S
Seven 11
Gesperrter Benutzer
Marble Bluebird modifizierter 5E3 Tweed Clone Test
Ein bisschen Vorgeschichte:
Dass es englische, amerikanische und kalifornische Amps gibt dürfte jenen die sich ein wenig intensiver mit Amps beschäftigt haben ein Begriff sein. Klar auch dass diese Klientel ihren Amp nicht vordergründig als Lautmacher begreifen, sondern als ein klangbildendes Instrument welchem je nach persönlicher Gewichtung mindestens soviel Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird wie der angeschlossenen Gitarre und den spielerischen Fähigkeiten.
Die kalifornische Abteilung "Fender Clean" untergliedert sich zudem noch in die Tweed und Blackface Fraktion. Ich hatte bislang in erster Linie mit BF Modellen zu tun weil ich deren Reverb als unverzichtbares Feature empfunden habe....und auf gewisse Weise dauert dieser Anspruch bis heute an, wenngleich rückblickend weniger massiv als vor einem Jahr. Das Tremolo der BF Fenders mag heute weniger zwingend als Kaufargument auf dem Zettel stehen als vor fünfzig Jahren. Ein beeindruckender Effekt bleibt es dennoch und Old School Gitarristen werden dieses Feature gern an Bord haben.
Mein Wunsch einen Tweed Amp mein eigen zu nennen generierte sich aus zweierlei Motivation heraus. Zum Einen war ich mit meinem frisch gebackenem Deluxe Reverb Reissue welchen ich PTP verdrahtet habe unzufrieden ( dazu später mehr ) und zum Anderen haben es mir die Tweed Modelle aus meinem Super Champ XD welchen ich nach wie vor für einen fantastischen Einsteiger und Practice Amp halte Lust auf ein Vollröhrenmodell gemacht.
Meine Wunschliste war zu diesem Zeitpunkt wenig konsistent. Einerseits hätte es z.B. ein fünf Watt starkes Modell mit 12" Speaker wie von TAD oder Victoria angeboten getan. Andererseits hätte ich mir dann, wenn dieser Amp mein ausschliesslicher oder Hauptamp hätte werden sollen ein paar Features mehr gewünscht.
Angesichts dieser Zwickmühle habe ich meiner Suche ein paar Parameter hinzuaddiert welche mir die Wahl für das richtige Modell zwar nicht erleichterten, wohl aber einen guten Teil der verfügbaren Amps durchs Raster fallen liess.Einer der heissesten Anwärter war ohne Zweifel der Cornell Romany Plus. Mit 20 Watt in der exakt richtigen Leistungsklasse für Clubs hat er auch noch einen vierstufigen Powersoak im Angebot welcher ihn für das Spielen zuhause und im Studio prädestiniert. Damit nicht genug, auch ein Hall ist mit von der Partie. Der Preis ist moderat, die Optik ein wenig vom Vorbild abweichend, aber in der Summe ein kaum schlagbarer Amp. Einzig die fehlende Röhrengleichrichtung hatte ich als Manko auf dem Zettel.
Der MEK, welcher sich recht sklavisch am Original orientiert wäre mit knapp € 900 konkurrenzlos günstig gewesen, wird aber nicht mehr angeboten. Dem Tweedsound 15 habe ich aufgrund des weniger attraktiven Preis- Leistungsverhältnisses eine Absage erteilt.
Die Originalreplik empfand ich für knapp € 1800 als zu teuer zumal deren Features angesichts dessen was die Konkurrenz bietet unmissverständlich das Nachsehen hat. Klar, wer den Wiederverkaufswert im Sinn hat wird dem grossen "F" eine höhere Priorität einräumen, wer dem soliden Arbeitstier den Vorzug gibt hat möglicherweise abweichende Prioritäten.
Dann will ich endlich zu meinem Kandidaten kommen, dem Marble Bluebird.
Äusseres: Der Marble Bluebird ist ein Class A 5E3 Tweed Clone mit ein paar richtungsweisenden Modifikationen. Rein Äusserlich ist er dem Original zum Verwechseln ähnlich. Ein lackiertes Tweed Gehäuse aus massiver Pinie beherbergt einen 12" Speaker, wobei der holländische Hersteller dem Käufer drei Konfigurationen anbietet. Ausgehend von der Standardbestückung variiert das Angebot hin zum Celestion Heritage G12-30H 70th Anniversary bis zum Weber VST Alnico Bluedog mit entsprechend preislicher Staffelung. Mein Amp wird zum Schluss mit einem Celestion Gold Bulldog bestückt sein. Aber soweit ist es noch nicht....Ein gewohnt brauner Bespannstoff schützt den Speaker weitestgehend vor Beschädigungen. Recht selbstbewusst prangt ein Typenschild an der Front des Amps welches von der üblichen Charakteristik eines schmalen bedruckten Blechstreifens abweicht.
