Besetzung der Sänger bei Opern - Beispiel: Carmen

Das ist ja interessant. Was hast du denn genau bei "Wicked" gemacht?
Kannst du da noch mal ein wenig mehr berichten, wie die Besetzungspraktiken so vonstatten gehen?
Gerne auch per pn wenn das hier den Rahmen sprengt.
 
Interessantes Thema.
Vor etwa einem Jahr hab ich mal eine TV-Sendung dazu gesehen (Arte? 3SAT?), da würden Opernsängerinnen genau dazu interviewt.
Es gab auch ein paar eindeutige Beispiele, da die beleibten Sängerinnen wegen dem optischen Druck auf das heutige Schönheitsideal abgenommen hatten - und man (jedenfalls ich und meine Frau) hat es ihren Stimmen angehört :(

Aus Sicht eines Stadttheaters relativiert sich das ja sowieso: da besetzt man die Rollen mit dem Personal, welches zur Verfügung steht, der Spielplan wird größtenteils danach aufgestellt, welche Opern man besetzen kann.
Sollten dennoch Gäste erforderlich sein, kauft man diese nach einem Vorsingen und je nach Honoraretat und Gagenverhandlung stückbezogen ein. Auf Grund der allgemeinen Finanzknappheit und je nach Geschmack der Verantwortlichen (Intendant, Musikdirektor, Operndirektor) werden immer Abstriche gemacht werden müssen, ob nun in gesanglicher oder optischer Qualität - das ist halt die Frage.
 
Interessantes Thema.
Vor etwa einem Jahr hab ich mal eine TV-Sendung dazu gesehen (Arte? 3SAT?), da würden Opernsängerinnen genau dazu interviewt.
Es gab auch ein paar eindeutige Beispiele, da die beleibten Sängerinnen wegen dem optischen Druck auf das heutige Schönheitsideal abgenommen hatten - und man (jedenfalls ich und meine Frau) hat es ihren Stimmen angehört :(

Und woran lag das? Ich kann mir irgendwie nur schwer vorstellen, dass das Fett für die gute Stimme verantwortlich war. Vielleicht haben die Sängerinnen ja das Üben vernachlässigt und sich zu sehr aufs Abnehmen konzentriert.
 
Ich finde es irgendwie lustig, dass es ausgerechnet um die Rolle der Carmen geht. Ich hoffe, Bell verzeiht mir das Klischee (zumal sie selbst ja eine sehr schlanke Statur hat), doch unter einer rassigen Spanierin stelle ich persönlich mir jedenfalls durchaus eine in gewisser Hinsicht üppige, kurvenreiche Frau vor.


Grundsätzlich stimme ich zu: Oper ist Theater und Rollen sind immer auch nach Typ und Optik zu besetzen, das gehört zum Geschäft. Ich kann nur den Aufhänger nicht ganz nachvollziehen.


Die Carmen-Darstellerin, die im ersten Post verlinkt wurde, hat für mich wenig attraktive Ausstrahlung - was aber für meinen Geschmack nicht daran liegt, dass sie keinen BMI von 22 hat, sondern daran, dass sie auf mich einfach eher nichtssagend wirkt und keinen "Pfeffer im Arsch" hat. Die Frau ist ja nicht zentnerschwer oder so, die hat ein paar Kilo zu viel, aber die würden absolut nicht stören, wenn sie das nötige Feuer hätte.


Es gab auch ein paar eindeutige Beispiele, da die beleibten Sängerinnen wegen dem optischen Druck auf das heutige Schönheitsideal abgenommen hatten - und man (jedenfalls ich und meine Frau) hat es ihren Stimmen angehört :(
Das muss dann aber ein psychosomatischer Effekt gewesen sein. Wie Antipasti bereits dargelegt hat: Leibesfülle als "Resonanzkörper" ist eine Mär.
 
Ich finde es irgendwie lustig, dass es ausgerechnet um die Rolle der Carmen geht. Ich hoffe, Bell verzeiht mir das Klischee (zumal sie selbst ja eine sehr schlanke Statur hat), doch unter einer rassigen Spanierin stelle ich persönlich mir jedenfalls durchaus eine in gewisser Hinsicht üppige, kurvenreiche Frau vor.

