Auch, wenn das jetzt nicht direkt die Antwort zur Frage ist - ich persönlich finde es viel schöner, wenn jemand gefühlvoll (wie Mr Slowhand das kann - wenn er will) spielt, statt nur Schnelligkeit anzustreben. Ich meine, das ist doch das Schöne an der Gitarre, dass man einfach unendlich viele Klangmöglichkeiten damit hat, Facetten, in denen sich der Ton durch Bedings, Vibrato, Anschlag etc. formen lässt, so dass die Gitarre schreit, schnurrt, weint, singt usw. - ihr versteht was ich meine?
Es gibt Gitarristen, die können "alle meine Entchen spielen" und es klingt einfach richtig gut. Es ist sicherlich toll, einen Gitarristen zuzuschauen, der technisch dermaßen versiert ist, dass er nahezu alles spielen kann - mir selbst gibt das aber oft wenig, außer einen "aha - sowas gibts also auch" Effekt. Lieber einfach eine schöne, catchy Melodie mit Feeling, die auch im Ohr hängen bleibt.
Abi von Reininghaus hat ja mal in seinem bekannten "in vivo guitar" Buch festgestellt, dass der Durchschnitts-Europäer mit diesen typischen Harmonien in bekannten Kinderliedern aufgewachsen ist und sich die Hörgewohnheiten darauf einstellen bzw. man damit von früher Kindheit an vertraut und diese Art Musik gewöhnt ist. Das erklärt auch, warum manche sehr unmusikalische Zeitgenossen noch sturzbetrunken Ötzis "Hey Baby" halbwegs fehlerfrei brüllen können aber bei 5 minütigen Dream Theater Solo Orgien eigentlich nichts im Kopf hängen bleibt und der Otto Normal Musikhörer damit schlichtweg total überfordert ist und ratlos zurückgelassen wird - letzteres wird ja nicht umsonst gerne mal als "Musik für Musiker" bezeichnet.
Ich glaube, dass es sich mit manchen Rhythmus Geschichten ähnlich verhält, wenn es zu verschachtelt ist, verliert der Zuhörer den Faden. Ansonsten bin ich der Meinung, mal ganz extrem formuliert - dass es viel einfacher ist, Leute zum Tanzen zu bringen (Rhythmus) als zum Weinen (vor Freude, Rührung, Trauer - Melodie). Geht es da jemanden ähnlich wie mir?
@ Stephan1980: Du hast glaube ich nicht ganz verstanden, was ich mit dem Post zum Ausdruck bringen wollte. Das macht aber nichts, Humor ist auch was schönes! Exzellente Wortwahl übrigens, da musste ich ebenso schmunzeln!
Hehe, danke für das Lob zur Wortwahl. ^^ Bin nicht sicher, dass ich alle richtig verwendet habe, aber ehrlich gesagt verwende ich solche Worte wirklich ausschließlich, um etwas Witz in einen Beitrag zu bringen. Das freut mich also, dass Du den Humor rausgehört hast.
Denn es ist mir wichtig, dass Du weißt, meine Aussage war weder gegen Dich noch Deinen Beitrag. (Der ja seine völlige Berechtigung hat).
Das Ding ist nur, und das wirst Du wahrscheinlich nicht wissen, ist, dass wirklich JEDER und ich sage ausdrücklich nicht "fast jeder" Thread, in dem es um die Steigerung der Geschwindigkeit geht, letzten Endes auf eine Diskussion über den Sinn von Geschwindigkeit hinausläuft.
Die Fragestellung ist auch enorm wichtig und jeder Gitarrist muss sich damit auseinandersetzen und früher oder später erkennen, dass Geschwindigkeit alleine nichts bringt.
Es ist halt nur mittlerweile so, dass das Thema wirklich extrem ausdiskutiert wurde. Und tja, wenn man gefühlte 30 Threads erlebt hat, die wirklich ALLE mit einer Diskussion um den Sinn von Geschwindigkeit geendet haben, dann ist man halt belustigt, wenn im 31. Thread unausweihlich wieder damit angefangen wird. Auch wenn der Beitrag sinnvoll ist.