Der Amp ist unter Verwendung hochwertigster Teile handverdrahtet und bietet die Möglichkeit unterschiedlicher Röhrenbestückungen. Gemäss Herstellerangaben leistet er ausgestattet mit 6L6 Röhren und einer 5AR4 Gleichrichterröhre ca. 28 Watt. Ohne weitere Einstellarbeiten soll er sich vermittels 5Y3GT Gleichrichterröhre und 6V6 Röhren auf moderate 15 Watt Endstufenleistung herunterregeln lassen was für mich eines DER Kaufargumente war. In der Vorstufe arbeiten die alten Bekannten 12AX7 und 12AT7. Wer Lust auf weniger Gain hat darf hier auch mit outpuschwächeren 5751 zu Werke gehen. Aus meiner Sicht wäre dieser Schritt nur für Jazzer mit dem Anspruch auf sehr hohe Endlautstärke sinnvoll.
Tatsächlich funktioniert solcher Endstufenwechsel nebst Gleichrichterröhre ohne dass der Amp seine Funktionalität einbüsst.....dennoch bin ich mir sicher dass ein erneutes Einmessen auf den entsprechenden Endstufenröhrentyp signifikante Qualitätsverbesserungen mit sich bringen könnte. Mein Amp wurde als gebrauchtes Teil gemäss meiner Vorlieben mit 6V6 Röhren ausgeliefert. Ich liebe den spezifischen Klang dieser Röhren. Zudem habe ich gleich zwei Paar NOS RCA's in der Schublade welche ich theoretisch verfüttern könnte. Warum ich dies unterlasse kommt später.....
Ein Blick auf das verchromte Bedienpanel offenbart den gewichtigsten Unterschied zur historischen Vorlage. Neben dem Low und High Input finden die üblichen Chicken Head Knobs mit den Bezeichungen Volume, Bass, Treble UND Reverb Platz auf der Chromleiste. Eine Sicherung, die Pilot Lamp und die obligatorischen Power und STBY Schalter komplettieren die Ansicht von Oben.
Kommen wir zur Praxis: Mein erster Eindruck zum Sound war ernüchternd. Nicht etwa dass er schlecht klang. Aber DIE Assoziation die ich im Zusammenhang mit einem Tweed Amp erwartete war im ersten Moment nicht zugegen. Ich hab dann mal in den "Mädchen Modus" umgeschaltet und für mich untypisch die Bedienungsanleitung gelesen. War ne gute Idee.
Denn: Ganz so wie ich es dem einzigen Harmonx Central Review entnehmen konnte hat der Marble mehr von Allem !
Das heisst letztlich nix Anderes als dass er da anfängt wo andere Tweed Amps beginnen. Die Bedienungsanleitung weist die Stellung des nicht vorhandenen Middle Reglers auf Stellung 5 - 6 aus. Dreht man nun beim Bluebird sowohl den Bass- als auch den Höhenregler auf Null.....habe ich exakt den typischen Tweed Sound welchen ich von meinem verflossenen Tweed Vibrolux kenne. Und dies erstaunlicherweise ohne dass auch nur der Furz an Höhen fehlen würde. Der Vibro klang aufgrund seiner 10" Speakerbestückung natürlich ein wenig topfiger, aber der Marble ist so schon auf der richtigen Spur unterwegs.
Dreht man nun mehr Höhen und Bässe rein verliert der Amp zwar nicht seine Charkteristik....das typisch Mittige und durchsetzungsfähige Spektrum bleibt erhalten, bekommt aber Anteile welchen ihn zu mehr als seiner Domäne befähigen. Der Klang bleibt in Anteilen klar an das Erdige, Kräftige, Raue und von kerniger, knochentrockener teils brutal anmutender Offenheit behafteten Spektrum gebunden, gewinnt aber genreübergreifende Qualitäten hinzu. Gerade der verzerrte Ton profitiert stark von diesen Eigenschaften. Ganz anders als ein mit Vorsicht zu geniessender Deluxe Reverb der im Bassbereich gern mal sägt wenn mans mit dem Volume übertreibt lässt sich hier auch voll aufgerissen nach Herzenslust abrocken. Dabei ist die mit Humbuckern bestückte Gitarre auf rockigem Terrain sicherlich bevorzugt unterwegs. Strat und Tele verlangen nach ein wenig Unterstützung. Der Bluebird verträgt sich hervorragend mit Pedalen.