Ich verzeihe dir :)
In gewisser Weise hast du ja auch recht. Wobei der Hollywood-Inbegriff der rassigen Spanierin, nämlich Penélope Cruz, ein zierliches Persönchen ist ! Rassig ist sie trotzdem, aber Hallo...
 
Ich finde es irgendwie lustig, dass es ausgerechnet um die Rolle der Carmen geht. Ich hoffe, Bell verzeiht mir das Klischee (zumal sie selbst ja eine sehr schlanke Statur hat), doch unter einer rassigen Spanierin stelle ich persönlich mir jedenfalls durchaus eine in gewisser Hinsicht üppige, kurvenreiche Frau vor.

Da sortiere ich eigentlich eher die Zigeuner (was ja für Carmen stimmt, afaik) oder Südamerikanerinnen ein :) Die Spanier, die ich so gesehen habe bisher, waren eigentlich eher schlank und "aristokratisch" - also eher vornehm blass.

Die Sache mit dem Stimmverlust durch abnehmen kann ich auch nicht nachvollziehen. Meine nimmt eigentlich ab, wenn ich nicht singe, mein Körpergewicht tut nichts zur Sache :nix:
 
Vielleicht liegt es (ich bin da kein Fachmann, nur Konsument) lediglich an der Kraft, an die 3 Stunden (oder mehr) Oper live mit Bühnenaktionen durchzuhalten?

Wir hatten mal eine Agathe (Freischütz), die fast das äußerliche Format der Caballe hatte, doch einen wunderschönen Klang hatte.
Klar paßte die optisch nicht in die Inszenierung - aber wir hatten keine Bessere. War eben so und ganz normal.

Darf eine Venus (Tannhäuser) eigentlich etwas kompakter sein oder muß das nach heutigem Empfinden ein Strich in der Landschaft sein, der einem Supermodel ähnelt?

Ist das nur ein Problem für weibliche Sängerinnen? Oder für welche Opernrollen wäre zum Beispiel (wenn er noch lebte) Pavarotti geeignet? Nur Falstaff und van Bett?
 
Vor etwa einem Jahr hab ich mal eine TV-Sendung dazu gesehen (Arte? 3SAT?), da würden Opernsängerinnen genau dazu interviewt.
Es gab auch ein paar eindeutige Beispiele, da die beleibten Sängerinnen wegen dem optischen Druck auf das heutige Schönheitsideal abgenommen hatten - und man (jedenfalls ich und meine Frau) hat es ihren Stimmen angehört :(

Die TV-Sendung damals habe ich glaub auch gesehen. Die Stimmveränderung, könnte ich mir vorstellen, kommt vom veränderten Körpergefühl. Singen geschieht so sehr mit dem ganzen Körper und wenn man plötzlich massiv weniger Körpergewicht hat (ging da ja nicht nur um 1-2kg), fühlt sich wohl alles erstmal ganz neu an, dh. auch gesanglich muss man sich da zuerst wieder neu "einfühlen". Wurde ev. sogar was in der Richtung gesagt in dieser Sendung? Interessant wäre deshalb v.a. wie sich alles langfristig entwickelt hat, dh. ob die Sängerinnen wieder zu ihrer alten Stimme zurück gefunden haben.

Oder: der Druck von aussen abnehmen zu müssen und/oder der Abnehmevorgang selber hat die Sängerinnen gestresst und dies war dann die Ursache für den verminderten Stimmklang.
 
Super! Danke für den Hinweis! Habs mir gleich mal in der Agenda vorgemerkt.
 
Ich habe mir jetzt im Nachinein mal die angeblich so dicke Carmen angesehen.

Ich finde, Anita Rachvelishvili passt top zur Rolle. Die ist doch ausgeprochen freurig und rassig. Ganz so, wie ich mir eine Carmen vorstelle.
 
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Also in der Inszenierung im 1.Akt, wo Anita im grauen Kleid auftritt und versucht, sich aufreizend zu bewegen, da merkt man, dass sie an der einen oder anderen Stelle fülliger ist. Und das finde ich etwas "abtörnend". Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich schon zu viele Filme und nur wenig Opern gesehen habe.

Im 2.Akt, wo sie ein anderes Kleid trägt, passt sie wieder ziemlich gut in die Rolle der Carmen. In dem "Zigeunerkleid" sieht man ihre Fülle nicht an und da passt dann wieder alles.
 
