[Gitarre] Aristides OIO

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MikeChapman
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Ich finde es nicht wirklich leicht ein Review zu schreiben, wenn im Testbericht der Gitarre & Bass schon alles gesagt wurde. Doch liest nicht jeder die Zeitschrift, und sicherlich gibt es doch den ein oder anderen der gerne mehr über die 010 erfahren würde. Es kann durchaus sein, dass ich einige unabsichtliche Überschneidungen mit dem G&B-Test habe. Von daher bitte ich um ein wenig Nachsicht – es ist keinesfalls meine Absicht den Artikel zu zitieren.


Meine 010 Story
010Bright..jpg

Auf die Aristides stieß ich durch Zufall. Ich las mich ein wenig durch das Musikerboard und fand einen Thread über alternative Tonmaterialien. Forumsmitglied milamber (vielen Dank noch mal an dieser Stelle!) hatte in einem Beitrag den Link von Aristides Instruments.
Der erste Eindruck war schlichtweg faszinierend – ein unglaubliches Design, welches mich an extreme Sportwagen erinnerte, in Kombination mit einem alternativen Konzept in dem viel Forschungsarbeit zu stecken schien.
Zugegeben, am Material zweifelte ich Anfangs doch sehr. Deshalb verbrachte ich die Tage darauf damit, Leute im Internet zu suchen und zu kontaktieren, die sie bereits gespielt hatten. Die Reaktionen waren durchweg sehr positiv. Ebenso der Test der G&B – obwohl mir auch durchaus bewusst ist, dass Gitarrenzeitschriften oft nicht sehr kritisch sind.
Ich dachte noch einige Wochen drüber nach und entschloss mich dazu mir eine zu bestellen - ein Blindkauf für 3350,- Euro. Während der ein oder andere nun schockiert den Kopf schüttelt wenden wir uns nun dem Tonmaterial zu.


Arium

Zwölf Jahre forschten Aristides van Poort und die Universität Delft an dem Material, welches die Struktur des Holzes der Stradivarigeigen haben soll. Mir persönlich fehlen die Vergleichsmöglichkeiten, von daher kann ich nicht beurteilen ob ihnen das tatsächlich gelang, oder ob es sich lediglich um einen Werbespruch handelt. In gewisser Weise kann ich die Behauptung ausschließen, da Arium im Gegensatz zu Holz keine Fasern hat, was aber wiederum ein Vorteil ist, da das Material somit dreidimensional schwingen kann und ein längeres Sustain hat. Außerdem fehlt Arium jegliches Wasser. Die Gitarre reagiert somit nicht mehr auf Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen. Nachstimmen wird somit eine relativ seltene Angelegenheit, und es ist der 010 auch egal wenn sie beim Lüften der Wohnung mitten im Zug steht. Durch den Carbonüberzug soll die Gitarre allgemein extrem robust gegenüber Stürzen und ähnlichem sein, doch werde ich das keinesfalls absichtlich überprüfen.


Ausstattung

Wir haben auf der Gitarre einen Graphtec Sattel der zur hohen E-Saite hin etwas dünner wird. Zudem ist das Griffbrett – welches übrigens das einzige Holzteil ist – beim Sattel etwas schräg geschnitten um Verstimmungen in hohen Lagen zu kompensieren. Das ganze lässt sich vom Prinzip mit den Earvana-Sätteln vergleichen.
An der Bridge haben wir ein höhergelegtes Wilkinson VS100N Tremolo welches schwebend gelagert ist. Für den ein oder anderen Floyd Rose Fan ein Wehrmutstropfen, da der Aktionsradius der Tonmodulation nicht so weitläufig ist, doch für die meisten Verwendungen sicherlich immer noch ausreichend und dabei erstaunlich stimmstabil.
Ein Kritikpunkt in der G&B waren die schwergängigen Potis. Aristides nahm sich die Kritik zu Herzen und tauschte den Volumepoti durch einen leichtgängigeren aus. Dieser lässt sich hochziehen und splittet den Humbucker zu einem Singlecoil. Die Potis sind aber relativ weit unten angebracht, womit einfaden doch etwas erschwert wird.


Bespielbarkeit

Die 010 hat einen C-Neck mit zweiundzwanzig Jumbobünden. Dieser ist am ersten Bund 20 mm breit und am zwölften 22 mm. Der Hals ist sehr ergonomisch und schnell zu bespielen und der Flying Heel Joint sorgt für einen optimalen Komfort in den hohen Lagen. Der Hals hat einen leichten Winkel was für eine durchgehend niedrige Saitenlage sorgt. Der leicht raue Lack am Hals ist in etwa mit einem Satinfinish vergleichbar - also sehr griffig, und das selbst dann wenn man zu schwitzigen Händen neigt. Die Bespielbarkeit ist wirklich hervorragend – die Finger fliegen regelrecht über die Saiten. Obertöne lassen sich leicht erzeugen und Legatotechniken funktionieren einwandfrei.