Mein Pedalbord stellt mir neben Comp und Wah welche seltener zum Einsatz kommen vor Allem ein Röhrenzerrpedal, einen EHX Memoryman ( analog Delay, Chorus und Vibrato ) und den unverzichtbaren Looper zur Verfügung. Zumeist ist allein die Zerre im Einsatz. Manchmal ist mein Cooltron Pedal hier auch nur als Booster unterwegs weil sein Eigenklang die Qualitäten des Amps überdecken könnte....
Anders als bei originären Fenders gewohnt gestaltet sich das Aufmachen das Lautstärkeregelers am Amp als lineare Offenbarung. Jeder der mit Fender Röhrenamps mal zu tun hatte kennt das Phänomen dass ab Reglerstellung 3 - 4 das Maximum der Lautstärke erreicht ist, danach lediglich die Zerrintensität und Kompression zunehmen. Ganz anders der Marble: Bei Stellung 3 ist der auch so leise wie eine Drei....bis ca. Stellung sechs bleibt es mit SC's Clean, wird aber deutlich lauter....bei Stellung neun wird es richtig feist und fett und geht in Richtung Röhrensättigung....auf Stellung 12 stellt sich dann wirklich amtliches Overdrive,oder je nach PU Typ Distortion ein. Dass der Amp dann mit 15 Watt angemessen brüllt bedarf wohl kaum der Erwähnung. Die Class A Schaltung beschert diesem Amp ein besonders reiches und lebendiges Obertonspektrum welches gerade im Zerrbetrieb gefällig in harmonische Obertöne kippt. Auch reagiert er entsprechend sensibel auf dynamisches Spiel, dies aber auch im cleanen Modus.
Die Klangregelung ist wie bereits angedeutet weit mehr als zu subtilen Korrekturen fähig, sie greift je nach Reglerstellung recht massiv ins Klanggeschehen ein. Auch die Intensität der Verzerrung hängt massgeblich von deren Stellung ab bzw. nimmt mit dem Aufmachen der Tonregler signifikant zu.
Das Reverb gefällt mir bei meinem Deluxe Reverb besser, soll aber die grundsätzliche Anwesenheit im Marble keineswegs schmälern. Man hat auch hier definitiv gutes Zeug verarbeitet. Der Marble ist entsprechend seiner historischen Identität konsequent mittiger ausgelegt als der BF Deluxe Reverb was ihn und hier bin ich vorschnell beim anteiligen Fazit besonders für explizite Aufgaben ausweist: Ich kann mir für den Vintage Fan und den Old School Gitarristen dessen primärer Fokus in der Bandarbeit liegt kaum einen besseren Amp vorstellen. Noch einmal erwähne ich hier seine ausgewiesene Kompatibilität zu Pedalen. Gerade im Verbund mit einem guten Zerrpedal potenzieren sich die Anwendungsmöglichkeiten enorm. Aber auch analoge Modulationseffekte hinterlassen einen absolut nachhaltigen Eindruck.
Ich hatte Eingangs angedeutet dass ich nochmal auf meinen PTP Deluxe zurückkommen würde. Man mag mir verzeihen dass es etwas Offtopic anmutet, aber es passt gut in diesen Kontext.
Diese beiden auf gewisse Weise seelenverwandte Deluxes bilden ein unschlagbares Team.
Der BF Deluxe ist meine allerallererste Wahl wenn ich alleine spiele. Hatte ich anfangs noch Vorbehalte gegen ihn so haben sich nach dessen Einspielzeit alle Meckeranteile ins schönste Gegenteil verkehrt. Das Umrüsten eines DDRI auf PTP lohnt absolut. Dass ein Speaker eingespielt werden muss ist bekannt.....die internen Bauteile verlangen dem Benutzer ähnlich viel Geduld ab. Wenn man die Einspielzeit hinter sich gebracht hat bekommt man es mit einem völlig neuen extrem organischen Amp zu tun gegen welchen der Stock Amp wie ne digitale HiFi Kiste anmutet. Er überwältigt von da an mit dem typisch bauchigen Vintage Sound welcher die Originale so sündhaft teuer macht. Diese Info ist für Boardmitglieder welchen ich in episch geführten Beiträgen bereits begegnet bin .