Und das finde ich etwas "abtörnend". .

Nun ja: dass dich im ersten Akt die Statur der Darstellerin sexuell nicht stimuliert, ist natürlich äußerst bedauerlich.

Tipp: Heute Abend gibt es wieder Germanys next Top Model by Heidi Klum. Vielleicht Ton ausmachen und nebenbei Carmen auf CD hören.
 
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...Germanys next Top Model by Heidi Klum. Vielleicht Ton ausmachen und nebenbei Carmen auf CD hören.
:rofl:

Es scheinen sich hier zwei Dinge herauszukristalliesieren:

1. der persönliche Geschmack, Erwartungshaltung und Vorlieben

Da kann man es eh nicht allen recht machen, ob zu groß, zu klein, zu füllig oder lieber Nagelbrett...egal wie: irgend jemand wird sich immer dran stören ;)

2. das Kostüm

Ein in der Oper nicht unwesentlicher Aspekt.
Beim Konzert tragen die Sängerinnen (Sänger meist Anzug) auf sie zugeschnittene Abendkleider, von Designern entworfen und dem Typ der Sängerin, vielleicht auch dem Charakter des Konzertes, angepaßt.
In der Oper hängt alles von der Kostümbildnerin und den Fähigkeiten des Gewandmeisters ab. Die Vorgabe kommt vom Regisseur: wird in der originalen Zeit und Umgebung (Bühnenbild) gespielt, sind die Kostüme im historischen Stil oder wird das Geschehen in eine andere Zeitebene, gar in die Jetztzeit verlegt?

Da gibt es viel zu beachten, das Kostüm muß alle möglichen Bühnenaktionen aushalten, ohne kaputt zu gehen, leicht zu reinigen sein, wenn en suite gespielt wird und schnelle Kostümwechsel von Szene zu Szene ermöglichen (die Erfindung des Klettverschlußes hat da schon viel geholfen :)).
Und kosten darf es natürlich auch nicht zu viel, das Budget....
Auch kann es vorkommen, daß ein Kostüm in Schneiderei bei der Anprobe wunderbar aussieht - im farbigen Scheinwerferlicht auf der Bühne aber sowas von daneben wirkt - dann muß unter Zeitdruck geändert werden, manchmal nicht nur einmal.

Dabei kann es leicht passieren, daß die Optik, die auch viel zur Unterstützung der Figur der Sängerin beitragen sollte, etwas vergessen wird.

(puh, jetzt hab ich aber im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Nähkästchen geplaudert :D)
 
Nun ja: dass dich im ersten Akt die Statur der Darstellerin sexuell nicht stimuliert, ist natürlich äußerst bedauerlich.

Nein, du hast da was falsch verstanden. Vielleicht kann man das auch so formulieren. Die Bewegungen der Anita, die erotisch und verführerisch wirken sollen, werden nicht unbedingt von ihrer Figur unterstützt. Das hat nichts mit sexueller Stimulation zu tun, sondern mit der Wirkung, die die Kombination Aussehen+Bewegungen hervorruft bzw. hervorrufen soll. In Bizets Oper sollte Carmen deutlich von den anderen Arbeiterinnen hervorstechen, weil sie besonders feurig und optisch ansprechend ist. Im 1.Akt sehe ich das aber nicht, im 2.Akt ist dies jedoch schon viel besser.

Habe ich das so richtig verstanden, dass du die Carmen aus dem 1.Akt (verlinktes Video) äußerlich perfekt für die Rolle findest? Wenn ja, dann unterscheiden sich wirklich unsere Geschmäcker.

Wie aber schon gesagt wurde, ist es in der Oper wahrscheinlich eher so, dass das Gesangliche eine viel wichtigere Rolle spielt als das Äußerliche, ganz im Gegenteil zum Musical/Film.

Mir ist durchaus auch bewusst, dass die Kritik, die ich hier übe, teilweise hohe Erwartungen beinhaltet. Vergessen darf man nur nicht, dass diese Inszenierung in Milan eine besonders große war und internationales mitverfolgt wurde. Daher dürfen meiner Meinung nach die Ansprüche schon höher sein.

Achja, ich habe übrigens Besseres zu tun als mir Germany's Next Topmodel anzuschauen. ;)
 
Habe ich das so richtig verstanden, dass du die Carmen aus dem 1.Akt (verlinktes Video) äußerlich perfekt für die Rolle findest?