Sound (Samples auf der Herstellerseite / Link siehe unten)010CaseSmall..jpg

Wenn man die Saiten unplugged anzupft, fällt einem als erstes auf, dass mehr Druck/Power dahintersteckt. Der Aristides Endorser Adrian Vandenberg sagte in einem Interview, dass das Anschlagen der tiefen E-Saite mit dem Anschlagen einer Taste eines Flügels zu vergleichen ist. Und ich finde das trifft es ganz gut – es ist ein fetter, lauter und sustainreicher Ton.
Interessant wird es vor allem, wenn man die Aristides direkt mit einer regulären Gitarre vergleicht. Meine Zweitgitarre ist eine 2008er Fender American Standard Stratocaster. Im Vergleich zur Strat klingt die 010 deutlich dunkler und kräftiger. Deadspots sind aufgrund des homogenen Tonmaterials nicht zu finden.
Faszinierend ist ebenso die Lebendigkeit und Dynamik der Gitarre. Sie springt unglaublich schnell und ausdrucksstark auf verschiedene Anschlagstechniken an.

Im Cleankanal bieten die zwei Singlecoils authentische Stratsounds. Hier ist der Hals-PU mein absoluter Favorit. Er klingt wunderbar warm, glockig und klar. Spielt man ein paar Akkorde sind die Zweifel bezüglich des Materials endgültig behoben. Der Sound ist wirklich grandios, und das Sustain gibt einem den Rest. Wer den Akkord ausklingen lässt, hat den Eindruck, dass die 010 nicht mehr aufhören will.
Die zwei medium-output Singlecoils brummen dezent und lassen auch eine ordentliche Portion Gain zu.

Der Humbucker ist deutlich lauter, druckvoll, kernig, obertonreich und transparent. Er schiebt bei Verzerrung extrem nach vorne, und setzt sich gut durch… sie singt, sie schreit, sie brüllt – es ist eine wahre Freude.
Sogar im gesplitteten Modus ist er nicht zu verachten. Die Kombination aus Middle-PU und gesplittetem HB klingt wirklich gut, und nicht so halbärschig wie erwartet. Nur der Pseudosinglecoil am Steg alleine haut mich nicht so wirklich um – da greife ich dann noch lieber zu meiner Fender Strat.


Fazit


Die Aristides ist keine Gitarre für Jedermann. Sie kostet 3350,- Euro (3950,- mit dem Aluminiumüberzug), lässt sich lediglich auf Messen oder bei Bekannten anspielen und hat ein polarisierendes Design.
Linkshänder sind leider komplett ausgeschlossen, und den (Holz-)Traditionalisten wird sie sowieso kaum interessieren. Trotzdem kann ich jedem nur dringend raten sie nach Möglichkeit zu testen. Ich bin sicher, dass sie überzeugen wird.
Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Keine Sorgen mehr über schlechtes Tonholz, keine Deadspots, eine höhere Festigkeit, deutlich weniger Wartung und eine Lebendigkeit und ein Sustain das seinesgleichen sucht. Somit relativiert sich der Blindkauf den ich am Anfang erwähnte. Die 010 besteht aus einem homogenen Material, womit Tonschwankungen innerhalb der Serie auszuschließen sind. Hat man eine angespielt, hat man alle angespielt – eine der wenigen Gitarren die man sich ohne bedenken blind über das Internet kaufen kann. Wer sich nicht sicher ist, hat die Möglichkeit die Gitarre nach vierzehn Tagen zurückzugeben. Die Farbe der Gitarre lässt sich frei wählen, ebenso die Pickup-Bestückung (Wobei es sich aus technischen Gründen immer um eine HSS-Bestückung handeln muss). Als Zubehör gibt es einen Koffer der wie eine PKW-Dachbox aussieht, einen hochwertig bestickten Ledergurt mit Schaller – Securitylocks und einen ausgezeichneten Kundenservice der von Fotos und Testvideos in der Produktionsphase bis zur Firmenbesichtigung reicht.

Aristides hat es mit Arium geschafft ein Material zu kreieren, welches die Sterilität und die Charakterlosigkeit von alternativen Materialien hinter sich lässt. Die 010 ist in Verarbeitung, Bespielbarkeit und Sound vorbildlich, und vielleicht sogar die erste Gitarre aus einem alternativen Stoff die in der Oberklasse mitspielt.