Fazit Marble:
Der Marble Bluebird ist ein schlichter Amp der Superlative. Er bringt kleinste spielerische Details an die Oberfläche und inspiriert zu besserem und disziplinierterem Spiel. Seine grössten Stärken offenbart er für mein Dafürhalten im Bandkontext. Hier ist er angesichts seiner tendeziell mittigen Ausrichtung im Zusammenhang mit seiner wirkunsgvollen Klangregelung kaum zu toppen. Nochmal zur Erinnerung: Diese Aussage gilt für Blues, Jazz, Soul, Country, Funk, Classic Rock, Pop. Der Roots Player ist mit solchem Amp am Besten bedient. Überraschend hierbei ist, und dies gilt für alle besseren Tweed Amps dass sie sowohl Clean, als auch verzerrt punkten können. Mich erstaunt es immer wieder dass ausgerechnet simple Einkanaler eine solche Palette an Sounds und Anwendungsmöglichkeiten offerieren. Das Konzept wenige, aber hochwertige Bauteile zu verwenden geht voll auf.
Rein äusserlich transportiert der Amp das Flair der Fiveties in die Jetztzeit, wartet aber mit Features auf welche moderne Musiker an ihr Equipment stellen. Die Möglichkeit der Anpassung an unterschiedliche räumliche Gegebenheiten ( 15 oder 28 Watt ) verhilft diesem vermeintlich rudimentären Amp ins oberste Regal. Das schon erwähnte Reverb ist ein Kaufargument mehr, die PTP Verdrahtung das Sahnehäubchen. Die Verwendung von NOS Röhren brachte bei mir keinen so bemerkenswerten Vorsprung als dass ich mir diese teuren Schätzchen von der stärker verschleissenden Class A Schaltung verheizen liesse.
Toller Amp, welcher gemessen an den marktüblichen Boutiquepreisen unmissverständlich als Schnäppchen daherkommt! Pics liefere ich nach.....
Ein bisschen Vorgeschichte:
Dass es englische, amerikanische und kalifornische Amps gibt dürfte jenen die sich ein wenig intensiver mit Amps beschäftigt haben ein Begriff sein. Klar auch dass diese Klientel ihren Amp nicht vordergründig als Lautmacher begreifen, sondern als ein klangbildendes Instrument welchem je nach persönlicher Gewichtung mindestens soviel Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird wie der angeschlossenen Gitarre und den spielerischen Fähigkeiten.
Die kalifornische Abteilung "Fender Clean" untergliedert sich zudem noch in die Tweed und Blackface Fraktion. Ich hatte bislang in erster Linie mit BF Modellen zu tun weil ich deren Reverb als unverzichtbares Feature empfunden habe....und auf gewisse Weise dauert dieser Anspruch bis heute an, wenngleich rückblickend weniger massiv als vor einem Jahr. Das Tremolo der BF Fenders mag heute weniger zwingend als Kaufargument auf dem Zettel stehen als vor fünfzig Jahren. Ein beeindruckender Effekt bleibt es dennoch und Old School Gitarristen werden dieses Feature gern an Bord haben.
Mein Wunsch einen Tweed Amp mein eigen zu nennen generierte sich aus zweierlei Motivation heraus. Zum Einen war ich mit meinem frisch gebackenem Deluxe Reverb Reissue welchen ich PTP verdrahtet habe unzufrieden ( dazu später mehr ) und zum Anderen haben es mir die Tweed Modelle aus meinem Super Champ XD welchen ich nach wie vor für einen fantastischen Einsteiger und Practice Amp halte Lust auf ein Vollröhrenmodell gemacht.
Meine Wunschliste war zu diesem Zeitpunkt wenig konsistent. Einerseits hätte es z.B. ein fünf Watt starkes Modell mit 12" Speaker wie von TAD oder Victoria angeboten getan. Andererseits hätte ich mir dann, wenn dieser Amp mein ausschliesslicher oder Hauptamp hätte werden sollen ein paar Features mehr gewünscht.
