Weil ich mit den Begriffen um mich geworfen habe, ist es auch an mir, etwas darüber zu sagen:
Gefühlstaster;5391876 schrieb:
Eigentlich
die Standard-Regler an analogen und virtuell-analogen Synthesizern (und z. B. an Küchenherden). Werte werden durch Drehen an einem Knopf, der zumeist auf die Achse eines Potentiometers (verstellbarer elektrischer Widerstand, aber jetzt wird's langsam zu technisch) montiert ist, eingestellt. Beispiele für Synthesizer mit Knobs:
- Moog Minimoog Model D
- Access Virus
- Korg MicroKorg
- Roland TB-303
- Clavia Nord Lead
- Doepfer Dark Energy
Im Gegensatz dazu stehen die Fader. Bei denen wird nicht per Drehbewegung geregelt, sondern per Schiebebewegung. Beispiele für Synthesizer mit (hauptsächlich oder ausschließlich) Fadern:
- Roland SH-101
- Roland GAIA SH-09
- ARP 2600
- Yamaha Motif XS
- Roland JD-800
Gefühlstaster;5391876 schrieb:
Wie Chris schon sagte:
Ein Matrix ist ein analoger Synthesizer aus den 80er Jahren, und zwar ein
- Oberheim Matrix-12
- Oberheim Matrix-6
- Oberheim Matrix-6R
- Oberheim Matrix-1000
Aber das meinte ich nicht. Ich meinte
eine Matrix.
Und da zunächst mal die
Bedienmatrix. Guck dir mal einen MicroKorg an. Der hat nur 5 Knobs, um damit die Klangerzeugung zu regeln, aber unter den Knobs zwei Tabellen. So eine Tabelle nennt man in diesem Zusammenhang auch Matrix. Das Ganze funktioniert so: Du wählst mit einem der beiden dicken Drehschalter links von der Tabelle die Zeile aus, in der die Parameter eingetragen sind, die du ändern willst. Zum Beispiel
Filter Envelope (Filterhüllkurve), damit werden dann die ersten vier Knobs auf die vier Werte der Filterhüllkurve (Attack, Decay, Sustain, Release) gesetzt und der fünfte auf das Neustarten der Hüllkurve bei jedem Tastenanschlag (der kann dann nur an/aus regeln).
Die Bedienmatrix ist ein Kompromiß zwischen Bedienbarkeit und Platzersparnis. Einerseits braucht sie sehr, sehr viel weniger Platz, als wenn du wirklich für jeden einzelnen Parameter einen eigenen Schalter oder einen eigenen Regler in den Synth einbaust. Andererseits siehst du auf einen Blick, was du alles einstellen und regeln kannst, kannst schnell auf die jeweiligen Einstellungen zugreifen und mußt dich nicht durch Menüs hangeln, wo dann nur durch Menüseitenblättern ersichtlich wird, was denn überhaupt alles geht.
Ich könnte jetzt auch noch über die
Modulationsmatrix reden, aber darum geht's hier nicht, und die hat mit der Bedienmatrix wenig zu tun (außer du sitzt an einem superseltenen, schweineteuren, analogen, monophonen und nicht speicherbaren ARP 2500, EMS VCS3, EMS Synthi A oder EMS Synthi 100).
Gefühlstaster;5391876 schrieb:
VA = VA-Synth = virtuell-analoger Synthesizer.
Drehen wir mal die Zeit zurück nach Mitte der 1990er Jahre. Vor ein paar Jahren erst ist die Produktion der letzten Analogsynthesizer eingestellt worden. Die Synthesizerhersteller bieten nur noch durch und durch digitale, über Menüs zu programmierende Synthesizer an. Rompler, Workstations, solche Sachen. Ist ja modern.