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Für alle User und Interessenten habe ich hier im MB eine Aristides-Gruppe gegründet.

Herstellerseite:
http://www.aristidesinstruments.com
Hier sind Soundsamples, weitere Infos und Reviews zu finden.


Anhang:
Anbei sind zwei Unpluggedaufnahmen der 010 und der Stratocaster. Leider hatte ich kein Mikrophon, weshalb ich die Dateien mit der Diktiergerätfunktion des iPhones aufnehmen musste. Ich wollte möglichst ähnliche Bedingungen schaffen, was mir aber nur teilweise gelang - zumindest ist ein ungefährer Vergleich zwischen beiden Instrumenten möglich.
 
Eigenschaft
 

Anhänge

  • Soundvergleich 010.zip
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Vielen Dank für das Review, seit dem Test in der G&B liebäugle ich auch mit einer Aristides. Das Exemplar, welches die G&B verlost hat leider ein anderer gewonnen. :(
Neue Materialien und Bauweisen faszinieren mich sehr, ich hätte mir fast eine Alu-Gitarre zugelegt (also _komplett_ Alu, inkl. Hals und Griffbrett), aber dazu waren die Tests dann doch zu negativ ("Kälteschock", Gewicht, komplett flaches Griffbrett etc.). Was das angeht ist die 010 viel praktischer.
 
Ich hab auf der Musikmesse den Bass angetestet und kann die Eindrücke nur teilen! Ein Wahnsinnsinstrument, leider kaum bezahlbar :( Ein großer Pluspunkt war für mich der Halsübergang, der wie bei NT dazu führt, das man nicht umgreifen muss und die oberen Lagen sehr angenehm zu bespielen sind. Ich wurde auch mehrfach darauf hingewiesen das die Stimmstabilität Maßstäbe setzt. In wie fern das stimmt kann ich leider nicht beurteilen, @ReinerEz kannst du da was zu sagen? Und die Damen und Herren von Aristides waren ebenfalls äußerst nett und hilfsbereit. Wer ne Frage hat, sollte sie einfach mal anschreiben, ich denke da kommt sicher etwas hilfreiches zurück. Insgesamt: :great:
 
Erstmal danke an Euch beide! (Um ehrlich zu sein, hätte ich ja fast mit etwas anderen Reaktionen gerechnet. Schließlich ist es ja scheinbar Blasphemie, etwas dem heiligen Holz gegenüberzustellen ;) )

@DerJo: Bevor ich die OIO hatte war ich es von der Fender noch gewohnt das Tremolo ja nicht zu sehr zu beanspruchen, weil nachher wieder alles leicht schräg klingt, doch das Problem gibt es bei der Aristides nicht mehr. Ich weiß auch nicht wie die es gemacht haben, aber mit dem Wilkinson kannst du wirklich in tiefste Regionen fetzen und nacher sorglos weiterspielen - ich vermiß das reguläre Floyd Rose gar nicht wirklich. Wobei ich mit der Aussage, dass es zu 100% Stimmstabil ist, doch etwas vorsichtig bin - ich sag mal, es ist zuverlässig und Bühnentauglich. Wenn es sich doch verstimmt, dann in sehr geringerem Maße - den Song kann man auf alle Fälle noch zuende spielen.

Und zur allgemeinen Stimmstabilität - teilweise reicht es locker alle paar Tage (oder länger) mal nachzustimmen. Bin in der Beziehung richtig faul geworden.
 
Ok, danke. Mir gegenüber meinte einer der Mitarbeiter, sie hätten die Instrumente vor dem Verschiffen zur Namm im Januar gestimmt und sie hätten die gesamte Namm über die Stimmung gehalten.... Erschien mir etwas unglaubwürdig. Deswegen die Nachfrage. Bin wie schon gesagt Bassist, daher juckt mich das Tremolo nicht. :p
Verdammtes GAS, langsam will ich so ein Ding.
 
Ja, das kann durchaus sein... wenn ich bei einer Jamsession oder im Unterricht bin, nehme ich das Stimmgerät oft gar mehr nicht mit. Und wenn sie sich verstimmt dann meist komplett um wenige Cent nach unten. Ich denke, dass liegt in dem Fall an der allgemeinen Temperaturauswirkung auf die Saitenspannung. Der Hals ist extrem steif, da rührt sich nichts.