Angesichts dieser Zwickmühle habe ich meiner Suche ein paar Parameter hinzuaddiert welche mir die Wahl für das richtige Modell zwar nicht erleichterten, wohl aber einen guten Teil der verfügbaren Amps durchs Raster fallen liess.Einer der heissesten Anwärter war ohne Zweifel der Cornell Romany Plus. Mit 20 Watt in der exakt richtigen Leistungsklasse für Clubs hat er auch noch einen vierstufigen Powersoak im Angebot welcher ihn für das Spielen zuhause und im Studio prädestiniert. Damit nicht genug, auch ein Hall ist mit von der Partie. Der Preis ist moderat, die Optik ein wenig vom Vorbild abweichend, aber in der Summe ein kaum schlagbarer Amp. Einzig die fehlende Röhrengleichrichtung hatte ich als Manko auf dem Zettel.
Der MEK, welcher sich recht sklavisch am Original orientiert wäre mit knapp € 900 konkurrenzlos günstig gewesen, wird aber nicht mehr angeboten. Dem Tweedsound 15 habe ich aufgrund des weniger attraktiven Preis- Leistungsverhältnisses eine Absage erteilt.
Die Originalreplik empfand ich für knapp € 1800 als zu teuer zumal deren Features angesichts dessen was die Konkurrenz bietet unmissverständlich das Nachsehen hat. Klar, wer den Wiederverkaufswert im Sinn hat wird dem grossen "F" eine höhere Priorität einräumen, wer dem soliden Arbeitstier den Vorzug gibt hat möglicherweise abweichende Prioritäten.
Dann will ich endlich zu meinem Kandidaten kommen, dem Marble Bluebird.
Äusseres: Der Marble Bluebird ist ein Class A 5E3 Tweed Clone mit ein paar richtungsweisenden Modifikationen. Rein Äusserlich ist er dem Original zum Verwechseln ähnlich. Ein lackiertes Tweed Gehäuse aus massiver Pinie beherbergt einen 12" Speaker, wobei der holländische Hersteller dem Käufer drei Konfigurationen anbietet. Ausgehend von der Standardbestückung variiert das Angebot hin zum Celestion Heritage G12-30H 70th Anniversary bis zum Weber VST Alnico Bluedog mit entsprechend preislicher Staffelung. Mein Amp wird zum Schluss mit einem Celestion Gold Bulldog bestückt sein. Aber soweit ist es noch nicht....Ein gewohnt brauner Bespannstoff schützt den Speaker weitestgehend vor Beschädigungen. Recht selbstbewusst prangt ein Typenschild an der Front des Amps welches von der üblichen Charakteristik eines schmalen bedruckten Blechstreifens abweicht.
Der Amp ist unter Verwendung hochwertigster Teile handverdrahtet und bietet die Möglichkeit unterschiedlicher Röhrenbestückungen. Gemäss Herstellerangaben leistet er ausgestattet mit 6L6 Röhren und einer 5AR4 Gleichrichterröhre ca. 28 Watt. Ohne weitere Einstellarbeiten soll er sich vermittels 5Y3GT Gleichrichterröhre und 6V6 Röhren auf moderate 15 Watt Endstufenleistung herunterregeln lassen was für mich eines DER Kaufargumente war. In der Vorstufe arbeiten die alten Bekannten 12AX7 und 12AT7. Wer Lust auf weniger Gain hat darf hier auch mit outpuschwächeren 5751 zu Werke gehen. Aus meiner Sicht wäre dieser Schritt nur für Jazzer mit dem Anspruch auf sehr hohe Endlautstärke sinnvoll.
Tatsächlich funktioniert solcher Endstufenwechsel nebst Gleichrichterröhre ohne dass der Amp seine Funktionalität einbüsst.....dennoch bin ich mir sicher dass ein erneutes Einmessen auf den entsprechenden Endstufenröhrentyp signifikante Qualitätsverbesserungen mit sich bringen könnte. Mein Amp wurde als gebrauchtes Teil gemäss meiner Vorlieben mit 6V6 Röhren ausgeliefert. Ich liebe den spezifischen Klang dieser Röhren. Zudem habe ich gleich zwei Paar NOS RCA's in der Schublade welche ich theoretisch verfüttern könnte. Warum ich dies unterlasse kommt später.....
