[Review Combo] - Kustom HV 100T 2x12 Hybrid

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Review des
Kustom HV 100T

Ich möchte hier diesen Combo der HV ("High Voltage" Serie) der amerikanischen Marke Kustom vorstellen, ein zweikanaliger 2x12" Hybrid Combo mit einer 12AX7 Röhre in der Vorstufe, 100W Transistor Leistungsverstärker und eingebautem 24bit Multieffekt.
Der HV 100T ist der aktuelle Nachfolger des HV 100 (der 2006 auf den Markt kam), sieht ein wenig anders aus (mit der abgerundeten Front mehr an die alten Modelle angelehnt), hat ein paar geringfügige Änderungen der Ausstattungsmerkmale und Bezeichnungen, scheint aber im wesentlichen sehr nahe an seinem eckigeren Vorgänger zu sein.

Die Änderungen sind, soweit ich das überblicke, folgende:
- Gehäuse oben gerundet
- Gehäuse rund 2.5 cm weniger tief und ein paar Millimeter niedriger und schmaler
- andere Potiknöpfe (kurze Chickenheads statt Chrome Domes)
- nominell 15db mehr Gain im Leadchannel (85 vs. 70)
- nominell 2db weniger Gain im Overdrive (4 vs. 6)
- nominell 4db mehr Leerlaufrauschen (-56 vs. -60)*
- nominell 10db schlechterer SNR (Rauschabstand)*
- nominell 2db weniger Gain in der Endstufe
- keine Ausziehbeinchen mehr zum ankippen (schade)
- möglicherweise anderes Speaker Modell (Celestion G12P 80 vs. "Special Design", was auch immer das heißen soll, könnte auch der gleiche sein)
- Bezeichnungen "EQ Mod" anstatt "Grind/Punch" sowie "Bright" anstatt "Fat/Lean" (man wird erwachsen)
- 1 Kilo leichter (22 statt 23)

* Ich würde mich nicht wundern, wenn die tatsächlichen Werte sich kaum geändert hätten, und diese stark verschlechterten Angaben bei dem neueren Modell auf genauere Messungen und mehr Ehrlichkeit zurückzuführen wären. Verstärkertechnik ist mein täglich Brot, und es würde meiner Berufserfahrung widersprechen, dass neuere Technik so deutlich schlechtere Ergebnisse erzielte, nicht aber dass man immer wieder geschönte Messwertangaben sieht und diese später still und leise korrigiert werden.

Ich habe zwar den Amp schon ein kurzes Weilchen in meinem kleinen Studio stehen, habe aber mit diesem Review noch gewartet bis mehrere unterschiedliche Gitarristen den Amp angespielt und eine Meinung geäußert haben, da ich selbst kein Spieler bin sondern ein Toni und Gelegenheitstastenbretterer.
Die Ausstattungsliste liest sich vorbildlich, kaum ein nicht-modeling Amp in dieser Preiskategorie hat mehr oder auch nur ähnlich viel zu bieten wie die "HV" Combos aus dem Hause Kustom. Leider nicht im Lieferumfang sind die Footswitches (derer man zur maximalen Kontrolle auch noch zwei verschiedene bräuchte!).