Was heißt schon perfekt? Ich finde sie im Gesamtpaket Optik / Gesang / Bewegung absolut glaubwürdig.

Wie aber schon gesagt wurde, ist es in der Oper wahrscheinlich eher so, dass das Gesangliche eine viel wichtigere Rolle spielt als das Äußerliche, ganz im Gegenteil zum Musical/Film.

Mir ist durchaus auch bewusst, dass die Kritik, die ich hier übe, teilweise hohe Erwartungen beinhaltet. Vergessen darf man nur nicht, dass diese Inszenierung in Milan eine besonders große war und internationales mitverfolgt wurde. Daher dürfen meiner Meinung nach die Ansprüche schon höher sein.

Das ist dein persönliches Resumée, weil dich Anita subjektiv nicht ausreichend anspricht. Daraus einen allgemeingültigen Anspruch zu konstruieren, überlasse ich dir. Ich würde nicht sagen, dass dein Anspruch höher als meiner. Eher anders.
 
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Die Bewegungen der Anita, die erotisch und verführerisch wirken sollen, [...] In Bizets Oper sollte Carmen deutlich [...] hervorstechen, weil sie besonders feurig und optisch ansprechend ist.

Wer sagt denn das? Hat sich Bizet seine Carmen irgendwo ausdrücklich so charakterisiert? Ich habe die Partitur nicht hier, ich kann's nicht nachschauen. Vielleicht hat er ja auch woanders (in Briefen z.B.) sich dazu geäußert - aber woher nimmst du das Wissen, welche Charakterzüge eine Carmen haben soll? Du beschreibst es ja nicht als deine Meinung, sondern stellst diese Charakterzüge als der Rolle eigen dar. Woher weißt du so detailliert, wie Carmen zu sein hat?

Immerhin machen sich ja alle Opernregisseure der letzten 150 Jahre Gedanken darüber, wie eine Carmen angelegt sein soll. Wenn Carmens Charakterzüge so eindeutig wären, wie du beschreibst, wäre viel Nachdenken ja überflüssig.

Wie aber schon gesagt wurde, ist es in der Oper wahrscheinlich eher so, dass das Gesangliche eine viel wichtigere Rolle spielt als das Äußerliche, ganz im Gegenteil zum Musical/Film.

Nein. Das kann ich nicht nachvollziehen: in jeder Ausformung des darstellenden Spiels versucht man, einen Charakter möglichst optimal darzustellen. Dazu gibt es bestimmte Voraussetzungen wie vorhandene Darsteller, Kostüme, Räume, Zeit, Geld (und Nerven ;)). Im Musiktheater (also in der Oper und auch im Musical) nehmen sowohl Gesang als auch Äußerlichkeiten eine wichtige Rolle ein - kein Element ist per se wichtiger als das andere. Aber Musiktheater lebt davon, daß Menschen beteiligt sind. Es müssen ganz ganz vielfältige Kompromisse gemacht werden - gute, und vielleicht auch manchmal schlechte. Es mag Inszenierungen geben, wo der Regisseur das eine Element stärker bewertet als das andere. Aber ich sehe nicht, daß so eine Ungleichgewichtung typisch für das eine oder andere Genre sein soll.

Mir ist durchaus auch bewusst, dass die Kritik, die ich hier übe, teilweise hohe Erwartungen beinhaltet. Vergessen darf man nur nicht, dass diese Inszenierung in Milan eine besonders große war und internationales mitverfolgt wurde. Daher dürfen meiner Meinung nach die Ansprüche schon höher sein.

Deine Erwartungen sind nicht hoch, das sehe ich nicht. Sie sind nur so, daß du bestimmte Ideale hast, wie Carmen zu sein hat - und die Mailänder Inszenierung konfrontiert dich mit anderen Idealen, nämlich den künstlerischen. Kunst darf durchaus das Leben widerspiegeln, ob es schön oder nicht so schön, schlank oder rundlich ist. Kunst muss das sogar, um aussagekräftig zu sein. Die Scala in Mailand ist natürlich ein weltbekannter Opernspielort, und gerade deswegen ist der künstlerische Anspruch dort hoch - aber nicht der Anspruch, die Hauptrollen mit schlanken Darstellern zu besetzen.

Harald
 
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