Ein Blick auf das verchromte Bedienpanel offenbart den gewichtigsten Unterschied zur historischen Vorlage. Neben dem Low und High Input finden die üblichen Chicken Head Knobs mit den Bezeichungen Volume, Bass, Treble UND Reverb Platz auf der Chromleiste. Eine Sicherung, die Pilot Lamp und die obligatorischen Power und STBY Schalter komplettieren die Ansicht von Oben.
Kommen wir zur Praxis: Mein erster Eindruck zum Sound war ernüchternd. Nicht etwa dass er schlecht klang. Aber DIE Assoziation die ich im Zusammenhang mit einem Tweed Amp erwartete war im ersten Moment nicht zugegen. Ich hab dann mal in den "Mädchen Modus" umgeschaltet und für mich untypisch die Bedienungsanleitung gelesen. War ne gute Idee.
Denn: Ganz so wie ich es dem einzigen Harmonx Central Review entnehmen konnte hat der Marble mehr von Allem !
Das heisst letztlich nix Anderes als dass er da anfängt wo andere Tweed Amps beginnen. Die Bedienungsanleitung weist die Stellung des nicht vorhandenen Middle Reglers auf Stellung 5 - 6 aus. Dreht man nun beim Bluebird sowohl den Bass- als auch den Höhenregler auf Null.....habe ich exakt den typischen Tweed Sound welchen ich von meinem verflossenen Tweed Vibrolux kenne. Und dies erstaunlicherweise ohne dass auch nur der Furz an Höhen fehlen würde. Der Vibro klang aufgrund seiner 10" Speakerbestückung natürlich ein wenig topfiger, aber der Marble ist so schon auf der richtigen Spur unterwegs.
Dreht man nun mehr Höhen und Bässe rein verliert der Amp zwar nicht seine Charkteristik....das typisch Mittige und durchsetzungsfähige Spektrum bleibt erhalten, bekommt aber Anteile welchen ihn zu mehr als seiner Domäne befähigen. Der Klang bleibt in Anteilen klar an das Erdige, Kräftige, Raue und von kerniger, knochentrockener teils brutal anmutender Offenheit behafteten Spektrum gebunden, gewinnt aber genreübergreifende Qualitäten hinzu. Gerade der verzerrte Ton profitiert stark von diesen Eigenschaften. Ganz anders als ein mit Vorsicht zu geniessender Deluxe Reverb der im Bassbereich gern mal sägt wenn mans mit dem Volume übertreibt lässt sich hier auch voll aufgerissen nach Herzenslust abrocken. Dabei ist die mit Humbuckern bestückte Gitarre auf rockigem Terrain sicherlich bevorzugt unterwegs. Strat und Tele verlangen nach ein wenig Unterstützung. Der Bluebird verträgt sich hervorragend mit Pedalen.
Mein Pedalbord stellt mir neben Comp und Wah welche seltener zum Einsatz kommen vor Allem ein Röhrenzerrpedal, einen EHX Memoryman ( analog Delay, Chorus und Vibrato ) und den unverzichtbaren Looper zur Verfügung. Zumeist ist allein die Zerre im Einsatz. Manchmal ist mein Cooltron Pedal hier auch nur als Booster unterwegs weil sein Eigenklang die Qualitäten des Amps überdecken könnte....
Anders als bei originären Fenders gewohnt gestaltet sich das Aufmachen das Lautstärkeregelers am Amp als lineare Offenbarung. Jeder der mit Fender Röhrenamps mal zu tun hatte kennt das Phänomen dass ab Reglerstellung 3 - 4 das Maximum der Lautstärke erreicht ist, danach lediglich die Zerrintensität und Kompression zunehmen. Ganz anders der Marble: Bei Stellung 3 ist der auch so leise wie eine Drei....bis ca. Stellung sechs bleibt es mit SC's Clean, wird aber deutlich lauter....bei Stellung neun wird es richtig feist und fett und geht in Richtung Röhrensättigung....auf Stellung 12 stellt sich dann wirklich amtliches Overdrive,oder je nach PU Typ Distortion ein. Dass der Amp dann mit 15 Watt angemessen brüllt bedarf wohl kaum der Erwähnung. Die Class A Schaltung beschert diesem Amp ein besonders reiches und lebendiges Obertonspektrum welches gerade im Zerrbetrieb gefällig in harmonische Obertöne kippt. Auch reagiert er entsprechend sensibel auf dynamisches Spiel, dies aber auch im cleanen Modus.
