Hallo zusammen,
interessant was man so liest. Anscheinend hat eben jeder so seine eigene Sichtweise auf ein Live-Konzert, oft basierend auf dem eigenen Blickwinkel und den gemachten Erfahrungen.
Grundsätzlich falsch ist da eigentlich keine Aussage und funktionieren kann viel. Man muss halt wissen was möglich und sinnvoll ist.
Ich selbst habe in 25 Jahren hunderte Konzerte im Bereich Rock/Metal gemischt und noch mehr selbst gespielt (Gitarre u. Gesang) und ich will es mal so zusammenfassen:
Punkt 1: Wohlfühlen
Seeehr wichtig, sowohl für Band als auch für Publikum.
Die Musiker müsen sich gut fühlen, um einen gute Performance bringen zu können. Da ist eine gewisse "Wohlfühl-Lautstärke" zwar auch wichtig, aber eben erst in zweiter Linie.
Wichtiger ist, sich und die anderen gut zu hören. Die Situation, der Sound etc. variiert von Auftritt zu Auftritt und ist ohnehin völlig anders als im gewohnten Proberaum. Da ist Hörbarkeit erstmal oberstes Gebot - sonst geht nämlich gar nichts!
Wie man dies herstellt, ist schon mal die erste Herausforderung und auf verschiedene Weise erreichbar (Lautstärke, Positionierung, Frequenzverteilung, Monitoring). Da bringt es viel, auch mal etwas im Vorfeld zuhause auszuprobieren.
Das Publikum soll eine gute Performance und v.a. den bestmöglichen Sound haben. Wichtigster Leitsatz dabei: Der (Nicht-selbst-Musiker-)Zuhörer unterscheidet i.a.R. nicht zwischen schlechtem Sound und schlechter Band! War der Sound schlecht, war die Band schlecht - Punkt. Es bringt keinem Bühnen-Musiker etwas, wenn er v.a. seinen Spaß hat und der Saalsound dabei den Bach runter geht. Da kann man auch gleich im Proberaum bleiben.
Und nur am Rande: Allein die Diskussion über den optimalen Saalsound kann man schon forenfüllend betreiben.
Es gilt also, den berühmten Kompromiss zu finden, der beides berücksichtigt - für meinen Geschmack im Zweifelsfall eher mit Priorität Publikumssound.
Eine Band mit Erfahrung in Zusammenspiel mit einem guten Tonmann sollte damit in fast jeder Location gut klar kommen können ... der beiderseitige Wille zu einer guten Kommunikation wirkt da übrigens Wunder.
Da sind wir schon bei Punkt 2: Die richtige Strategie hängt viel von der Location ab.
Ich will es mal grob in drei Kategorien einteilen:
a) sehr kleine Läden bis 100 PAX (Kneipe, Juz etc.): kein Problem, oder?
Eine ordentliche Anlage schadet zwar nie, aber oft ist nur eine Gesangsanlage und etwas Monitoring für Gesang vorhanden. Da muss man schon etwas experimentieren mit der Aufstellung, weil Git/Bass-Amps eben Musiker und Zuhörer versorgen und zudem gegen das Schlagzeug antreten müssen.
Auch am Sound der Amps muss oft etwas geschraubt werden, um z.B. frequenztechnisch Platz für den Gesang zu machen etc..
Nur so als Stichworte: Gitarren schön schmal in den Mittenbereich, Bass etwas mehr nach unten verschieben, Höhen generell kontrollieren um Platz für die Präsenz der Vocals zu haben, Schlagzeug etwas trockener stimmen. Evtl. etwas "Patsch" von BD und Snare auf die Anlage.
Im Prinzip also eine Proberaumsituation, die man soundtechnisch auf die Zuhörerpostition zurecht feilt. Dann ist auch laut gut möglich!
b) mittlere Location bis 500 PAX (Clubs usw.): der schwierigste Fall
Gehen wir mal von ausreichender P.A. aus und einigermaßen Monitoring für alle.
In diesem Fall würde ich die Backline eher auf die Musiker ausrichten und zusehen, dass jeder sich und die anderen so gut wie möglich hört. Aber eben noch unterhalb der Grenze, ab der der berüchtigte "Sorry, aber ich muss mich lauter machen"-Wettstreit beginnt. Was man dann noch braucht, wird durch Monitoring ergänzt. Dabei für den Bühnensound die Balance zu finden, ist meist nicht ganz so einfach.
In dieser Konstellation sind die Amps meist schon so laut, dass noch rel. viel von der Bühne in den Saal geht. Drums und Vocals werden natürlich voll gefahren, aber bei Git/Bass gilt es oft, den Backline-Sound durch den P.A.-Anteil sinnvoll zu ergänzen. Für den Mischer keine leicht Aufgabe, aber wenn man weiß was man tut, geht auch das gut.
c) große Bühnen (Halle, Open Air)
Hier sollte eine potente P.A. und viel-Wege-Monitoring ggf. mit Side-Fills vorhanden sein.
Hier wird sich die Band schon auf der Bühne selbst mit ihren Amps nicht so beschallen können, dass jeder alles hört was er braucht (teilweise nicht mal das Schlagzeug).
Deswegen muss komplett auf Monitoring gesetzt werden und dann ist auch schon fast egal, ob der eigene Amp-Sound laut oder leise ist, aus dem Modeller, Iso-Cab oder sonstwoher kommt. In diesem Fall ist man den Technikern sowieso komplett "ausgeliefert" und der Sound kommt fast komplett aus den Monitoren bzw. der P.A..
Andererseits: Achtet mal darauf, bei wie vielen großen Bühnensituationen der Basser ganz nah an seinem Amp und am Drumset steht (z.B. ACDC), um trotz der großen Bühne noch ein "Bandfeeling" zu haben.
War evtl. zu viel geschrieben. Aber Rock laut UND gut zu machen, ist eben doch komplexer als man denken mag.
Gruß,