Also ich konnte mich nie längere zeit mit irgendwelchen chromatischen Übungen abfinden, weil mir das schlicht zu stumpf war und ich keinen gewünschten Effekt gesehen habe. Ich habe schwer eine Verbindung der Übung mit meinem restlichen Solospiel sehen können, geschweige denn mit meinen spezifischen Problembereichen.
Irgendwann kam mir die Idee, mir selbst Übungen zusammenzubauen und wenn man ein wenig Theorie kann, ist das auch garnicht mal so schwer. Ich baue die Übungen nach meinen Präferenzen und auf basis der Tonleitern und Pentatoniken. Wenn ich z.B. einen coolen oder schweren Part in einem Solo höre (den ich natürlich lernen will!), in dem eine bestimmte Technik angewendet wird, dann isoliere ich diesen, analysiere ihn und baue mir dann daraus eine oder mehrere KLEINE Übungen, die ich überall auf dem Hals in die Tonleiter einsetze. Dann kommt das Metronom und der stumpfsinnige Part, der hier jedoch schon ein wenig aufregend ist. Ich schaue dann, dass ich diese kleinen Versatzstücke auch gut in meine Improvisationen einbauen kann, sobald sie spielbar werden. So werden irgendwann aus Panikmomenten, die man beim Spielen von Solos bekommt, plötzlich bestandteile des eigenen Repertoires, an die man sich lange gewöhnt hat.
Und voila, im Idealfall hat man dann eine beobachtbare Verbesserung und eine authentische Annäherung an den Stil eines Idols, ohne ihm nur GENAU das Lick in GENAU seiner Position in GENAU seinem Solo zu klauen/ bzw. es stumpf nachzuspielen. Beim verschieben und einsetzen werden dann auch meistens verschiedene Griffarten benötigt, wo wir gleichzeitig beim Trainieren verschiedener Finger/Muskeln wären.
Also kurz:
1. Aus möglichst winzig kleinen Häppchen große Speedgerüste aufbauen.
2. Praxisbezug/ Bezug zur eigenen Improvation bzw. zum Songwriting. Weiß ich nicht, wo ich es spielen kann, brauche ich es nicht zu lernen.
Ich will chromatische Übungen und Übungen ohne direkten Spielbezug nicht abwerten ... aber ich spiele jetzt ungefähr 5 Jahre und bin mit meiner jetzigen Methode zum ersten mal nicht wieder frustriert nach einem Monat vom Geschwindigkeitstraining abgerückt, ohne Fortschritt zu sehen.
Klar, man braucht für die Methode ein wenig theoretischen Background, aber ich halte es für effektiv - zumindest für mich.
Mal das einfachste Beispiel, an das ich denken kann:
- Diese Übung habe ich zum ersten Mal bei Troy Stetina gesehen:
12--h15--p12--------
-------------------(h)15 .... das immer wiederholt
Ich fand die Übung cool, als ich sie vor einem Jahr gesehen habe, weil ich zum ersten mal zu Geschwindigkeit gekommen bin und es auch mal beim Jammen einbauen konnte.
Vor etwa einer Woche kam ich dann auf die Idee, das ganze zu etwas Längerem auszubauen:
12--h15--p12-------------------------------------------------------------------------------------------------------
--------------------15--12--h15--p12---------------------------------------------------------------------------------
----------------------------------------------14--12--h14--p12----------------------------------------------------------
-------------------------------------------------------------------------14--12--h14--p12------------------------------
-------------------------------------------------------------------------------------------------------14--12--h14--p12-----
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------15
Dann dachte ich mir: hmmm, das geht auch wieder in die andere Richtung:
--------------------------------------------
--------------------------------------------
--------------------------------------------
-------------------------------------------- ...etc.
---------------------14--12--h14--p12
-12--h15--p12-------------------------
Dann dachte ich mir, dass sich das Muster noch weiter reduzieren lässt:
15---p12-----------------------
-------------15--15--p12-----
-------------------------------14
---------------------------------- usw.
----------------------------------
----------------------------------
Und während ich so hoch und runter spielte, kam mir in den Sinn, dass man ja auch spontan Richtungswechsel einbauen kann:
z.B. mal beliebig den hier machen:
15--p12-------------------15--15--p12--
------------15--15--p12--------------------
So, und als ich dann so fröhlich zwischen den Formen alternierte, traf mich plötzlich der Schlag: Ein paar Bendings zwischen die Übung geschoben, ein paar kleine coole Zwischenspiele und schon klang es EIN WENIG (wollen ja mla nicht übertreiben) wie das Solo von Deep Purples Child in Time. Ein Stück, das mich seit Ewigkeiten vom Hocker reißt und an das ich mich nie herangetraut hätte.
Wenn ich mir jetzt das Solo anhöre, verstehe ich viel genauer, was da so gespielt wird und wie der Stil funktioniert ... und das ist denke ich eine sehr zielgerichtete und effektive Trainingsmethode - gerade wenn man Lieblingsgitarristen hat.
Der nächste Schritt bei der Übung wäre es jetzt, mal so Späße wie String Skipping einzubauen und sich natürlich noch weiter über den Hals fortzubewegen. Generell habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass eine im kleinen gemeisterte Übung sich oft leicht auf den größeren Kontext übertragen lässt, wohingegen der Fortschritt länger braucht, wenn man gleich den fetten Brocken auf einmal fressen will. Besonders bei so sachen wie Sweep Picking oder diesem 3-Notes-Per-String Wahnsinn kann es sehr frustrieren, gleich zu viel zu wollen ...