Erste Eindrücke

Auspacken, fein, es stinkt nicht nach Billigplastik, Weichmacher, Gummi oder Klebstoffen, sondern es riecht ein klein wenig nach Neuwagen, nicht aufdringlich.
Aus dem Karton heben - garnicht so schwer. Für einen 2x12er sogar wirklich nicht schwer. Mein Rücken wird es danken. Trotzdem wirkt nichts daran klapprig oder lasch, kein "Pappendeckel Gefühl". Der Gummigriff ist dick und schön abgerundet, man hat ordentlich was in der Hand. Na gut, das Logo an der Front ist nichts besonderes, Plastikreliefschild mit Mattsilberlack - kein Metall, kein Hochglanz, egal. Eine kleine matte Stelle auf dem Bezug, knapp Fingerabdruckgröße. Mal drüberpolieren... ein wenig besser, aber es bleibt sichtbar. Auch das ist mir nach kurzer Überlegung egal, denn wenn der Combo nur zwei, drei Mal zu irgendeinem Gig durch die Gegend gefahren und geschleppt wird, dann werden sich da sicher bald nochmehr Kratzer und Abschürfungen hinzugesellen. In diesem Zusammenhang muss ich auch sagen, dass dieser schwarze Gehäusebezug (Tolex, Kunstleder?) sich eindeutig etwas weicher anfühlt als ich es von Mesa oder älteren Marshalls kenne. Das mitgelieferte Stromkabel ist etwas kurz, ein 3m Kabel hätte ich sinnvoller gefunden als eines mit nur 1.80m. Ein Blick auf die Rückseite - oh, die ganzen anderen Anschlüsse sind nicht nach hinten ausgeführt, sondern unten am Verstärkermodul... aber, und das finde ich eindeutig mislungen, auf der rechten Seite (nur Strom links), wohingegen das Typenschild mit den Anschlussbezeichnungen auf der Rückseite links angebracht ist, denn rechts ist des Fensterchen für die Röhre. Man muss also zum Anschließen von Footswitches, externem Speaker oder Effektloop immer links auf das Schild gucken während man rechts an den Buchsen herumfingert. Irgendwie ziemlich beknackt, das hätte sinnvollerweise direkt über die Buchsen gehört, oder die Information auf zwei kleinere Plaketten aufgeteilt die dann passend angebracht auch Platz gehabt hätten. Der Vorteil dabei, dass die Anschlüsse nach unten ausgeführt sind, ist auch deutlich: man hat eine mit Ausnahme der Kabel selbst völlig flache Rückseite, so dass der Combo direkt an eine Wand gestellt werden kann, was den Sound nochmal deutlich ändert und auch Platz spart. Meine Soundfiles sind allerdings frei stehend aufgenommen, entsprechen also dem eigentlichen Klangcharakter des Combos.

Die Technik

Wie bereits gesagt, wir haben es mit einem gut ausgestatteten Combo zu tun, das war mir für den Betrieb primär als Studio Amp auch sehr wichtig - ich habe weder Platz noch Geld um mir für alle möglichen Variationen jeweils eigene Amps hinzustellen. Aber ich wollte auch keinen Modelling Amp, denn wenn Gitarristen ins Studio gehen, wollen 9 von 10 "echtes" Zeug, und nichts von "virtuell", DSP oder Modelling hören. Hier wird diese eine kleine Röhre in der Vorstufe auch zu einem psychologischen Faktor. Ich hätte durchaus auch die Möglichkeit, erst durch einen Röhrenchannel in einen Gitarrenpreamp und Multieffekt durchs Pult in den Rechner zu gehen, um dann dort im Mix noch eine Speaker Sim draufzulegen, und das Ergebnis wäre mit Sicherheit ebenbürtig, wenn nicht sogar besser als jeder abmikrofonierte Amp, aber der "traditionelle" Vorgang gibt dem Gitarristen nicht nur ein besseres Gefühl, sondern ist auch unterm Strich weniger Aufwand. (typisches Studioproblem)

An dem Amp findet sich nun wirklich quasi alles und vielleicht mehr, als man in der Preisklasse erwarten kann:
- 12AX7 in der Vorstufe (mit Blechmütze, Funktion statt Geprotze)
- 100W Transistorendstufe (ob es wirklich 100W sind wollte ich noch nachmessen, ist aber allemal laut)
- zwei Kanäle, Rhythm und Lead, jeweils mit eigenem passiven Dreibandequalizer, Gain, sowie Volumeregler
- der Rhythm Kanal bietet 45db Gain nominell (65 max), einen schaltbaren 4db Overdrive bei 1kHz und einen "Bright" Schalter, der nochmal deutlich Klarheit im oberen Frequenzbereich schafft
- der Lead Kanal bietet 65db Gain nominell (85 max), einen schaltbaren 10b Boost bei 1kHz und einen "EQ Mod" Schalter, der dem ganzen Preamp einen anderen, dunkleren Klang verpasst
- eine 24bit Effektunit mit 16 Effekten und Kombinationen, die über einen Regler (wie mir scheint) bis maximal 50/50 zugemischt werden kann, und einen Tap/Toggle Taster zum anpassen
- ein regelbarer 10db Linear Boost als letzte Instanz vor der Endstufe
- ein nicht schaltbarer, serieller Effektloop der sein Signal hinter der internen Effektunit abgreift. Der Send kann auch als Preamp Out genutzt werden ohne den Combo damit zu muten (dafür müsste man einfach einen Blindstecker oder stumme Leitung in den Return stecken, dann wäre Ruhe und man hätte eine reine Preamp Nutzung)
- ein Direct Out Anschluß, der hinter der Endstufe abgreift und eine Speaker Simulation (nicht schaltbar) beinhaltet
- ein CD/Line Eingang, der direkt in die Endstufe geht (vorsicht wieviel Pegel man dort hineinschickt!)
Hab ich was vergessen?
- na klar, external Speaker Anschluß. Wenn man mal ne andere Box bevorzugt, die internen Speaker werden dann nicht verwendet. Nicht unter 4 Ohm.
- Footswitch Anschlüsse für Kanalumschaltung, Effekt an/aus, sowie Effekt Toggle/Tap, und sogar Overdrive on/off, dafür bietet Kustom allerdings eigene Produkte an denn es kann nicht alles verwendet werden.
...
was denn noch? hm, 3 Kopfhörerausgänge, Kaffee und Eiswürfelmaschine, Digital TV tuner... nein, so weit gehts nun doch nicht. Aber es ist auch so schon ganz ordentlich.