Kann ich verstehen - kosten zwar ein paar Euro, aber die Dinger sind jeden Cent wert. Ich spiele Bass ja nur nebenbei für meine Produktionen, aber falls ich meinen Ibanez-Bass mal durch was hochwertigeres austauschen sollte, dann werd ich glaub ich auch zu dem greifen.
 
sehr schöner bericht Reiner :great:

jezt müßen wir uns nur noch treffen :D

nur das mit den linkshändern find ich sch***e :(
sonst würd mich die auch brennend interessieren. aber irgendwie gewöhnt man sich ja daran... :p

gruß, Marc
 
Danke für die Kekse! Ja, das machen wir... fetzt mal wieder nach Stuttgart rüber :) Kommt mir ja jetzt nach dem Frankfurt-Trip auch verhältnismäßig kurz vor ;)
 
Ich konnte auf Dauer doch nicht widerstehen, eine schwarze 010 ist nun auf dem Weg zu mir. Ich bin echt gespannt wie ein Flitzebogen. :D
 
Ich konnte meine nun auch ein paar Stunden lang spielen. Wow, ich kann die Aussagen deines Reviews nur beastätigen, ich habe zwar schon einige teure Gitarren in der Hand gehabt und zumindest probe gespielt, aber dies 010 ist meiner Meinung nach wirklich ziemlich nahe an der Perfektion: Schnelle und direkte Ansprache, massig Substain, feine Wiedergabe der Spielnuancen, Obertonreichtum dass es den Raum praktisch erleuchtet. Auch (fast) ohne Holz versprüht die Aristides einfach eine extreme "Lebendigkeit", mir fiel gestern sogar bei reinen Tonleitern die Kinnlade runter.

Das Sahnehäubchen war übrigens, dass die Gitarre trotz knapp 30 Minuten Fußmarsch bei einer Temperatur um den Nullpunkt und Schnee/Regen sowie dem vorherigen langen Weg per DHL nicht nachgestimmt werden musste. :eek:

Fazit: :great::great::great: Jeden Cent wert! :D
 
So, nach einigen Wochen möchte ich noch meine weiteren Erfahrungen mit der 010 kundtun:

Zuerst einmal: Es macht immer noch höllisch Spaß auf ihr zu spielen, die Bespielbarkeit ist durch die ergonomische Korpusforum und der Konstruktion in einem Stück einfach unvergleichlich gut, bis in die höchsten Bünde. :D Etwas überrascht war ich allerdings von der konservativen Haltung von Gitarristen in meiner Umgebung, die erste Einstellung war eigentlich durchgehend: "Was, du gibts so viel Geld für eine Gitarre aus, die nicht mal aus Holz ist?!?" :rolleyes:. Naja, Schwamm drüber...

Ich habe mich dann etwas mehr mit den Feinheiten der Aristides beschäftigt, meiner Meinung nach klingt sie doch etwas anders als Gitarren aus Holz. Die Ansprache ist so schnell wie ich es noch bei keiner anderen Gitarren erlebt habe, verbunden mit einem extrem langem Substain und einer extrem guten Obertonentfaltung. Ein bisschen erinnert mich das an ein Klavier: Taste drücken und der Ton ist direkt da. Das Klangbild ist allgemein sehr direkt und ehrlich, sie gibt genau das wieder, was man spielt und beschönigt nichts, was ich sehr sympathisch finde. An meinem THD mit EL34 klingt sie mit voll aufgedrehten Potis aber selbst am Hals-SC sehr knallig und trocken, der Volume-Poti ist hier extrem nützlich und regelt meiner Meinung nach die Höhen sogar besser und eleganter raus als der Tone-Poti: Dreht man Volume nur leicht zurück verschwindet das Knallige sofort und ein wärmerer Blueston kommt zum Vorschein. Das hebt die Qualität des Clean-Sounds noch einmal deutlich an, während verzerrt eher die volle Power gut klingt. Voll aufgedreht hat der Klang auch immer eine schöne Akustikgitarren-Note, der mich sogar eher an "volle" Akustikgitarren als eine Semisolid E-Gitarre erinnert.

Nach einigen Wochen kann ich nun ein detailliertes Fazit ziehen: Es muss nicht immer Holz sein. :cool:
Die Aristides 010 begeistert mich immer noch, bietet extrem vielseitige Möglichkeiten und einen sehr guten, schönen, obertonreichen und reinen Klang, wobei man allerdings etwas mit den Möglichkeiten der Potis und der Schaltung spielen muss, um alle Facetten kennen zu lernen. Das verwendete Material, Arium, bietet meiner Meinung nach tatsächlich eine Tonentfaltung, die man bei Holz in dieser Qualität im Allgemeinen nicht findet.
 
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