Die Klangregelung ist wie bereits angedeutet weit mehr als zu subtilen Korrekturen fähig, sie greift je nach Reglerstellung recht massiv ins Klanggeschehen ein. Auch die Intensität der Verzerrung hängt massgeblich von deren Stellung ab bzw. nimmt mit dem Aufmachen der Tonregler signifikant zu.
Das Reverb gefällt mir bei meinem Deluxe Reverb besser, soll aber die grundsätzliche Anwesenheit im Marble keineswegs schmälern. Man hat auch hier definitiv gutes Zeug verarbeitet. Der Marble ist entsprechend seiner historischen Identität konsequent mittiger ausgelegt als der BF Deluxe Reverb was ihn und hier bin ich vorschnell beim anteiligen Fazit besonders für explizite Aufgaben ausweist: Ich kann mir für den Vintage Fan und den Old School Gitarristen dessen primärer Fokus in der Bandarbeit liegt kaum einen besseren Amp vorstellen. Noch einmal erwähne ich hier seine ausgewiesene Kompatibilität zu Pedalen. Gerade im Verbund mit einem guten Zerrpedal potenzieren sich die Anwendungsmöglichkeiten enorm. Aber auch analoge Modulationseffekte hinterlassen einen absolut nachhaltigen Eindruck.
Ich hatte Eingangs angedeutet dass ich nochmal auf meinen PTP Deluxe zurückkommen würde. Man mag mir verzeihen dass es etwas Offtopic anmutet, aber es passt gut in diesen Kontext.
Diese beiden auf gewisse Weise seelenverwandte Deluxes bilden ein unschlagbares Team.
Der BF Deluxe ist meine allerallererste Wahl wenn ich alleine spiele. Hatte ich anfangs noch Vorbehalte gegen ihn so haben sich nach dessen Einspielzeit alle Meckeranteile ins schönste Gegenteil verkehrt. Das Umrüsten eines DDRI auf PTP lohnt absolut. Dass ein Speaker eingespielt werden muss ist bekannt.....die internen Bauteile verlangen dem Benutzer ähnlich viel Geduld ab. Wenn man die Einspielzeit hinter sich gebracht hat bekommt man es mit einem völlig neuen extrem organischen Amp zu tun gegen welchen der Stock Amp wie ne digitale HiFi Kiste anmutet. Er überwältigt von da an mit dem typisch bauchigen Vintage Sound welcher die Originale so sündhaft teuer macht. Diese Info ist für Boardmitglieder welchen ich in episch geführten Beiträgen bereits begegnet bin .
Fazit Marble:
Der Marble Bluebird ist ein schlichter Amp der Superlative. Er bringt kleinste spielerische Details an die Oberfläche und inspiriert zu besserem und disziplinierterem Spiel. Seine grössten Stärken offenbart er für mein Dafürhalten im Bandkontext. Hier ist er angesichts seiner tendeziell mittigen Ausrichtung im Zusammenhang mit seiner wirkunsgvollen Klangregelung kaum zu toppen. Nochmal zur Erinnerung: Diese Aussage gilt für Blues, Jazz, Soul, Country, Funk, Classic Rock, Pop. Der Roots Player ist mit solchem Amp am Besten bedient. Überraschend hierbei ist, und dies gilt für alle besseren Tweed Amps dass sie sowohl Clean, als auch verzerrt punkten können. Mich erstaunt es immer wieder dass ausgerechnet simple Einkanaler eine solche Palette an Sounds und Anwendungsmöglichkeiten offerieren. Das Konzept wenige, aber hochwertige Bauteile zu verwenden geht voll auf.
Rein äusserlich transportiert der Amp das Flair der Fiveties in die Jetztzeit, wartet aber mit Features auf welche moderne Musiker an ihr Equipment stellen. Die Möglichkeit der Anpassung an unterschiedliche räumliche Gegebenheiten ( 15 oder 28 Watt ) verhilft diesem vermeintlich rudimentären Amp ins oberste Regal. Das schon erwähnte Reverb ist ein Kaufargument mehr, die PTP Verdrahtung das Sahnehäubchen. Die Verwendung von NOS Röhren brachte bei mir keinen so bemerkenswerten Vorsprung als dass ich mir diese teuren Schätzchen von der stärker verschleissenden Class A Schaltung verheizen liesse.
Toller Amp, welcher gemessen an den marktüblichen Boutiquepreisen unmissverständlich als Schnäppchen daherkommt! Pics liefere ich nach.....
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