Meinungen

Drei verschiedene Gitarristen, mit unterschiedlichem Geschmack, Prägung, sowie Erfahrungsschatz haben den Amp angespielt, und alle haben als eines der deutlichsten Merkmale genannt, wie schnell der Amp anspricht. Ebenso sind sich alle einig dass er wirklich recht vielseitig ist und einen ausgesprochen anständigen Grundsound bietet. Mir selbst ist dabei vor allem aufgefallem, wie extrem der Amp seinen Klang mit der Technik der Gitarre ändert. Spielt man eine klassische passive Strat, ist der Ton selbst im Leadkanal eher schmal und "Bluesig", während mit einer Metalaxt mit aktiven Humbuckern auch im Rhythmkanal ein echtes Donnerwetter zu holen ist. Was der Amp definitiv nicht gut kann, ist moderner Metalsound, das typische Heavy Gerumpel oder super High Gain Gefiedel. War mir aber auch nicht wichtig, denn die meisten dieser extremen Sounds werden auch über passende Tretminen und Preamps gemacht. Vielleicht könnte ein externer Speaker auch noch was bringen.
Für alles andere jedenfalls macht dieser Combo eine sehr gute Figur, von fast schon Fender-qualitativem Cleansound (vor allem bei Zuhilfenahme der Effektunit), über milde bröselnden Slow Blues, Hard Rock Rhythm, bis hin zu schönen kontrollierten Classic Rock Leads und Southern Rock Zerre ist alles glaubwürdig machbar, und sogar clean bequem laut genug für den normalen Bandabend oder kleine Gigs.
**
Die Regler fühlen sich gut an, angenehm leichtgängig, nichts wackelt, alles sitzt gerade und sauber verarbeitet an seinem Platz. Es hat zumindest den Anschein, dass dem Aufdruck auf dem Karton Genüge getan wird, der da sagt "Designed in the USA, expertly made in China". Von billiger, schlampig verarbeiteter Massenware keine Spur (mit Ausnahme der weiter oben erwähnten Kleinigkeiten), ein wertiges Produkt. Sicher, hätte der Amp das vierfache gekostet wäre ich möglicherweise doch pingeliger und hätte den Fleck moniert, aber nicht in der 500 Euro Klasse bei dem Gegenwert. Wie es nach 5 oder 10 Jahren aussieht, wird sich noch zeigen, aber der Hersteller hat doch auf jeden Fall einen Ruf zu verlieren, wenngleich man hierzulande nur sehr wenig von Kustom zu sehen, respektive zu hören bekommt.
Die Effektunit, wenn gleich sicher nicht mit den besten ihrer Art auf einer Stufe, ist zumindest allemal gut genug für die "Brot und Butter" Ausstattung, selbst unter Studiobedingungen. Der Rotary ist nicht ernstlich brauchbar, und vor allem das Auto Wah kann man völlig in die Tonne kloppen, weil es sich nicht an einem Envelope Follower orientiert sondern nur per LFO gesteuert wird, ein echter Witz und bestenfalls für einen einmaligen Gimmick Sound Effekt zu brauchen. Richtig gut hat mir hingegen der Spring Reverb gefallen, und auch Chorus und Delay/Reverb Kombieffekte stellen ihre Existenzberechtigung unter Beweis.
Die Handhabung der Effekteinstellung könnte einfacher nicht sein. Der Tap/Toggle Taster dient zur Eingabe von Delayzeiten, Nachhallzeit oder eben Modulationsgeschwindigkeit, und ist sofort mit dem ausgewählten Effekt gespeichert, auch wenn man dazwischen mal einen anderen Effekt einstellt oder den Amp vom Strom nimmt. Schlichtweg idiotensicher, top! Aktiv/Bypass Schalter und ein Regler zum Beimischen, mehr gibts nicht. Wer damit überfordert ist, sollte ernsthaft über ein anderes Hobby nachdenken oder sich gleich eine Schaufel nehmen...