In der Elektronikszene tickt man aber komplett anders. So Ende der 80er, Anfang der 90er kamen Stilrichtungen wie House, Techno usw. auf. Und worauf wurde das produziert? Auf Workstations? Mit Nichten und Tanten! Die Elektroniker haben die analogen Klassiker für sich wiederentdeckt. Nicht nur wegen ihres fetten Sounds, sondern vor allem, weil gerade die älteren Analogsynthesizer gegenüber den menügesteuerten, samplebasierten State-of-the-Art-Neubaumaschinen der japanischen Marktbeherrscher einen gewaltigen Vorteil hatten: Echtzeitregler. Knöpfe, Fader, reichlich davon. Cutoff-Frequenz einstellen? Bei der Korg 01/W oder beim Roland JV-80 mußte man dafür in ein Menü, den Wert einstellen, speichern... Beim Minimoog oder bei der 303 gibt's da
'ne App für 'n Knopf für! Anfassen, drehen, schon klingt das Filter anders. Resonanz? Einen Knopf weiter. Man hat damals die Regler nämlich nicht genommen, um einen Sound einmal einzustellen und den dann so zu lassen und den fertigen Sound zu spielen. Man hat beim Spiel lustig am Sound rumgeschraubt. So wurde Acid ja überhaupt erst geboren: DJs an den Großen Seen haben sich 1988 für vielleicht 20 oder 50 Dollar eine Roland TB-303 (Neupreis 400 $) gekauft, eine Baßfigur einprogrammiert, haben die laufen lassen, und während der Sequencer vor sich hinspielte, haben die beidhändig am Filter rumgeschraubt, daß es nur so blubberte und schmatzte. Paar Jahre später durfte man für eine 303 weit über 1000 $ hinlegen, weil alle eine haben wollten, und weil es genügend Verrückte gab, die verrückt genug waren, solche Mondpreise für die Silberkiste zu berappen.
Und dann, wie gesagt, der Sound. Wenn du Pianos willst oder Orchestersounds, ist der Rompler dein Freund. Wenn du elektronische Sachen willst, vielleicht gar selbst was zusammenschrauben willst, gehen Samples nicht so gut wie klassische Oszillatoren mit wenigen, aber
echten Wellenformen. Das ist dann keine digitale Aufzeichnung eines Sägezahns, was da rauskommt, das
ist ein Sägezahn. Noch wichtiger sind Filter, und Romplerfilter sind charakterlos und langweilig im Vergleich zu den Filtern in Analogsynthesizern. Die sind zwar technisch nicht so perfekt und arbeiten nicht so sauber (je älter die Technologie, desto unsauberer), haben aber Charakter und Eigenklang und klingen insgesamt meist fetter und druckvoller.
Die einzige Möglichkeit, an so einen Sound zu kommen, war damals ein gebrauchter Analogsynthesizer. Die wurden aber, wie gesagt, nicht mehr gebaut. Referenz war der Minimoog, und den hat Moog schon 1982 eingestellt, die Minimoogs wurden also nicht gerade zahlreicher. Okay, Ende der 80er und in den sehr frühen 90ern hat man auf Flohmärkten und in Kleinanzeigen so manchen Analogsynth für billig abräumen können. Dann sprach sich aber rum, daß die Teile gefragt sind, und die billigen Angebote waren rumsbums weg. Wer noch einen veräußern wollte, verlangte auch entsprechende Preise.
Tja, und was machte die Industrie? Die japanischen Platzhirsche Roland, Korg, Yamaha verpennten die Entwicklung völlig und bauten lustig ihre Rompler weiter aus oder experimentierten mit Synthesen, die keiner brauchte. Ein kleiner schwedischer Hersteller von E-Drums namens Clavia aber erkannte die Gunst der Stunde. Sie bauten einen Synthesizer zusammen, der nur vier Stimmen hatte, aber jeweils einen Knopf für jeden Parameter der Klangerzeugung. Einen Synthesizer, der technisch durch und durch digital arbeitete, aber wie ein Analoger klang und wie ein Analoger zu bedienen war, Knöpfe zum Echtzeitschrauben und alles. Das Modell nannten sie Nord Lead. Und den neu erschaffenen Synthesizertyp nannten sie
virtuell-analoger Synthesizer. "Virtuell-analog", weil er sich zwar vollkommen wie ein Analogsynthesizer aufführt, das aber alles nur täuschend echt simuliert ist, wie eine virtuelle Maschine sich wie ein echter Computer benimmt, aber nur ein Stück Software ist, und wie virtuelle Realität auch sehr real aussehen kann, aber auch nur ein Stück Software ist.
