+1 für die Wertung als Genie! Auch wenn er selber die Bezeichnung wahrscheinlich zurückweisen würde.
Ein Genie ist für mich nicht nur jemand, der eine herausragende Intelligenz im Sinne des IQ hat, sondern vor allem einer, der andere Wege geht als der Mainstream, neue Möglichkeiten sieht und diese dann durchdenkt und kreativ umsetzt, auch wenn andere ihn anfangs belächeln.
Das geniale an Leo Fender war die Begabung, sensationell einfache Lösungen für bekannte Probleme zu finden. Die Gitarre koppelt? Weg mit dem schwingenden Body, den braucht man verstärkt nicht! Ich hab keine Gitarrenbauer? Ich lass das Zeug von Handwerkern zusammenschrauben! Gitarren haben alle die gleichen paar Farben? Frag ich doch mal den Hersteller von Autolacken!
Umso mehr gilt das, nachdem er ja nicht mal Gitarre spielen konnte und der Bau von Amps ja technisch nochmal was ganz anderes ist. Es spricht Bände, dass er die bis heute einzige Firma gegründet hat, die Gitarren und Amps dauerhaft und in großem Maßstab erfolgreich verkauft, und dabei sind seine ersten Entwürfe noch immer (oder wieder)fast unverändert mit im Programm und erfolgreich.
Es gehört viel dazu, sich dann so treffsicher in die Bedürfnisse anderer hinein zu versetzen und dann: "To boldly go where no man has gone before". Logisch, dass da auch mal was schief geht, aber die Trefferquote war letztlich erstaunlich. Gerade der Umstand, dass die Strat (seine
zweite Gitarre!) heute noch den meisten als ultimativ bequeme und zugleich ästhetische Korpusform erscheint, zeigt seinen Blick für das Wesentliche.
Klar ist der Bau von Gitarren und Verstärkern nicht so heroisch wie die Relativitätstheorie, aber er hat unsere Gesellschaft mindestens genauso verändert. Indem er Gitarren von "ernsthaften" Musikinstrumenten zu einem neuartigen, modernen Industrieprodukt gemacht hat, hat er Massen von jungen Leute das Musikmachen ermöglicht, die sich nie eine Jazz-Mama umgehängt hätten. Vorher gab es eigentlich nur Profimusiker, die aufgetreten sind und Amateure, die Hausmusik gemacht haben. Vor Publikum haben die höchstens in der Kirche gesungen, und auch da nur die Lieder von anderen. Nie zuvor hatten so viele Amateure die Idee, selber Songs zu schreiben und andere damit zu beglücken, womöglich ohne jeden Unterricht
. Und diese Demokratisierung der Kreativität hat die dominierende Leitkultur nun wirklich auf den Kopf gestellt (auch wenn das wahrscheinlich nicht der Plan war...).
Gruß, bagotrix