Leider leider ist es auch oft so gewesen, dass Langsamspielfanatiker oft mit erhobener Nase argumentierten und die Geschwindigkeitsforscher über die letzen Jahre sozusagen eine unspezifische Immunabwehr entwickelt haben, die dann auch sinnvoll argumentierende Aspekteinwerfer trifft.
Schlimm auch, wenn es um bestimmte Übungen geht, um "auf Speed" zu kommen, und dann Leute in überheblicher Art, ihre geniale Methode präsentieren, mit der man Blueslicks in sechzehntel auf 110 Bpm bringen kann. Weil das in ihren Augen schnell ist. Dass einem diese Übungen vlt aber gar nichts bringen, wenn man mal wirklich schnell werden will, daran wird gar nicht gedacht, weil 16tel auf 110 bpm ja in ihren Augen schnell ist.
Was Du über die Hörgewohnheiten des Normalpublikums schreibst, ist für jeden Entertainer sehr wichtig. Und es gibt bestimmt genug junge Gitarristen, die sich damit noch gar nicht auseinandergesetzt haben. Die tatsächlich denken, dass sie auf der Stadtfestbühne gar ein Publikum mit einem 15 Minuten-Solo begeistern können. Für diese ist es natürlich wichtig, Deinen Beitrag zu lesen. Das Ding ist nur, dass die meisten Gitarristen sich sehr wohl mit der "Problematik" auskennen. Wer auftritt, MUSS das früher oder später erfahren.
Ich kann mich noch an einen Auftritt erinnern, wo wir einen langen Solopart hatten, wo unser anderer Gitarrist wirklich genial gespielt hat. Meine Schwester meinte danach sinngemäß "Solo? Ich dachte, der Sänger hätte da den Text vergessen."
Aber was ist dann die Konsequenz daraus? Man kann sich dann dem Publikum anpassen oder halt nicht.
Beides ist absolut zulässig. Aber halt jedem selbst überlassen. Es ist halt ein bißchen komisch, dass in Speed-Threads nicht von einer bewussten Entscheidung zu einem speedbetonten publikumsvielleichtnichtgefallenden Stil ausgegangen wird, sondern davon, dass sich der Gitarrist einfach zuwenig mit Publikum auskennt.
Ich hab tatsächlich den Musikstil gewechselt und wir haben die Songs wirklich komplett auf ein Publikum ausgerichtet. Ab da gabs dann auch keine Geschwindigkeitsübungen mehr für mich. Aber ob ich da jetzt stolz drauf sein kann. Naja...
Deiner Aussage "leichter ein Publikum zum Tanzen als zum Weinen zu bringen", kann ich aus meiner eigenen Erfahrung widersprechen.
Wir haben in der Band ziemlich schnell rausgefunden, dass jeder Song bei der Geschwindigkeit eine Art "Sweet Spot" hat. So wie man eine Gitarre mit dem WahWah in einer ganz bestimmten Stellung so richtig zum klingen bringt, genauso hat jedes Lied seinen Sweet Spot im Rhythmus. Und wir ham uns in der Probe wirklich sprichwörtlich den A**** aufgerissen, um den zu finden und reproduzieren zu können.
Wir haben Songs teilweise 15mal am Stück neu angefangen, um die richtige Geschwindigkeit zu finden.
Es war auch so, dass je nach Song ein anderes Bandmitglied die richtige Geschwindigkeit am besten im Gedächtnis behalten konnte. Und so haben wir manche Songs vom Bassisten anspielen lassen, die im Original gar nicht mit einem Basslauf anfangen.
Wir waren jedenfalls wahnsinnig stolz darauf, wenn im Publikum getanzt wurde.
Ich wüsste auch nicht, warum es künstlerisch wertvoller sein sollte, ein Publikum in Feierlaune zum Weinen statt zum Tanzen zu bringen.