Fazit

Ich bin schon jetzt sehr zufrieden. Ich glaube, ich hatte ein gutes Händchen bei der Auswahl dieses Combos für meine Zwecke. Je mehr ich mich mit Gitarren auseinandersetze, desto mehr ärgere ich mich, dass ich nie spielen gelernt habe, mit so einem Amp würde es mir auf jeden Fall Spaß machen. Vor allem im klanglichen Bereich zwischen Clean bis kernigem Overdrive Rock Sound ist der Amp am besten. Der Rhythm Kanal ist eine Pracht, großartige Abstimmung, dynamisch sensibel, deutlich konturiert, wuchtig. Der Leadkanal ist ebenfalls aller Ehren wert, könnte einzeln betrachtet aber offener und druckvoller klingen und wirkt im direkten Gegensatz zum Rhythmkanal ohne extrem Einstellung etwas blass, jedenfalls in der Aufnahme. Im Bandkontext, respektive Mix, setzt sich der Combo gut in Szene, und hier ist dann auch der Leadkanal sehr viel besser integriert und schneidet mühelos durch die Konkurrenz. Es wären noch Versuche mit verschiedenen Bodentretern für eine größere Vielfalt interessant, aber ich es soll ja nur um den Combo selbst gehen. Wenn man etwas sucht was kein Vermögen kostet, aber trotzdem hohe Ansprüche stellt, und das ganze dann eventuell auch noch öfter mal durch die Gegend schleppen muss und dabei technisch unanfällig sein soll, dann ist der Kustom HV auf jeden Fall eine Überlegung wert - wenn man nicht gerade vornehmlich die finsteren NuMetal oder Higain Screamer Sounds erwartet ohne passende Peripherie mitnehmen zu wollen.

Hersteller: Kustom Musical Amplification, Hebron, Kentucky
Homepage: http://www.kustom.com/

Vertrieb in Deutschland über: Warwick GmbH, Markneukirchen
aktueller Preisbereich: unter 580 Euro, wird sich wohl bald bei etwa 500 einstellen
Wo? Selber suchen. :D

Heißer Tip: den HV100, also den Vorgänger, gibt es derzeit verbreitet als Restpostenschnäppchen für nur etwa 370 Euro, mehr Amp für das Geld geht glaube ich nicht. Aber da der weniger Gain hat ist er noch weniger für Metaller geeignet.


** Die Soundschnipsel habe ich noch nicht fertig geschnitten, kommt aber vielleicht noch heute abend, spätestens aber dieses Wochenende, dann könnt ihr euch ein eigenes Bild machen.

Nachtrag:
Früher oder später werde ich es mir nicht nehmen lassen, mal aufzuschrauben und auch einen Blick ins Innere zu werfen, vielleicht mal andere Röhren zu probieren oder etwas Circuit Pfusching, aber vorerst gibt es noch vieles auf normalen Wege auszuprobieren. Beispielsweise das an-die-Wand-stellen oder andere Boxen, oder das Direct Out Signal (das ich zu meiner Schande bei den Probeaufnahmen völlig vergessen habe, aber den Test hole ich schnellstmöglich nach)

So, oft werde ich so umfangreiche Reviews sicher nicht schreiben. Wenn's noch länger geworden wäre, hätte man am Ende den Anfang wieder vergessen...
cheers,
Joe

PS.: Rechtschreibfehler sind recyclebares Material und werden NICHT gegen Finderlohn zurückgenommen.
 
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Top! Super gemacht. Gibt auch gleich ne gute bewertung. Wo sind eigentlich die ganzen aus und eingänge? Könntest du davon eventuel auch bilder machen?

Ich freue mich schon sehr auf die soundsamples.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Sieht man doch auf der Rückansicht... gut versteckt, rechts neben den Kühlrippen. Der Input ist oben bei den Controls.
Und an Samples versuch ich heut noch was zurechtzumachen, ich mach mich gleich auf den Weg.
 
:eek:
Asche auf mein Haupt - 4 Monate vergangen und ich hab noch immer keine Hörbeispiele nachgereicht... aber zumindest kann ich wahrheitsgemäß sagen, dass ich deswegen doch ein mieses Gewissen habe. Was aber nichts daran ändert, dass ich auch in der nächsten Zeit wohl nicht dazu kommen werde etwas zurechtzuschneiden. Aber es ist nicht vergessen und wird noch passieren.
:rolleyes:
 

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