CASIO XW-P1 Performance Synthesizer-Review
Ich habe vom Musiker-Board die Gelegenheit bekommen, den neuen CASIO XW-P1 "Performance Synthesizer" gründlich unter die Lupe zu nehmen vielen Dank dafür schonmal vorab an Casio, Musik-Service und die MiCom.Ein paar Eckdaten vorab: Bei einem Straßenpreis von 500 550 Euro bietet der als Live-Gerät konzipierte Synth 61 Tasten und auf der Tonerzeugerseite an prominenter Stelle einen 6-Oszillator-Solo-Synthesizer, zusätzlich einen sogenannten "Hex-Layer"-Modus, eine Zugriegelorgel sowie eine PCM-Tonerzeugung. Es gibt einen "zweieiigen Zwilling", den XW-G1 Groove-Synth, dem die Orgel und der Hex-Layer-Modus fehlen, der dafür aber einen Sample-Looper mit an Bord hat.
Der Test wird sich in loser Folge auf die nächsten Tage und Wochen verteilen, los gehts...
Teil 1: Der erste Eindruck
Optik und Haptik
Beim Auspacken werden zwei Dinge sofort klar: Erstens, es ist unverkennbar ein Casio. Das Design ist funktional, kantig, fast schon als "retro" zu bezeichnen, dominant in silber/orange gehalten und es drängt sich der Eindruck auf, dass die Design-Abteilung bei Casio immer noch dieselbe ist, die in den 80er Jahren schon die ledendären Digitaluhren mit Taschenrechner entworfen hat. "Schön" geht sicherlich anders optisch wirkt das gute Stück etwas unruhig, aus funktionaler Sicht ist es aber relativ strukturiert und aufgeräumt. Blaue LEDs beleuchten einige der Taster bzw. heben als Leuchtstreifen über der Zugriegelsektion die jeweils verwendete Funktion der Schieber hervor. Das Blau ist zwar im Trend, will aber nicht so recht zur restlichen Farbwahl passen. Ein sattes Rot oder Orange hätte hier dem Retro-Stil besser zu Gesicht gestanden.Zweitens: Das Ding besteht außenherum ausschließlich aus Plastik und macht so nicht gerade einen "wertigen Eindruck", ist mit etwas über 5kg dafür aber erfreulich leicht. Bei genauerem Hinsehen scheint die Verarbeitung insgesamt aber durchaus in Ordnung zu sein, insbesondere, wenn man dies in Relation zu Preis und Gewicht setzt.
Oben rechts befindet sich eine gummierte Ablage, auf die ein Tablet passen könnte, oder auch die von mir früher heißgeliebten DIN A5-Spickzettel. An sich eine schöne Idee, die zwar dem Design nochmals einen Dämpfer verpasst, aber die durchaus einen praktischen Nutzwert hat. Es scheint ein bisschen so, als wäre dieses Detail zusammen mit der obersten Oktave der Tastatur erst spät bei der Entwicklung des Geräts hinzugekommen: Der Bedienteil geht genau bis zum zweithöchsten C der Tastatur ein Schelm, wer sich dabei seinen Teil denkt...!?
Die Drehknöpfe, Schieber und Taster lassen sich insgesamt obwohl aus Plastik nicht so schlecht bedienen, wie es zunächst den Anschein hat. Der recht große Durchmesser der Drehknöpfe lässt feinfühliges Arbeiten zu. Die Taster haben zwar keinen echten Druckpunkt, den man aber im Betrieb nicht wirklich vermisst. Die Fader / Zugriegel sind allerdings etwas klein und vor allem zu kurz geraten, um wirklich Zugriegel-Feeling aufkommen zu lassen. Ziemlich winzig und tatsächlich als einzige mehr schlecht als recht bedienbar sind die kleinen runden Knöpfe oben im Bild für den Phrase-Sequencer und Arpeggiator.
Eher ungünstig angebracht sind der Power-Schalter und der Volume-Drehregler: Den Power-Knopf erwarte ich auf der Rückseite (wo er auch eigentlich hingehört) und habe ihn tatsächlich beim Erstkontakt erst bei genauem Hinsehen gefunden ; )
So schlecht, wie man an den fast mittig über der Tastatur sitzenden Volume-Regler beim Spielen kommt, so groß ist auch die Gefahr, im Eifer des Gefechts (z.B. beim Wechsel in den Performance-Modus) oder auf einer dunklen Bühne danebenzulangen und den Synth kurzerhand versehentlich auszuschalten: Eine Rückfrage gibt es nicht. Wem das passiert, der kann trotzdem beruhigt sein: Nach dem Einschalten ist der XW-P1 quasi sofort spielbereit (Startzeit sind nur wenige Sekunden).
Stromversorgung
Auf der Unterseite findet sich ein Batteriefach für 6 D-Zellen ("Mono"), mit denen das Gerät bis zu 35 Stunden betrieben werden können soll. Der Sinn des Batteriebetriebs erschließt sich mir bei einem Synth ohne eingebauten Verstärker allerdings nicht so recht. Zum Umhängen ist das Keyboard nicht gedacht und letztlich auch zu sperrig (was auch für das Üben mit Kopfhörer in der U-Bahn gelten dürfte). Da, wo man Verstärkung findet, findet man in der Regel auch Strom mir fällt auf Anhieb kein Szenario ein, wo der Batteriebetrieb wirklich sinnvoll wäre.
