So, nun kommt doch noch eine kleine Rückschau von meiner Seite. Im Lauf der vielen Jahre, in denen ich regelmäßig jeden Frühling nach FFM pilgere und die Messehallen durchstreife, habe ich mich immer mehr spezialisiert. Wenn man nur einen Tag zur Verfügung hat, kann man sowieso niemals alle Aussteller mit dem gleichen Interesse oder der gleichen Konzentration beäugen, von daher beschränkte ich mich auf meine regelmäßigen Anlaufstellen, insbesondere die einheimischen Gitarrenbauer. Entgegen anderslautender Meldungen waren diese durchaus zahlreich präsent. Einige wollten sich allerdings den Stress eines eigenen Messestands nicht antun, aber dennoch präsent sein und waren deswegen als normale Besucher unterwegs. So habe ich z.B. Uli Teuffel und Jörg Tandler am Stand von Rainer Tausch und Harry Häussel angetroffen - wegen der stark frequentierten Kaffeemaschine generell ein beliebter Treffpunkt für die Kollegen der Zunft. Für sie wie auch für mich selbst war deshalb die Messe vor allem gut für die Netzwerkpflege.
Mein persönliches Messehighlight hat eigentlich gar nichts mit der Ausstellung an sich zu tun. Ich konnte mich mit Rich Lasner treffen, dem berühmten Gitarrendesigner, und mich mit ihm über eine Stunde lang über Ibanez-Gitarren unterhalten, an deren Entstehung er beteiligt war. Er ist z.B. für die MAXXAS verantwortlich - das erklärt wohl meine Begeisterung. Zu unserer Überraschung lief uns dann noch ganz zufällig Mike Shimada über den Weg, ein Urgestein bei Hoshino und einer der wichtigsten Manager in der für Ibanez schwierigen Phase Mitte der 80er Jahre. Ohne Mike und Rich gäbe es Ibanez wohl heute nicht mehr, von daher war dies ein sehr schönes Erlebnis für mich, Rich wieder getroffen und die Bekanntschaft mit Mike gemacht zu haben.
Ansonsten fand ich das Treffen mit den Musiker-Board-Kollegen und Johannes vor der Yamaha-Halle sehr angenehm und ich fand es toll, dass sich jeder trotz des großen Pensums die Zeit genommen hat, zum Treffpunkt zu kommen und ein wenig zu quatschen. Es tut immer wieder gut zu sehen, dass hinter den virtuellen Charakteren, mit denen man im Board zu tun hat, doch nette Leute aus Fleisch und Blut stecken. So schloss sich mir auch der User Prozac, bewaffnet mit einer tollen Kamera, bei einem Teil meiner Streifzüge an und wir konnten gemeinsam einige interessante Begegnungen und Beobachtungen machen.
Im E-Gitarrenbereich hat sich meiner Meinung nach der Trend der letzten Jahre fortgesetzt: Die Oberflächen bei Solidbody-Gitarren sind das große Thema. Der Schönholzbereich hat schon seit längerer Zeit ein Plateau erreicht, irgendwann gelangt man auch mit noch so intensiv gemaserten Hölzern und noch so kontrastreichen Beizlackierungen unweigerlich ans Ende der optischen Fahnenstange. Man muss dann schon zu spektakulären Griffbretteinlagen wie etwa bei der Nik Huber Blue Whale übergehen, um das noch toppen zu können. Deswegen überlegen sich immer mehr Hersteller, welche Alternativen zur fünfhundertachtunddreißigsten Super-10A-Quilted-Maple-Megakillerdecke sie bieten können. Dies geht zum einen in die Relic-Ecke à la Fender, in die Youngtimer-Richtung wie z.B. die auffälligen Retro-Neon-Lackierungen bei Ibanez (z.B. die Jubiläumsmodelle zum 25. Geburtstag von RG und Saber), Grafik-Motive bei Jackson, ESP und Dean, was man aber alles schon mal gesehen hat, oder aber in die Richtung von Zeal Guitars (Bastian Kanbach und Oliver Reich), die echte Metall- oder sogar Betonbeschichtungen auf ihren Gitarren anbieten.
Am Stand von "meinem" Gitarrenbauer Rainer Tausch gab es insgesamt vier verschiedene Modelle in zum Teil mehrfacher Ausfertigung zu sehen. Da wären z.B. die kompakten SlashDot-Gitarren in schwarz, weiß, sunburst oder Relic-Finish, dann ein SlashDot-Viersaiterbass in transparent orange und interessanten mattchromen Hardware-Details, dann zwei Dragonfly-Gitarren mit einem gewissen "Facelift" bei der Korpusform, und eine Rockwaffe im Rallye-Look in Form einer rot-schwarzen 665. Die Produktion speziell der 665 wird im Lauf des Jahres wohl stark ausgebaut werden, da enormes Interesse eines US-Vertriebs vorliegt.