Wie wir wissen, blieb es dabei nicht. Als die Japaner sahen, daß da ein schwedischer Newcomer einen vierstimmigen Synthesizer ohne jegliche Samples und ohne glaubhaften Pianosound für mehrere 1000 Taler verkaufte wie geschnitten Brot, wachten sie auf und brachten Geräte wie den Korg MS2000 (Urvater des MicroKorg), Yamaha AN1x (einer der unterbewertesten VAs überhaupt) und Roland JP-8000 (die Trance-Hupe schlechthin) auf den Markt. Und auch so manche andere Schmiede stieg ins Geschäft mit dem Vorgaukeln analoger Klassiker ein Novation kam von 303/808/909-Klonen (Bass Station, Drum Station) über kompakte Leadsynths (A-Station, K-Station) zum mächtigsten VA seiner Zeit (Supernova), Access stieg um von Controllern für menügesteuerte und am Gerät praktisch unschraubbare Analog- und Wavetable-Synths auf ein Wettrüsten mit Novation, das ihr Virus dann gewann, der italienischen Orgelschmiede Viscount fiel ein, daß ihnen ja die Rechte am Markennamen Oberheim gehörten, und sie brachten den zweifelhaften virtuell-analogen OB-12 raus, der Wavetable-Monopolist Waldorf ließ seine Synths mitunter wie Analoge funktionieren (mal abgesehen davon, daß sie in den 90ern mit dem Pulse auch einen Echtanalogen gebaut haben)...
...Ja, warum haben die nicht einfach alle wieder echte Analogsynthesizer gebaut? Ganz einfach. Erstens: Digital und auf Rechenmodellen basiert war einfacher und billiger zu bauen. Ein ROM-Chip mit der Firmware drin, ein Prozessor, auf dem die Firmware läuft, ein D/A-Wandler, damit das Ganze hörbar wird, viel mehr braucht man nicht. Man bedenke auch, daß damals schon so mancher VA erheblich mehr drauf hatte als ein Echtanaloger. Das dauerte nicht lange, und VAs steckten funktionsmäßig nicht nur die Soundreferenz Minimoog in die Tasche, sondern auch polyphone Schlachtschiffe wie Oberheim Matrix-12 und Roland Jupiter-8. Außerdem hatten die Hersteller gar nicht mehr die Voraussetzungen, um auch nur digital gesteuerte Analogsynthesizer zu bauen, was die Sache noch einmal teurer gemacht hätte.
Zweitens: Platz und Gewicht. Schon Ende der 90er wäre man imstande gewesen, einen virtuell-analogen Synthesizer mit den Möglichkeiten eines echtanalogen Oberheim OB-X in eine Altoids-Dose zu bauen. Zugegeben, ein aktueller analoger DSI Prophet '08 hat auch nicht viel Technik drin, aber virtuell-analog wäre er als iPhone-App machbar. Der einzige Grund, warum er so groß ist, ist, weil man Oberfläche schaffen mußte für die ganzen Knobs. Man gucke sich außerdem mal an, was ein winziger Alesis Micron oder gar Waldorf Blofeld kann. Nicht auszudenken, wieviel Platz man brauchen würde, wollte man das echtanalog nachbauen, womöglich gar spannungsgesteuert mit diskreten Schaltungen.
Drittens: Zuverlässigkeit. Man kann sagen, volldigitale Synthesizer gehen immer so, wie sie sollen. Je analoger ein Synth wird, desto mehr Zicken macht er. Und um einen wirklich fetten Sound zu bekommen, muß es schon sehr analog sein. Spannungsgesteuerte Polysynths wie Roland Jupiter-8, Moog Memorymoog und Yamaha CS80 sind für ihren Sound berühmt und gefragt aber wirklich zuverlässig sind sie nicht (was einen Jean Michel Jarre nicht davon abhält, mit allen dreien lustig zu touren und open air zu spielen). Das fängt schon damit an, daß sie nach dem Einschalten warm werden, und wenn sie warm werden, verstimmen sie sich und zwar jede Stimme einzeln. Das besserte sich zwar mit fortschreitender Digitalisierung, aber selbst ein spannungsgesteuerter Jupiter-6 klingt immer noch fetter als ein digital gesteuerter JX-8P. Und selbst in digital gesteuerten Analogsynthesizern steckt immer noch eine Menge Technik, wo eine Menge streiken kann. Virtuell-analog kann man das auf einem einzelnen Smartphone-Prozessor von der Stange abfahren, und in der künstlichen Traumwelt eines virtuell-analogen Synthesizers gibt es "Fehlfunktionen" wie geringfügig verstimmte Oszillatoren nur dann, wenn man sie auch braucht.
Martman