Ansonsten wird der XW-P1 über ein externes Schaltnetzteil versorgt. Mein Fall ist das nicht, zumal sich der Stecker nicht verriegeln lässt. Aber auch hier gilt wieder: angesichts des Preises und des Gewichts ein verschmerzbares Manko. Bei dem mir zur Verfügung gestellten Demo-Gerät waren zwei Netzteile dabei, eine (recht groß geratene) "Wandwarze" sowie ein Netzteil in Notebook-Manier mit separater Zuleitung und Euro-Stecker.
Letzteres ist sicher die angenehmere Variante so, wie die beiden Netzteile verpackt waren, ist allerdings davon auszugehen, dass nur das Steckernetzteil zum normalen Lieferumfang gehört und das zweite ein optionales Zubehör ist.
Anschlüsse
Die Stromversorgung und alle weiteren Anschlüsse befinden sich hinten was leider auch für den Kopfhöreranschluss gilt: dickes Minus an dieser Stelle! Der Kopfhöreranschluss gehört bei Tasteninstrumenten nach vorn, damit einem das Kabel beim Spielen nicht im Weg ist.Neben den schon genannten Optionen finden sich die üblichen Line-Outs (Klinke), ein (regelbarer) Mikrofon- sowie ein Mono-Instrumenteneingang und der obligatorische Anschluss für ein Haltepedal, das aber auch anders genutzt werden kann. Dessen "Polarität" lässt sich leider am XW-P1 nicht umstellen, es muss also Casio-typisch ein Schließer-Pedal sein was im übrigen in der Anleitung nirgendwo erwähnt wird.
Zusätzlich findet sich noch ein Stereo-Line-Eingang (3.5mm Stereoklinke) für externe Audio-Quellen. Aber bitte: Auch wenn heutzutage vielleicht eher ein iPod oder MP3-Player dort angeschlossen wird als ein CD-Player wenn schon ein "Consumer"-Anschluss statt separater Monoklinken gewählt wird, dann doch bitte Cinch/RCA! Ein Kabel Miniklinke auf Cinch findet sich überall, Miniklinke auf Miniklinke ist selten. Das geht besser!
Viel schlimmer ist allerdings, dass Casio keinen Anschluss für ein Expression-Pedal eingebaut hat. Bei einem Gerät, das eigens eine Zugriegel-Orgel bereitstellt, ist ein Schweller-Pedal Pflicht! Da hat Casio in meinen Augen wirklich gepennt: Doppel-Minus.
Die letzten drei Anschlüsse: Minimalbestückung MIDI (out/thru kombiniert), ein USB-Anschluss zur MIDI-Kommunikation mit dem PC sowie ein SD-Card-Slot zum Speichern und Abspielen von Midi-Files, User-Programmen, Konfigurationsdaten sowie mit dem herunterladbaren Editor erstellten Audiodaten.
Tastatur
Die Tastatur wirkt zwar auf den ersten Blick entwas klapprig und ist auch mechanisch relativ geräuschvoll, spielt sich dann aber doch relativ angenehm. Das straffe Spielgefühl ist für Synths und Orgel angenehm und bietet trotzdem genug Widerstand, um auch Piano-Sounds einigermaßen differenziert spielen zu können. Die vorne geschlossenen Tasten bieten Schutz vor Staub, allerdings ist die Lippe an den Tasten ziemlich scharfkantig, so dass beim Spiel mit dem Handballen (z.B. bei Orgelslides) Vorsicht geboten ist. Für meinen Geschmack überflüssig ist die unterhalb der Tasten vorstehende, halbrunde Plastikkante.Links neben der Tastatur befinden sich die beiden recht kleinen Pitch- und Modulationsräder. Ich finde inzwischen zwar hierfür ein Joystick-Konzept deutlich besser, nachdem ich mich 20 Jahre lang nicht wirklich mit den klassischen Rädern anfreunden konnte aber immerhin liegen die Spielhilfen beim Casio schön ergonomisch nah am Rand und sind auch aufgrund ihrer Größe intuitiver zu bedienen als die großen, schmalen Räder, die seit den 80ern überall verbaut werden.
Display
Das zentrale Display bietet einem sehr spartanisch einen Überblick über momentan relevante Parameter. Zwar findet man sich in die Menüführung relativ schnell ein (das Handbuch habe ich beim ersten Kontakt bewusst im Karton gelassen), es sind aber etliche Menüpunkte an Orten versteckt, wo man sie nicht erwartet oder gleich findet. Vor allem aber sind die verwendeten Abkürzungen oft recht kryptisch.Das Display selbst leuchtet in einem wiederum anderen Blau als die Tasten und LEDs und ist selbst für die Preisklasse eine Enttäuschung. Natürlich erwartet man bei rund 500 Euro keinen HD-fähigen, farbigen Touchscreen, aber im Jahr 2012 darf es dennoch gerne etwas mehr sein als ein lediglich 32 x 64(!) Pixel kleines Monochromdisplay.
So, für den Anfang war das schon recht viel später mehr!
Es folgen demnächst die weiteren Teile:
Teil 2: PCM-Sektion Pianos + Co.
Teil 3: Orgel
Teil 4: Solosynth
Teil 5: Hex-Layer
Teil 6: Step-Sequencer
Teil 7: Fazit
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