Die perfekte Symbiose aus einem äußerst modernen Look, toller Bespielbarkeit, einem überzeugenden und flexiblen Klang und einem gelungenen Schuss Individualität bietet die brandneue Caligo von Frank Hartung. Ein großer Wurf in Sachen Design ist Frank da gelungen, würde ich sagen! Der Kunde hat nur eine Wahl, und zwar Holz und Farbe des massiven Keils am oberen Cutaway (passend dazu der Gitarrenständer, echt toll), alles andere bleibt der "Corporate Identity" treu, so auch das matte graue Finish, das an Teuffel-Gitarren erinnert. Uli Teuffel selbst hat seiner Hochachtung bezüglich der Caligo bereits Ausdruck gegeben. Sie bietet mit den versenkten Rändelpotis und den seitlich angebrachten Schalter ein völlig neues Bedienkonzept und kommt allen Spielern entgegen, denen die herkömmliche Poti- und Schalteranordnung beim Spielen im Weg ist.
Am Stand von Gerd Mingl (Audio Amp Co.) gab die Firma Marel Guitars aus Burgkunstadt ihr Messedebüt. Der Gitarrenbauer MARkus BarnickEL aus Franken, dessen erfrischende Edelpaula-Varianten mit einer von Frauenkörpern inspirierten Formgebung aufwarten, baut seine Instrumente seit 2005. Es waren außerdem mehrere Doublecut-Modelle mit flacher Decke und eine sehr abgewetzt aussehende Stratkopie im Heavy-Relic-Look ausgestellt. Die Verarbeitungsqualität, speziell die penibel polierte Hochglanzlackierung, hat mir außerordentlich gut gefallen.
Ebenfalls zum ersten Mal auf der Musikmesse war ein junger Industriedesigner namens C.B. Eller aus Scheidegg im Westallgäu, der sich ans Thema Instrumentenbau heranwagt. Die ausgestellten Bässe sehen futuristisch aus, weisen ungewöhnliche Konstruktionsdetails und Ideen auf, konnten mich aber weder in Sachen Verarbeitung noch bezüglich Usability überzeugen. Obwohl bei der Konzeption "schon viel nachgedacht" wurde (Originalton), sollte man vielleicht davon absehen, gleich mit den allerersten Prototypen auf die Messe zu rennen und dann Preise im Bereich von EUR 8.000,00 aufzurufen. So funktioniert das einfach nicht. Umgekehrt wird ein Stiefel daraus, d.h. wenn sich jemand wie Uli Teuffel zuerst als Gitarrenbauer seine Sporen verdient und dann Design studiert, um mit neuartigen, aber ausgereiften Ideen auf die Bildfläche zurückzukehren, die dann rundum überzeugen.
Siggi Braun und Roman Fritz hatten dieses Jahr nicht wie gewohnt einen großen Messestand, sondern brachten nur einige wenig spektakuläre Seriengitarren als Vorführinstrumente für den Stand von Engl Amplification mit. Siggi begründete dies mir gegenüber mit der hohen Auslastung, die es praktisch unmöglich gemacht habe, wie gewohnt einen großen Custom Shop Messeauftritt zu inszenieren. Interessant zu erwähnen ist die Tatsache, dass der Siggi-Kunde Tom Weise mittlerweile Produktmanager beim großen Vertrieb Musik&Technik ist und eine Zusammenarbeit zwischen FGN Guitars und dem Siggi Braun Custom Shop in die Wege geleitet hat. So entstanden 100 FGN-Gitarren aus japanischer Fertigung, die in der Braun'schen Werkstatt mit Häussel-Pickups aufgerüstet und dann "master relic"-mäßig auf alt getrimmt wurden. Leider waren diese am Stand von FGN (Fujigen) nicht zu sehen, sondern nur in der hermetisch abgeriegelten Biosphäre des M&T-Stands. Allerdings werden sie momentan durch ganzseitige Anzeigen in aktuellen Gitarrenmagazinen beworben, so dass sich auch der Endkunde einen entsprechenden Eindruck verschaffen kann.
Soweit von mir! Nochmal meinen ganz herzlichen Dank an Johannes und MiCom für die wirklich überraschende und auch großzügige Aktion mit den Eintrittskarten. Das war echt spitze!