahren singen. "Please let me introduce myself..." :gruebel: oder doch eher "Wer, wie, was..." ? Pippi Langstrumpf? Letzteres war übrigens (hoffentlich elegante Rückführung zur Fragestellung:D) ein Super-Anfänger-Stück für mich...

Liebe Grüße von Corsita
 
Die Stücke in der "Klingenden Heimat" sind einfach spielbar und hören sich trotzdem toll an: sehr empfehlenswert - mein Lieblingsbuch in diesem Bereich!

Es gibt eine Notensammlung für Akkordeon bearbeitet.

Klingende Heimat
285 der schönsten deutschen Volkslieder
 
Hallo Echse
Deinen Hinweis auf das Liederheft „Klingende Heimat“ kann ich nur voll unterstützen. Jetzt mal alle Texte durch zu lesen ist zu aufwändig, aber schon nach einigen Seiten sage ich: dieses Deutsche Liedgut steht über jeder Kritik. Wie schon weiter oben gesagt: wer damit umgehen will muss es zunächst mal kennen. Man merkt bald, dass es im Volk gewachsen und schon deshalb bewahrenswert ist. Wenn manche Texte (ich habe auf die Schnelle keinen gefunden) in Zeiten entstanden sind, die zu der heutigen nicht passen, dann haben die vielleicht historischen wert, man muss sie ja nicht verherrlichen. Beim Blättern habe ich natürlich zum Akkordeon gegriffen mal wieder bedauert, dass ich das Heftchen so lange nicht angesehen habe. Auch zu dem Thema: wir brauchen Hinweise zu reinen Textheften damit Singkreise entstehen. Es fällt mir weiter dazu ein, dass Bekannte von mir in einer Schottischen Kneipe sich an Musik und Gesang der Einheimischen begeistert habe, selbst aber nichts beitragen konnten.
M f G akkotue
 
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Es gibt eine ähnliche Volksliedersammlung : "Mein Heimatland" als Akkordeonausgabe in Din A4 oder 5 sowie als reine Textausgabe.
Das ist sehr praktisch, denn die Nummern sind in beiden Heften gleich.
Ich bin ehrenamtlich bei unseren DRK Senioren hauptsächlich als Musikerin aktiv und regelmäßig werden die Texthefte ausgeteilt und zur Akkordeonbegleitung mit Begeisterung gesungen. Manchmal muss man nur die Tonart ändern, denn unsere Senioren kommen meist nicht so hoch, wie die Lieder gesetzt sind.
Ich habe auch die klingende Heimat. Hier sind die Lieder aber fast genauso gesetzt.
Meine 20 Jahre äußerst fitte ältere Akkordeonkollegin kennt die Lieder noch alle und spielt sie ohne Noten nach Gehör in C, G oder F. Sie kann keine Noten und ich passe mich ihr dann an. Und habe dadurch selbst Lieder kennengelernt, die schon zu meiner Zeit nicht mehr gesungen wurden.
Gruß Jutta
 
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Tolle Idee!! Texte könnte ich beifügen-nur leider keine Noten-spiele alles nach Gehör.
Wer macht mit?

Was haltet Ihr davon, wenn wir hier einfach eine Sammlung mit deutschem Liedgut anfangen?!
Könnte mir vorstellen, erstmal mit den Titeln anzufangen, die man dann erweitern kann durch Notenquellen, Textquellen, Infos zur Entstehung, eigene Arrangements fürs Akkordeon....
Dann haben wir schon einen großen Schritt gemacht, damit das nicht in Vergessenheit gerät....

Liebe Grüße
Roland
 
Ich hatte um 1980 rum Wanderlust (bzw hier) von meiner West-Tante in den Osten geschickt bekommen, das gibts immer noch. Weil dieses Notenbüchlein mittlerweile schon ziemlich zerfledderd war, hab ich mir vor nem knappen Jahr diese Neuauflage gekauft.
Finde euere Rubrik hier toll. Ich spiele und singe noch immer gerne Volkslieder. "Der Mond ist aufgegangen" ist jedes Jahr mein Geburtstagsständchen vom Chor und ich hoffe es noch oft zu hören.

Gruß
Wolfgang
 
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Volkslieder haben natürlich mit Tradition zu tun. Die Tradition in Deutschland hat im letzten Jahrhundert schon ein paar Brüche erlebt, das wurde ja schon erwähnt. Ein Blick über die Grenzen zeigt ein unverkrampfteres Bild: in Frankreich, Italien oder im slavischen Raum ist die Volksmusik sehr präsent, auch bei den Jungen. In der Bal Folk Szene finden sich (ganz) Junge und (gaaanz) Alte, spielen (bei den Veranstaltungen immer live), tanzen und singen die Volkslieder. Da spielt es auch nicht so eine Rolle, woher das Lied kommt. Gut beim Text kann es dann ein wenig schwierig werden :rolleyes:

Das war wohl immer schon so, weshalb man die Polka und Mazurka nicht nur in Polen und den Schottisch in ganz Europa findet. Aber Volkslieder sind ein komplexes Kulturgut, so einfach sie manchmal sind: ohne die Tänze, ohne den Bezug zum Entstehungsort und der Bedeutung des Textes leben sie nicht und verkümmern.

Volkslieder war auch immer eine Inspiration für die HOHE KULTUR, Chopin, Liszt, Bartok und viele andere mehr, schöpften aus der Volksmusik.

Das Akkordeon war seit seiner Erfindung DAS Volksmusikinstrument schlechthin: endlich konnten ein Mensch Begleitung und Melodie auf einem (vergleichsweise) billigen Instrument spielen (und der Wirt musste nur einen Musiker bezahlen). Der grosse Erfolg des Akkordeons hängt eng mit der Volksmusik zusammen. Hohner strengte sich jahrzehntelang an, den Volksmusik-"Mief" vom Akkordeon zu lösen und das Instrument zu einem Konzertinstrument für die klassische Musik zu machen. Gelungen ist das v.a. auch aufgrund der vielen ausgezeichnet ausgebildeten Akkordeonisten aus Osteuropa, soweit ich das überblicke.

Ich denke, Volksmusik ist ideal mit dem Akkordeon zu spielen oder zu begleiten und das Akkordeon hat viel für die Volksmusik zu bieten und umgekehrt. Aber ob es so wichtig ist, dass es gerade deutsche Volksmusik ist? Ich bin mir auch nicht sicher, ob das nicht ein Konstrukt aus der Frühromantik ist, zuvor gab es wohl eher Regionalmusik, oder Dorfmusik, in Dialekten, die im Nachbarort gerade noch knapp verstanden wurden (das gilt jetzt eher für die Schweiz :D)
 
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... @William Basie:
Wobei Deuringers edle Gesinnung irgendwann in eine recht seltsame Ecke gerutscht ist...
Wer die "jüdische Lobby" für das Verschwinden der deutschen Volksliedkultur verantwortlich macht (und anderen Stuß, finde die Links grad nur nicht wieder) ...
Da scheint leider was dran zu sein.
Mein Post 28 bezog sich auf die Zeit bis Frühjahr 1985, danach hatte ich keinen Kontakt mehr zu Deuringer.
 
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